Hartverchromung mit Platin-Titan-Anoden 

Oberflächen 07. 09. 2015
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Prozesse optimieren und Abfallmengen reduzieren

Von Thomas Ebert und Frank Friebel, Umicore Galvanotechnik GmbH, Schwäbisch Gmünd

Zur Abscheidung von Chromschichten hatten Bleianoden lange den Ruf einer optimalen Lösung, da sie in der Anschaffung kostengünstig sind. Sowohl aufgrund der Toxizität von Blei als auch durch erhebliche Kosten im laufenden Betrieb ist die Suche nach Alternativen sinnvoll. Platinierte Titananoden erfordern zwar eine deutlich höhere Anfangsinvestition, besitzen aber den Vorteil einer wesentlich längeren Lebensdauer durch eine gute Wiederverwendbarkeit und vor allem sehr geringe Kosten im Betrieb. Insbesondere aber
erlauben dimensionsstabile platinierte Titananoden eine deutlich bessere Schichtdickenverteilung durch die Anpassung ihrer Geometrie an die zu beschichtende Bauteilform.

Hard Chromium Plating Using Platinised Titanium Anodes - Process Optimisation and Waste Minimisation

Conventional wisdom until recently, held that lead anodes were the most cost-effective for use in hard chromium electrodeposition from hexavalent electrolytes. However both because of the toxic nature of lead and its compounds and the operating costs arising from use of lead anodes, a better alternative was desirable. Platinised titanium anodes, it is true, require a higher initial investment but against this, they have a significantly longer life, in part because they can be reconditioned. They also offer a lower operating cost. Equally important is that such dimensionally stable anodes can give more uniform coating thickness because their geometry can be modified to conform with that of the components to be plated.

1 Chromabscheidung – unverzichtbare Technologie

Hartverchromung gehört weltweit zu den wichtigsten Prozessen der industriellen Oberflächenveredelung. Hartchromschichten bieten viele Vorteile: Sie verfügen über hohe Härte und haben einen niedrigen Reibkoeffizienten. Das Metall verbessert Abriebfestigkeit und Verschleißwiderstand. Es bietet zudem Korrosionsschutz und Reaktionsträgheit gegenüber anderen chemischen Stoffen. Daher erhalten viele Komponenten, die hohen Belastungen und starkem mechanischem Stress ausgesetzt sind, eine Hartchrom-Endschicht.

Zu diesen Bauteilen zählen zum Beispiel:

  • Dämpfungssysteme
  • Druckzylinder
  • Kolbenringe und -stangen
  • Hydraulikzylinder
  • Ventile

Klassische Anwenderbranchen, die auf Hartchromprozesse nicht verzichten können, sind unter anderem die Automobil- und Druckindustrie oder Hersteller von Schwerlastfahrzeugen, bei Baggern und Kränen sowie Produzenten von Maschinen für den Bergbau.

So wichtig das Metall auch ist: Die Prozesse sind in vielen Betrieben häufig optimierungsbedürftig. Wer mit Hartchromelektrolyten arbeitet, hat es zum Beispiel mit vielen Problemsubstanzen zu tun. Dazu gehören etwa Blei, Bleioxid und Blei­chromat.

2 Bleianoden – Charakterisierung

Blei und seine Verbindungen sind als toxisch klassifiziert. Daher verschärfen etwa in den USA staatliche Behörden zunehmend den Druck auf die Industrie, in denen dieses Metall zum Einsatz kommt. Dennoch werden vielfach noch Bleianoden verwendet, da sie auf den ersten Blick als kostengünstig eingestuft sind. Auch wenn Betriebe der Galvanotechnik den Umgang mit Gefahrstoffen gewohnt sind, ist ein rascher Ersatz von Bleianoden sehr zu empfehlen. Das hat mehrere Gründe.

Nach Unterbrechung des Stromkreislaufs bildet sich in Hartchromelektrolyten an der Anode das besonders problematische Bleichromat (PbCrO4). Wird der Strom wieder eingeschaltet, fällt das Bleichromat von der Anodenoberfläche ab und sammelt sich am Boden der Tanks. Seine Entsorgung stellt hohe Anforderungen an die Arbeitssicherheit. Sie ist zudem zeitaufwändig und teuer. Alleine an Gebühren fallen aktuell in Baden-Württemberg etwa 1500 Euro pro Tonne an.

Doch nicht nur aus Sicht des Umweltschutzes sind Bleianoden problematisch: Ihr zweites großes Manko ist, dass sie nicht dimensionsstabil sind. Das heißt, sie verformen sich rasch, verbiegen sich meist in Richtung Kathode (Abb. 1). Die Folge: Der Abstand zwischen Anode und kathodischem Bauteil variiert. Ebenso verändert sich die ursprüngliche Dimension der einzelnen Bleistäbe. Eine gleichmäßige Schichtdickenverteilung lässt sich so nicht gewährleisten. Mechanisches Nachbearbeiten (Schleifen oder Polieren) der bereits aufwändig beschichteten Bauteile ist häufig notwendig.

        

Abb. 1: Bleianoden verformen sich meist relativ schnell im Elektrolyten

Daneben ist der Wartungsaufwand der schweren Bleianoden sehr hoch. Vielfach werden sie von Hand gedreht und müssen häufig neu ausgerichtet werden. Zudem sind Bleianoden in regelmäßigen Intervallen abgenutzt und müssen gegen neue ausgetauscht werden.

3 Alternative zu Bleianoden

Fast alle diese, zum Teil immensen, Nachteile haben platinierte Titananoden nicht: Die Prozesse werden umweltfreundlicher, Kundenzufriedenheit mit dem Beschichtungsergebnis und Produktionsdurchsatz steigen.

Die Vorteile von platinierten Titananoden lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • signifikant längere Lebensdauer
  • kein Wartungsaufwand für die Anoden
  • keine regelmäßigen Produktionsstillstände
  • kein Bleichromatschlamm im Beschichtungsbehälter
  • niedrigere Betriebs- oder Zellspannung (ca. 1 V) bei gleichem Gesamtstrom und damit deutliche Energieeinsparung
  • bessere Leitfähigkeit der Anoden und Stromzuführungen
  • höhere Beschichtungsqualität
  • dimensionsstabiles Design (Abb. 2 und 3)
  • geringes Gewicht
  • Möglichkeit der Replatinierung und mehrfachen Wiederverwendbarkeit von Baukomponenten wie Stromzuführungen und Rahmenteilen
  • kurzer Return-on-Investment

Abb. 2: Durch Hochtemperaturelektrolyse mit Platin beschichtete Titananoden sind dimensionsstabil; sie bewahren über einen langen Zeitraum ihre Form 

Abb. 3: Platinierte Titananoden aus Streckmetallgitter; Bauformen und Maschenabmessungen sind auf die zu beschichtenden Bauteile optimiert 

4 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Als ein Nachteil bei Investitionen in platinierte Titananoden werden die deutlich höheren Anschaffungskosten im Vergleich zu Bleianoden gesehen. Bei dieser Betrachtung bleiben jedoch die laufenden Kosten unberücksichtigt. Denn längerfristig schlagen vor allem der deutlich niedrigere­ Stromverbrauch, minimierte Ausfallzeiten und Entsorgungskosten sowie die längere Lebensdauer bei platinierten Titan­anoden zu Buche. Eine eindeutige Aussage zur Amortisationszeit lässt sich zwar nur für den jeweiligen Anwendungsfall treffen. Aber schon nach zwei Jahren kann der Break-even-Point erreicht sein.

Ein detailliertes Rechenbeispiel zieht dazu die typischen Anforderungen eines Betriebes in der Hartverchromung in Betracht. Verglichen wurden acht Anoden aus einer Bleilegierung PbSn7 mit einer Länge von 1700 mm und einem Durchmesser von 40 mm für die Verchromung eines zylind­rischen Bauteils mit entsprechend dimensionierten platinierten Titananoden.

Die Herstellungskosten für die Bleianoden betragen rund 1400 Euro. Im Gegensatz dazu liegt der Investitionsaufwand für entsprechende platinierte Titananoden für die Erstanschaffung mit etwa 7000 Euro deutlich höher. Vor allem die Platinbeschichtung trägt hier erheblich zum Preis bei. Die reinen Edelmetallkosten machen alleine etwa 45 Prozent der Gesamtkosten aus. Bei einer Platinschicht von 2,5 µm sind 11,3 g des Edelmetalls für jede der acht Anoden erforderlich. Bei einem Preis von 35 Euro/g ergibt dies 3160 Euro.

4.1 Produktionsstillstand minimieren

Betrachtet man den Einsatz über einen längeren Zeitraum, so wandelt sich die Situation. Bereits nach drei Jahren liegen die Gesamtkosten für den Einsatz der Bleianoden deutlich höher als die für platinierte Titan-Modelle: In dem konservativ ausgerichteten Berechnungsbeispiel wird von einer typischen Anwendungsstromdichte von 40 A/dm² ausgegangen. In das Ergebnis fließt deshalb ein Strom von 6720 Ampere bei der gegebenen Anodenfläche von 168 dm² während einer Betriebszeit von insgesamt 6700 Stunden in drei Jahren ein. Das entspricht zehn Stunden Nettobetriebszeit an etwa 220 Arbeitstagen pro Jahr. Die Platinschicht reduziert sich langsam. Im Rechenbeispiel wurde dies mit einem homogenen Abtrag von 2,0 g pro 1 Mio. Ah berücksichtigt.

Der Kostenvorteil der Anoden aus platiniertem Titan gegenüber Blei hat mehrere Gründe: Am stärksten wirkt sich in der praxisnahen Kalkulation der reduzierte Stromverbrauch (minus 14 800 kWh/Jahr bei einem Preis von 0,14 Euro/kWh) mit rund 2000 Euro pro Jahr aus. Zudem entfallen insgesamt 500 Euro Entsorgungsgebühren pro Jahr für den Bleichromatschlamm und 1000 Euro für Wartung und Produktionsausfall weg, wobei die Kosten für die Bleianoden auch deutlich höher angesetzt werden können (Abb. 4 und 5).

Abb. 4: Detaillierte Vergleichsrechnung zwischen Blei- und Pt/Ti-Anoden auf Basis eines typischen Anwendungsbeispiels aus der Hartverchromung (konstruktive Eckdaten im Bild)

Abb. 5: Vorteil von platinierten Titananoden in der Hartverchromung 

4.2 Qualitäts- und Kostenvorteile

Insgesamt ergeben sich für die Bleianoden in drei Jahren Gesamtkosten von 14 400 Euro. Bei platiniertem Titan sind es 12 020 Euro – inklusive des Aufwands für die Replatinierung. Selbst wenn die angesetzten Kosten (1000 Euro für einen Tag pro Jahr) für Wartung und Produktionsausfall von insgesamt 3000 Euro nicht einberechnet würden, wären bereits nach drei Jahren die höheren Investitionskosten durch den immensen laufenden Aufwand bei Bleianoden übertroffen. Die Schere öffnet sich ab diesem Zeitpunkt immer stärker zugunsten der ­platinierten Titananoden.

5 Hochtemperaturelektrolyse: Ein erprobter Spezialprozess

Zur Herstellung von platinierten Titanano­den wird auf das Titan als Grundsubstrat­ das Platin in einer 550 °C heißen Salzschmelze elektrochemisch abgeschieden. Die Titangrundstrukturen werden dazu über eine Schleuse in ein geschlossenes System unter Argon­atmosphäre mit der Salzschmelze gebracht. In dieser Salzschmelze ist Platin komplex gebunden und kann an der Kathode durch Elektronenaufnahme metallisch abgeschieden werden – dieser Prozess wird als Hochtemperaturelektrolyse (HTE) bezeichnet (Abb. 6).

Abb. 6: Umicore Galvanotechnik in Schwäbisch Gmünd beschichtet Anoden mit Hochtemperaturelektrolyse (550 °C); aus der Salzschmelze kann in einer Argonatmosphäre Platin auf Basismaterialien wie Titan, Niob, Tantal, Molybdän, Wolfram, Edelstähle und Nickellegierungen abgeschieden werden 

Mit Hochtemperaturelektrolyse beschichtete Anoden sind Produkten, bei denen die Abscheidung mit Platin aus wässrigen Elektrolyten erfolgt, deutlich überlegen: Die Reinheit der Beschichtung beträgt mindestens 99,9 % und ist damit wesentlich höher als bei den Platinschichten aus wässrigen Lösungen. Duktilität, Haftfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit sind deutlich erhöht, die inneren Spannungen minimal (Abb. 7 und 8).

Abb. 7: Korngefüge einer Platinschicht, hergestellt mit Hochtemperaturelektrolyse (HTE-Verfahren)

Abb. 8: Korngefüge einer Platinschicht aus einem wässrigen Elektrolyten

Auch die aufgetragenen Endoberflächen auf Bauteilen zeichnen sich durch eine deutlich bessere Qualität aus: Die Schichtdickenverteilung ist – aufgrund der Formstabilität der Anoden – wesentlich gleichmäßiger.

5.1 Variable Formen für perfekte Schichtdickenverteilung

Platinierte Titananoden besitzen zudem einen weiteren Vorteil: Sie sind individuelle Einzelkonstruktionen und je nach Kundenanforderungen konfektionierte Ausführungen in vielen Geometrien (etwa zylindrisch, flach, rund sowie U-, L- und T-Form). Die Produkte gewährleisten damit höchstmögliche Anpassung an Bauteilformen und so eine hervorragende Schicht­dickenverteilung mit allen daraus erwachsenden Vorzügen (Tab. 1 und 2).

Streckgitterförmige Zylinderanoden liefern hierbei die besten Ergebnisse. Zur Erzielung einer größtmöglichen Oberfläche werden Konstruktionen mit einer optimierten Maschenweite verwendet. Die Streckmetallanoden erlauben einen besseren Gasabtransport sowie verstärkte Elektrolytbewegung, sodass eine höhere Beschichtungsstromdichte bei geringeren Abständen zwischen Anode und Kathode möglich wird. Das steigert wiederum den Produk­tionsdurchsatz.

6 Vielfältige Anwendungsfelder

Viele Branchen machen sich die Vorteile mit Hochtemperaturelektrolyse platinierter Anoden zunutze. Auch die Lichtindustrie setzt darauf: Auf Molybdändrähte und -bänder wird von Umicore Galvanotechnik seit Langem Platin aufgetragen. Jährlich beschichtet das Unternehmen hunderte Kilometer Bänder und Drähte in Schwäbisch Gmünd für den Special-Lighting-Markt. Auch für viele andere industrielle Anwendungsfelder sind diese Anoden interessant: In der Halbleiter- und Leiterplattentechnik sind platinierte Titananoden ebenso zuhause wie im Automotivesektor (Hartverchromung von Kolbenringen und -stangen), der Druckindustrie (Druckwalzenverchromung) oder der Wasseraufbereitung.

Weitere Anwendungsfelder werden sicher nicht allzu lange auf sich warten lassen. Denn Umweltschutz ist ein weiter aufstrebendes Thema. Stoffe wie Blei dürften daher immer kritischer hinterfragt werden.

 

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