Partielles Eloxieren

Oberflächen 10. 06. 2015
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– Verfahrenstechnische Neuerung zur Steigerung der Qualität und Wirtschaftlichkeit

Von Michael Kolb, Sinn

Für Anwendungen im elektrotechnischen Bereich müssen Teile aus Aluminium mit einer korrosions- und verschleißbeständigen Oxidschicht versehen werden und zugleich muss ein elektrischer Kontaktbereich zur Erdung erzeugt werden. Bisher wird dafür die vorhandene, 5 µm bis 25 µm dicke Eloxalschicht mechanisch entfernt. Dieser kostenintensive Zusatzaufwand wird durch eine neu entwickelte Abdecktechnik mittels flexibler Abdeckung und eine dafür angepasste Gestelltechnik vermieden. Dadurch steigen Wirtschaftlichkeit und Qualität für das partielle Eloxieren beziehungsweise das selektive Anodisieren von Aluminiumteilen.

Selective Anodising – Technical Process Innovations for Increased Quality and Efficiency

Aluminium components for use in the electrotechnical industry are usually required to have an oxide coating for corrosion and wear resistance. At the same time, electrical contact is usually necessary for earthing. The conventional approach is to apply an anodic oxide coating of 5 to 25 µm thickness, then mechanically removing a small area for the earthing contact. This time-consuming operation with its cost implications can be eliminated with a newly developed masking technique using flexible masking and a specially adapted rack. By this means, selectively anodised aluminium components of improved quality can be more efficiently manufactured.

1 Einleitung

Aluminium findet seit längerem bei hochwertigen Geräten für den privaten und industriellen Einsatz Anwendung. Für Flugzeuge ist Aluminium aus Gewichtsgründen oft der bevorzugte Werkstoff, der seit einigen Jahren auch zunehmend für Fahrzeuge zum Einsatz kommt, um der Forderung nach Reduzierung von klimaschädlichen Emissionen mit leichteren Fahrzeugen gerecht zu werden. Aluminium besitzt neben positiven Eigenschaften wie geringem Gewicht oder guter Festigkeit den Vorteil, dass durch eine elektrochemische Behandlung die vorhandene Oxidschicht deutlich verstärkt werden kann. Auf Aluminium bildet sich in Kontakt mit Sauerstoff eine dünne, aber dichte Oxidschicht, die das Aluminiummetall unter normalen Umgebungsbedingungen gegen weitere Oxidation schützt. Bei einer Dicke zwischen etwa 5 nm und 20 nm [1–3] ist die Schicht zudem vollkommen transparent (d. h. unsichtbar) und bewahrt dadurch den metallischen Charakter von Aluminium.

Die Oxidschicht schützt das Metall vor Oxidation durch Sauerstoff und in einem pH-Bereich zwischen etwa pH 4 und pH 9 gegen Korrosion – deshalb ist das Metall unter normalen Umgebungsbedingungen relativ beständig [1]. Allerdings führen Bestandteile wie Natriumchlorid oder Schwefel­dioxid zu Korrosionserscheinungen, weshalb Aluminium in Meeresnähe oder unter rauen Industriebedingungen Korrosionsangriffe­ zeigt. Vor allem aber ist die sehr dünne natürliche Oxidschicht nicht in der Lage, Aluminium gegen Verschleiß zu schützen.

Die Oxidschicht auf Aluminium kann allerdings durch die elektrochemische Behandlung der sogenannten anodischen Oxidation (auch als Eloxieren – elektrolytische Oxidation – bezeichnet) um ein Vielfaches verstärkt werden. Dabei wird das Aluminium in einem Elektrolyten (z. B. Schwefelsäure oder Oxalsäure) als Anode in einem Gleichstromkreislauf geschaltet. Hierbei wird aus dem wasserhaltigen Elektrolyten an der Aluminiumoberfläche Sauerstoff erzeugt. Dieser reagiert direkt an der Oberfläche mit dem Aluminiummetall (das durch den Stromfluss in reaktionsfähige Aluminiumionen überführt wird) zu Aluminiumoxid; es erfolgt eine direkte Umwandlung der vorhandenen Aluminiumoberflächen in Aluminiumoxid, wie in Abbildung 1 schematisch dargestellt ist. Dabei gelingt es, auch komplexe Geometrien mit einer nahezu gleichmäßig dicken Aluminiumoxidschicht zu versehen.

Abb. 1: Anfangsphase der Umwandlung von Aluminium durch anodische Oxidation und Reaktion von Sauerstoff an der Grenzfläche zwischen Aluminium und wässrigem Elektrolyt

 

Die Dicke der Aluminiumoxidschicht ist über die Arbeitsparameter der anodischen Oxidation (Stromdichte, elektrische Spannung, Bearbeitungszeit) einstellbar. Für korro­sionsschützende und optisch anspruchsvolle Bauteile werden gewöhnlich Schichtdicken zwischen 5 µm und 30 µm erzeugt. Die Oxidschicht besitzt verfahrensbedingt direkt nach der Erzeugung Mikroporen
(Abb. 2). Durch ein abschließendes Sealing lassen sich die Poren verschließen und so wird eine kompakte, weitgehend aus Aluminiumhydroxid bestehende Schicht erzeugt. Durch die anodisch erzeugte, dickere Oxidschicht besitzen die behandelten Teile eine wesentlich bessere Beständigkeit gegen Korrosion und Verschleiß beziehungsweise Abrieb. Zudem ist die durch Anodisieren erzeugte Oxidschicht ein guter elektrischer Isolator mit Durchschlagsfestigkeiten von etwa 900 V bei einer Dicke der Eloxalschicht von 30 µm.

Abb. 2: Fortschreitende Umwandlung von Aluminium durch anodische Oxidation unter Bildung von Poren, wobei die Reaktion von Sauerstoff an der Grenzfläche zwischen Aluminium und wässrigem Elektrolyt bestehen bleibt

 

2 Partielle Eloxalschicht

Bei vielen Anwendungsfällen besteht die Forderung, die verwendeten Bauteile einer elektrischen Kontaktierung zugänglich zu machen, beispielsweise bei der Verwendung von elektrischen Geräten zum Zweck einer Erdung oder als EMV-Schutz bei elektronischen Einrichtungen oder auch bei Fahr- und Flugzeugen. Aufgrund der besonderen Eigenschaften der Aluminiumoxidschicht in Bezug auf elektrische Isolation scheidet eine einfache Kontaktierung über einen aufgelegten Kontakt aus. Auch ein Anlöten auf die Oxidschicht ist wegen schlechter Benetzung nicht möglich, die Oxidschicht muss vorher entfernt werden.

Um die erforderliche elektrische Kontaktierung des Aluminiumteils zu gewährleisten, muss auf den gezielten Aufbau der Aluminiumoxidschicht durch Eloxieren verzichtet werden. Andererseits kann und soll natürlich die deutlich bessere Beständigkeit gegen Korrosion, Reibung und Verschleiß der restlichen Oberfläche gewährleistet werden. Daraus ergeben sich im ersten Ansatz zwei Vorgehensweisen zur Herstellung ­eines Kontaktpunkts ohne Eloxalschicht:

  • Vermeidung der Entstehung der Oxidschicht beim Eloxieren durch Abdecken des gewünschten Kontaktpunkts
  • Entfernung der Eloxalschicht im Bereich des gewünschten Kontaktpunkts nach dem Eloxieren

2.1 Kontaktpunkt – Status quo

Abdeckverfahren zählen in der Beschichtungstechnik zu den eingeführten Möglichkeiten für partielle Arbeitstechniken. Dafür stehen verschiedene, meist hochviskose Spezialharze zur Verfügung. Diese müssen besondere Beständigkeiten gegen stark saure und stark alkalische Lösungen sowie Temperaturbelastungen bis zu 100 °C aufweisen. Neben dem An- beziehungsweise Ablösen des abgedeckten Bereichs bei der chemischen Bearbeitung ist die Auftragung eines definierten Abdeckbereichs mit glatten Kanten zeitaufwendig. Zudem erfordert die Entfernung des Abdeckharzes einen weiteren Arbeitsgang in einem geeigneten Lösemedium, bei dem unter Umständen die Oxidschicht angegriffen werden kann, sowie besondere Aufwendungen (geräte­technischer und manueller Art) für eine gründliche Reinigung mit Trocknung.

Die zweite und bisher in der Regel zum Einsatz kommende Technologie ist die nachträgliche Entfernung des Oxids an der Kontaktstelle. Dies kann durch spanende Verfahren wie Drehen oder Fräsen oder durch thermische Bearbeitung mittels Laser erfolgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Dicke der zu entfernenden Beschichtung zwischen etwa 10 µm und etwa 50 µm liegen kann, je nach den Anforderungen an die Verschleiß- und Korrosionsbeständigkeit. Dies erfordert sowohl bei der spanenden Verfahrensweise als auch dem Einsatz von Lasern eine hohe Präzision bei der Fixierung des zu bearbeitenden Teils und entsprechende Einstellmöglichkeiten der Bearbeitungsmaschine. Insbesondere bei der spanenden Bearbeitung treten oft Grate auf, die eine Nachbearbeitung erforderlich machen. Entstehender Abtrag muss zudem so entfernt werden, dass die Teile dabei nicht oberflächlich beschädigt (z. B. durch Kratzer) werden. Diese Nachbearbeitung stellt einen hohen Zusatzaufwand dar, sowohl kostenmäßig (Maschinen- und Anlageninvestitionen) als auch in Bezug auf Logistik und Arbeitsplanung, und führt in der Regel zu einem deutlichen Anstieg der fehlerhaften Teile. Vor allem dünnwandige oder komplex geformte Teile sind hierbei problematisch.

2.2 Eloxal partiell plus – wirtschaftliche Lösung mit hoher Prozesssicherheit

Bezüglich des Verfahrensablaufs ist die Vermeidung der Schichtbildung am gewünschten Kontaktpunkt besser. An Stelle des dafür üblicherweise eingesetzten anhaftenden Abdeckharzes beziehungsweise Abdecklacks wurde im Rahmen ­eines Förderprojekts eine flexible Abdeckung entwickelt. Dazu wurde ein Kunststoff so modifiziert, dass er eine hohe Formtreue, Elastizität und Festigkeit aufweist. Des Weiteren ist eine neue Gestelltechnik entstanden, durch die eine aus dem Kunststoff hergestellte Ab­deckung präzise auf einem Beschichtungsgestell angebracht werden kann. Das Gestell mit seiner besonderen Konstruktion sorgt dafür, dass die Abdeckung formschlüssig auf dem zu bearbeitenden Teil aufliegt und nur soweit im elastischen Bereich verformt wird, dass der vorgesehene Kontaktpunkt sicher vor dem Zutritt des Anodisierelektrolyten und allen weiteren chemischen Prozessstoffen geschützt ist. Wie umfangreiche Versuchs­serien gezeigt haben, findet eine Unterwanderung der neu entwickelten Abdeckungen nicht statt. Es wird also zuverlässig eine klar abgegrenzte, oxidfreie Zone erzeugt.

Das System aus flexibler Abdeckung und Sondergestell gewährleistet damit, dass die zu bearbeitenden Teile mit höchster Prozesssicherheit partiell ohne Eloxalschicht gefertigt werden. Die nicht abgedeckten Flächen können mit Eloxalschichten belie­biger Dicke oder Farbe versehen werden und zugleich wird eine Verformung oder mechanische Beschädigung der Teile vollständig vermieden. Insbesondere aber erfolgt die Bearbeitung ohne jeglichen Zusatzaufwand und trägt so in ganz erheblichem Umfang zur Steigerung der Energie- und Materialeffizienz sowie zur Reduzierung des logistischen Aufwands und der Umlaufbestände bei.

In Abbildung 3 sind die Arbeitsschritte der neuen Technologie Eloxal partiell plus der bisher üblichen Bearbeitungsart qualitativ gegenübergestellt. Der ersichtliche kürzere Bearbeitungsablauf mit den direkten wirtschaftlichen Vorteilen überzeugt vor allem auch dadurch, dass der Anteil an fehlerhaften Teilen infolge der entfallenden Nachbearbeitung vollständig vermeidbar ist. Darüber hinaus bestehen bei der Positionierung des Kontaktpunktes und insbesondere bei der Form des später eloxalfreien Bereichs mit direktem metallischem Kontakt mehr Freiheiten. Diese Vorzüge tragen dazu bei, Teile aus Aluminium in verstärktem Maße unter den bestehenden Forderungen nach hoher Korrosions- und Verschleißbeständigkeit und der Möglichkeit zur elektrischen Kontaktierung in Geräten oder Fahrzeugen einzusetzen.

Abb. 3: Vergleich der erforderlichen Verfahrensschritte bei der bisher üblichen Technik und Eloxal partiell plus

 

3 Zusammenfassung

Im Rahmen eines vom BMWi geförderten ZIM-Projekts wurde ein Verfahren ent­wickelt, das die Beschichtung von Aluminiumteilen mit der Möglichkeit zur elektrischen Kontaktierung ohne zusätzliche Nachbearbeitung gewährleistet. Unter Einsatz von speziellen elastischen Abdeckungen und einer neuartigen Gestelltechnik wird ein in der Form variierbarer Bereich erzeugt (Abb. 4 und  5), der direkt eine elektrische Kontaktierung ermöglicht, während die verbleibende Oberfläche des Aluminiumteils in klassischer Art und Weise mit dekorativen oder funktionellen Eloxalschichten versehen werden kann.

Abb. 4: Partielles Freilegen der Eloxalschicht ist auch bei komplexen Aluminiumteilen möglich

 

Die neue Technik erfordert weder besondere Vorarbeiten vor dem Eloxieren noch bei der Fixierung auf den Bearbeitungs­gestellen. Auch eine mechanische Nachbearbeitung ist nicht notwendig. Insbesondere entfällt ein bisher erforderlicher und zusätzlicher Transport zwischen den Unternehmen zur Beschichtung und der mechanischen beziehungsweise thermischen Entfernung. Da zudem die Gefahr der Beschädigung von Teilen nach der letzten oberflächentechnischen Behandlung des Eloxierens sinkt, steigen durch die neue Technologie Eloxal partiell plus Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Qualität von eloxiertem Aluminium für elektrotechnische Anwendungen, zum Beispiel für den Leichtbau bei Fahrzeugen. Darüber hinaus profitieren Gehäusehersteller von elektrischen Baugruppen wie kleinen Brennstoffzellen, Kameragehäusen, medizintechnischen Geräten oder Outdoorequipment, das mit Strom arbeitet (Taschenlampen), ebenfalls von den eloxalfreien Stellen, die eine Schutzschaltung oder sehr gute elektrische Leitfähigkeit ohne Nacharbeit gewährleisten.

Hinweis

Eloxal partiell plus wurde im Rahmen eines ZIM-Entwicklungsprojekts (ZIM = Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand), gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund ­eines Beschlusses des Deutschen Bundestages, entwickelt und umgesetzt.

 

 

DOI: 10.7395/2015/Kolb1

Literatur

[1] Dr. Catrin Kammer: Aluminium-Taschenbuch - Band 1: Grundlagen und Werkstoffe; 15. Auflage 1995, Aluminium-Verlag, Düsseldorf; Seite 356ff (Hinweis: Taschenbuch wird im Abstand von wenigen Jahren aktualisiert und neu aufgelegt)

[2] Dieter Altenpohl: Aluminium von innen – Das Profil eines modernen Metalls; 5. Auflage 1994, Aluminium-Verlag, Düsseldorf; Seite 260ff

[3] T. W. Jelinek: Oberflächenbehandlung von Aluminium; E. G. Leuze Verlag, Saulgau, 1997; Seite 31

 
 
 

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