Im Rahmen von REACh werden die in der EU verwendeten Stoffe und deren Verwendung erfasst. Mit zu den wichtigsten Beweggründen dieser Aktivität ist die Verbesserung des Schutzes von Menschen und Umwelt. Im Rahmen der Arbeiten zu REACh erfolgt auch eine Bewertung der Stoffe auf deren Ersatz oder zumindest einer stark eingeschränkten und reglementierten Verwendung. Die Erfassung ist inzwischen bereits zu einem großen Teil im Rahmen der Registrierung erfolgt. Der aktuell stattfindende Prozess der Autorisierung ist nun der nächste Schritt für den angestrebten höheren Sicherheitsstand im Umgang mit Chemikalien. Das für die Verchromung notwendige Chromtrioxid ist einer der ersten Stoffe von großer wirtschaftlicher Bedeutung, bei dem die gesamte Tragweite der neuen europäischen Verordnung erkennbar wird, an dem aber gleichzeitig auch die Umsetzungsmöglichkeiten erarbeitet und mitgestaltet werden [1, 2]. Damit kommt den Erfahrungen des Autorisierungsprozess eine beispielhafte Bedeutung zu, die für weitere Substanzen genutzt werden können.
Der aktuelle Schritt der Zulassung im Rahmen der Umsetzung der europäischen Chemikalienpolitik ist die Behandlung von besonders besorgniserregenden Stoffen (substances of very high concern, SVHC) [3]. Bestätigt wird nunmehr, dass sich dabei die Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) enorm und überproportional entwickelt haben, auch und gerade deshalb, da diese sehr häufig nicht in direktem Zusammenhang mit der Zulassung stehen. Sie sind darauf zurückzuführen, dass REACh das erste Gesetz ist, das direkt von der europäischen Kommission bestimmt und umgesetzt wird [4], die Umsetzung nicht geregelt ist und der globale Aspekt in den Vordergrund gerückt ist. So sind verbindliche Zwischenentscheide über die Verwendung eines SVHC durch nationale oder europäische Fachbehörden nicht vorgesehen, eine verbindliche Unterstützung von nationalen Stellen ist nur bedingt möglich. Ausschließlich die Mehrheit der Kommissare der EU-Kommission bewertet und entscheidet über eine Zulassung. Alle Diskussionen oder behördlichen Vorgehen – national wie europäisch – haben lediglich Empfehlungscharakter. Dies ist für viele Betriebe ungewohnt.
Ein weiterer Faktor ist die Beweislastumkehr [5]: Mussten Betriebe nach deutschen Gesetzen bisher handeln, wenn ein Risiko nachgewiesen war, müssen sie nach REACh nun nachweisen, dass kein Risiko besteht oder dass sie es ausreichend beherrschen.
Schließlich ist unklar, wie die nationalen Bestimmungen mit den europäischen Entscheidungen verbunden werden.
Die Autorisierung erreichen – worauf zu achten ist
Besonders für kleine und mittlere Betriebe ist es schwierig, nachzuweisen, dass sie ein Risiko angemessen beherrschen. Auch der Nachweis, dass es keinen Ersatz für die betreffende Substanz gibt, ist schwer zu führen. Letzteres trifft häufig auf aus den Chrom(VI)elektrolyten abgeschiedene Chromschichten zu. Zentraler Punkt für das weitere Vorgehen ist, dass das betroffene Unternehmen genau beschreibt, wie es die Substanz in der betrieblichen Praxis anwendet. Eine Maßgabe, wie detailliert die Beschreibung sein muss, gibt es nicht.
Die betroffenen Betriebe haben mehrere Möglichkeiten, mit dieser Situation umzugehen um einen als kritisch eingestuften Stoff (SVHC) weiter verwenden zu können:
- Der Lieferant des Stoffs beantragt und erhält eine Autorisierung. Der nachgeschaltete Anwender verwendet den Stoff im Rahmen dieser Autorisierung, was der ECHA zu melden ist. Verantwortlich für die Einhaltung der Bedingungen der Autorisierung ist der nachgeschaltete Anwender, also der Beschichter, selbst. Eine Unterstützung beziehungsweise Hilfestellung durch den Lieferanten ist nicht explizit vorgesehen. Diese Lösung ist für Standardverwendungen denkbar. Zu beachten ist allerdings, dass dies mögliche Eigenentwicklungen einschränken kann, da die Autorisierung neue Anwendungen nicht berücksichtigt. Je nach Formulierung der betreffenden Autorisierung ist zu überprüfen, ob neue Anwendungen neu beantragt werden oder durch die Autorisierung abgedeckt sind. Dies kann deren Umsetzung erheblich behindern und/oder zeitlich verzögern.
- Der Anwender beteiligt sich an einem Verbund betroffener Betriebe und hat damit die Möglichkeit, die Formulierung der Autorisierung aktiv zu gestalten. Solche Kooperationen gibt es bereits; sie unterscheiden sich in Interessens-
lage und Vorgehensweise. - Der Anwender beantragt die Autorisierung seiner spezifischen Anwendung selbst. Dies bedeutet gerade für die nachgeschalteten Anwender einen hohen, von KMU zumeist nicht realisierbaren, Aufwand.
- Eine Verwendung, die viele unter Standardbedingungen nutzen, erhält eine allgemeine Zulassung. Allerdings muss eine Zulassung an eine juristische Person erteilt werden, so dass diese Lösung nicht wahrscheinlich ist. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang immer häufiger die Möglichkeit, den sicheren Umgang mit der Substanz darzustellen.
Für welche der Möglichkeiten sich ein Betrieb auch entscheidet – er muss immer seine eigene Verwendung so definieren, dass sie eindeutig nachvollziehbar ist, Alternativen nicht genutzt werden können und das Risiko als angemessen beherrscht gilt, um eine Zulassung zu erreichen. Diese Informationen muss er entweder an seinen Lieferanten weiterleiten (Punkt 1) oder dem Verbund verfügbar machen (Punkt 2). Der zum Teil hohe Spezialisierungsgrad des nachgeschalteten Anwenders macht Verallgemeinerungen allerdings schwierig, sodass die Möglichkeit besteht, dass spezielle Anwendungen nicht in die Lieferanten- oder Verbundsicherheitsberichte aufgenommen werden. Dass dies realistisch ist zeigt die Tatsache, dass im Zeitraum 2011 bis 2012 bei der europäischen Chemikalienbehörde ECHA 100 Stoffsicherheitsberichte (Chemical Safety Reports, CSR) von nachgeschalteten Anwendern zur Registrierung eingingen. In 91 Fällen war der Grund, dass der Vorlieferant die jeweilige Verwendung trotz Gesprächen nicht in den Stoffsicherheitsbericht aufgenommen hatte.
Kooperationen bei Chromaten
Unterschiedliche Interessen, wirtschaftliche Abhängigkeiten, politische Intentionen und unklare Bewertungen der Datenlage versperrten einen gemeinsamen Weg bei der Autorisierung von Chromaten. So haben sich Zusammenschlüsse gebildet, die – jeder für sich – einen Konsens erreicht haben. Dies kann eine vertikale Struktur entlang der Lieferkette (wie oben unter Punkt 1 aufgeführt) oder ein Zusammenschluss von anwendenden Betrieben mit eher horizontaler Struktur sein, also beim Zusammenschluss von betroffenen Betrieben.
Die vertikale Struktur konzentriert sich auf Standardanwendungen. Den Antrag auf Zulassung stellt ein Lieferant, der möglichst am Beginn der Lieferkette steht. Hierbei besteht allerdings die Gefahr, dass sich Anwender mit Spezialanwendungen nicht wiederfinden, die Alternativen nicht genügend abzugrenzen sind oder der sozioökonomische Nutzen nicht ausreichend zu spezifizieren ist.
Die horizontale Struktur berücksichtigt möglichst viele spezifische Verwendungen. Sie legt deshalb den Schwerpunkt auf allgemeinere Bewertungskriterien. Der Autorisierungsantrag muss damit die allgemeinen Bedingungen überzeugend darstellen, so dass sich die beteiligten Betriebe zum einen wiederfinden und die Verwendung für ECHA und EU Kommission überzeugend ist
Es haben sich in den letzten Monaten spezifische Verbünde gefunden, was die unterschiedlichen Perspektiven deutlich unterstreicht Manche bearbeiten nur eine einzelne Anwendung mit einer großen wirtschaftlichen Bedeutung. Viele sind allgemein bekannt:
- VECCO: Verein zur Wahrung von Einsatz und Nutzung von Chromtrioxid und anderen Chemikalien in der Oberflächentechnik. Betrachtet werden Substanzen wie Chromtrioxid, von Chromtrioxid abstammende Säuren und deren Oligomere sowie zukünftig relevante Substanzen zur Oberflächenbehandlung
- CTAC: The Chromium Trioxid REACh Authorization Consortium; Der Zusammenschluss befasst sich ausschließlich mit der Substanz Chromtrioxid [6]
- Fuschidec: Funktionale Schichten mit dekorativem Charakter in der Sanitärindustrie; die betrachtete Substanz ist Chromtrioxid
- Isla Mathieseon (Regulatory Scientist)/TSGE (UK); der Zusammenschluss aus Großbritannien befasst sich mit den Substanzen Chromtrioxid und Chrom(VI)hydroxysulfat
Hinzu kommen Initiativen aus spezifischen Anwendungsbereichen wie der Luft- und Raumfahrtindustrie. Darüberhinaus haben sich spezielle, oftmals nationale Verbünde gebildet, die gerade auf den nationalen Bedingungen aufbauen. Nicht auszuschließen ist es, dass mit näherkommender Autorisierungsfrist die Rahmenbedingungen genauer definiert werden, damit die spezifischen Interessen ebenfalls konkreter benannt werde können und die Zahl der Konsortien weiter zunehmen wird.
Nach der Zulassung
Noch nicht ausreichend dargestellt ist die Situation nach erfolgter Zulassung, deren rechtzeitige Vorbereitung wichtig ist. Viele Anwender verwenden mehrere Stoffe, bei denen eine Zulassung diskutiert werden kann. Jedes Konsortium muss sich deshalb bereits jetzt darauf vorbereiten, weitere Substanzen zu bearbeiten. Neben den rein fachlichen Arbeiten ist es erforderlich die Entscheidungswege zu betrachten sowie Basisdaten zur europaweiten Beurteilung des Risikos der jeweiligen Substanzen zu erarbeiten.
Nach der Zulassung sind Entwicklungen notwendig, die das Risiko weiter verringern oder Alternativen aufzeigen. Wie dies von den KMU erreicht werden kann ist unklar. Denkbar ist aber auch hier die Nutzung der aufgebauten Arbeitsstruktur und der Konkretisierung der Interessen entlang der Lieferkette. Denn nach REACh wird nur eine zeitlich befristete Zulassung von Stoffen für bestimmte Anwendungen erteilt. In regelmäßigen Abständen überprüft die ECHA, ob sich aufgrund von technischen Entwicklungen die Voraussetzungen für eine Zulassung geändert haben und daraus eine andere Beurteilung resultiert. Das entsprechende Konsortium muss Wege entwickeln, die kleinen und mittleren Betriebe nach der Zulassung zu begleiten. Dies kann ein Konsortium mit horizontaler Struktur aufgrund ähnlicher Betroffenheit der Betriebe eher leisten als eines mit vertikaler Ausrichtung. Ein Beispiel für die horizontale Ausrichtung ist VECCO, der die Verwendung und Zulassung weiterer Substanzen bearbeitet und die Betriebe langfristig begleitet.
Fazit
Eine Zulassung nach REACh stellt die Vertreter einer klein- und mittelständisch orientierten Branche wie der Oberflächentechnik vor besondere, branchenspezifische Probleme.
Ein vertrauensvoller Austausch innerhalb der Lieferkette sowie zwischen den Anwendern und den Behörden ist zwingend notwendig. Hierzu muss eine Basis des gegenseitigen Vertrauens und Respekts aufgebaut werden. Innerhalb eines Konsortiums kommt es auf eine gleichberechtigte Auseinandersetzung mit den Sorgen eines jeden einzelnen Betriebs an, aber auch auf die Bereitschaft, die eigenen Interessen zugunsten der übergreifenden Entwicklungen auch einmal zurück zu stellen
Schließlich zeigen die Erfahrungen der aktuell erarbeiteten Zulassungen, dass es für ein Konsortium notwendig ist, eine Zulassung langfristig zu begleiten, zu erhalten und damit die geforderten technischen Weiterentwicklungen soweit wie möglich zu unterstützen und gemeinsam mit den Betrieben zu realisieren, um deren Existenz langfristig zu sichern.
DOI: 10.7395/2014/Koenig5
Kontakt
Dr. Uwe König: Koenig.uwe@eupoc.de
Literatur
[1] WOMag 2(2013)12, S. 20
[2] WOMag 3(2014)1, S. 40
[3] Nachr. Chem. 2009, 57, 45
[4] WOMag 2(2013)10, S. 33
[5] WOMag 3(2014)5, S. 59
[6] WOMag 3(2014)12, S. 39