Ammoniakfreie Palladium- und Palladium-Nickel-Elektrolyte für elektrische Kontakte

Oberflächen 10. 05. 2014

Von Friedrich Talgner, Umicore Galvanotechnik GmbH, Schwäbisch Gmünd

Für eine Vielzahl von elektrischen Kontakten werden überwiegend galvanische Beschichtungen mit Gold als Endoberfläche eingesetzt. Ausgelöst durch die stark steigenden Goldpreise rücken kostengünstigere, alternative Edelmetallschichten oder Schichtsysteme zum Beispiel mit Palladium und Palladium-Nickel immer mehr in den Fokus. Die Palladiumabscheidung findet überwiegend aus ammoniak­haltigen Elektrolyten statt. Aus Arbeits- und Umweltschutzgründen wird bereits seit Langem eine Reduzierung oder im besten Fall eine vollständige Eliminierung der Ammoniakbelastung angestrebt. Ammoniumfreie Reinpalladium- und Palladium-Nickel-Elektrolyte eignen sich insbesondere für die kontinuierliche Bandbeschichtung zur Hochgeschwindigkeitsabscheidung und für die Selektivtechnik. Darüber hinaus kommen die Schichten als Ersatz für Hart- oder Feingoldschichten in Betracht. Zudem erlauben die neuen Arbeits­parameter der ammoniakfreien Systeme die selektive Beschichtung mit Fotomasken, wie zum Beispiel in der Leiterplattentechnik, und können dort sowohl Kontakt- als auch Bondoberflächen ersetzen.

Ammoniafree Palladium- and Palladium-Nickel-Electrolytes for Electrical Contacts

A wide range of electrical contacts utilize electroplated gold coatings as a final finish layer. Due to the strongly increasing gold price alternative cost saving materials or multilayer systems comprising of palladium or palladium-nickel are on the focus. Palladium deposition is mostly dedicated to the use of ammonia containing electrolytes. According to personnel safety regulations and environmental reasons a deduction or elimination of the ammonia exposure is recommended. Ammoniafree pure palladium and palladium-nickel electrolytes are used for a variety of applications in the electronic industry. Especially the use of this technology for high-speed deposition and selective reel-to-reel plating will be discussed. Additionally the suitability of the layers such as replacement for hard or pure gold is a topic. Due to the new working parameters of such ammoniafree system also selective plating with photomasks for PCB applications is feasible and could replace as well contact- and bondable coatings.

1 Einführung

In der elektrischen Aufbau- und Verbindungstechnik (AVT) spielen Edelmetalle eine große Rolle. Sie sind nicht wegzudenken, wenn es um eine sichere Kontaktierung oder eine zuverlässige Übertragung von elektrischen Signalen und Daten geht.

Galvanische Beschichtungen mit Feingold oder Hartgold werden aufgrund ihrer positiven Eigenschaften als Standardoberflächen für die Aufbau- und Verbindungstechnik verwendet: Gold und Goldlegierungen besitzen eine hervorragende Anlauf- und Korrosionsbeständigkeit und können deshalb auch in der Schwachstromtechnik bei Halbleiter- und Mikroelektronik, bis hin zur Leiterplatten-, Leadframe- und Steckverbinderindustrie verwendet werden [1].

Aufgrund des hohen Goldpreises machen sich Anwender jedoch immer häufiger auf die Suche nach Alternativen. So rücken galvanische Endoberflächen mit Reinpalladium plus Goldflash oder Palladium-Nickel plus Goldflash immer mehr in den Fokus der Betrachtung [2].

2 Eigenschaften von Palladium- und Palladium-Nickel-Schichten

Palladiumschichten werden Nachteile aufgrund von negativen Eigenschaften wie der Brown-Powder-Effekt und die Neigung zur Reibkorrosion zugeschrieben [2]. Beim Brown-Powder-Effekt werden durch die katalytische Wirkung vom Palladium Kohlenstoffverbindungen an der Oberfläche adsorbiert und angereichert. Durch die Zulegierung von Nickel verliert sich diese katalytische Wirkung des Palladiums, wodurch sich die Nachteile weitgehend beseitigen lassen.

Grundsätzlich wird auf Palladium und Palladium-Nickel mit einer Flashgold-Beschichtung gearbeitet, um vergleichbare Langzeitergebnisse wie mit Hartgold zu erzielen. Die Goldbeschichtung reduziert beim Reinpalladium die katalytische Wirkung und wird als Löt- und Bondhilfe benötigt. Bei Palladium-Nickel fungiert die Goldbeschichtung als Festschmierstoff und sorgt für einen langlebigen und stabilen Übergangswiderstand.

Im Vergleich zu Gold hat Palladium eine um etwa 40 % reduzierte spezifische Dichte. In Verbindung mit gleicher oder sogar etwas besserer Abriebbeständigkeit und reduzierter Schichtdicke führt dies zu einem erheblichen Kostenvorteil des Palladiums.

Doch die klassischen und marktüblichen Reinpalladium- oder Palladium-Nickel-Elektrolyte sind zwar günstiger, basieren jedoch nach wie vor meist auf ammoniakalischen Palladiumkomplexen und enthalten neben Ammoniak auch Sulfat und teilweise Chlorid [3]. Aus Arbeits- und Umweltschutzgründen wird deshalb bereits seit Langem eine Reduzierung oder im besten Fall eine vollständige Eliminierung der Ammoniakbelastung angestrebt.

2.1 Bandbeschichtung mit Palladium-Nickel

Bei bereits am Markt bekannten, ammoniakfreien Palladium-Nickel-Elektrolyten ist eine deutliche Abhängigkeit der abgeschiedenen Legierung von der Stromdichte festgestellt worden [3, 4]. Insbesondere bei der Bandbeschichtung treten beispielsweise durch stark abweichende Stanzgeometrie oder bei häufigen Produktwechseln erhebliche Abweichungen der lokalen Stromdichte auf. In der Folge kann es zu unerwünschten Schwankungen oder einer ungleichen Verteilung der Legierungszusammensetzung im Funktionsbereich des elektrischen Kontaktes kommen.

Je nach Einsatz bedingen hohe Qualitätsansprüche der Kunden und der gleichzeitige Kostendruck bei den abgeschiedenen Schichten eine maximal zulässige Legierungsschwankung von 80 ± 5 % Palladium einzuhalten. Unter Produktionsbedingungen ist deshalb ein Beschichtungsprozess mit stabiler Legierungszusammensetzung und breitem Arbeitsbereich erwünscht.

2.1.1 Vergleich der Schichtstrukturen der Elektrolytsysteme

Im Rahmen der Entwicklung des ammoniakfreien Palladium-Nickel-Elektrolytsystems wurde ein Vergleich mit einem bestehenden, konventionellen ammoniumhaltigen System durchgeführt. Unter anderem wurden die abgeschiedenen Schichten per FIB-Schnitt und REM untersucht und die Schichtstruktur analysiert.

Beide Elektrolytsysteme lieferten eine qualitativ gleichwertige, feinkörnig abgeschiedene Schichtstruktur bei weitgehend gleicher Korngröße (Abb. 1, Titelbild: Vergleich der Schichtstruktur aus einem ammoniumhaltigen und einem ammoniumfreien System; FiB-Schnitt durch die Schicht (Vergrößerung 20 000x)).

2.1.2 Konstante Legierungszusammensetzung

Palluna ACF-100 ist ein Elektrolyt, der speziell für die Hochgeschwindigkeitsabscheidung in Bandanlagen entwickelt wurde. Es handelt sich um ein komplett ammoniak- und chloridfreies System. Der Elektrolyt wird in allen verfügbaren Selektivtechnologien zur Beschichtung von gestanzten Kontakten oder Stanzgittern weltweit eingesetzt. Einen umfassenden Überblick über die Hochgeschwindigkeitsabscheidung und selektive Beschichtungstechnologie findet sich unter [5].

Untersuchungen in Strömungszellen zeigen den Arbeitsbereich des Elektrolyten unter Standardbedingungen und bestätigen eine konstante Legierungszusammensetzung, selbst bei hohen Abscheidungsgeschwindigkeiten und höchsten Stromdichten (Abb. 2). In der Praxis wird die konstante Legierungszusammensetzung von Anwendern bestätigt; Anpassungen an bestehende Anlagen und geforderte Abscheidungsgeschwindigkeiten sind unkompliziert.

Abb. 2: Der Jetlab-Test zeigt konstante Legierungszusammensetzung

2.1.3 Konstante Schichtqualität durch Elektrolytwartung und -pflege

Galvanische Elektrolyte, als elektrochemisches System sind durch eine auftretende Alterung und mögliche Änderungen der Abscheidungscharakteristika gekennzeichnet. Dies kann möglicherweise auch zu Änderungen der Schichteigenschaften führen. Ziel ist es, diese Alterungserscheinungen zugunsten einer konstanten Schichtqualität und durch eine geeignete Elektrolytpflege unter Kontrolle zu halten.

Bei der Abscheidung von Palladium-Nickel ist für die Schichtqualität, neben der korrekten Legierungszusammensetzung, die Gewährleistung der Duktilität ein wichtiger Faktor. Untersuchungen und Praxisergebnisse zeigen bei abfallender Bruchdehnung der abgeschiedenen Schichten die Entstehung von Mikrorissen in den Überzügen.

Im Fall des Elektrolyten Palluna ACF-100 wurden beschichtete Produktionsteile mit fortlaufendem Elektrolytalter entnommen und im Querschnitt mit FIB/REM untersucht. Sämtliche in die Untersuchung einbezogenen Elektrolyte wurden gemäß Herstellervorgaben regelmäßig gewartet. In Abbildung 3 ist der FIB-Querschnitt einer abgeschiedenen Palladium-Nickel-Schicht eines Elektrolyten mit 4 MTO Belastung und einem Elektrolyten mit 21 MTO (entspricht circa 85 kg abgeschiedenes Palladium bei circa 260 Liter Elektrolytvolumen) im Vergleich zu sehen. Beide Schichten sind frei von Mikrorissen und es sind keine Unterschiede in der Schichtmorphologie erkennbar.

Abb. 3: Vergleich der PdNi-Textur von Schichten aus Abscheidungen auf Produktionsteilen

2.2 Elektrolyt zur Leiterplattenbeschichtung

Analog zur Forderung nach Kosteneinsparung im Bandbeschichtungsbereich sind auch die Leiterplatten- und Substrathersteller sehr an Alternativen interessiert.

Da Palladium-Nickel mit Flashgold als Ersatz für Hartgold bekannt ist [6], wurde immer wieder die Forderung laut, solche Schichtsysteme auch im Leiterplattenbereich einzusetzen. Bisher konnten ammoniakhaltige Palladium- oder Palladium-Nickel-Elektrolyte aufgrund des erhöhten pH-Werts nicht verwendet werden, da der erhöhte Wert eine Unverträglichkeit mit dem Galvanoresist zur Folge hat.

Die ammoniumfreien ACF-Elektrolyte, mit einem pH-Bereich < 6 eröffnen hier neue Möglichkeiten und zeigten auf Anhieb auch eine gute Verträglichkeit mit Trocken­resisten.

Das System Palluna ACF-200 erfüllt diese Voraussetzung. Es ist ammoniak- und chloridfrei und die Arbeitsbedingungen sind an die Leiterplattenanwendungen mit niedrigen Stromdichten und reduzierter Elek­trolytanströmung angepasst. Auch hier ist eine ausgezeichnete und konstante Legierungszusammensetzung über das Arbeitsfenster festzustellen (Abb. 4).

Abb. 4: Palladium-Nickel für die Leiterplattenbeschichtung; angegeben ist der Einfluss der Stromdichte auf die Nickelkonzentration in der Legierung

2.2.1 Abriebbeständigkeit im Vergleich zu Hartgold

Bezugnehmend auf den Hartgoldersatz durch PdNi20 mit Gold-Flash wurden grundlegende, vergleichende Untersuchungen der Abriebbeständigkeit mit einem Stift-Scheibe-Tribometer (5000 Reibzyklen) durchgeführt. Die erhaltenen Reibspuren wurden mikroskopisch vermessen und zusätzlich mit einem Perthometer hinsichtlich Oberflächenrauheit quer zur Reibspur ausgewertet.

Die Breiten der Reibspuren auf den Prüflingen waren annähernd gleich, das Ergebnis zeigt aber eine deutlich stärker aufgeraute Hartgoldoberfläche gegenüber der nur leicht angegriffenen Palladium-Nickel-Oberfläche (Abb. 5).

Abb. 5: Palladium-Nickel mit guter Abriebbeständigkeit 

2.2.2 Bondbarkeit von Palladium- und Palladium-Nickel-Schichten

Zur Erschließung weiterer Anwendungs­bereiche wurde eine umfassende Gegenüberstellung mit Untersuchungen der Löt- und Drahtbondbarkeit von Palladium- und Palladium-Nickel-Beschichtungen durch­geführt. Zusätzlich wurde noch der Einfluss von unterschiedlichen Fein- und Hartgoldprozessen als Flash-Beschichtung getestet.

Es wurden Bonduntersuchungen nach Alterung (155 °C, 4 h) entsprechend der DVS-Spezifikation ausgeführt und der nachfolgende Abzugstest ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen sowohl mit 50 nm Palladium-Nickel als auch mit 50 nm Reinpalladium ein stabiles Bondfenster und gute Bondbarkeit. Sämtliche Prüflinge waren mit 50 nm Fein- oder Hartgoldflash beschichtet (Abb. 6).

Abb. 6: Auswertung des Drahtbond-Abzugstestes (Bond Pulltest) nach Auslagerung

3 Zusammenfassung

Palladium hat im Vergleich zu Gold deutliche Kostenvorteile (spezifische Dichte, Schichtdicke, Metallpreis). Es gibt langjährige Produktionserfahrungen mit ammoniumfreien Palladium-Nickel-Elektrolyten. Die Prozesse haben eine herausragende Legierungskonstanz und Langzeitstabilität.

Aufgrund des niedrigen pH-Bereichs werden Anwendungen auf Leiterplatten mit Galvanoresisten ermöglicht. Zudem erlauben Palladium-Nickel-Oberflächen den Einsatz für Löt- und Bondanwendungen und nicht zuletzt unterstützen ammoniakfreie Elektrolytsysteme den Arbeits- und Umweltschutz.

Literatur

[1] Bernd Endres: Edelmetallbeschichtungen für die Elektronik; Galvanotechnik (2006)

[2] Franz Simon: Palladium-Nickel statt Gold, Metalloberfläche (1999)1, S. 30

[3] Sascha Berger et al.: Neuer ammoniak- und chloridfreier Palladium-Nickel-Elektrolyt für High-Speed-Anwendungen; Galvanotechnik (2009)10, S. 2208

[4] W. Zhang: Palladium-Nickel-Elektrolyt mit geringem Ammoniakgehalt für die Hochgeschwindigkeitsabscheidung von Kontaktelementen – einjährige industrielle Praxiserfahrung; Galvanotechnik (2009)5, S. 1041

[5] P. Wingenfeld: Selektive Hochgeschwindigkeitsabscheidung von Edelmetallen auf Bandanlagen, Teile 1 bis 6; Galvanotechnik (2003)11 bis (2004)4

[6] Milenko Braunovic et al.: Electrical Contacts; Taylor & Francis Group, (2007), S. 109

Kontakt

E-Mail: friedrich.talgner@eu.umicore.com

DOI: 10.7395/2014/Talgner1

 

 

 

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