Sicher trocknen in der Medizintechnik

Werkstoffe 10. 05. 2014
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Die Medizintechnik ist eine breitgefächerte Industrie. Sicherheitsaspekte und Qualitätsansprüche sind hier von größter Bedeutung. Wird das große Ganze betrachtet, mag einem der Blick für kleine Prozessschritte unwichtig vorkommen. Doch die Praxis zeigt, dass auch noch so unscheinbar wirkende Abschnitte wie die Trocknung einen ganzen Fertigungsablauf behindern und die Prozesssicherheit gefährden können. Die Betrachtung einer alternativen Technologie.

Viele Anlagenverantwortliche im Bereich Medizintechnik kennen die konventionelle Heißlufttrocknung als langjährige Methode, um die gefertigten Produkte von ihrer Feuchtigkeit zu befreien. Nicht immer liefert sie die gewünschten Ergebnisse, aber manche Abläufe sind so fester Bestandteil des täglichen Arbeitens, dass sie nicht weiter hinterfragt werden. Diese Erfahrung macht der Trocknungsanlagenbauer Harter aus Stiefenhofen im Allgäu immer wieder.

Seit über zwei Jahrzehnten konzipiert und fertigt das inhabergeführte Unternehmen­ energiesparende Trocknungssysteme für viele unterschiedliche Industriefelder. Kondensationstrocknung nach dem Wärmepumpenprinzip – so betitelt der Hersteller sein eigens entwickeltes Verfahren, das Trocknungsprobleme löst und damit Prozesse verbessert. Jochen Schumacher, langjähriger Projektleiter und heutiger Vertriebsmitarbeiter bei Harter, erklärt: Für viele Betreiber ist der Vorgang der Trocknung kein eigenständiger Prozessabschnitt. Er läuft – salopp gesagt – einfach so nebenher. Qualitätseinbußen, Nacharbeit, zeitliche Engpässe würden in Kauf genommen. Dabei seien Verbesserungen in großem Maße möglich. Doch was hat es auf sich mit der Kondensationstrocknung und wie sieht ihre Erfolgsbilanz in der Praxis aus?

Das Verfahren der Kondensationstrocknung

Das sogenannte AIRGENEX®med-Trock­nungsverfahren trocknet Produkte bei niedrigen Temperaturen zwischen 20 °C und 90 °C, je nach Anwendung. Bei dem Verfahren wird extrem trockene und damit ungesättigte Luft über das Trocknungsgut geführt, die hierbei die Feuchtigkeit sehr ­effektiv aufnimmt. Der beladenen Luft wird anschließend in einem Entfeuchtungsmodul­ die gespeicherte Feuchte entzogen, indem sie auskondensiert und als Kondensat die Anlage verlässt. Anschließend wird die abgekühlte Luft wieder erwärmt und weitergeleitet. Der Kreislauf ist geschlossen.

Der Trocknungszyklus ist dadurch nahezu emissionsfrei. Das AIRGENEX®med-Modul, das für die Entfeuchtung der Luft zuständig ist, wird in die Trocknungsstation integriert. Ob es sich hierbei um ein kontinuierliches Verfahren oder einen Batchbetrieb handelt, spielt dabei keine Rolle. Die Trocknungskammer wird kundenspezifisch mit einem Umluftsystem mit individueller Luftführung ausgestattet. Nur durch das perfekte Zusammenspiel von Luftführung, Luftgeschwindigkeit und Volumenstrom wird die Kondensationstrocknung für das jeweilige Produkt zum Erfolg.

Implantate und Diagnostikinstrumente

Praxisbeispiele zeigen, dass bei der Herstellung von Implantaten, Diagnostikinstrumenten und anderem medizinischen Equipment die Kondensationstrocknung heute die hohen Qualitätsansprüche der Betreiber erfüllt (Titelbild). Die Trocknung findet in der Regel nach einer Oberflächenbehandlung oder nach einem Reinigungsprozess ihren Einsatz. Produkte mit geometrisch komplexen Formen – in der Regel Gestellware – können mit herkömmlichen Verfahren oft nicht in der vorgegebenen Taktzeit vollständig getrocknet werden. Mitunter werden Spülrückstände unter großem Aufwand mit Druckluft ausgeblasen.

Diese auch finanziell aufwendige Behandlung kann durch den Einsatz der Kondensationstrocknung ersetzt werden. Die Kondensationstrocknung im geschlossenen System verhilft im Normalfall zu einer Taktzeitverkürzung oder Abschaffung einer von mehreren Trocknungsstationen. In schwierigen Fällen wird eine spezielle Abblastechnik als Vorstufe der Trocknung eingesetzt. In jedem Fall werden die zu trocknenden Teile bei niedrigen Temperaturen – und somit schonend – getrocknet. Auch Probleme mit Flecken und Rückständen auf den Oberflächen werden dadurch vermieden.

Im Fall der Trommeltrocknung ist heute die Trocknung in Linie Stand der Technik. Durch den Einsatz der richtigen Entfeuchtungstechnologie in Kombination mit einer ausgeklügelten Zwangsluftführung kann komfortabel in Doppeltrommeltrocknern mit übereinander oder nebeneinander liegenden Trommeln getrocknet werden.

Injektionsnadeln und Kleinstrohre

Die Trocknung von Kleinstrohren und Röhrchen (Abb. 2), wie zum Beispiel von Injektionsnadeln im Bündel, ist eine große Herausforderung. Meterlange Nadeln werden nach dem Reinigen geschnitten und kommen anschließend in Bündeln in einen Trog, in dem sie, innen wie außen, vollständig getrocknet werden sollen. In diesem Fall müssen sehr hohe Luftmengen der extrem trockenen Luft um und vor allem durch die Röhrchen geleitet werden. Dies anlagentechnisch umzusetzen ist nach Aussage von Schumacher eine Spezialität von Harter. ­Zudem wird die Luftgeschwindigkeit individuell an die Rohrbündel angepasst. Mit dieser Technologie werden die Nadeln auch im Innern des Bündels vollständig getrocknet.

Abb. 2: Für die Trocknung von Kleinstrohren spielt eine exakte Luftführung eine bedeutende Rolle

Trocknung und Kühlung nach Sterilisation

Ein sensibles Thema ist die Trocknung und anschließende Kühlung nach dem Sterilisationsprozess bei der Herstellung von Infusionsbeuteln und -flaschen. Hier spielen eine exakt auf die Produkte eingestellte Trocknungstemperatur sowie sichere klimatische Verhältnisse im Trocken-Kühl-Raum eine wesentliche Rolle.

Durch den Einsatz der Kondensationstrocknung können mehrere tausend Infusionsflaschen auf Racks beziehungsweise Paletten in einem Trocknungstunnel gleichmäßig getrocknet und gekühlt werden. Dies wiederum ist nur durch eine bis ins Detail ausgefeilte Luftführung möglich, die der Hersteller für jeden einzelnen Fall konzipiert und umsetzt. Auch bei der Förderung der Beutel auf einem Band werden die Luftführung und die Luftgeschwindigkeit so angepasst, dass eine homogene Trocknung gewährleistet ist. Die Leistungsstärke des Entfeuchtungsmoduls wiederum wird so gewählt, dass die zeitlichen und qualitativen Vorgaben eingehalten werden können (Abb. 3).

Abb. 3: Speziell angepasstes Luftkanalsystem zwischen Trocken-Kühl-Tunnel und Entfeuchtungsmodul und eine Isolierung der Rohrleitungen, die unnötige Wärmeverluste verhindert

Bei anderen Projekten ist der Prozessablauf anders, das heißt die Trocknung der Infusionsbeutel findet nach der Vereinzelung statt. Die Infusionsbeutel werden durch Roboter vereinzelt und auf Förderbändern platziert. Auf dem Weg zu den Prüf- beziehungsweise Verpackungsplätzen wurde hier ein Trocknungstunnel in Linie integriert. In diesen Fällen werden die Trägerwannen nicht mitgetrocknet (Abb. 4). Weitere Projekte mit Vials, Ampullen und verblisterten Spritzen wurden ebenso umgesetzt.

Abb. 4: In-Linie integrierter Durchlauftrockner

Sicherheit durch Versuche

Die Auslegung des Umluftsystems im Trockner (Abb. 5) wird in der Regel über Versuchstrocknungen bei Harter ermittelt. Diese Vorgehensweise ist sinnvoll, um sowohl die Trocknungseigenschaften eines Produkts zu bestimmen als auch den Einsatz der Entfeuchtungstechnik exakt zu spezifizieren.

Abb. 5: Beispiel einer Luftführung in einer Trocknungskammer 

Fazit

Die Kondensationstrocknung auf Wärmepumpenbasis weist für den Betreiber eine Vielzahl an Vorteilen auf. Zeiteinsparungen erhöhen die Wirtschaftlichkeit einer Anlagentechnik. Die variable Temperatureinstellung bei der Trocknung verhindert eine unerwünschte Produkterhitzung. Unnötiger Ausschuss wird vermieden und Kühl­zonen sind nur selten notwendig. Durch die Trocknung im geschlossenen System werden Prozesse von den Jahreszeiten und ­damit unterschiedlichen Klimaverhältnissen in Fertigungshallen unabhängig.

Durch die Wärmerückgewinnung im geschlossenen System, in dem vorhandene Abwärme genutzt wird, werden Betriebskosten gesenkt. Durch geringe Anschlusswerte der energiearmen AIRGENEX®med-Aggregate ergeben sich zusätzliche Kosteneinsparungen, die in der Regel zwischen 50 und 75 Prozent liegen können. Die Werte hängen natürlich stark davon ab, welche Technologie der Betreiber vorher im Einsatz hatte und mit welcher Energieart diese betrieben wurde. Die Einsparungen an CO2-Emissionen liegen durch den sparsamen elektrischen Betrieb im vergleichbaren Bereich.

Diese Entwicklung aus dem Hause Harter sorgt für höchste Effizienz beim Trocknungsvorgang. Mit dieser Trocknungstechnologie wird ein ökonomisch sowie ökologisch sinnvoller Kreislauf geschlossen. Ein Vorteil, den immer mehr Unternehmen sowohl in betriebswirtschaftlicher Hinsicht als auch als Marketingvorteil zu schätzen wissen.

Harter Oberflächen- und
Umwelttechnik GmbH
Harbatshofen 50, D-88167 Stiefenhofen

 

Text zum Titelbild: Vollständige Trocknung von anspruchsvollen Geometrien am Beispiel von Diagnostikinstrumenten

 

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