Mithilfe der Nanotechnologie sind Beschichtungen herstellbar, die interessante Nanoeffekte, wie blickwinkelabhängige Farbeffekte, Plasmonen/Lumineszenz-Leuchteffekte, und als Funktion der Temperatur schaltbare thermochrome Effekte zeigen. Für diese Systeme ergeben sich zahlreiche Anwendungen in unterschiedlichen Bereichen.
Multifunctional Nanocoatings
Using nanotechnology, coatings can be formed exhibiting interesting nano effects such as angle of observer colour variation, plasmon/luminescence illumination effects and thermochromic behaviour. Such systems can find application in a wide range of uses.
1 Einleitung
Nanotechnologie basiert auf Partikeln, Stäbchen, Fasern und/oder strukturierten Oberflächen, die in mindestens einer Dimension eine Nanometergröße von 1 nm bis 100 nm aufweisen. Dadurch dass durch diese geometrischen Eigenschaften andere, wie zum Beispiel chemische, Eigenschaften zurücktreten, lassen sich neue interessante Phänomene erzielen. Diese sind hauptsächlich drei Gruppen zuzuordnen und umfassen quantenmechanische Effekte, Reaktivitätseffekte durch die große Oberfläche im Verhältnis zur Masse sowie Strukturierungseffekte, die unter anderem zur Selbstorganisation oder zur molekularen Erkennung genutzt werden können. Gleichzeitig ergibt sich daraus auch der interdisziplinäre Charakter, sodass berechtigterweise von einer Querschnittstechnologie gesprochen werden kann.
Während die physikalische Nanotechnologie investitionsintensive Plasmaanlagen erfordert, lassen sich mithilfe der chemischen Nanotechnologie in Kombination mit der Polymertechnologie oftmals kostengünstigere Lösungen erzielen. Durch die chemischen Verfahren kann zudem ein wesentlicher Beitrag zur Sicherheit im Umgang mit Nanopartikeln beziehungsweise Nanotechnologie dadurch geleistet werden, dass aufgrund der Polymerverankerung die unkontrollierte Freisetzung einzelner Nanopartikel verhindert wird.
2 Motivation, Aufgabenstellung und Zielsetzung
Vor dem Hintergrund, dass in den Medien Nanotechnologie als Zukunftstechnologie schlechthin galt und bezüglich der Effekte (z. B. Lotus-Effekt) Erwartungen verknüpft waren, die nicht alle vollumfänglich erfüllt werden konnten, war zu prüfen, inwieweit grundlegende Nanophänomene mit vergleichsweise einfachen Mitteln der chemischen Nanotechnologie darstellbar sind. Diese Arbeiten wurden im Rahmen eines Konsortiums vorangetrieben, wobei darauf geachtet wurde, solche Lösungen anzustreben, die ein Potenzial für zahlreiche Produktanwendungen bieten.
3 Methodik
Zunächst wurde die Thematik des blickwinkelabhängigen Farbeffekts aufgegriffen. Dazu wurde der Interferenzeffekt herangezogen (Abb. 1).
Im Einzelnen wurden Mikropartikel mit Nanopartikeln beschichtet und in eine transparente Polymermatrix integriert. Wird das System auf ein Drahtband aufgetragen und verwebt, lassen sich komplexe Strukturen darstellen. Außer Anwendungen in der Architektur oder Automobilindustrie lässt sich das Prinzip auch auf Druckpasten übertragen und kann zur fälschungssicheren Kennzeichnung von Dokumenten und Objekten auch im Sinne eines Plagiatschutzes verwendet werden.
Eine weitere Aufgabe ist die Darstellung des Plasmonen/Lumineszenz-Leuchteffekts. Der Plasmoneneffekt ist besonders bei metallischen Nanopartikeln (dargestellt am Beispiel von Nanosilber) ausgeprägt. Eine Lichtanregung (im Sinne elektromagnetischer Strahlung) der freien metallischen Leitungselektronen führt zu kollektiven Resonanzschwingungen dieser Ladungswolken. Diese Oberflächenplasmonen führen zu einem Leuchteffekt, falls die Resonanzfrequenz im sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums liegt. Die Resonanzfrequenz ist über die Größe der Nanopartikel einstellbar.
Um die Leuchtkraft zu verstärken, wurde ein Lumineszenzeffekt durch Zugabe eines Funktionsadditivs ergänzt. Beim Lumineszenzeffekt kann die Lichtanregung im UV/VIS-Bereich zu drei Arten von Anregungen führen: elektronische Anregung von Valenzelektronen, Rotations- und Schwingungsanregung von Molekülen (Abb. 2).
Beschränkt man sich auf die elektronische Anregung von Valenzelektronen werden die Elektronen zunächst vom Grundzustand S0 auf die höheren Energieniveaus S1 und S2 angehoben (HOMO – LUMO-Übergänge). Die Relaxation erfolgt nach komplexen Gesetzen unter zusätzlicher Berücksichtigung der Elektronenspins. Beim P-Übergang (rot dargestellt) kommt es dann zur Strahlungsemission.
Der thermochrome Effekt wird durch eine reversible chemische Reaktion dargestellt, die zu einer Änderung der Konjugation elektronischer Doppelbindungen führt. Dieser Effekt wird als Funktion der Temperatur schaltbar ausgeführt, wobei für die konkrete Anwendung eine Schalttemperatur von 30 °C festgelegt wurde. Für diese Schaltfunktion spielen Nanopartikel eine wichtige Rolle. Bei Erwärmung schaltet das System von schwarz nach transparent. Dies ist nicht nur eine zum Beispiel werbetechnisch nutzbare Spielerei, denn da sich dabei der IR-Reflexionskoeffizient drastisch ändert, können auf diese Weise wärmeausgleichende Schichten erzeugt werden.
Die grundsätzliche Vorgehensweise und der Ablauf der Entwicklung – was sowohl die nanotechnologische als auch die polymerchemische Seite angeht –, ist in Abbildung 3 dargestellt. Die Nanopartikelsynthese kann top-down oder bottom-up erfolgen. Es schließt sich eine umfangreiche Analytik an, wie Abbildung 4 in der Übersicht zeigt.
Aus theoretischer Sicht ist die Stabilisierung der Nanopartikel ein entscheidender Schritt; sie erfolgt durch chemische Additivierung. Die Auswahl von geeigneten Substanzen wird anhand eines Potentialmodells durchgeführt.
Die Poisson-Boltzmann-Differenzialgleichung (Gl. 1) beschreibt das elektrostatische Potential U im bisphärischen Koordinatensystem von Eta und Theta. Dabei korreliert B mit kH (Hamaker-Konstante) der Van-der-Waals-Interaktion. Diese Wechselwirkung im weiteren Sinn muss reduziert werden.
Für die Systemintegration im Sinne einer polymerchemischen Kopplung wurden als Technologieplattformen transparente 1K-, 2K-PU-Systeme sowie ein waterborne Acryl/Styrol-System entwickelt, die eine gute Haftung sowie ein Optimum an Elastizität bei gleichzeitiger Oberflächenhärte aufweisen. Eine gute UV-Beständigkeit runden das Eigenschaftsspektrum ab.
4 Ergebnisse
Für die durchgeführten Untersuchungen liegen inzwischen einige Ergebnisse, beispielsweise aus der Analytik, aus der Musterproduktion und aus Endanwendungen vor.
In einer speziellen Bearbeitungsphase erfolgt die Nanobeschichtung der Mikro-Interferenz-Partikel. Für die diesbezügliche Analytik ist es beispielsweise von Bedeutung, die Morphologie in Kombination mit der chemischen Zusammensetzung zu untersuchen, was mithilfe der energiedispersiven Röntgenspektroskopie erfolgt (Abb. 5).
Basierend auf diesen Ergebnissen wird durch Pigment/Wirkstoff-Polymerkombination der Nanolack hergestellt und der Auftrag vorgenommen. Die Drahtgewebemuster werden anschließend verschiedenen Umwelttests unterzogen.
Anhand der goldfarbenen Probe mit dem Pigment NPI00101 werden die Ergebnisse von UV-Test, Kondenswasser-Wechselklima-Test mit Lufttemperatur-Wechsel nach DIN EN 6270-2 AT und Salzsprühnebeltest nach DIN EN 60068-2-52 Kb dargestellt.
Die Beschichtung NFO00101, welche die goldfarbenen Pigmente NPI00101 enthielt, wurde einem UV-Test unterzogen und anschließend mikroskopisch untersucht. Es konnten keine Beschädigungen festgestellt werden (Abb. 6).
5 Zusammenfassung und Ausblick
Die angestrebten Nanoeffekte konnten mithilfe der chemischen Nanotechnologie vollumfänglich dargestellt werden. Dies gilt für den blickwinkelabhängigen Farbeffekt, den Plasmonen-/Lumineszenz-Leuchteffekt und die als Funktion der Temperatur schaltbaren thermochromen Systeme.
Für die Interferenzsysteme liegen die Hauptanwendungen in der Architektur und Automobilindustrie sowie zur fälschungssicheren Kennzeichnung von Dokumenten und Objekten.
Die Plasmonen/Lumineszenz-Leuchteffekte können zum Beispiel für nachtleuchtende Notmarkierungen genutzt werden. Die schaltbaren thermochromen Systeme dienen der Herstellung von wärmeausgleichenden Schichten, Isolation und Energiemanagement.
Für die Nano-Funktionsstoffe konnten geeignete Polymerbinder entwickelt werden. Die Systeme insgesamt erfüllten soweit die Stabilitäts- und Umwelttest soweit. Teilaspekte der Systemlösungen haben bereits Anwendung bei Architekturfassaden gefunden, wie das Beispiel des Ticon-Kongresszentrums in Tripolis zeigt (Titelbild).
Kontakt
Helmut Schmid, E-Mail: sd@ict.fraunhofer.de
Literatur/Quellen
[1] Pfaff, Fa. Merck
[2] Mineralienatlas
[3] Fraunhofer-ICT
[4] Fa. GKD, Düren