Am 9. November fand die 16. Tagung des Instituts für Werkstoffe und Oberflächen, Aalen, e.V. , kurz IWO, statt. Das IWO ist der Förderverein des Studienganges Oberflächentechnologie / Neue Materialien (ehemals Oberflächentechnik und Werkstoffkunde)
Den Schwerpunkt der diesjährigen IWO-Tagung bildete die Galvanotechnik. Nach der Begrüßung durch Prof. Peter Kunz und den Dekan der Fakultät Maschinenbau / Werkstofftechnik, Prof. Günther, erläuterte der Studiendekan Prof. Borgmeier kurz die Neustrukturierung im Studiengang V. Danach übernahm Prof. Sörgel die Moderation des Vormittagsblocks.
Jürgen Meyer von der CCT GmbH berichtete im ersten Fachvortrag über galvanisch und chemisch abgeschiedene Dispersionsschichten. Dispersionsschichten stellen einen Werkstoffverbund dar, mit dem die Eigenschaften von Oberflächen in einem breiten Bereich den jeweiligen Anforderungen angepasst werden können. Damit können beispielsweise auf der selben Basis einer Oberfläche einmal gute Gleiteigenschaften verliehen werden und mit einem anderen Zusatzstoff eine hohe Reibung. Solche unterschiedlichen Eigenschaften besitzen unter anderem Nickelschichten mit PTFE-Einlagerungen oder Siliziumcarbid beziehungsweise Diamant.
Dr. Renate Freudenberger vom Forschungsinstitut Edelmetall und Metallchemie FEM erläuterte danach die Bedeutung der Galvanotechnik bei Brennstoffzellen. Für die Herstellung von Brennstoffzellen konnte auf verschiedene, bereits etablierte Technologien als Basis zurückgegriffen werden. Durch entsprechende Anpassung konnten neuartige Bauteile und Oberflächen hergestellte werden. So eignen sich die Kenntnisse aus der Mikrosystemtechnik zur Erzeugung von dreidimensionalen Mikrobauteilen für die Herstellung von Bipolarplatten, einem entscheidenden Element einer Brennstoffzelle. Besondere Vorteile zeigen galvanotechnische Methoden bei der Herstellung von Musterbauteilen bei den anfallenden Kosten. Dadurch wird es möglich, unterschiedliche Strukturen zu testen und durch Abformtechniken anschließend eine Urform mit geringem finanziellen Aufwand für die Massenproduktion zu fertigen. Die galvanische Abscheidung mittels pulsierenden Strömen ist in der Leiterplattentechnik seit langem zum Füllen von Microvias unerlässlich.
Durch Variation und Anpassung des Verfahrens und Kombination mit einer klassischen Edelmetallabscheidung lassen sich Bipolarplatten für Mikrobrennstoffzellen herstellen. Ferner bieten modifizierte Dispersionsabscheidungen oder Abscheidungen mit speziellen Elektrolyten und Verfahrensparametern die Möglichkeit, mit geringem Aufwand Nanopartikel an Oberflächen zu erzeugen, die katalytisches Verhalten besitzen. Durch solche Katalysatoren wird die Effizienz von Brennstoffzellen deutlich gesteigert. Prinzipiell ist die Brennstoffzellentechnologie ein Bereich, der stark auf die Vorteile von galvanischen Schichten und deren Möglichkeit zur Herstellung von Werkstoffverbunden bei sehr geringem Werkstoffeinsatz – hier geht der Blick vor allem auf die unverzichtbaren, aber teuren Edelmetalle – angewiesen ist.
Josef Linska von der MTU machte deutlich, wie wichtig die Galvanotechnik im Flugtriebwerksbau ist. Vor allem die hohen Leistungsdichten von Strahltriebwerken von Flugzeugen machen den Einsatz von sorgfältig ausgewählten Werkstoffverbunde unerlässlich. Hierzu werden sämtliche Beschichtungsverfahren, von thermischen Spritzschichten über CVD- und PVD-Schichten, bis hin zu den galvanischen- und chemischen Verfahren eingesetzt. Alle diese Verfahren werden im Unternehmen des Referenten angewandt, wie er mit Beispielen von zahlreichen Triebwerksbauteilen erläuterte. Hierbei nannte er besonders die hauseigenen Entwicklungen galvanischer Dispersionsschichten: Kobalt mit PTFE, Kobalt mit Chromoxid, Kobalt-Nickel mit Einlagerungen von CrAlY oder Nickel mit kubischem Bornitrid.
Näher erläuterte er die in Serie eingesetzten Dispersionsschichten aus Kobalt mit Chromoxidpartikeln und Nickel mit kubischem Bornitrid hinsichtlich ihrer Eigenschaften und Einsatzzwecke. Eine Kombinationsschicht aus Platin und Aluminium, hergestellt aus den zwei unterschiedlichen Beschichtungstechniken der galvanischen und CVD-Abscheidung, ist eine Hochtemperaturoxidationsschutzschicht für Turbinenschaufeln. Für die Flugzeuge der Zukunft finden aber auch klassische Verfahren mit Anpassungen Anwendung. So eignet sich eine galvanische Kupferschicht als Wärmeleitschicht beim Aufbau der Kühlstruktur eines Hyperschallantriebes.
Auch bei Hochleistungseinspritzsystemen sind Präzisionsschichten aus Chrom erforderlich, wie Dr. Helmut Schmidt, Robert Bosch GmbH, sehr anschaulich erklärte. Die Funktion von Einspritzventilen ist, komprimierten Kraftstoff in kleinsten Mengen und in extrem kurzer Zeit direkt oder indirekt in den Verbrennungsraum zu dosieren. Die Leistungsfähigkeit der Motoren und damit verbunden die Anforderungen an die Einspritzsysteme sind in den letzten Jahren extrem gestiegen. Entwicklungen wie die Benzindirekteinspritzung mit Drücken von 200 bar oder das Common-Rail-System im Dieselbereich mit über 2000 bar Einspritzdruck stellen gewaltige Herausforderungen an Material und Oberfläche.
Die hohen Anforderungen an die Chromschicht sind nötig, um eine exakte Zudosierung, um ein ideales Spraybild und damit eine vollständige Verbrennung zu erzielen, wozu unter anderem eine hohe Dynamik des Einspritzsystems erforderlich ist. Entscheidend für die Dynamik eines Magnetventils ist eine hohe und definierte Magnetkraft. Die Chromschicht erfüllt verschiedene Funktionen im Ventil: Sie ist magnetische Trennschicht, Dichtfläche, Schutz gegen hydraulisches Kleben und Schutz gegen Beschädigung aufgrund hoher Schlagkräfte. Die Chromschicht garantiert ein gleichbleibendes Einspritzverhalten über die Lebensdauer des Kraftfahrzeugs – was ungefähr einer Milliarde Schaltzyklen entspricht.
Dabei wurde die Technologie des Verchromens deutlich weiterentwickelt. Mit einem speziellen Strömungsreaktor, der gewissermaßen ein Negativ des zu beschichtenden Bauteils darstellt, wird das Bauteil positioniert. Angepasste Elektroden- und Blendentechnik bei eigener Stromregelung sorgen für ein optimales Beschichtungsergebnis. Umgesetzt ist diese Technik bei Ventilen mit höchsten Anforderungen an die Präzision sowie bei kleineren Stückzahlen bis zu 10 000 Teilen pro Arbeitstag und Fertigungslinie. Ein weiterer Vorteil der Technik liegt im geringen Upscaling-Risiko. Während in der Batch-Beschichtung beim Übergang von einzelnen Mustern in eine Serienfertigung ein hohes Risiko besteht, gibt es in der Reaktortechnik keine Änderung der Beschichtungszelle vom Prototyp bis zur Serienfertigung. Strömung und Stromführung sind identisch zur ersten Auslegung. Nur die Peripherie und die Anzahl der Reaktoren werden den Erfordernissen angepasst.
In einem für die Teile gefertigten Warenträger (Kassette) können die Teile mit hoher Präzision positioniert werden. Damit können eine hohe Packungsdichte und damit ein hoher Durchsatz erzielt werden. Mit dieser Technik werden bei Bosch 70 000 Ventile am Tag pro Fertigungslinie beschichtet. Die galvanische Beschichtungsanlage ist dabei so ausgeführt, dass sie in die mechanische Fertigung integriert werden konnte. Triebfeder ist die Verkürzung von Durchlaufzeiten und die Vermeidung von Logistikaufwand.
Den Abschluss des Galvanotechnikblocks machte Dr. Johannes Hermann von der Collini AG, der über die Optimierung von galvanischen Schichtsystemen bei Steckkontakten berichtete. Bei diesen sind einerseits geringste Kontaktwiderstände und andererseits hohe Beständigkeiten gegen Abrieb und Verschleiß gefragt. Erfüllt werden kann dies durch galvanisch abgeschiedene, speziell modifizierte Edelmetallschichten. Um zugleich die Materialkosten gering zu halten, werden die Beschichtungen nach Möglichkeit nur auf den eigentlichen Funktionsbereichen aufgebracht.
Am Nachmittag gab es noch einige Vorträge aus den anderen Bereichen des Studienganges. Der Rektor der Hochschule Aalen, Prof. Schneider, berichtete von der Arbeit aus seiner Forschungsgruppe, welche sich auf die Suche nach neuen Materialien für die Energietechnik begibt. Ebenfalls aus der Forschungsgruppe von Prof. Schneider ist David Schuller, der im Moment seinen Master macht. Sein Arbeitsgebiet ist die Synthese von Metall-Matrix-Verbundwerkstoffen für die Leistungselektronik. Nach einer kurzen Kaffeepause erklärte dann Dr. Volker Giese von BMW, wie komplex der Korrosionsschutz bei modernen Autos heutzutage ist. Zum Abschluss der Tagung durfte Prof. Kunz einen ehemaligen Absolventen des Studienganges begrüßen. Dr. Dirk Engelberg von der University of Manchester berichtete über die Korrosionsprobleme und die Untersuchung dieser an Behältern für die Atommüllendlagerung im Vereinigten Königreich.
Im Anschluss an die Tagung, wie auch in den Pausen, hatten die Referenten und die Studenten Gelegenheit, sich kennenzulernen. Vielleicht wurde auch schon über das ein oder andere Praktikum verhandelt oder über Abschlussarbeiten gesprochen. Denn eines stand nach den Vorträgen fest: Es gibt immer Bedarf an gut ausgebildeten Studenten und Absolventen. Dies wurde auch mehrfach von den Referenten betont. Ebenso bieten sich viele Möglichkeiten für eine Weiterqualifikation, zum Beispiel an der University of Manchester oder auch an der Hochschule Aalen.
Die nächste Tagung des Instituts für Werkstoffe und Oberflächen, Aalen e.V., findet im Juni 2013 statt. Zum 50-jährigen Jubiläum der Hochschule Aalen wird das IWO wieder eine zweitägige Veranstaltung planen.