Lösemittelfreies Lötverfahren für die Baugruppenfertigung

Werkstoffe 10. 03. 2015
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Effizienter und umweltgerechter Flussmittelauftrag mit Plasma

Die Aktivierung von Lötstellen durch Flussmittel ist in der Elektronikfertigung eine wesentliche Voraussetzung für fehlerfreie Verbindungen. Bisher kommen dafür überwiegend Flussmittel auf Lösemittelbasis zum Einsatz. Ein Forschungsprojekt untersuchte den trockenen Auftrag lösemittelfreier, pulverförmiger Flussmittel mit dem inlinefähigen Plasmasystem Plasmabrush PB3 unter Atmosphärendruck. Es ermöglicht nicht nur die prozesssichere Aktivierung beim bleifreien Wellenlöten, sondern überzeugt auch unter Kosten- und Umweltaspekten.

Das Flussmittel hat die Aufgabe, Verschmutzungen, Oxide und Korrosion vom Substrat zu entfernen sowie eine Oxidation von Substrat und Lotlegierung während des Lötens zu verhindern. Insbesondere in Noclean-Prozessen kommt es auch darauf an, dass das Flussmittel beim Lötprozess praktisch komplett verbraucht wird. Die überwiegend in der Industrie eingesetzten Flussmittel basieren auf Lösemitteln.

Ziel eines durch das Land Bayern geförderten Forschungsprojekts war daher die Entwicklung eines bleifreien Lötverfahrens für die Baugruppenfertigung in der Mikrosystemtechnik. Projektpartner waren das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM, Osram, Reinhausen Plasma, Seho, Siemens und Zollner.

Einen Schwerpunkt im Projekt bildete­ der Auftrag von Flussmitteln mit dem Atmosphärendruck-Plasmasystem Plasma­brush PB3 der Relyon Plasma GmbH (vormals Reinhausen Plasma GmbH). Der Plasmaerzeuger wurde für diese Anwendung entsprechend weiterentwickelt, um pulverförmige Flussmittelsysteme in dünnen Schichten aufbringen zu können.

Die von der Emil Otto GmbH entwickelten Flussmittel in Pulverform, beispielsweise Adipinsäure, werden über eine spezielle Dispergiereinheit, die eine stabile und konstante Pulverförderung mit einem definierten Druck gewährleistet, dem Plasmajet zugeführt. Die Position des Plasmastrahls kann durch einen Roboter in x-, y- und z-Richtung gelenkt werden. Dies ermöglicht eine sehr exakte Abscheidung des Flussmittels in den zu lötenden Bereichen. Dabei wird eine feine, homogene und reproduzierbare Schicht auf der Oberfläche als auch ein guter Durchgriff erzielt, der eine entsprechende Durchkontaktierung sicherstellt.

Optimales Lötverhalten und geringe Korrosivität

Die Beschichtungsversuche erfolgten auf speziellen Testboards, die von der Zollner Elektronik AG und Siemens konzipiert wurden. Durch eine thermische Auslagerung wurden die Boards vor der Beschichtung künstlich gealtert, sodass die Oberflächen nicht mehr lötbar waren. Nach der Plasma­beschichtung mit dem pulverförmigen Flussmittel wiesen sie sehr gute Lötergebnisse auf.

Eine Untersuchung der Korrosivität durch SIR-Tests an beschichteten Testkämmen fand ebenfalls statt. Sowohl mit der Adipinsäure als auch mit weiteren Flussmittel­varianten lagen die ermittelten Werte innerhalb der zulässigen Grenzen.

Durch die verschiedenen Versuche konnte nachgewiesen werden, dass mit den ausgewählten Flussmitteln und der Plasmabeschichtung beim Lötverhalten und der Korrosivität mit Standard-Lötprozessen vergleichbare Ergebnisse erzielt werden.

Kosten- und Umweltvorteile

Aufgrund des geringen Platzbedarfs kann das Plasmasystem einfach anstelle eines herkömmlichen Fluxers in eine Wellen-Lötanlage von Seho integriert werden. Für den Anwender wird der Flussmittelauftrag damit nicht nur lösemittelfrei und umweltverträglicher, sondern auch kostengünstiger. Denn aufgrund der pulverförmigen Konsistenz reduziert sich Maskierungsaufwand und Verbrauch sowie die Transportkosten ebenso wie der Reinigungsaufwand.

D. Schulz

Relyon Plasma GmbH (vormals Reinhausen Plasma GmbH)

Die in Regensburg ansässige Reinhausen Plasma GmbH versteht sich als innovativer Anbieter von Plasmalösungen für die Oberflächenveredelung und -beschichtung. Mit der Entwicklung der kalt-aktiven Atmosphärendruck-Plasmawerkzeuge Plasmabrush und Piezobrush, die sich durch niedrige Temperatur, geringe Gasgeschwindigkeit, extreme Spaltgängigkeit des Plasmas und hohe Reinheit der Gase auszeichnen, setzt das Unternehmen in der Reinigung und Oberflächenaktivierung mit Plasma neue Maßstäbe. Das patentierte Plasmadust-Verfahren ermöglicht es erstmals, zwei- und dreidimensionale Bauteile aus nahezu allen Werkstoffen ohne Lösemittel (VOC-frei) sowie energieeffizient direkt aus einem kalt-aktiven Plasmazu beschichten

Das Flussmittel wird über einen externen Injektor dem Plasmastrahl zugeführt und auf dem Substrat abgeschieden (Foto: Relyon Plasma)

Die Mikroskopaufnahme zeigt die abgeschiedene Flussmittelschicht auf einer elektronischen Leiterplatte (Foto: Relyon Plasma)

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