Die Vorzüge elektronischer Gleichrichter kritisch hinterfragt

Oberflächen 07. 09. 2015

Hauptsache günstig oder lieber optimal?

Von Heinrich-W. Kämper, Munk GmbH

Klein, leicht, preiswert und effizient – elektronische Gleichrichter haben einen sehr guten Ruf. Doch sind sie wirklich immer die bessere Wahl gegenüber einem modernen Stellgleichrichter-Transformator? Viele Vorzüge dieser Bauweise sind über die Jahre in Vergessenheit geraten.

Convenient or Optimal? – The Advantages of Electronic Rectifiers are Critically Assessed

Small, lightweight, relatively inexpensive and efficient – electronic rectifiers have an excellent reputation. However are they always the best choice as compared to modern regulated rectifier – transformers? Many advantages of the latter type of equipment seem to have been forgotten in recent years.

Elektronische Gleichrichter werden mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht. Kein Wunder, sie sind klein, kompakt und haben keinen mechanischen Verschleiß durch eine Stelleinrichtung. Noch dazu sind sie schnell und einfach regelbar. Mit einem Wort, sie sind modern, relativ günstig und angeblich auch sehr energieeffizient. Eine genauere Betrachtung muss zu der Fragen führen, ob elektronische Gleichrichter tatsächlich frei von Nachteilen sind. Und dabei zeigt es sich, dass nicht frei davon sind – aber genau deren Auswirkung wird gerne unterschätzt.

Wenn von elektronischen Gleichrichtern die Rede ist, sind typischerweise Schaltnetzteile gemeint. Die Eingangsspannung wird zerhackt und über einen Transformator umgesetzt. Durch eine im Vergleich zur Netzfrequenz viel höheren Frequenz kann der Transformator entsprechend kleiner ausfallen und das Gleichrichtergerät kompakter werden (Abb. 1). Allerdings ist eine Glättung absolut notwendig, um die hochfrequente Restwelligkeit zu eliminieren.

Abb. 1: Thrystor- und Stelltrafo (oben) und Einschubgleichrichtergerät (rechts) 

Auch thyristorgesteuerte Gleichrichtergeräte gehören zu den elektronischen Gleichrichtern. Mit Thyristortechnik lassen sich jedoch auch hohe Gleichstromgüten mit Restwelligkeiten von unter einem Prozent erreichen. Eine besondere Bauform des Thyristorgleichrichters ist der sekundärgestellte Thyristorsteller. Insbesondere bei Geräten mit gewünschter Umpolung ist diese Bauform besonders vorteilhaft, da ein schnelles und vor allem verschleißfreies Umpolen erreicht werden kann. Wer schon einmal neben einem mechanischen Polwender an einer Entfettung in einer galvanischen Produktion gestanden hat, weiß insbesondere das lautlose Umpolen eines solchen Thyristorumpolers zu schätzen.

Sind elektronische Gleichrichter energieeffizient?

Entgegen der weit verbreiteten Meinung sind elektronische Gleichrichter keine Energiesparwunder. Nach seriösen Messungen von Gleichrichtergeräten der verschiedensten Technologien und auch verschiedener Hersteller konnte der Autor keine signifikanten Wirkungsgradunterschiede der Geräte untereinander feststellen – auch und gerade im Teillastbereich, eine Eigenschaft, die häufig beworben wird. Das kann daran liegen, dass in der Praxis bei halber Nennspannung gemessen wurde. Wird ein solches Gerät bei halbem Nennstrom betrieben, können die Werte besser aussehen. Denn es ist der Ausgangsgleichstrom, der den Großteil der Verluste verursacht.

Wichtig ist auch, dass Geräte der neuesten Generation verglichen werden. Die Gegenüberstellung der Wirkungsgrade von ölgekühlten Stelltransformatorgeräten aus den 60er und 70er Jahren mit modernen elektronischen Gleichrichtern kann keine objektive Aussagekraft haben.

Der Pferdefuß elektronischer Gleichrichter: hohe Leistungen

Verzerrungsblindleistung, Netzverzerrungen, Netzrückwirkung – diese Begriffe tauchen spätestens dann auf, wenn es in einer Galvanikproduktion Probleme in der Netzversorgung gibt. Denn unsere Stromversorgungsnetze werden mit einer sinusförmigen Wechselspannung betrieben. Bei normalen, sogenannten ohmschen Lasten (Heizungen, Glühlampen) folgt der Strom der Spannung, das heißt, der Strom ist auch sinusförmig (Abb. 2). Allenfalls folgt der Strom mit einem sogenannten Phasenverschiebungswinkel φ der Spannung. Bekannt ist diese Phasenverschiebung unter dem technischen Begriff cos φ.

Kurvenverläufe der für einen Vergleich der Systeme relevanten Größen: 1 = Netzspannung, einphasig; 2 = Lineare Last, Netzstrom folgt der Netzspannung (Heizung, Glühbirne); 3 = Phasenverschiebung durch induktive Last, wobei der Phasenverschiebungswinkel phi die Verschiebung anzeigt (Transformator); 4 = Schaltnetzteil ohne Korrektur (Computerschaltnetzteil); 5 = Phasenanschnitt, Netzstrom wird erst mit Verzögerung eingeschaltet (Glühbirne mit Dimmer)

Während es sich hierbei um lineare Lasten handelt, liegen bei Gleichrichtergeräten jedoch nichtlineare Lasten vor. Die Stromaufnahme folgt der sinusförmigen Spannung nicht mehr und erzeugt Oberwellen. Diese Oberwellen sind nicht nur unerwünscht, sie können Störungen im Netz und in der Anlage verursachen. Zum Beispiel Überlastung beziehungsweise Überhitzung von Transformatoren, Kondensatoren in Kompensationsanlagen oder Kabeln, sowie Fehlauslösungen von Leistungsschaltern. Auch Drehfeldmotoren und Pumpen können überhitzen oder Sensoren beeinflusst werden.

Brisant dabei ist, dass viele Unternehmen derartige indirekte Folgen oft gar nicht ursächlich dem oder den Gleichrichtern zuordnen. Besonders akut ist diese Problematik bei Schaltnetzteilen. Diese nehmen nur dann Strom auf, wenn die Zwischenkreisspannung kleiner ist als die Netzspannung und das passiert nur in der Spitze der Sinuskurve. Werden viele Schaltnetzteile an einem Stromkreis betrieben, so addieren sich die Netzströme und es kann bei hoher Belastung des vorgeschalteten Netztransformators sogar zu Spannungseinbrüchen des gesamten Versorgungsnetzes kommen.

Prinzipiell erzeugen alle Gleichrichtergeräte Netzverzerrungen. Am besten beherrschbar sind dabei die Verzerrungen eines klassischen Stelltransformatorgleichrichters. Dort treten nur die normalen sechspulsigen Rückwirkungen auf. Diese können durch einfache Mittel soweit reduziert werden, dass sie keine störenden Einflüsse mehr haben. Wenn mehrere Geräte betrieben werden, kann durch geänderte Ausführung des Gleichrichtertransformators ein Phasenschwenk erzeugt werden, der aus der sechspulsigen Rückwirkung eine 12-pulsige macht, die noch einfacher zu beherrschen ist. Gleiches gilt für Thyristorgeräte, die nahe an der Nennspannung betrieben werden.

Energieaufwand für die Kühlung

Elektronische Gleichrichter sind in der Regel luft- oder wassergekühlt. Bei Luftkühlung sollte die Luft frei von aggressiven Dämpfen und von Schmutz sein und vor allem nicht so stark mit Feuchtigkeit gesättigt sein, dass die Geräte betauen. Von daher ist aufbereitete Frischluft über einen Lüftungskanal notwendig oder das Gerät wird in einem separaten elektrischen Betriebsraum installiert. Auch die Wasserkühlung erfordert chemisch neutrales, schmutzfreies Kühlwasser. Dabei darf das Kühlwasser nicht so kalt sein, dass es zur Betauung kommt; im Standartfall sollte die Wassertemperatur nicht über 30 °C liegen. Dieser energetische Aufwand für die Konditionierung der Kühlmedien oder die Unterbringung des Gerätes reduziert sowohl den Gesamtwirkungsgrad der Anlage und verursacht nicht unerhebliche Betriebskosten. Wird am Kühlmedium gespart, führt verschmutztes Wasser oder verschmutzte, aggressive Luft schnell zur erheblichen Störungen der Geräte bis hin zum Gesamtausfall.

Robust, effizient, langlebig

Die klassischen Gleichrichtergeräte in ölgekühlter Bauweise mit Stelltrafo haben sich jahrzehntelang bewährt. Nicht selten gibt es Geräte, die länger als 30 Jahre in Betrieb sind. Wenn die Geräte nicht mit Selen als Gleichrichterpaket gebaut wurden, spricht nichts dagegen, sie auch noch viele weitere Jahre im Einsatz zu behalten. Wer Wert auf Energieeffizienz legt, sollte sicherlich einmal überprüfen, ob energieeffiziente Schaltgruppen installiert sind. Denn früher wurden aus Kostengründen gerne Drehstrombrücken (B6) als Gleichrichterschaltung eingesetzt – leider eine der ineffizientesten Schaltgruppen.

Ein weiterer Aspekt bei elektronischen Gleichrichtergeräten ist die hohe Anzahl der Bauelemente, wodurch eine statistisch höhere Ausfallwahrscheinlichkeit gegeben ist.

Fazit

Selbstverständlich haben elektronische Gleichrichter ihre Berechtigung und ihren Platz in der Galvanotechnik gefunden. Aber es gibt auch einige Aspekte, die oft (wissentlich oder unwissentlich) außer Acht gelassen werden, um elektronische Gleichrichter im Vergleich zu Stelltransformatoren besser zu bewerten. In diesem Zusammenhang lohnt sich für jede Anwendung eine objektive Analyse, ob tatsächlich ein elektronischer Gleichrichter die besten Eigenschaften aufweist, oder doch eher ein moderner Stelltransformator. Hier sollte jeder, dem an einer optimalen Auslegung und Zuverlässigkeit seiner Anlage gelegen ist, nicht leichtgläubig auf das falsche Pferd setzen.

 

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