Permanente Trennschichten mittels Atmosphärendruck-Plasmatechnik für die Kunststoffverarbeitung

Oberflächen 10. 12. 2013

Von T. Tölke, O. Beier, A. Pfuch und A. Schimanski, Jena

Bei der Kunststoffformgebung ist der Einsatz von Trennmitteln unabdingbar, um die Kunststoffteile möglichst leicht aus dem Formgebungswerkzeug lösen zu können. Stand der Technik sind derzeit der Zusatz interner Trennmittel zu den Rohstoffen, die Verwendung flüssiger Trennmittel zur Behandlung der Werkzeuge oder auch der Einsatz permanenter Trennschichten, die allerdings bisher nur im Niederdruckbereich erzeugt werden können. Solche permanenten Trennschichten können nun auch mittels Atmosphärendruck-Plasmatechnik abgeschieden werden, wobei verschiedene Varianten zu brauchbaren Ergebnissen führen.

Durable Anti-Adhesion Layers by Atmospheric Pressure Plasma Technology for Use in the Polymers Processing Industry

The use of release agents in the plastic moulding is essential in order to solve easily as possible the plastic parts from the moulding tool. State of the art are currently the addition of internal release agents to the raw material, the application of liquid release agents for the treatment of the tools or the use of permanent separation layers, which previously can be produced only in the low pressure range. Now such permanent anti-adhesion layers can be deposited by atmospheric pressure plasma technology as well. Two different technologies are showing good results.

1 Einleitung

Bei der Kunststoffverarbeitung werden zur Erzeugung verschiedener Geometrien die Kunststoffe mit Hilfe metallischer Werkzeuge im Formgebungsprozess verarbeitet. Um die Kunststoffteile nach der Formgebung möglichst leicht aus dem Werkzeug lösen zu können, sind Entformungshilfen notwendig. Diese können entweder als interne Trennmittel dem Kunststoff zugesetzt sein, was zu einer deutlichen Erhöhung der Rohstoffpreise führt, oder sie werden als flüssiges Trennmittel auf das Werkzeug aufgebracht. Nachteilig ist hier, dass die Trennwirkung von solchen flüssigen Trennmitteln nur ­vorübergehend ist, das heißt die Werkzeuge müssen in regelmäßigen Abständen wieder mit dem Trennmittel versehen werden. Weiterhin führt die Verwendung des Trennmittels dazu, dass dieses an der Bauteiloberfläche angelagert wird, wodurch sich häufig Probleme bei der weiteren Bearbeitung, zum Beispiel Verklebung oder Lackierung, ergeben.

Mit Hilfe der Atmosphärendruck-Plasmatechnik als Vorbehandlungsverfahren für die Formenoberflächen wurden bereits Verbesserungen bei der Applikation semipermanenter Trennmittel erreicht [1]. Die mit Hilfe des Atmosphärendruck-Plasmas aufgebrachten Schichten bewirkten eine Homogenisierung des Untergrundes und eine verbesserte Haftung des Trennmittels auf dem Substrat. Dadurch konnte die Beständigkeit der semipermanenten Trennmittel erhöht werden. Vorteilhaft wäre es jedoch, wenn das Trennmittel permanent auf dem Werkzeug aufgebracht werden könnte und so der Kunststoff trennmittelfrei bleiben kann.

Bereits vorhandene Entwicklungen von solchen permanenten Trennschichten sind bisher auf die Erzeugung der Schichten im Niederdruckbereich beschränkt [2]. Vorteilhaft wäre es jedoch, wenn die Schichten unter Atmosphärendruckbedingungen aufgebracht werden könnten. Dies spart zum einen die Anschaffungskosten für die Vakuumtechnik, zum anderen reduziert es die laufenden Kosten, weil deutlich weniger Energie notwendig ist.

2 AP-CVD

Die Trennschichten wurden mittels Atmosphärendruckplasma-CVD (AP-CVD) aufgebracht. Das Verfahren basiert auf einer Hochfrequenzentladung, die bei der hier verwendeten Anlage, Plasma Blaster MEF (Tigres Dr. Gerstenberg GmbH), im Inneren einer Düse gezündet wird und dort brennt. Mittels angelegter Druckluft als Prozessgas wird das Plasma aus der Düse zur Substratoberfläche herausgeführt. Mit Hilfe der Verdampfereinheit Pyrosil STS 10.0 (Sura Instruments GmbH) wird Hexamethyldi­siloxan (HMDSO) als siliziumhaltige Vorläufersubstanz zugeführt, durch das Plasma geleitet und dort entsprechend chemisch umgesetzt. In der Folge kann die Abscheidung schichtbildender Substanzen auf dem Substrat, in diesem Falle von SiOx, beobachtet werden. Zusätzlich ist die Eindosierung weiterer Substanzen möglich. Im konkreten Fall erfolgt die Zudosierung von Amino­alkylpolydimethylsiloxan, um die durch das HMDSO erzeugte SiOx-Schicht mit zusätzlichen organischen Anteilen anzureichern. Ein Schema der Anlage ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abb. 1: Schema der verwendeten AP-CVD-Anlage (links), Foto der Anlage (rechts)

Um flächige Beschichtungen realisieren zu können, ist die Anlage mit einer x-y-Verfahreinheit ausgestattet, welche es erlaubt, die Substrate relativ zur Plasmafackel zu bewegen.

3 Trennschichten mittels AP-CVD

3.1 Prinzipielle Herstellung

Für die Abscheidung der Trennschichten werden siliziumhaltige Precursoren genutzt. Zum einen wird HMDSO verwendet, welches standardmäßig als Ausgangsmaterial für die Herstellung von SiOx-Schichten dient. Weiterhin wird ein Aminoalkylpolydimethylsiloxan zudosiert, wodurch der organische Anteil in der Schicht gesteigert werden kann. Dies konnte durch IR-Messungen bestätigt werden, wie aus Abbildung 2 ersichtlich wird. In diesem beispielhaften Spektrum ist zunächst die signifikante Si-O-Si-Bandenstruktur bei 810 cm-1 und bei 1060 cm-1 zu sehen, die von der aufgebrachten SiOx-Beschichtung herrührt. Weiterhin wird aus dem Spektrum ersichtlich, dass insbesondere Methylgruppen, zu erkennen an der stark ausgeprägten Bandenstruktur, bei etwa 1260 cm-1 und bei etwa 2930 cm-1, in die Schicht eingebracht worden sind.

Abb. 2: Vergleich der IR-Spektren einer nur mit HMDSO und einer mit HMDSO + Aminoalkylpolydimethylsiloxan abgeschiedenen Schicht auf Siliziumwafer (aus [3])

Aufgrund der nun deutlich organikreicheren Schichtzusammensetzung ändert sich auch das Benetzungsverhalten der Schicht. Während eine reine HMDSO-Schicht eher hydrophil ist (10° bis 60°, je nach Abscheidebedingungen), werden die Schichten durch die Zugabe des Aminoalkylpolydimethylsiloxans stark hydrophob mit Kontaktwinkeln gegenüber Wasser von nahezu 100° (Abb. 3).

Abb. 3: Benetzung verschiedener Schichten: nur mit HMDSO abgeschieden (links und Mitte, je nach Parametern); mit HMDSO + Aminoalkylpolydimethylsiloxan abgeschieden (rechts) 

3.2 Ein-Schicht-Aufbau

Bei der ursprünglichen Schichtentwicklung handelt es sich um einen Ein-Schicht-Aufbau, das heißt auf die Werkzeugoberfläche wurde eine Schicht mit homogener Zusammensetzung abgeschieden. Die Zusammensetzung der Schicht entspricht der in Abbildung 2 für HMDSO + Aminoalkylpolydimethylsiloxan dargestellten. Die Schichtdicke liegt üblicherweise bei etwa 90 Nanometer bis 100 Nanometer.

Bei der Durchführung mechanischer Belastungstests nach ASTM D2486 hat sich gezeigt, dass die hergestellten Beschichtungen abriebstabil sind und sich der Kontaktwinkel dabei nicht ändert (mindestens bis 50 Zyklen). Mittlerweile wurden mit den Werkzeugen unter realitätskonformen Bedingungen Abformungen durch Heißprägeversuche mit Polymethylmethacrylat durchgeführt. Dabei sind bisher mehrere Hundert Abformungen erfolgreich realisiert worden, ohne dass PMMA-Rückstände auf den ­behandelten Oberflächen anhafteten.

3.3 Zwei-Schicht-Aufbau

Eine Weiterentwicklung der Antihaftschicht, insbesondere mit Blick auf eine weitere Verbesserung der mechanischen Stabilität der Beschichtung, resultierte in einem Zwei-Schicht-Aufbau, bei dem zunächst auf der Substratoberfläche eine nahezu organikfreie Haftschicht abgeschieden und darauf dann die organikhaltige Funktionsschicht aufgebracht wird. Die Dicke dieses Schichtaufbaus beträgt ebenfalls etwa 100 Nanometer, wobei die Haftschicht etwa 60 Nanometer und die Antihaftschicht etwa 40 Nanometer dick ist.

Mit diesem Schichtaufbau wurden Werkzeuge beschichtet, die in Labor-Spritzgussversuchen zur Abformung von Polycarbonatproben eingesetzt wurden. Nach 250 Abformzyklen wurde die Schichtdicke der auf das Werkzeug aufgebrachten Trennschicht im Vergleich zur Ausgangsschicht­dicke spektralellipsometrisch charakterisiert.­ Dabei konnte eine praktisch unerhebliche Schichtdickenabnahme von etwa 1 Nanometer festgestellt werden. Zudem zeigten sich an den Werkzeugen weder Anhaftungen von Polycarbonat noch Schichtablösungen des Trennschichtaufbaus. Bei der Untersuchung der abgespritzten Polycarbonatteile mittels ATR-FTIR waren keine Rückstände der Trennschicht nachweisbar.

Die Untersuchung der Schichten mittels Rasterelektronenmikroskopie zeigt, dass es sich um glatte Schichten handelt, wie in Abbildung 4 zu erkennen ist. Die Rauheit der Schichten konnte mittels Profilometer- und AFM-Messungen zu 7 Nanometer bis 10 Nanometer bestimmt werden.

Abb. 4: Oberfläche (links) und Bruchfläche eines Zwei-Schicht-Aufbaus (rechts) 

4 Zusammenfassung

Es ist möglich, mit Hilfe der Atmosphärendruck-Plasmatechnik haftfeste und abriebstabile Trennschichten für die Kunststoffformgebung auf metallischen Werkzeugoberflächen abzuscheiden. Die Verwendung von entsprechenden Freistrahlplasmaquellen erlaubt dabei auch die Beschichtung von 3D-Geometrien. Die Herstellung der Trennschichten kann sowohl durch einen Ein-Schicht- als auch durch einen Zwei-Schicht-Aufbau realisiert werden. In ersten praxisnahen Einsätzen konnte die Zweckmäßigkeit des Einsatzes der Trennschichten an der Abformung von PMMA und Polycarbonat gezeigt werden. Die geringe Rauheit der aufgebrachten Schichten macht diese Technologie auch für Applikationen interessant, bei denen eine hohe Konturentreue der abgeformten Bauteile gefordert ist.

Literatur

[1] T. Hädrich, A. Pfuch, O. Beier: Trennmittel für die Ausformung faserverstärkter Kunststoffe – Fortschritte durch die Formenoberflächenbehandlung mit Atmosphärendruckplasmen; Galvanotechnik 111 (2013)1, S. 190–198

[2] K. Vissing, M. Ott: Entformen leicht gemacht; Plastverarbeiter (2007)11, S. 76–77

[3] A. Pfuch, O. Beier, T. Tölke, K. Vogelsang, A. Schimanski: Atmosphärische Plasmen als Oberflächen-Tool; Maschinenbau Schweiz (2013)7, S. 28–31

DOI: 10.7395/2013/Toelke1

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