Tribologische Analysen am Wälzkontakt und deren funktionale Auswirkungen

Werkstoffe 21. 07. 2015

Von Prof. Dr.-Ing. Dietmar Schorr, Karlsruhe

Das Steinbeis-Transferzentrum in Karlsruhe bietet Betrachtungen zum tribologischen Verhalten von Wälzlagern an. Dazu sind vor allem Untersuchungen der Oberflächentopographie und der Gefügedichte des Materials aussagekräftig. Zur Bestimmung eines Maßes für die Größe der Gefügedichte bietet sich insbesondere die Photothermie an, mit der diese in einer Tiefe von 10 µm bis 2000 µm unterhalb der Oberfläche gemessen werden kann. Diese Ergebnisse können dabei helfen, die Versuchsdauerlaufzeiten für die Erprobung von Bauteilen zu verkürzen.

Tribological Analyses of Rolling Contacts and their Functional Implications

The Steinbeis Transfer Centre In Karlsruhe offers its expertise in the understanding and analysis of rolling contacts. In this, a study of the surface topography and the structure of the materials involved, are major predictors of subsequent behaviour. One method for understanding structural effects is based on use of photothermal analysis which allows a probing depth of from 10 µm to 2000 µm below the surface. Results from such studies form the basis for lifetime predictions for rolling contacts and thereby reduce the time otherwise required for trials.

1 Institutsbeschreibung

Das Steinbeis-Transferzentrum (STZ) Tribologie in Anwendung und Praxis bietet zu tribologischen Themenstellungen Dienstleistungen in den Bereichen Analysen, Beratung und Seminaren an. Der Sitz des Zentrums ist an der Dualen Hochschule Baden in Karlsruhe (Abb. 1). Für die vielfältigen Analysen steht ein breites Spektrum an Einrichtungen zur Verfügung, sodass unterschiedlichste Aufgabenstellungen bearbeitet werden können. Hierbei stellt das Analyseergebnis selbst lediglich die Grundlage für die Ableitung der physikalischen Wirkmechanismen dar. Das Verständnis derer und ihrer Wirkreihenfolge ist die Grundlage für konstruktive Maßnahmen. Dies ist der Schwerpunkt des STZ Tribologie, während Tribometertests nicht zum Dienstleistungsangebot gehören.

Abb. 1: Das Steinbeis-Transferzentrum STZ ist an der Dualen Hochschule Baden in Karlsruhe angesiedelt (Bild: Prof. Dr. D. Schorr)

 

2 Funktion des Wälzkontakts aus Sicht der Tribologie

Der Wälzkontakt stellt eine häufige tribologische Kontaktsituation dar. Dazu wird im Folgenden der trockene Kontakt betrachtet, bestehend aus zwei zylindrischen Rollen (Abb. 2). Hierbei bildet die eine die Antriebs- und die andere die Abtriebsrolle. Die Funktion dieses Wälzkontakts ist die Übertragung eines Drehmoments beziehungsweise einer Kraft. Da eine globale Relativbewegung der beiden Zylinderrollen zueinander (Schlupf) direkt zum Verschleiß führen würde, muss der Reibungskoeffizient immer ausreichend groß sein, um die Mitnahme sicherzustellen. Er muss damit über die gesamte Betriebszeit dieser Anforderung genügen und darf niemals einen kritischen Wert unterschreiten. Eine weitere Anforderung an den Reibungskoeffizient ist die Gleichmäßigkeit über die Länge der Zylinderrolle. Eine Ungleichmäßigkeit würde zu einem nicht erwünschten, außermit­tigen resultierenden Kraftangriffspunkt und somit zu einem Drehmoment um die Hochachse führen.

Abb. 2: Systematische Darstellung eines Wälzkontakts

 

Im Weiteren wird von einem System ausgegangen, bei dem die Oberflächenrauheit der beiden Kontaktpartner im technisch glatten Bereich liegt (Abb. 3). In diesem erfolgt die Kraftübertragung zwischen den beiden Rollen über die ständige Bildung und das Lösen von adhäsiven Bindungen an der Oberfläche. Zwar muss eine ausreichende Anzahl von Kontaktpunkten zur Kraftübertragung vorliegen, allerdings dürfen es nicht zu viele gleichzeitig sein. Denn dieses großflächige Verschweißen hätte beim Lösen der Bindungen die Überschreitung der zulässigen Zugspannungen im Material zur Folge. Infolgedessen ­würde Material von einem Kontaktpartner herausgerissen und auf den anderen übertragen.

Abb. 3: Unterschiedliche Oberflächenrauheiten ­erzeugen unterschiedliche Reibungszustände

 

In der Folge würden Löcher und Materialauftragungen entstehen (Abb. 4). Dieser Verschleiß wird aufgrund seines zugrundeliegenden Mechanismus als Adhäsionsverschleiß bezeichnet. Die dadurch ausgelöste Kettenreaktion von Herausreißen und Auftragen von Material würde in der Folgezeit zum Totalausfall des Systems führen, da die Oberflächen ihre tribologische Funk­tion verlieren.

Abb. 4: Beispiel für eine Schädigung durch Adhäsionsverschleiß eines Kontaktbereichs

 

3 Einflussgrößen auf den Reibungskoeffizient

Zu den wichtigen Größen bei der Betrachtung von Wälzkontakten und insbesondere der auftretenden Reibungskoeffizienten zählen die verwendeten Werkstoffe, die Temperatur des Systems, die Oberflächentopographie der beiden Kontaktpartner sowie die Gefügedichte der eingesetzten Werkstoffe. Beeinflussbar sind im Wesentlichen die Oberflächentopograhie und die Gefügedichte.

4 Messung von Oberflächentopographie und Gefügedichte

Zur Vermessung der Oberflächentopographie stehen im STZ Tribologie in Anwendung und Praxis eine Reihe von Mess­geräten zur Verfügung. Dazu gehören auch unterschiedliche konfokal und interferometrisch messende Mikroskope. Aus den damit erzielten Messergebnissen (Abb. 5) können mithilfe entsprechender Auswerte­software tribologisch relevante 3D-Oberflächenparameter berechnet werden. Diese dienen dazu, die Oberflächen hinsichtlich des Reibungskoeffizienten, des Einlaufverhaltens und des Verschleißrisikos zu bewerten. Beispielsweise kann mit den Kennwerten der sogenannte Adhäsionsneigungs-Index Sad berechnet werden. Dieser dient dazu, die Auswirkungen unterschiedlicher Topographien bezüglich des adhäsiven Verschleißrisikos relativ zueinander zu bewerten.

Abb. 5: Beispiel für 3D-Vermessung der Oberfläche

 

Die Gefügedichte des Materials ist eine wichtige Kenngröße, da der Reibungskoeffizient umgekehrt proportional der Härte­ und somit in erster Näherung der Dichte­ ist. Hierbei ist nicht nur deren Größe wichtig, sondern auch der in die Tiefe gehende funktionale Verlauf. In Abbildung 6 ist die Gefügedichte der großen Zylinderrolle des Wälzkontakts dargestellt. Diese wurde mithilfe der Photothermie über ein Messfeld von 20 x 30 mm in einer Tiefe von 20 µm bestimmt. Erkennbar sind Bereiche mit großer Dichte (rot) und Bereiche mit kleiner Dichte (blau). Aufgrund des Zusammenhangs zum Reibungskoeffizienten bedeutet dies eine große Ungleichmäßigkeit dessen über den Kontaktbereich.

Abb. 6: Messergebnis der Gefügedichte einer Zylinderrolle

 

4.1 Photothermie

Bei der Photothermie wird ein fasergekoppelter Diodenlaser moduliert und nach einer Aufweitung auf die Probenoberfläche fokussiert (Abb. 7). Zur Messung der Wärmestrahlemissionen (thermische Wellen) wird ein IR-Detektor eingesetzt. Die Ausbreitung der Wellen ins Materialinnere ist von den thermischen Eigenschaften des Materials abhängig und kann mithilfe der thermischen Diffusivität beschrieben werden. Diese ist umgekehrt proportional dem Produkt aus Dichte ρ und spezifischer Wärmekapazität cp. Dieses Produkt wiederum ist proportional zur Gefügedichte. Somit lassen sich Gefügedichteunterschiede, beispielsweise verursacht durch Härteunterschiede, Versetzungen, Unreinheiten, Belastungen oder Beschichtungsfehler, durch diese indirekte Messmethode zerstörungsfrei erfassen.

Abb. 7: Verfahrensdarstellung der Photothermie

 

Da die Methode nicht zerstörend arbeitet, können beispielsweise Bauteile aus Dauerversuchen zu den Zeitpunkten (t1, t2, t3, …) entnommen und die Gefügedichteveränderungen vermessen werden. Wenn dazu noch der Zusammenhang zwischen dem Ausfallverhalten des Bauteils und den Gefügedichteveränderungen vorher versuchstechnisch ermittelt wurde (Abb. 8), so sind für weitere Versuche mit ähnlichen Bau­teilen signifikante Verkürzungen der Erprobungslaufzeiten möglich.

Abb. 8: Zusammenhang zwischen Ausfallverhalten und Gefügedichte

 

Relevante Unternehmen

Video(s) zum Thema

Werbepartner

Links zu diesem Artikel

Aus- und Weiterbildung

Top