Juristischer Schlagabtausch auf europäischer Ebene

Verbände 10. 03. 2015

Gericht der Europäischen Union verhandelt Klage des Vecco e.V. – eine Nachbetrachtung

Am 12. Februar wurde vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg die Klage des Vecco e.V. gegen die Europäische Kommission verhandelt. Vecco hatte 2013 gemeinsam mit 185 europäischen Unternehmen eine Klage bezüglich der ohne Ausnahme erfolgten Aufnahme von Chromtrioxid (CrO3) in den Anhang XIV von REACh vor dem Europäischen Gericht angestrengt – die Ursache der derzeitigen massiven Anstrengungen zum Erhalt der Autorisierung für alle Unternehmen im Bereich der galvanischen Verchromung mit sechswertigem Chrom. Mit der Verhandlung in Luxemburg ging nach der bereits im vergangenen Jahr mit Erfolg geführten Klage gegen die DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung), den Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, der juristische Schlagabtausch im Zusammenhang mit der REACh-Verordnung in eine weitere Runde. Das Gericht befasste sich vor allem mit den Standpunkten der beiden Parteien insbesondere zur Auslegung der Inhalte des §58(2) der REACh-Verordnung sowie dem Umgang mit SVHC-Stoffen.

 

 

 Foto: Gerichtshof der Europäischen Union

Circa 40 Personen aus Deutschland und Österreich stellten die größte Gruppe der insgesamt sehr gut besuchten öffentlichen Verhandlung, die auf drei Stunden angesetzt war. Sehr bedauerlich war die Tatsache, dass zwar Übersetzungen in die französische und slowakische Sprache verfügbar, aber keine deutschen Übersetzer anwesend waren. Dies verlangte den deutschen Besuchern eine hohe Konzentration ab, da neben der englischen Sprache noch das Handicap der juristischen Fachsprache hinzukam. Mit dem hohen Interesse der Branche hatten die Juristen in Luxemburg wohl nicht gerechnet, da die ausgelegten Unterlagen Report for the Hearing – ebenfalls nur in englischer Sprache – rasch vergriffen waren.

Bereits zur Einführung bemerkte das Gericht – bestehend aus drei Richtern aus der EU – kritisch das Fehlen eines Vertreters der ECHA beziehungsweise das generelle Fehlen eines Mitarbeiters der ECHA, obwohl sie auf Seiten der Kommission interveniert hatte. Die Klägerseite war durch die Rechtsanwälte C. Mereu und J. Beck vertreten, die Beklagte durch Mitarbeiter der Kommission. Die Rechtsanwälte – nur diese haben ein Rederecht bei Verhandlungen vor dem Europäischen Gericht – trugen zur Eröffnung ihren jeweiligen Standpunkt vor. Die Klägerseite bezog sich in erster Linie darauf, dass die Regelungen aus REACh von den Beklagten nicht so befolgt wurden, wie es die REACh-Verordnung nach Ansicht der Kläger erfordert. Zu den zentralen Punkten zählt die Kritik, die Gefährlichkeit von Chrom(VI) für die Mitarbeiter in galvanischen Beschichtungsunternehmen falsch bewertet zu haben. Dieser Vorwurf geht an die ECHA im Rahmen der von ihr erstellten Beurteilung von sechswertigem Chrom für die Abscheidung von galvanischen Chromschichten und an die Europäische Kommission, die aufgrund dieser Beurteilungen die Aufnahme von Chrom(VI) in den Anhang XIV beschlossen hat. Darüber hinaus leitet sich aus dieser Einstufung die generelle Forderung ab, dass nicht nur die Verwendung von Chrom(VI) geprüft werden muss, sondern auch die entsprechenden Anwendungsfälle von Chromschichten.

Einer der Diskussionspunkte war auf die Betrachtung der Risiken für die Arbeitsnehmer, die mit Chromat in Kontakt kommen, gerichtet. Debattiert wurde die Bedeutung der im Gesetzestext enthaltenen Begrifflichkeiten, deren Relevanz und Tragweite für die durch die Vorgaben betroffenen Parteien sowie die von der ECHA und der Kommission gezogenen Schlussfolgerungen. Dazu wurde von den Parteien deren jeweilige Begründung zur Einschätzung der Risiken angesprochen, beispielsweise wurden die Daten aus der MEGA-Studie angeführt oder die bestehenden Regelungen aus der Arbeitsschutzverordnung. Die Klägerseite gab hier zu verstehen, dass die Risikodaten falsch beziehungsweise unvollständig bewertet worden seien und damit die Vorgehensweise der ECHA zu Fehlern führte.­ Infolge dieser Fehlerhaftigkeit mussten nach Ansicht der Klägerseite auch die Entscheidungen der Kommission unzureichend sein, zumal die Kommission selbst ausführte, keinen Anlass zu einer weiteren Prüfung gesehen zu haben. Ihr Ermessensspielraum mache dies zu einer Kann-Bestim-
mung.

Ein weiterer Verhandlungspunkt bezog sich auf die Sachverhalte der Einteilung und Verwendung von Stoffen, wie sie durch § 58(2) der REACh-Verordnung geregelt werden. Nach Ansicht der Beklagten ist eine substanzbezogene Fall-zu-Fall-Entscheidung hier die richtige Vorgehensweise; die Klägerseite hält dagegen auch den Bezug auf Substanzkategorien (z. B. mutagen, kanzerogen) für zulässig und durch bisherige Gesetzgebungen und ECHA-eigene Dokumente für ausreichend belegt.

In Bezug auf den Umgang mit SVHC-Stoffen sieht die Klägerseite alle Erfordernisse­ für ein ausreichend kontrolliertes Risiko durch die bereits bestehenden Regelungen zum Arbeitsschutz erfüllt. Dementsprechend würden die Vorgaben durch REACh keinen höheren Schutz gewährleisten, sondern vielmehr die Unternehmen in ihrer Handlungsweise einschränken oder lediglich durch ausufernde Dokumentation belasten. Insbesondere im Umgang mit Chrom(VI) kann der Kontakt mit dem Stoff durch die bestehenden Vorschriften soweit eingeschränkt werden, dass die von der ECHA und der Kommission genannten Risiken vermieden werden. Das Gericht legte in diesem Punkt Wert auf eine nähere Erläuterung anhand von Beispielen aus der Praxis, die von den Anwälten der Klägerseite vorgebracht wurden. Kritisch kann hierbei allerdings das Fehlen von Grenzwerten für die Exposition gesehen werden, da dies leicht zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Bewertung führen kann.

Für den technisch versierten Beobachter der Verhandlung entstand der Eindruck, dass die Fragen des Gerichts an die Klägerseite von dieser mit nachvollziehbaren Begründungen beantwortet wurden. Im Gegensatz dazu zog sich die Beklagte stärker auf ihre Position als Entscheidungsbehörde mit großem Ermessensspielraum zurück, die das erklärte Ziel hat, die Menschen vor toxischen Stoffen zu schützen und sie daher von der Verwendung möglichst auszuschließen. Sie sieht sich legitimiert, verfügbare Argumente zu verwenden, ohne sie detailliert hinterfragen oder prüfen zu müssen.

Wie sich das Gericht entscheiden wird, ist im Moment erwartungsgemäß vollkommen offen. Insbesondere auch deshalb, weil die hier zur Prüfung anstehenden juristischen Detailfragen – es ging nahezu ausschließlich um die wenigen Worte des §58(2) der REACh-Verordnung – nicht zwingend der technischen Logik und dem technisch-wissenschaftlichen Verständnis folgen müssen. Gleichzeitig handelt es sich wohl um ein wegweisendes Verfahren, das die Grenze zwischen Ermessensspielraum der Kommission und Willkür in den Entscheidungen näher definieren muss. Es bleibt also spannend!

Besucher der Verhandlung in Luxemburg, zu der der Vecco e.V. eingeladen hatte

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