Dünnschicht- und Plasmatechnik mit hohem Potenzial
Oberflächencharakterisierung von Biomaterialien mithilfe des Zetapotenzials
Die Eigenschaften der Materialoberfläche sind ausschlaggebend für die Anwendbarkeit eines Materials in biomedizinischen Anwendungen. Neben mikroskopischen und spektroskopischen Methoden kommt auch der Messung des Zetapotenzials als Methode zur Oberflächencharakterisierung eine immer stärkere Bedeutung in der Biomaterialforschung zu. Mit der Messung des Zetapotenzials befassten sich Bastian Arlt und Christine Onitsch.
Das Zetapotenzial beschreibt die Ladungsverteilung an der Grenzfläche des Materials zu einer Elektrolytlösung. Durch die Dissoziation von Oberflächengruppen beziehungsweise durch die Adsorption von Ionen bilden sich an der Materialoberfläche Ladungen aus, die beim Überströmen mit einer Elektrolytlösung abgeschert werden und ein Strömungspotenzial hervorrufen. Die Strömungspotenzialmethode ermöglicht aus diesem Grund auch die Untersuchung von Adsorptionsprozessen von beispielsweise Proteinen, Tensiden oder Polyelektrolyten an technischen Oberflächen in Echtzeit.
Am Beispiel einer Hämodialysemembran wurde erläutert, wie Oberflächenmodifikationen zur Verbesserung der Biokompatibilität mithilfe des Zetapotenzials nachgewiesen werden können. Als zweites Beispiel wurde die Adsorptionskinetik von Rinderserumalbumin auf Implantatmaterial mit nachfolgender Charakterisierung der adsorbierten Albuminschicht angeführt.
Die Bestimmung des Ladungsverhaltens an der Grenzfläche zwischen Festkörper und der umgebenden Elektrolytlösung ist eine empfindliche Methode zur Charakterisierung der Oberflächenchemie eines Festkörpers. Modifikationen an der Material-oberfläche bewirken eine Änderung der Oberflächenladung, was sich in einer Änderung des Zetapotenzials bemerkbar macht.
Das Zetapotenzial makroskopischer Festkörperoberflächen wird aus Messungen des Strömungspotenzials oder des Strömungsstroms berechnet. Durch eine durch Anlegen von Druck bedingte Verschiebung der elektrischen Ladungsverteilung an der Grenzfläche zwischen Festkörper und umgebender Elektrolytlösung resultiert ein Strömungspotenzial an der Grenzfläche fest/flüssig. Das Zetapotenzial zeigt dabei einen proportionalen Zusammenhang zwischen Strömungspotenzial und angelegtem Druck. Darüber hinaus besitzt es eine Abhängigkeit vom pH Wert.
Ultrafiltrationsmembrane aus Polysulfon (PSU) werden, angeordnet als Hohlfaserbündel, zur Hämodialyse eingesetzt. Um die Biokompatibilität der Membrane zu verbessern und somit die Membrane für diese Anwendung vorzubereiten, bedarf es Modifikationen der inneren Oberfläche, beispielsweise durch Carboxylierung und in weiterer Folge Immobilisierung biologisch aktiver Stoffe.
Neben der Charakterisierung der Oberfläche von Implantatmaterial, wie zum Beispiel Titan, trägt auch die Untersuchung von Wechselwirkungen von Proteinen, wie Albumin in physiologischer Lösung, mit der Titanoberfläche zur Entwicklung von Implantantmaterialien bei. Nach Adsorption von Albumin an der Materialoberfläche verschiebt sich der isoelektrische Punkt in beiden Fällen zum isoelektrischen Punkt von Albumin, wodurch die vollständige Bedeckung der Probenoberfläche durch Albumin nachgewiesen wird.
Das Zetapotenzial eignet sich wie dargelegt für die Untersuchung von Adsorptions- und Desorptionsprozessen, von zum Beispiel Proteinen an Implantatmaterialien in Echtzeit und in Gegenwart physiologischer Lösungen.
Plasma-Zell-Interaktion
Kerstin Horn, Andreas Pfuch, Cornelia Wiegand und Oliver Beier befassten sich mit der Wirkung verschiedener Atmosphärendruckplasmen auf Bakterien und Pilze. Neben den technischen Anwendungen von Atmosphärendruckplasmen spielen Jet-Plasmaquellen auch im medizinischen und medizintechnischen Bereich eine wachsende Rolle. In den letzten Jahren wurden Untersuchungen zur Wechselwirkung von verschiedenen Atmosphärendruckplasmen mit unterschiedlichen Zelllinien durchgeführt, um die Möglichkeit dermatologischer Applikationen besser einschätzen zu können. Die Quellen unterscheiden sich in der Art der Plasmaanregung, -leistung, dem verwendeten Arbeitsgas und dem Gasdurchfluss. Damit ergeben sich spezifische Charakteristiken der resultierenden OES-Spektren und der Plasmatemperaturen im Plasma-Jet und auf den Zellen. Wesentliche Wirkkomponenten von kalten Plasmen sind reaktive Stickstoff- und Sauerstoffspezies, UV-Strahlung und elektrische Felder.
Versuche mit gram-positiven (Staphylococcus aureus) und gram-negativen (Pseudomonas aeruginosa) Bakterien und Candida albicans als Vertreter der Hefepilze zeigen eine eindeutige Abhängigkeit der bakteriziden Wirkung von der verwendeten Plasmaquelle. Auffallend sind auch die Unterschiede in der Wirkung der Plasma-Jets auf die verschiedenen Bakterien. Dabei ist die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sehr gut. Ziel von weiterführenden Arbeiten sind detaillierte Analysen zum bakteriziden Verhalten der Jet-Plasmen auf Mikroorganismen bei gleichzeitiger minimierter toxischer Wirkung auf menschliche Hautzellen zum Einsatz der Plasmen in der Dermatologie. Dabei werden auch neue Quellenentwicklungen gemäß der im Juni 2014 erschienenen DIN SPEC 91315 getestet.
Verkapselungen für intelligente Implantate
Für die Therapie- und Diagnoseverfahren neuronaler Erkrankungen werden vermehrt elektrisch aktive Implantate entwickelt und klinisch getestet, wie beispielsweise Netzhautimplantate zur Wiederherstellung von Sehvermögen und Hirnimplantate zur invasiven Epilepsiediagnostik. Untersuchungen hierzu wurden von Volker Bucher, René von Metzen,Michael Weinmann, Wilfried Nisch, Gerald Urban und Alfred Stett (NMI Reutlingen, Hochschule Furtwangen und Uni Freiburg) durchgeführt. Hier wird an der Entwicklung von hochkomplexen intelligenten Mikroimplantaten geforscht, in denen miniaturisierte Sensorik-, Aktorik- und Signalverarbeitungskomponenten integriert sind. Aufgrund der für diese Anwendungen erforderlichen Miniaturisierung und mechanisch flexiblen Bauformen müssen flexible und diffusionsdichte Verkapselungsschichtsysteme entwickelt werden, die ein Eindringen von Körperflüssigkeit in Elektronikkomponenten, die mit Gleichspannung betrieben werden, und damit den Ausfall der Mikroimplantate durch Korrosion verhindern.
Die Herausforderung ist hier, Schichtsysteme zu finden, die quasi hermetisch dicht sind, wie beispielsweise das Metallgehäuse eines Herzschrittmachers, im Gegensatz dazu aber mechanisch flexibel und dünn sein müssen. Darüber hinaus muss die Verkapselungsschicht biokompatibel und biostabil sein. Einen Lösungsansatz bietet ein neu entwickeltes Verfahren, welches durch eine geeignete Wahl und Kombination von biokompatiblen Polymeren (Polyimid, Parylen) und anorganischen Wasserdampfbarriereschichten die Herstellung einer flexiblen und langzeitstabilen Verkapselungsschicht erlaubt. Die anorganischen Barriereschichten werden über PVD-Sputtern beziehungsweise PECVD-Prozesse abgeschieden. Als Polymere werden Polyimid und Parylene eingesetzt. Polyimide kommen bei der Verkapselung von Neuroimplantaten bereits zum Einsatz. Parylen besitzt sehr gute elektrische Isolationseigenschaften, da es defektfrei aufwächst. Es wird über einen Kombinationsprozess aus Dampfabscheidung und Polymerisation hergestellt, weist eine hohe Spaltgängigkeit auf und kann dadurch kleinste Poren in anderen Schichtmaterialien schließen. Durch ein Mehrlagenkonzept können Defekte in der anorganischen Schicht ausgeglichen werden.
Die Dichtigkeit der realisierten Verkapselungsschichtsysteme wurde mit einem am NMI entwickelten Permeationsmessgerät getestet. Die besten Verkapselungsschichten zeigten eine Wasserdampfdurchlässigkeit (WVTR) von 9,0 · 10-4 g/m2d. Das entspricht einer Verbesserung der Barrierewirkung gegenüber reinem polymeren Polyimidsubstrat um den Faktor 5000.
Verschleißminderung bei Implantatwerkstoffen
Rigo Peters, Paul Oldorf, Stefanie Reichel, Robert Wendlandt und Arndt P. Schulz (SLV Mecklenburg-Vorpommern GmbH und Universitätsklinikum Schleswig-Holstein) befassten sich mit der Oberflächenbehandlung durch Laserpulsen, um die Verschleißbeständigkeit von Werkstoffen für Implantate zu erhöhen. Dies soll die relativ häufig auftretenden Schädigungen von künstlichen Hüftgelenken durch Abrieb und die dadurch erforderlichen Revisionen vermeiden. Um das Ziel einer reproduzierbaren und prozesssicheren Oberflächenbearbeitung zu erreichen, wurden mit ultrakurzen Laserpulsen feine Vertiefungen auf den Oberflächen erzeugt. Die Mikrostrukturen sollen zum einen das Auffangen der den Dreikörperverschleiß induzierenden Abriebpartikel gewährleisten, zum anderen eine bessere Anhaftung des tribologisch wertvollen Schmierfilms ermöglichen. Das eingesetzte Lasersystem mit einer mittleren Ausgangsleistung von 50 W und einer Grundwellenlänge von 1030 nm ermöglichte eine maximale Repetitionsrate von 400 kHz bei Pulsdauern von 6 ps. Die Steuerung des Laserstrahls erfolgte mithilfe einer hochpräzise Fünf-Achs-Mikrobearbeitungsanlage.
Im Rahmen von Parameterstudien und Ring-on-Disc-Vorversuchen konnte nachgewiesen werden, dass die Mikrostrukturen auf artikulierenden metallischen und keramischen Probekörpern Abriebpartikel aufnehmen können und zu einer Reduzierung des abriebbedingten Verschleißes führen. Die Minderung der mikrostrukturierten keramischen Probenoberflächen im Vergleich zur glatten Oberfläche lag bei annähernd 70 Prozent. Numerische Simulationen der strömungsmechanischen Vorgänge im Schmierspalt einer Hüftendoprothese ergaben zudem einen Anstieg der dynamischen Viskosität in den Vertiefungen, was zu einem verbesserten Austausch der hochviskosen Synovia aus den Vertiefungen in den Schmierspalt führt.
Im Weiteren werden die Mikrostrukturen optimiert, mit Ring-on-Disc-Verfahren geprüft und anschließend mittels Fünf-Achs-Simultanbearbeitung auf Endoprothesenköpfe übertragen. Die Proben werden im Hüftsimulator in Langzeittest bezüglich der Verschleißreduzierung untersucht.
Oberflächen mit antimikrobieller Funktionalisierung
Die permanente antimikrobielle Ausrüstung von Oberflächen gewinnt zunehmend an medizinischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Derartige antimikrobiell wirksame Oberflächen eröffnen vielfältige Einsatzmöglichkeiten bei häuslichen Anwendungen, vor allem aber in klinischen oder lebensmittelverarbeitenden Bereichen. Für eine haltbare Oberflächenbeschichtung kommen verschiedene Metalle beziehungsweise Metalloxide zum Einsatz. Neben Silber, einem seit Jahrhunderten bekannten Antiseptikum, werden zunehmend auch Kupfer und Zink eingesetzt. Zinkoxid zeigt dabei eine selektive antimikrobielle Aktivität gegen gram-positive und gram-negative Bakterien verbunden mit einer guten Verträglichkeit gegenüber humanen Zellen. Im Rahmen einer Untersuchung, an der Michael Zieger, Cornelia Wiegand, Antje Krahmer, Monika Weiser, Claudia Rode, Ralf Wyrwa und Uta-Christina Hipler (Klinik für Hautkrankheiten – Universitätsklinikum Jena, Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland e. V. und Innovent e. V.) beteiligt waren, wurde die antimikrobielle Wirksamkeit von silberfreien, mit Zinkoxid funktionalisierten Oberflächen entsprechend JIS L 1902: 2002 gegenüber verschiedenen Testkeimen untersucht.
Die Probematerialien wurden im direkten Kontakt mit den Testkeimen (gram-positiven Bakterien Staphylococcus aureus (ATCC 6538) und Staphylococcus epidermidis (DSM 1798), gram-negativen Bakterien Klebsiella pneumoniae (ATCC 4352) und Pseudomonas aeruginosa (DSM 1117), Hefen Candida albicans (DSM 1386) und Candida glabrata (DSM 11226), Dermatophyt Trichophyton rubrum (10K70), Schimmelpilz Aspergillus fumi-gatus (DSM 819)) untersucht. Als textiles Material entsprechend JIS L 1902: 2002 wurde Polyester als Kontrolle eingesetzt. Bei der eingesetzten Kontakttestung werden die Keime in direkten Kontakt gebracht und zusammen mit einem Inokulum der jeweiligen Testkeime unter definierten Bedingungen inkubiert. Die quantitative Evaluierung der antimikrobiellen Wirksamkeit der Proben gegenüber den einzelnen Testkeimen erfolgt mittels Keimzahlbestimmung.
Für die mit Zinkoxid ausgerüsteten textilen Materialien wurde eine starke antibakterielle Wirksamkeit gegen die untersuchten gram-positiven und gram-negativen Bakterien gefunden. Die Probematerialien zeigten darüber hinaus auch eine antimikrobielle Wirksamkeit gegen die untersuchten eukaryotischen Hefen Candida albicans und Candida glabrata sowie den Schimmel-pilz Aspergillus fumigatus. Gegen den Dermatophyten Trichophyton rubrum waren die untersuchten Materialien nicht wirksam. Eine Ausrüstung von Textilien mit Zinkoxid führt damit zu einer breiten antimikrobiellen Wirksamkeit gegenüber pro- und eukaryotischen Mikroorganismen im direkten Kontakt.