Reinigen allein genügt nicht

Oberflächen 10. 12. 2014
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Von Dipl.-Ing. Matthias Böning, Reutlingen

Die steigenden Qualitätsanforderungen bei der Herstellung von modernen Produkten haben den Blick auf die Sauberkeit der Einzelteile zu einem wichtigen Aspekt der Produktion werden lassen. Dabei sind zunächst Punkte wie Verschmutzungsquellen oder der notwendige Grad der Sauberkeit zu betrachten. Schließlich muss neben einem optimalen Reinigungsverfahren auch der Transport der gereinigten Teile innerhalb der Prozesskette berücksichtigt werden.

Cleaning alone is not enough

Thanks to a growing emphasis on product quality, the cleanliness of individual components has become increasingly important in manufacturing production. In this context, issues such as the source(s) of contamination and the required degree of cleanliness are important. Last but not least, having selected an optimal cleaning process, consideration must be given to the storage and handling of such cleaned components during manufacture to avoid their re-contamination.

Die Forderung, dass Bauteile nur noch ein definiertes Maß an partikulärer und filmischer Restverschmutzung aufweisen dürfen, steht heute in fast jedem Lastenheft. Bauteilesauberkeit ist ein entscheidendes Qualitätsmerkmal und die Teilereinigung ist inzwischen in vielen Fällen zu einem unverzichtbaren Bestandteil in der industriellen Fertigungskette geworden. Um den Anforderungen gerecht zu werden, suchen viele Anwender ihre Lösung in immer besser angepassten Reinigungsanlagen. Was nicht ganz falsch, aber längst nicht ausreichend ist.

Entscheidend ist die am sogenannten Gebrauchspunkt notwendige und sinnvolle Bauteilesauberkeit. Da es an dieser Stelle keine allgemein gültigen, skalierbaren und normierbaren Angaben wie sauber­ oder nicht sauber gibt, orientiert sich die Beurteilung nach wie vor im Wesentlichen an den Anforderungen der Folgeprozesse. Deren prozesssichere Darstellung wird als Urmeter der Bauteilesauberkeit herangezogen. Um auf der sicheren Seite zu sein werden nicht selten zulässige Restverschmutzungen angegeben, die niedriger sind, als eigent­lich erforderlich. Diesen geforderten Sauberkeitsgrad tatsächlich zu erreichen, kann den Kostenaufwand für Reinigungsprozesse enorm in die Höhe treiben. Hier gilt: So sauber wie nötig, nicht wie möglich!

Zahllose Beispiele aus der Praxis zeigen, dass es bei der Bauteilereinigung in vielen Unternehmen an einer ganzheitlichen Betrachtungsweise fehlt: Es ist gleichsam ein Muss, das Produkt von seiner Entwicklung über Herstellung und Weiterverarbeitung bis zu seinem Endnutzen konsequent zu begleiten und in Bezug auf Restschmutz und mögliche Rückverschmutzung zu verfolgen. Es ist ein sehr wesentlicher Bestandteil der Prozesskette in der industriellen Teilereinigung, die erzeugte Bauteilesauberkeit vom Punkt der Erzeugung (Reinigungspunkt) bis zum Zielort der gereinigten Bauteile (Gebrauchspunkt) zu erhalten und dort eine erneute Kontaminierung zu vermeiden. Ziel und Zweck der ganzheitlichen Betrachtung ist es, den gesamten Prozess – vom Hersteller bis hin zur Auslieferung an den Kunden – zu analysieren, die Ursachen der Probleme zu beschreiben, daraus Maßnahmen zu definieren und die Verbesserungen dauerhaft stabil zu erhalten.

Entwicklung und Konstruktion

Fertigungsgerechtes Gestalten eines Bauteils ist für jeden Entwickler eine selbstverständliche Anforderung. Neben der Funktionalität und den damit verbundenen formgebenden Prozessen ist das reinigungsgerechte Konstruieren (DfC – Design for Cleanliness) jedoch ein noch zu wenig beachtetes Entwicklungsmerkmal. Angefangen von schöpfenden Geometrien über dünne Sacklochbohrungen bis hin zu engen Spalten und Kapillaren bestehen hier vielerlei Risiken, welche die Reinigung eines Bauteils aufwändig und kostenintensiv gestalten können. Häufig sind es einfache konstruktive Maßnahmen beziehungsweise Änderungen, die weder die Funktionalität beeinflussen noch zu Mehrkosten bei der Herstellung führen. Sie gestalten den Reinigungsprozess jedoch spürbar einfacher und somit kostengünstiger. Eine qualifizierte Beratung in Kenntnis dieser Zusammenhänge führt hier zu langfristigen Kosten­einsparungen.

Herstellung

Ein sicherlich guter Ansatz richtet sich nach dem Grundsatz, was nicht verschmutzt wird, muss anschließend nicht gereinigt werden. Vielfach lassen sich in den Vorprozessen mit meist einfachen Mitteln Maßnahmen ergreifen, die eine Verschleppung von partikulären und filmischen Verunreinigungen deutlich verringern. Hier ist möglicherweise eine einfache Zwischenreinigung notwendig (z. B. Abblasen oder Spülen mit dem Bearbeitungsmedium). Oft genügt aber bereits eine etwas längere Verweilzeit (z. B. zum Abtropfen) nach der Bearbeitung. Dies erfordert eine genaue Analyse der Prozesse über die Art der Partikel (Größe, Zusammensetzung, Menge) und die Art der Bearbeitungsmedien (Abb. 1 und 2).

Abb. 1: Sauberkeitsstadien im Prozessverlauf (Beispiel)

Abb. 2: Ermittlung der Verschmutzungsquellen im Prozess

 

Alleskönner Reinigungsanlage

Wird beispielsweise eine häusliche Spülmaschine betrachtet, so steht hier ein Verfahren zur Verfügung, das vielseitige Ansprüche mit einfachster Handhabung und optimalem Ergebnis bietet. Angefangen von der Art der Verschmutzung über die Anordnung des Geschirrs in den Spülkörben bis hin zum gewählten Waschprogramm liegt stets ein mehr oder weniger zufriedenstellendes Ergebnis vor.

Kaum anders verhält es sich in der industri­ellen Teilereinigung. Nur dass hier Art und Vielfalt der Partikel und Stoffe, die zu reinigen sind, deutlich komplexer ausfallen. Die Erwartungshaltung an eine Reinigungsanlage lautet häufig, dass die gesamte Vielfalt der Bauteile mit all ihren Verschmutzungen quasi in einem Aufwasch zu bewältigen ist. Inzwischen ist das Angebot an Reinigungsverfahren und Reinigungsanlagen sehr vielfältig, gleichzeitig aber auch weit schwieriger zu überschauen. Hier hilft eine herstellerunabhängige Beratung, die auf Basis der gesammelten und bewerteten Informationen Grundlage für die Erstellung des Lastenheftes ist, die optimalen Verfahrensweisen wählt und Angebote evaluiert. In Zusammenarbeit mit Anbietern von Anlagen, Reinigungschemie und Warenträgersystemen wird die effizienteste Strategie für die Bauteilesauberkeit entwickelt.

Transport und Lagerung bis zum Gebrauchspunkt

Bei der Verwendung einer optimierten Reinigungsanlage sind die Bauteile so sauber (bzw. restschmutzhaltig) wie spezifiziert. Eigentlich gut, doch leider sind die Probleme der Reinheit damit noch lange nicht bewältigt (Abb. 3). Der erreichte Grad an Sauberkeit muss auf jeden Fall bis dorthin aufrechterhalten werden, wo er tatsächlich benötigt wird: also vom Reinigungspunkt bis zum Gebrauchspunkt! Idealerweise liegt der Gebrauchspunkt unmittelbar nach der Herstellung der Bauteilesauberkeit. In den meisten Fällen ist dies jedoch aus logistischen Gründen nicht oder nur bedingt machbar. In der Regel befindet sich der Gebrauchspunkt (z. B. andere Betriebsbereiche, externe Weiterverarbeitung) räumlich und zeitlich entfernt.

Abb. 3: Mögliche Verschmutzungsquellen im Prozess

 

Die Risiken beginnen bereits bei der Entnahme der Teile aus dem Reinigungsprozess. Zum Abkühlen verbleiben diese in den meisten Fällen einige Zeit neben der Anlage, um dann aus dem Reinigungskorb in Transportbehälter oder Warenträger umgesetzt zu werden. Hier besteht die Gefahr einer Rückverschmutzung durch die Handhabung oder aus der Umgebung (z. B. die räumliche Nähe zu noch ungereinigten Teilen). Eine grundlegende Anforderung lautet: Der Transportbehälter oder Warenträger selbst muss mindestens so sauber sein wie die Teile, die er aufnehmen soll. Bewegungen der Bauteile innerhalb des Transportbehälters mit gegenseitiger Berührung und Abrieb sind in vielen Fällen ebenfalls ein Auslöser bei der Rückverschmutzung (Abb. 4).

Abb. 4: Verschmutzung bei Lagerung und Transport

 

Der Schutz vor Umgebungseinflüssen auf dem Weg zum Gebrauchspunkt lässt sich im Einzelnen nur aus der individuellen Anforderung an das dort notwendige Sauberkeitsniveau sowie aus dem Umfeld der Wege ableiten. Zur Mindestanforderung zählen hier geschlossene Behälter. Auch das Verschweißen in Folien kann eine gebotene Maßnahme sein. Seit Kurzem sind für solche Zwecke auch dicht schließende, klimatisierte Transportwagen auf dem Markt.

Weiterverarbeitung

Bei den nachfolgenden komplexen Prozessschritten besteht das Risiko, die gereinigten Bauteile mit Fremdpartikel aus der Umgebung oder durch die Handhabung in Folgeprozessen wieder zu kontaminieren, wobei die Ursachen vielfältig sind:

  • Ausrüstung des Werkers (Kleidung, Handschuhe, etc.)
  • unzureichende Arbeitsumgebung (in Raumluft, auf Oberflächen, an Werk­zeugen, etc.)
  • mangelnde zyklische Reinigung der Umgebung
  • schabende, kratzende Fügebewegungen
  • Fügehilfsteile (z. B. Schrauben) mit geringerem Sauberkeitsgrad

Wissen und Schulung

Keine noch so ausgefeilte technische Ausrüstung führt zum gewünschten Ergebnis, wenn die an den Prozessen beteiligten Personen nicht um die Zusammenhänge rund um die industrielle Teilereinigung wissen. Das richtige Bedienen einer Anlage und die Pflege der Reinigungsbäder ist eine Sache. Darüber hinaus sind jedoch vielfältige­ Kenntnisse über die Wirkungsweise von Reinigungsmitteln, das richtige Bestücken von Waschkörben, das Beurteilen und Messen mit Umgang der entsprechenden Testmittel und vieles mehr erforderlich. Bereits eine eintägige hausinterne Schulung durch einen qualifizierten Berater zeigt schnell Wirkung und sensibilisiert die Mitarbeiter im Umgang mit dem Thema technische Sauberkeit.

Zusammenfassung

Muss technische Sauberkeit dort erreicht werden, wo diese erforderlich ist, müssen eine ganze Reihe von Faktoren ineinandergreifen und auf den gesamten Produktionsprozess Bezug nehmen. Bauteilesauberkeit erfordert von allen Beteiligten ein thematisches Grundverständnis und zielorientiertes Handeln. Das Zusammenführen der jeweiligen Handlungs- und Prozessebenen ist Aufgabe des Reinigungsberaters. Mit dem Fachwissen aus unterschiedlichen Branchen und einem unverstellten Blick von außen auf die Prozessabläufe gelingt es ihm weit besser, Schwachstellen offenzulegen, zu analysieren und letztlich ein ganzheit­liches, schlüssiges Reinigungskonzept zu erstellen.

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