Zulassungsverfahren unter REACh am Beispiel Chromtrioxid

Verbände 21. 07. 2015
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– Und wie geht es weiter?

Von Dr. Saša P. Jacob (ZVO/DGO, Hilden) und Paul Gehle (Dr. Hesse GmbH & Cie KG, Bielefeld)

Ziel des Zulassungsverfahrens unter REACh ist es, Stoffe mit besonders besorgniserre­genden Eigenschaften durch geeignete ­Alternativstoffe oder Alternativtechnologien zu ersetzen und nur Herstellungs- oder Verwendungsarten zuzulassen, deren Risiken ausreichend beherrscht werden beziehungsweise deren sozioökonomischer ­Nutzen die Risiken überwiegt.

Die Basis

Stoffe aus dem Anhang XIV der REACh-Verordnung dürfen nach dem Ablaufdatum nur noch dann hergestellt oder verwendet werden, wenn die Verwendung oder Herstellung zugelassen ist. Eine Zulassung kann von Herstellern, Importeuren oder den (nachgeschalteten) Anwendern des Stoffs beantragt werden. Im Zulassungsantrag müssen die Gesundheits- oder Umweltrisiken bewertet werden, derentwegen der Stoff als SVHC anerkannt und in Anhang XIV aufgenommen worden ist. Außerdem muss durch den Antragsteller eine Analyse der Alternativstoffe und/oder -technologien erfolgen, die auch mögliche Risiken und Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten beschreibt. Bei CMR-Stoffen muss der Antrag zudem zwingend eine sozioökonomische Analyse enthalten. Die Begründung dafür ist, dass keine sichere Anwendung über die Einhaltung von Grenzwerten erlaubt ist, weil für Stoffe mit diesen Eigenschaften keine behördlichen Grenzwerte definiert sind. Dies bedeutet nicht, dass es keinen toxikologisch unbedenklichen Grenzwert gibt, es wurde lediglich keiner festgelegt.

Die letztendliche Entscheidung über einen Zulassungsantrag wird nach Prüfung und Bewertung des Antrags durch die ECHA von der EU-Kommission getroffen. Eine Zulassung kann erteilt werden, wenn die von der Herstellung oder Verwendung des Stoffs ausgehenden Risiken angemessen beherrscht werden. Eine Bedingung könnte dann sein, dass behördlich festgelegte Grenzwerte eingehalten werden müssen. Eine Zulassung kann auch erteilt werden, wenn der sozioökonomische Nutzen die Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt überwiegt und es keine Alternativstoffe oder -technologien gibt, so zum Beispiel bei CMR-Stoffen wie Chromtrioxid.

Status und Termine für Chromtrioxid

Aktuell stehen Chromtrioxid und einige verwandte Verbindungen im Zulassungsverfahren und sind bereits seit dem 15. Dezember 2010 auf der Kandidatenliste. Die Aufnahme in den Anhang XIV der REACh-Verordnung erfolgte am 17. April 2013.

Damit untersteht ein wesentlicher Stoff der galvano- und oberflächentechnischen Branche dem Zulassungsverfahren unter REACh. Dies ist für alle Beteiligten am Zulassungsverfahren eine Herausforderung. Bisher musste kein Stoff beziehungsweise keine Stoffklasse, der beziehungsweise die eine so breite Anwendung findet, das Zulassungsverfahren durchlaufen. Allein die schiere Menge der Anwender, die Komplexität der Lieferkette und die Bedeutung für die Industrien der betroffenen Anwendungen über die Grenzen Deutschlands und Europas hinaus beeindrucken. Dies ist auch der ECHA bewusst und dementsprechend hat sie ihre Kapazitäten an die voraussichtliche Antragsflut angepasst.

Es gibt zwei große für die Galvano- und Oberflächentechnik relevante Institutionen, die einen Zulassungsantrag vorbereitet haben. Dies sind das CTAC-Konsortium und der Vecco e. V. Aus dem CTAC-Konsortium erfolgte die Zulassungseinreichung im Mai 2015. Der Vecco e. V. wird in einem der nächsten Antragseinreichungsfenster folgen. Ziel der Anträge ist, die maximale Anzahl der Anwendungen durch das Antragsdossier abzudecken und damit die Lieferfähigkeit sicherzustellen.

Ungefähr zwei bis drei Monaten nach der Einreichung werden im Zuge der Broad Information on Uses (BIU) wesentliche Inhalte des Zulassungsantrags veröffentlicht, in deren Anschluss eine öffentliche Konsultation zu den eingereichten Informationen stattfindet. Hier können beispielsweise betroffene Industrien, nichtstaatliche Organisationen1) oder Anbieter von Alternativtechnologien Eingaben tätigen. Der ZVO mit dem Ressort REACh bereitet hierzu für den bereits eingereichten CTAC-Antrag eine flankierende und unterstützende Kommentierung vor, die voraussichtlich im August 2015 vorliegen wird. Kurz nach der öffentlichen Konsultation kann ein Trialog zwischen Antragsteller, RAC2) und SEAC3) stattfinden, um eventuelle Unklarheiten zum Antrag anzusprechen und zu beseitigen. Auch wenn dieser Trialog nur bei Bedarf angesetzt wird, so zeigt die Erfahrung, dass ein Austausch mit den beiden Bewertungs­komitees sinnvoll ist.

Im Herbst des Jahres geben RAC und SEAC dann ihre erste nicht-bindende Meinung zum Antrag des CTAC-Konsortiums ab, bevor am 21. März 2016 das Einreichungsfenster (Application Date) für Zulassungsanträge geschlossen wird. Wer nach diesem Datum einen Antrag stellt, darf ab dem Sunset Date innerhalb der EU kein Chromtrioxid mehr verwenden ober in Verkehr bringen, bis ein positiver Bescheid ausgesprochen wird. Diejenigen, die vor dem Datum einen Antrag gestellt haben, können bis zur Entscheidung der Europäischen Kommission Chromtrioxid weiter wie bisher nutzen. Innerhalb des Entscheidungsfensters folgt eine letzte nicht-bindende Empfehlung der ECHA an die europäische Kommission über die Zulassungsanträge. Diese wird veröffentlicht und zur Entscheidung an die EU-Kommission gegeben. Der Sunset Date am 21. September 2017 bildet dann das Ende des Verfahrens, an dem die Entscheidung der Europäischen Kommission zu erwarten ist.

Aussicht: Wie geht es weiter?

Der Zulassungsprozess von Chromtrioxid, bei dem mit einer großen Anzahl an Zulassungsanträgen und Verwendungen gerechnet wird und der zeitlich von einer Klage des Vecco e. V. und 185 anderer Unternehmen am Europäischen Gerichtshof (EuGH) begleitet wird, soll aus Sicht der Kommission erst abgewartet werden, bevor weitere regulatorische Maßnahmen getroffen werden. Davon betroffen wären auch Stoffgruppen, wie die oberflächentechnisch relevanten Kobalt- und Nickelsalze oder die Borsäure.

Durch die weitreichende politische und informelle Arbeit verschiedener Organisationen, wie ZVO, CETS, Vecco und anderer, hat die EU-Kommission festgestellt, dass

  • das Zulassungsverfahren nicht nur die Chemieindustrie, sondern hunderte von Lieferketten in verschiedenen Bereichen der europäischen Industrie betrifft sowie konsequenterweise in zweiter, dritter oder noch weiter nachgelagerter Stelle­ zumeist mittelständische Unternehmen (KMU) betroffen sind. Viele KMU sind mit dem Aufwand und der Komplexität des bisher vorgesehenen (und am Beispiel Chromtrioxid durchgeführten) Procedere eines dreiteiligen Zulassungs­antrags (1: Stoffsicherheitsbericht = CSR, 2: Analyse der Alternativen = AoA und 3: Sozio-Ökonomische Analyse = SEA) fachlich, personell und finanziell überfordert.
  • eine Planungssicherheit für Investitionen bei kurzen und mittleren Überprüfungszeitfenstern (Review Periods) einer erteilten Zulassung bei den von der ECHA vorgeschlagenen vier beziehungsweise sieben Jahren nicht gegeben ist, sodass Investitionen nicht oder nicht mehr in der EU durchgeführt werden. Dies konterkariert die Intention der EU-Kommission, durch die REACh-Regulierungen einen Innovationsschub zu bewirken. Das Gegenteil ist der Fall. Investitionen und Innovationen finden kaum mehr statt und Lieferketten drohen ins EU-Ausland abzuwandern.

Aufgrund dieser Erkenntnisse ist die EU-Kommission zum Schluss gekommen, dass:

  • das Procedere der Zulassung insgesamt, aber besonders für kleine und mittelständische Unternehmen vereinfacht werden muss
  • bei der Entscheidung bezüglich der Aufnahme eines Stoffes in ein Regulierungsverfahren wie die Zulassung (Anhang XIV) oder die Restriktion (Anhang XVII) ein vorgeschalteter Dialog (Risiko-Minderungs-Options-Analyse = RMOA) mit den betroffenen Industrien stattfinden muss, welche die Themen sichere Verwendung, Verbreitung, Arten der Verwendung und mehr aus Behördensicht und Industriesicht beleuchtet, bevor die Behörde (ECHA beziehungsweise nationale Behörden) eine endgültige Empfehlung zur Regulierung abgeben kann. Neu ist dabei, dass auch die sozioökonomische Relevanz der Stoffe schon vor der Einreichung eines Dossiers zur Regulierung beleuchtet werden soll, um die relevanten Stoffe und die angemessene Stoffregulierung nach einer Diskussion mit den betroffenen Industrien zu finden
  • die Häufigkeit des Hinzufügens von Stoffen zum Anhang XIV reduziert werden.

Beispiele von Stoffklassen, für die eine Vereinfachte Zulassung gelten soll und welche die EU-Kommission unter dem Titel REACh – ReFit erzielen will, sind:

  • Stoffe mit geringen benötigten Mengen (der ZVO und das Ressort REACh haben hierzu in der öffentlichen Konsultation eine Kommentierung abgegeben)
  • Stoffe in Ersatzteilen bei langlebigen Gütern (z. B. Flugzeuge, Automobile…)
  • essentielle Nährstoffe in biologischen Prozessen
  • Stoffe bei der Herstellung von Artikeln mit aufwändiger Typenzulassung
  • Stoffe, bei denen insbesondere der Arbeitsschutz eine Rolle spielt (=> Arbeitsplatzgrenzwerte)
  • Prozesschemikalien in industriellen Anlagen
  • Stoffe in Rezyklaten (=> Abfallrecht)

Über die RMOA soll vor Einreichung eines Stoffdossiers zur Regulierung ermittelt werden, ob zur Zulassung eine alternative Regulierungsmöglichkeit besteht, wie zum Beispiel die Beschränkungen, Arbeitsplatzgrenzwerte oder bereits bestehende Gesetze. Es muss also in diesem Zug auch ein Abgleich mit bestehenden, gültigen Rechtslagen zum Thema Arbeitsschutz und anderen nationalen Gesetzen stattfinden, die in den EU-Ländern noch nicht einheitlich ­geregelt sind. Hier ist eine Harmonisierung statt einer widersprüchlichen Doppelregelung durch REACh im Zuge der RMOA angestrebt.

Als große Herausforderung sieht die EU-Kommission, zu einer einheitlichen Meinung der Mitgliedsstaaten zum Ausgang der RMOA und damit zur richtigen beziehungsweise besten RMO4) zu gelangen. Dies lässt auf langwierige Entscheidungspro­zesse schließen.

1) NGO – non-governmental organization

2) risk assessment committee

3) socioeconomic assessment committee

4) Risiko Management Option

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