Spitzencluster MicroTEC – Mikrosystemtechnik und Oberfläche 4.0

Oberflächen 08. 05. 2013
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Etwa 30 Teilnehmer waren der Einladung des MST BW und der i.con innovation GmbH zum interaktiven Workshop Oberfläche 4.0 am 8. März nach Karlsruhe gefolgt. Der Fachverband MST BW (Mikrosystemtechnik Baden-Württemberg e. V.) ist der zentrale Ansprechpartner für Mikrosystemtechnik in Baden-Württemberg; er wurde vom Land mit dem Management des Clusters MicroTEC Südwest beauftragt und begleitet und koordiniert den Strategieprozess des Spitzenclusters sowie alle Aktivitäten im Rahmen von MicroTEC Südwest. Mit dem interaktiven Workshop soll die Schnittstelle zwischen der Mikrosystemtechnik und den Oberflächentechnologien im Bereich Sensorik unterstützt werden und insbesondere die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren angestoßen werden.

Bettina Schrick, icon innovation GmbH, begrüßte die Teilnehmer im Karlsruher Institut für Technologie KIT und stellte den Spitzencluster MicroTEC Südwest vor. Der Cluster besteht derzeit aus 350 interdisziplinär agierenden Akteuren (Firmen, Institutionen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen) und verfügt dabei über die höchste Konzentration an Partnern aus der Mikrosystemtechnik. Dabei fällt auf, dass die Zahl der kleinen Unternehmen mit etwa 65 Prozent sehr hoch ist. Ziel des Clusters ist zum einen die Verbesserung der internationalen Markt- und Wettbewerbsposition. Im Blickpunkt sind dabei beispielsweise die Sensorik und die in-vitro-Diagnostik. Zum anderen sollen Kompetenzen und Innovationsprozesse ausgebaut werden. Vor allem die Initiierung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten wird angestrebt. Im Bereich der Medizintechnik wird derzeit beispielsweise an aktiven Mikroimplantaten gearbeitet, im Bereich Sensorik wird an der Entwicklung von ultradünnen Substraten oder funktionalisierenden Schichten sowie Schutzschichten geforscht. Die Inhalte und Ergebnisse des Spitzenclusters werden unter anderem auch im Rahmen der MicroTEC Südwest-Clusterkonferenz am 22. und 23. April in Stuttgart behandelt.

Im Rahmen der Impulsvorträge wurden Trends und Erfahrungen aus verschiedenen Technologiefeldern vorgestellt.

Dr. Uwe König, WeGaNet, i.con innovation GmbH, gab in seinem Beitrag einen Überblick über die Erfahrungen aus Entwicklungen der Oberflächenstrukturierung. Dabei betonte er, dass hier Unternehmen mit sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen an einem Tisch zusammenkommen. Vor allem die kleinen Unternehmen sind häufig stark in ihr Tagesgeschäft eingebunden und schaffen es nur mit Mühe, sich mit neuen Entwicklungen zu befassen. Ein Ansatz kann hier sein, bestehende Prozesse an neue Herausforderungen anzugleichen. Das Netzwerk WeGaNet mit derzeit 20 aktiven Mitgliedern und einem Projektbudget von acht Millionen Euro ist ein überregionales Netzwerk von vornehmlich kleinen und mittleren Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus dem gesamten Bundesgebiet. Sie haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam Forschungsaktivitäten im Bereich Galvano- und Oberflächentechnik zu starten. Unterschieden wird nach der Laufzeit der Clusterprojekte. Als kurzfristiger Ansatz wird zum Beispiel an passive Sensorik für die Oberflächenbeschichtung gedacht, mittelfristiges Ziel ist die Integration von intelligenten Funktionen.

Die Herausforderung des Verschleiß- und Korrosionsschutzes zählt zu den ureigenen­ Herausforderungen der klassischen Oberflächentechnik und Beschichtung. Ziel ist hier vor allem die Herstellung der wichtigen Eigenschaften über die gesamte Funktionsfläche eines Bauteils. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Eigenschaften der Oberflächenstruktur bekannt sein und diese Struktur dann gezielt herstellbar sein. Hierfür eignen sich beispielsweise aufgebrachte Schichten, die diese Funktion erfüllen. Eine weitere Anwendung liegt in Form der RFID-Strukturen vor, die jetzt auch in metallischer Form aufgebracht werden und Informationen über die Zusammensetzung oder den Aufbauprozess der Beschichtung liefern. Daraus lassen sich Erfahrungen über das Verhalten während der Lebensdauer gewinnen. Langfristig werden daraus Erfahrungen für die Entwicklungen neuer Produkte gewonnen.

Die elektrochemischen Arbeiten am Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) am KIT stellte Dr. Klaus Bade vor. Das IMT verfügt über annähernd 100 Mitarbeiter sowie etwa 20 Doktoranden und Studenten. Hergestellt werden bevorzugt dreidimensionale Mikrostrukturen mit hohem Aspektverhältnis unter Einsatz von entsprechenden aufwändigen Lithographietechnologien. Einsatz finden solche Produkte beispielsweise für Mikrospektrometer. Die Strukturen können aus Metall, Kunststoffen oder Keramik bestehen. Alle Produkte weisen in der Regel eine hohe Struktur auf, zum Beispiel können Stege mit 1 Mikrometer Breite und 100 Mikrometer Höhe produziert werden. Die Strukturen werden unter anderem durch die Galvanotechnik oder durch Ätzen erzeugt.

Für das Prägen von Polymeren, Glas oder Metallen wurden unterschiedliche Legierungen wie Nickel-Eisen oder Nickel-Wolfram untersucht. In diese Stoffe wurden Partikel eingebettet, die durch eine Wärme­behandlung in den Grundwerkstoff eingebracht werden und so die Festigkeit oder Härte steigern können. So lässt sich durch Einbringen von aluminiumhaltigen Partikeln und anschließender Wärmebehandlung­ Nickel-Aluminium mit einem Anteil von acht Prozent Aluminium herstellen. Da die Oberflächen solcher Strukturen in der Regel rau sind, werden Polierverfahren getestet, wie beispielweise das Elektropolieren. Als weitere Anwendung der Mikrosystemtechnologien stellte Dr. Bade einen Ein-Atom-Transistor vor.

Dr. Funk, MST BW, erläuterte Arbeiten zu dünnen Schichten, wie beispielsweise Antireflexschichten für die Optik. Generell werden Schichten mit Dicken von bis zu 1 Mikrometer als dünne Schichten bezeichnet. Als Herstellverfahren kommen hier bevorzugt PVD und CVD zum Einsatz. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eigenschaften solcher Schichten von den bekannten Stoff­eigenschaften mehr oder weniger abweichen können. Im Extremfall ergeben sich bei dünnen Schichten Quantenpunkte als Möglichkeit zur Steuerung der Farben von LEDs oder Nanotubes mit ungewöhnlichen elektrischen Eigenschaften. Ein Anwendungsbeispiel sehr dünner Schichten sind robuste Drucksensoren aus Siliziumcarbid für Motoren oder auch Rußpartikelfilter. Solche Sensoren besitzen eine sehr hohe Temperaturbeständigkeit.

Dr. Bastin Knabe, Fraunhofer IPM, Freiburg stellte optische Messtechniken für Oberflächen vor. Diese zeichnen sich durch einen einfachen Aufbau und schnelle Anwendung aus. Untersucht werden solche Verfahren unter anderem am Fraunhofer-­Institut für Physikalische Messtechnik (IPM) in Freiburg.

Die Infrarotspektroskopie beruht darauf, dass eine eingestrahlte IR-Strahlung je nach Art der Oberflächenbelegung unterschied­liche Mengen an Energie aufnimmt beziehungsweise reflektiert. Eine bildgebende Schichtidentifikation erfolgt unter Einsatz eines durchstimmbaren Lasers. Neben der Detektion von Öl wird das Verfahren auch zur Bestimmung von Sprengstoff verwendet. Die Fluoreszenzmessung arbeitet mit einem vergleichbaren Aufbau, allerdings einer anderen Art des Messsignals, da nicht der reflektierte Teil, sondern der absorbierte Teil als Messsignals dient, der eine Fluoreszenz auslöst. Dieses Fluoreszenzsignal wird analysiert. Aufgrund der höheren Signalstärke ist die Messdauer sehr kurz. Ein weiteres Verfahren ist die Holographie, die ebenfalls sehr schnell ist. Bei Einsatz unterschiedlicher Wellenlängen des Messstrahls kann auch die Ausrichtung in Z-Richtung von Oberflächen ermittelt werden. Auch hier ist ein Vorteil, dass eine großflächige Messung ohne großen Aufwand durchgeführt werden kann. Damit ist unter anderem eine 100-Prozent-Messung von Bau­teilen möglich.

Im letzten Vortrag gab Jochen Mösslein, Polysecure GmbH, Freiburg, einen Einblick in die Markierungstechnik von Produkten, wie sie beispielsweise zum Markenschutz eingesetzt wird, aber auch zur Trennung von Stoffen wie Glasfasern von PVC. Eines der neuesten Einsatzgebiete ist Keramik für Zahnersatz, mit dem gewährleistet wird, dass keine Schadstoffe in den Keramiken sind. Die Markerpartikel sind sehr temperaturstabil, bis etwa 2000 °C. Die Stoffe sind so ausgewählt, dass einerseits sehr geringe Mengen für die Bestimmung ausreichen, andererseits sehr charakteristische Fluoreszenzsignale als Merkmal vorliegen. Als Messverfahren wird XRF eingesetzt, das allerdings sehr kostenintensiv ist. Ein zweites Merkmal ist die zufällig entstehende Verteilung von Partikelgröße und Zusammensetzung der Materialien. Die Materialien werden hauptsächlich als Pulver eingesetzt, daneben gibt es aber auch Markertropfen zur Anwendung beispielsweise in Klebstoffen. Vor allem durch die Produktpiraterie hat der Einsatz der Stoffe eine hohe Nachfrage. Die festen Marker können unter anderem in Lacke, Farben oder Klebeschichten eingebracht werden. An derart behandelten Produkten lassen sich sehr einfach automatisierte Produktkontrollen durchführen.

Die Veranstaltung hat mit der Vorstellung verschiedener Verfahren der Oberflächenbehandlung und Beschichtung klar gezeigt, dass die Entwicklungs- und Einsatzmöglichlichkeiten neuer Oberflächentechniken nach wie vor ungebrochen sind. Erforderlich ist allerdings eine intensive Diskussion zwischen den unterschiedlichen Fachrichtungen und die Netzwerkbildung, wie sie die Veranstalter unterstützen.

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