Wärmebehandlung mittel- und hoch-phosphorhaltiger Nickel-Phosphor-Schichten ...

Oberflächen 10. 04. 2015

Wärmebehandlung mittel- und hoch-phosphorhaltiger Nickel-Phosphor-Schichten aus bleifreien Elektrolytsystemen

Daniel Meyer, Dominik Höhlich, Marc Pügner, Maximilian Sieber, Markus Müller, Daniela Nickel, Ingolf Scharf, Thomas Lampke, TU Chemnitz

Bei neuen Elektrolyten zur chemischen Abscheidung von Nickel-Phosphor wird auf die Verwendung von Blei und Cadmium als Stabilisator verzichtet. In umfangreichen Versuchen wurden Bearbeitungsparameter mit den daraus erzielten Schichteigenschaften ermittelt. Diese sind für den Anwender ein unverzichtbares Kriterium zum Einsatz beschichteter Bauteile.

Heat Treatment of Medium and High Phosphorus Content Nickel-Phosphorus Coatings from Lead-Free Electrolyte Systems

In the latest generation of electrolytes for electroless deposition of nickel-phosphorus coatings, the use of lead and cadmium as stabilisers has been avoided. Extensive work has now established the operating parameters required to achieve specific deposit properties. Such data are essential for those using such coated components.

Die Wärmebehandlung von chemisch abgeschiedenen Nickel-Phosphor-Schichten wurde bislang überwiegend für bleistabilisierte Elektrolyte betrachtet. Im Rahmen des Einsatzes von neuen, blei- und cadmiumfreien Elektrolytsystemen der dritten Generation bestand jedoch die Notwendigkeit, Ausscheidemechanismen und Schichteigenschaften über einen weiten Parameterbereich zu untersuchen und zu identifizieren. Nur so ist ein effektiver Einsatz der neuen Elektrolytsysteme in einem industriellen Rahmen möglich.

Die vielfältigen Einflussgrößen (Wärmebehandlungszeit und -temperatur, Phosphorgehalt, Elektrolytsystem) auf die Schicht­eigenschaften verlangen dabei nach einem Wärmebehandlungskatalog, der über die in DIN EN ISO 4527 gegebenen Anhaltspunkte für die Wärmebehandlung von chemisch abgeschiedenen Nickel-Phosphor-Schichten hinaus den Einfluss der genannten Parameter auf die Gebrauchs­eigenschaften der Schichten klassifiziert. Es wurden daher die Grundlagen für eine effiziente Wärmebehandlung von mittel- und hochphosphorhaltigen Schichten, hergestellt aus blei- und cadmiumfreien Elek-
trolytsystemen, erarbeitet. Dies erfolgte durch die Charakterisierung von Schichteigenschaften in Abhängigkeit von Elektrolyt und thermischer Nachbehandlung. Die durchgeführte Wärmebehandlungsmatrix ist in Tabelle 1 dargestellt. Auf diese Weise konnte die Wärmebehandlung unter Fertigungsbedingungen optimiert und ein detaillierter Wärmebehandlungskatalog zur reproduzierbaren Herstellung von Nickel-Phosphor-Schichten aus 945 Härte-Einzelmessungen mit 189 unterschiedlichen Parametersätzen aus insgesamt sieben repräsentativen kommerziellen Elektrolyten unterschiedlichen Phosphorgehalts entwickelt werden.

Aus den röntgenographischen Untersuchungen wurden Hinweise auf den Mechanismus der Ausscheidungshärtung während der Wärmebehandlung erhalten. Es sind nur die Phasen Ni3P und kristallines 

Nickel nachweisbar (Abb. 1). Weitere in der Literatur diskutierte Phasen (Ni2P, Ni5P2, Ni12P5, Ni7P3) sind folglich nicht enthalten. Die Untersuchungen zeigten, dass eine Kristallisation von Nickel für die weitere Ausscheidung von kristallinen NiP-Phasen als Initiator wirkt. Somit wurde ein grund­legendes Verständnis für den Mechanismus der Wärmebehandlung gewonnen.

Abb. 1: Die nach technisch relevanten Parametern durchgeführte Wärmebehandlung (Beispiel: 11,8±0,2 m-% P, 30 min, schwarz) lies keine metastabilen Zwischenphasen (Ni2P, Ni5P, Ni12P oder Ni17P3) erkennen; detektiert wurden einzig die Phasen Ni3P und kristallines Nickel (Rot: Ni3P, Blau: Ni)

 

Die Erforschung dieser Zusammenhänge stellt die Grundlage für industrielle Wärmebehandlungsprozesse dar. Aus den 189 Parametersätzen wurde mathematisch­ ein 4D-Modell (Härte, Phosphorgehalt, Wärmebehandlungszeit und -temperatur) erstellt. Die Interpolation der experimentellen Werte ergibt den in Abbildung 2 dargestellten Wärmebehandlungskatalog. Dieser besteht aus Konturplots von Härteverläufen bei verschiedenen Phosphorgehalten. Durch die angewandte mathematische Verfahrensweise kann dieser pauschalisierte Aussagen zur Führung einer Wärmebehandlung liefern.

        

Abb. 2: Konturplots der Härteverläufe (Martenshärte HM 0,1/30/30) infolge von Wärmebehandlungen bei verschiedenen Phosphorgehalten

 

Um die Aussagefähigkeit zu gewährleisten wurden keine Extrapolationen durchgeführt. In Abhängigkeit vom Phosphorgehalt der Schichten können durch die erzielten Ergebnisse nun Wärmebehandlungsregime für die Realisierung von definierten Schichteigenschaften ausgewählt werden. Auf diese Weise werden KMUs befähigt, Kundenanforderungen und Spezifikationen optimal in effizienten, reproduzierbaren Prozessen umzusetzen. Die Wärmebehandlung kann dabei auf spezifische Einsatzbedingungen des Bauteils angepasst werden.

Der Wärmebehandlungskatalog befähigt kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dazu, beispielsweise ein Wärmebehandlungsregime für maximale Schichthärte umzusetzen. Alternativ ermöglicht der Katalog auch die Auswahl von Parametern, die in vergleichsweise einfachen Wärme­behandlungsöfen mit örtlicher und zeitlicher Temperaturinhomogenität eine sichere Wärmebehandlung von Nickel-Phosphor-Schichten ermöglichen. Anhand des jeweiligen Anforderungsprofils kann zudem ein geeigneter Elektrolyt ausgewählt werden. Hier liegt ein weiterer Wettbewerbsvorteil für KMUs begründet, die durch ihre kleineren Behältergrößen Elektrolyte flexibler wechseln können.

Hinweis

Das IGF-Vorhaben (AiF-Nr.: 16736BR/1) der Forschungsvereinigung (Deutsche Gesellschaft für Galvano- und Oberflächentechnik e. V. - DGO) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

DOI: 10.7395/2015/Scharf4

 

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