Neues organisches Halbleiter-Material aus Kiel
Forschenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist es erstmals gelungen, organisches Zinn in ein halbleitendes Polymer einzubauen. Dadurch kann der Kunststoff Licht über einen weiten Bereich des Sonnenspektrums absorbieren. Das könnte organische Solarzellen viel effektiver machen. Das neue Material stellen Projektleiterin Professorin Anne Staubitz und ihr Doktorand Julian Linshöft in der renommierten Fachzeitschrift Angewandte Chemie vor.
In Gegensatz zu elektrischen Leitern wie Metallen sind Halbleiter Stoffe, die den Strom nur unter gewissen Umständen leiten, wie zum Beispiel bei Bestrahlung durch Licht. Diese Eigenschaft macht halbleitende Kunststoffe, auch halbleitende Polymere genannt, zu äußerst vielversprechenden Materialien für die jüngste Generation von Solarzellen, den organischen Solarzellen. Gegenüber den klassischen anorganischen Varianten können diese günstiger hergestellt werden. Außerdem sind diese Polymere auch sehr leicht, was bei vielen Anwendungen, beispielsweise im Transportwesen, vorteilhaft ist. Trotzdem erreichen organische Solarzellen noch nicht die gleiche Effizienz wie anorganische Solarzellen auf Siliziumbasis, sodass hier noch ein großer Forschungsbedarf besteht, wie Anne Staubitz vom Otto-Diels-Institut zu ihrem Forschungsthema bemerkt.
Ein wichtiges Kriterium dieser Halbleiter ist, wie gut sie das Licht der Sonne absorbieren können, um es in elektrischen Strom umzuwandeln. Bei der Umwandlung werden in den organischen Halbleitern zunächst Elektronen von einem Energieniveau in ein höher liegendes angehoben und lassen ein Loch zurück, das positiv geladen ist. Dann werden die Ladungen getrennt zu den unterschiedlichen Polen geleitet: Strom fließt. Sonnenlicht regt diesen Prozess an. Je enger die beiden Energieniveaus beieinander liegen, umso leichter geschieht das; mehr Photonen können absorbiert und damit mehr Sonnenenergie genutzt werden. Polymere, bei denen die Lücke zwischen den Energieniveaus klein ist, haben eine rote, in seltenen Fällen sogar eine violette Farbe.
Ein Ziel der organischen Halbleiterforschung ist es daher, organische Polymere mit kleinen Energieabständen herzustellen. Solche stark absorbierenden, tief gefärbten Kunststoffe zu entwickeln ist allerdings schwierig und daher aktuell ein besonders aktiver Forschungszweig. Das neue Material aus den Laboren des Instituts lässt sich nach Aussage von Staubitz bereits mit bloßem Auge erkennen. Tiefviolett erscheint das Polymer in Lösung und nahezu schwarz als dünner Film.
Um möglichst kleine Energieabstände zu erzielen, gingen die Kieler Forscher einen neuen Weg in der Chemie. In eine Kohlenstoff-Polymerkette bauten sie organisches Zinn in ringförmigen Zyklen ein, die Stannole genannt werden. Zinn gehört der selben chemischen Gruppe wie Kohlenstoff an und ähnelt ihm deshalb in einigen Eigenschaften. Elektronisch unterscheiden sich Stannole und die entsprechenden Kohlenstoffverbindungen (Cyclopentadiene) jedoch stark. Zinn ist nach den Worten von Anne Staubitz nicht einfach nur ein besonders dickes Kohlenstoffatom. Es kann die hohen Energieniveaus in seinen organischen Verbindungen massiv herabsetzen. Bis jetzt hatte es aber noch niemand geschafft, diese besonderen Eigenschaften des Zinns in polymeren Materialien zu nutzen.
Insbesondere die Verknüpfung der einzelnen molekularen Bauteile (sogenannte Monomere) zu langen Polymerketten bereitete den Forschenden Schwierigkeiten. Diese Monomere enthielten nämlich nicht nur das gewünschte Zinn in den Stannoleinheiten selbst; organisches Zinn war auch in reaktiven Kupplungsgruppen, die zur Verknüpfung der Monomere zum Polymer benötigt wurden, vorhanden. Nur diese Gruppen sollten zur Reaktion gebracht werden. Die Stannolringe hingegen durften nicht angegriffen werden, weil jede unerwünschte Nebenreaktion zu einer dramatischen Verkürzung der Polymerlänge führt, was einen deutlichen Qualitätsverlust des Polymers verursacht. Mit dem Projekt ist das Team um Anne Staubitz ein hohes Risiko eingegangen, denn Kupplungsreaktionen, die Zinn zielgerichtet auswählen, waren in der Chemie bislang unbekannt. Doktorand Julian Linshöft musste also nicht nur eine hochselektive, sondern eine höchstselektive Kreuzkupplungsreaktion entwickeln. Die erste Schwierigkeit lag darin, die richtigen Reaktivitäten für die monomeren Vorstufen zu finden, erinnert sich Linshöft, dessen Promotion von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert wurde. Dazu gab es noch keine Anhaltspunkte in der Literatur.
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Das Experiment gelang. Unter Einsatz von Palladium als Reaktionsbeschleuniger stellte das Team den gewünschten Kunststoff her. Das Material lässt sich sehr leicht zu dünnen Filmen verarbeiten, die schwarz glänzend sind und deren Anwendungen nun
in organischen Solarzellen getestet werden können. Nach Auskunft von Linshöft besteht nun eine Möglichkeit, diese neuen halbleitenden Kunststoffe herzustellen. Die volle Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten wird sich in der nahen Zukunft zeigen.
Originalpublikation
Julian Linshoeft, Evan J. Baum, Andreas Hussain, Paul J. Gates, Christian Näther and Anne Staubitz. Highly Tin Selective Stille Coupling: Synthesis of a Polymer Containing a Stannole in the Main Chain. Angewandte Chemie, DOI: 10.1002/anie.201407377
Kontakt
Prof. Dr. Anne Staubitz, Dipl.-Chem. Julian Linshöft; Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Otto Diels-Institut für Organische Chemie
astaubitz@oc.uni-kiel.de;
jlinshoeft@oc.uni-kiel.de