Oberflächentechnik für die Praktiker von morgen

Oberflächen 10. 07. 2014
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Bericht über eine Veranstaltung an der Hochschule Aalen für Technik und Wirtschaft HTW

Die ersten Aalener Oberflächentage 2014 fanden am 22. und 23. Mai an der Hochschule Aalen statt. Die Veranstaltung wurde gemeinsam vom Institut für Werkstoffe und Oberflächen Aalen e. V. (IWO e. V.), dem Netzwerk Funktionale Oberflächen (fotec) sowie dem Studiengang Oberflächentechnologie/Neue Materialien der Hochschule Aalen ausgerichtet. Trotz der sehr warmen Sommertemperaturen fanden sich mehr als 200 Studenten und 60 Industrievertreter sowie zehn Aussteller an der Hochschule Aalen ein. Die Besucher hatten die Möglichkeit, zwei separate Vortragsprogramme mit insgesamt 24 Vorträgen zu besuchen, welche sich aus der alljährlich stattfindenden Jahrestagung des IWO e. V. und Vorträgen im Rahmen des Innovationsforums fotec zusammensetzten. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch interessante Ausstellungsstände von Unternehmen und einer studentischen Posterausstellung von ­aktuellen Forschungsaktivitäten des Studiengangs.

Die Aalener Oberflächentage begannen mit einer Begrüßung durch den Landrat des Ostalbkreises, Klaus Pavel, der den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg mit Schwerpunkt Ostwürttemberg und dessen wirtschaftliche Bedeutung hervorhob. Im Anschluss stellte Prof. Julia Möckel, Prorektorin der Hochschule Aalen, die Hochschule sowie deren Studienschwerpunkte zum Thema Oberflächentechnik und Werkstoffe vor. Prof. Peter Kunz zeigte hinsichtlich des 20-jährigen Bestehens des Instituts für Werkstoffe und Oberflächen Aalen e. V. eine Bilderpräsentation, in der er die Beweggründe zur Entstehung des Vereins und dessen Eckpunkte der letzten 20 Jahre darstellte. Er erläuterte, wie sich der IWO e. V. in den letzten fünf Jahren zu einem Alumni- und Förderverein gewandelt hat und welche Aufgaben IWO in den kommenden Jahren angehen möchte.

Beschichtung und Oberflächenbehandlung in der Praxis

Im großem Vortragsblock Oberflächentech­nik wurden Themen, wie zum Beispiel die Vor- und Nachteile serientechnischer Fertigung von chemisch abgeschiedenen Nickelschichten mit Dispersionspartikeln oder die maßgeschneiderten Eigenschaften dünn abgeschiedener Schichten auf mikrostrukturierten Oberflächen und deren mögliche Anwendungen diskutiert. Weitere Themen waren dünne Schichten, wie die neuen Hightech-Kohlenstoffschichten und deren neue Anwendungsfelder sowie neue CVD-Beschichtungsmethoden zur Beschichtung von Bauteilen mit komplexen Geometrien­ und Innenoberflächen. Die klassischen etablierten Oberflächenschichten, wie beispielsweise das Feuerverzinken und deren leistungsfähiger Korrosionsschutz für eine Vielzahl von Anwendungen, wurden ebenso­ diskutiert wie die Applikationsverfahren für thermische Spritzschichten und deren Anwendungsfelder und Schichteigenschaften.

  

Ein neuer Themenblock in diesem Jahr war die Laserbearbeitung von Oberflächen. Die Zuhörer wurden über die unterschiedlich­sten Methoden der Lasermaterialbearbeitung informiert. Mit punktuellen Beispielen aus den Bereichen des Laserschweißens und -härtens von Guss- und Stahlwerkstoffen, der Herstellung von laserbasierten strukturierten Oberflächen sowie der Integrierung von Laseroberflächenbearbeitung in der Serienfertigung wurden diese Möglichkeiten untermauert.

In zwei kleineren Themenblöcken, Werkstoffkunde und Oberflächenreinigung, wurden aktuelle Erkenntnisse vorgestellt, etwa das Härtungsverhalten von Stählen mittels iXRD oder die spannende Bearbeitung von CFK-Bauteilen für die Luftfahrt- und Automobilindustrie. Auch neue Plasmaverfahren in der Kunststoffverarbeitung zum Reinigen, Aktivieren und Beschichten sowie neue Impulstechnologien der Feinstreinigungskonzepte für die optische Industrie waren Themen dieser Vortragsblöcke.

Der erste Veranstaltungstag endete mit einem gemütlichen Beisammensein mit kulinarischem Verwöhnprogramm. Hier hatten die Teilnehmer die Möglichkeit zu intensiven Diskussionen und zur Kontaktaufnahme mit den Referenten und Ausstellern.

Die Vortragsthemen sind nachfolgend kurz zusammengefasst.

Funktionale Oberflächen

Unter funktionellen Oberflächeneigenschaften, wie sie Marko Lietzke von der AHC Oberflächentechnik vorstellte, sind beispielsweise Verschleiß- und Korrosionsschutz zu verstehen. Diese werden bei Aluminiumlegierungen unter anderem durch anodische Oxidschichten realisiert. Je nach Parameter können so verschiedene Eigenschaften eingestellt werden. Eine andere Möglichkeit der funktionellen Beschichtung bietet die chemische Vernickelung, welche konturgetreue Nickel-Phosphor-Überzüge bildet.

Iridiumschichten

Elektrochemisch hergestellte Iridiumschichten und deren Anwendungspotenziale waren Thema von Christian Grieger und Prof. Dr. rer. nat. Frank Köster, Hochschule Mittweida. Eine Möglichkeit, das Oberflächenspektrum zu erweitern, ist der Einsatz von bisher wenig beachteten Elementen des Periodensystems, wie dies für Iridium der Fall ist. Die bisherigen Ergebnisse zeigen eine gute Prozesssicherheit und Haftfestigkeit. Die Verschleißraten der Schichten sind sehr gering. Die Schichten eignen sich für den Sensorbereich, zum Beispiel für die der pH-Messung.

Feuerverzinken

Das Feuerverzinken als leistungsfähiger Korrosionsschutz für vielfache Anwendungen stand im Mittelpunkt des Vortrags von Dietmar Hildebrandt, Institut Feuerverzinken GmbH. Der Vortrag gab einen Überblick über aktuelle Entwicklungen im Korrosionsschutz von Stahlteilen durch die Stückverzinkung. Hildebrandt erläuterte aktuelle­ Normen und Regelwerke bezüglich der Dauer­haftigkeit und Umweltrelevanz. Das breite Anwendungsspektrum der Feuerverzinkung stellte er ebenso dar wie die Problematik von Kurzzeitkorrosionstests.

Dünnschichttechnik

Till Merkel von der Wieland Werke AG befasste sich mit der CVD-Dünnschichttechnik zur Bauteilbeschichtung für komplexe Geometrien und Innenoberflächen. Das atmosphärische CVD-Verfahren WICOATEC erlaubt eine Beschichtung mittels Siliziumdioxid auf nahezu allen Oberflächen aus Metall und Mischsubstraten. Die Schicht kommt zum Beispiel im Korrosionsschutz oder als Antifoulingschicht zum Einsatz. Auch als Diffusionbarriere findet sie Verwendung. Die Schichten sind kompakt und gleichmäßig, temperatur- und korrosionsbeständig sowie elektrisch isolierend.

Easy-to-clean mit Kobinationsmöglichkeiten

In ihrem Vortrag zum Thema Schaltbarkeit als neue Funktion auf Klarlacken, Textilien und Folien stellte Petra Uhlmann, Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V.,
die Möglichkeit vor, die Oberflächeneigenschaft Selbstreinigung mit einer weiteren Funktion wie beispielsweise die Schaltbarkeit zu koppeln. Hierzu wurden Polymerbürstenschichten eingesetzt. Die Referentin zeigte die Anwendungsmöglichkeiten und die technische Umsetzung.

Neue Wege bei der Reinigung

Ein neues Oberflächen- und Feinstreinigungskonzept für Mechanikbauteile in der optischen Industrie setzt nach Ansicht von Frank Neidhart und Heike Sperling, Carl Zeiss Jena GmbH, Maßstäbe. Der Beitrag zeigte auf, wie die bestehenden Oberflächenverfahren sich zunächst auf die gestiegenen Anforderungen der Branchen angepasst haben. Ausführlich wurde dann darauf eingegangen, wie die Umsetzung des Feinstreinigungskonzepts in mehreren Schritten erfolgte.

Mikrostrukturtechnik

Maßgeschneiderte Eigenschaften dünner Schichten durch Verwendung mikrostrukturierter Substrate war das Thema einer Gemeinschaftsarbeit von J. Albrecht, C. Erhardt, B. Hader, M. Huber, B. Schuster und T. Sörgel von der Hochschule Aalen. Die Kombination von vakuumgestützten und elektrochemischen Methoden erlaubt es, dünne, vorwiegend metallische Schicht­systeme zu erzeugen. Durch vorbehandelte­ Substrate (Smart substrates) sollen beispielsweise die optischen und elektrischen Eigenschaften der Schichten gezielt beeinflusst werden.

Thermische Spritzschichten

Dr. Alexander Barth, Sulzer Metco AG, befasste sich in seinem Vortrag mit der Technologie des thermischen Spritzens – Grundlagen und Anwendungen. Barth gab einen Überblick über die Beschichtungsverfahren, welche unter dem Begriff thermisches Spritzen zusammengefasst sind. Er schilderte die Eigenschaften der so erzeugten Schichten sowie die Anwendungen, ebenso die neuesten Entwicklungen hinsichtlich Verfahren und Materialien.

Laserbearbeitung

Eine Verfahrenstechnik mit hohem Entwicklungspotenzial ist die Lasermaterialbearbeitung für die Oberflächentechnik, die Prof. Harald Riegel, Hochschule Aalen, vorstellte. Eine Gruppierung der diversen Verfahren der Lasermaterialbearbeitung wurde dargestellt. Dies sind das Abtragen und Strukturieren, das Beschriften und die Oberflächenbehandlung durch Laserstrahlung. Prof. Riegel gab einen Überblick über die verschiedenen Verfahren; anhand von Applikationsbeispielen wurden die einzelnen Verfahren detailliert beschrieben und erläutert.

Laserschweißen – Laserhärten

Das Laserschweißen und -härten von Guss- und Stahlwerkstoffen war Thema der Arbeit­ von Christian Elsner und Dr. Andreas­ Bünting, Laserzentrum PWT Daimler AG. Die Bedeutung des Laserschweißens von verschiedenen Materialkombinationen mit beschränkter Schweißbarkeit in der Auto­mobilindustrie wurde hervorgehoben. Neue Prozesse und deren Möglich­keiten bieten viele Vorteile, beispielsweise im Leichtbau oder in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit. Der Wechsel von CO2-Lasern auf die Solid State Laser-Technologie eröffnet viele neue Wege beim Laserschweißen.

Härten

Die Ermittlung des Härtungsverhaltens von Stählen mittels iXRD haben sich A. Kopp, T. Bernthaler, G. Schneider, Hochschule Aalen, Institut für Materialforschung, D. Schmid, DSeTec GmbH & Co. KG, München und R. Stabenow, GE Sensing & Inspection Technologies GmbH, Ahrensburg, zur Aufgabe gemacht. Eine neue und effiziente Methode zur temperaturabhängigen Bestimmung von Phasenumwandlungen im Festkörper wurde am Beispiel von Stählen (z. B. 100Cr6) vorgestellt. Hierzu wurde ein weltweit einzigartiges Hochtemperatur­diffraktometer eingesetzt, das temperatur­abhängige Diffraktogramme von Kristallstrukturen im Sekundentakt liefern kann. Mithilfe von vergleichenden mikroskopischen Untersuchungen wurde ein Bezug zu dem Gefüge hergestellt.

CFK-Bearbeitung

Untersuchungen zum tribologischen Verhalten von spanenden Werkzeugen bei der Berabeitung von kohlefaserverstärkten Kunststoffen stellte die Arbeitsgruppe aus Lisa Weissmayer, Dieter Meinhard, Andreas Häger, Andreas Ockert, Simon Gaugel, Prithvi Sripathy, Timo Bernthaler, Volker Knoblauch und Gerhard Schneider von der Hochschule Aalen, Institut für Materialforschung, in ihrem Beitrag mit dem Titel spannende Bearbeitung von CFK-Bauteilen für die Luftfahrt- und Automobilindustrie mit Hartmetallwerkzeugen vor.

Abwassertechnik

Nina Bögelein von der C. H. Erbslöh GmbH & Co. KG befasste sich in ihrem Vortrag mit der Reinigung industrieller Abwässer. Sie stellte die unterschiedlichen Einteilungen der industriellen Abwässer und deren erfolgreiche Entgiftung mit Techniken und Chemikalien vor. Zudem erläuterte Nina Bögelein Vor- und Nachteile der derzeit eingesetzten Chemikalien und Techniken, die sie an Beispielen veranschaulichte.

Grundlagen der Strömung

Charakterisierung einer mikrogravimetrischen Strömungszelle zum Studium transportabhängiger Reaktionen der Metallabscheidung war Titel des Vortrags von S. Hahn, A. Kilian und C. Donner, Atotech Deutschland GmbH, sowie A. Bund, Technische Universität Ilmenau. Durch die Kombination einer Strömungszelle und einer Quarzmikrowaage können transportabhängige Metallabscheidungen untersucht werden, bei gleichzeitiger in situ-Messung der Schichtdickenänderung. Die Optimierung der Zelle wurde mithilfe von computer­gestützten Simulationen durchgeführt. Als wichtige technische Anwendung wurde die autokatalytische Nickel-Phosphor-Abscheidung untersucht.

Prüfen und Messen

Markus Biess von der Elcometer Instruments GmbH gab mit seinem Vortrag einen Einblick in das digitale Datenmanagement bei der Inspektion von Beschichtungen. Heutzutage wird zunehmend die komplette Dokumentation von allen vorgenommenen­ Inspektionen verlangt. Um diesen Mehr-
aufwand zu bewerkstelligen, kann modernes Datenmanagement hilfreich sein. Biess stellte eine Software vor, die dem Anwender neue Möglichkeiten eröffnet.

In einem weiteren Beitrag zur Thematik erläuterte Sebastian Schilling, Fischerwerke­ GmbH & Co. KG, digitale Möglichkeiten zur Unterstützung von Schadensanalysen­ (Open-Source), mit denen unter anderem­ die Korrosionsanalyse durch entsprechende­ Software verbessert wird. Durch eine systematische Abfrage wird aus einer umfangreichen Datenbank eine Schadenshypothese erstellt. Zusätzlich werden Vermeidungsstrategien und mögliche Werkstoffalternativen bereitgestellt.

Matthias Sorg

 
 

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