Werkstoffaspekte in der Oberflächentechnik

Werkstoffe 07. 11. 2015

Pforzheimer Werkstofftag 2015 informierte über Werkstoffe sowie Werkstoffver- und -bearbeitung

Die Stadt Pforzheim unterstützt mit dem Cluster Hochform eine Initiative der Industrie sowie der Hochschule Pforzheim, die sich sehr vorteilhaft in Bezug auf technische Belange auswirkt. Dies zeigt sich nicht zuletzt an den technologisch hochkarätigen Inhalten des diesjährigen Pforzheimer Werkstofftages, der die wichtige Verknüpfung zwischen Werkstoffen und der Oberflächentechnik aufzeigt. Dazu wurde der Bogen vom Dauerverhalten von Stählen, über unterschiedliche Verfahren der Verbindungstechnik, beispielsweise unter Einsatz von Lasern, der Beschichtung von Komponenten der Elektrotechnik und Elektronik bis hin zu neuen Werkstoffverbunden aus Kupfer und Aluminium betrachtet. Mehr als 200 Fachleute aus ganz Deutschland hatten die Gelegenheit wahrgenommen, sich in einem der deutschen Zentren für Hochpräzisionstechnik auszutauschen.

Pforzheim gilt traditionell als eines der deutschen Zentren für die Verarbeitung von Edelmetallen. Bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts befassten sich viele der ansässigen Unternehmen mit der Herstellung von Schmuck und Uhren. Nach mehr als 200 Jahren zeichnete sich jedoch ein deutlicher Niedergang dieses Industriebereichs ab, allerdings nicht als besonderes Kennzeichen der Industrie in Pforzheim, sondern in Zentraleuropa. Während andere Regionen schwer mit solchen industriellen Veränderungen zu kämpfen haben, hat sich der Raum Pforzheim schnell und in vorteilhafter Weise seine Stärken zunutze gemacht. Aus dem Schmuck- und Uhrenzentrum ist ein industrieller Schwerpunkt für die Elektrotechnik, Feinwerktechnik und den Werkzeugbau geworden, der zu den besten Zulieferbetrieben für die Automobilbranche, Medizintechnik oder die Elektronik zählt.

Unterstützt werden die Aktivitäten im Bereich der Forschung und Entwicklung durch die Hochschule Pforzheim. Da moderne Entwicklungen kaum mehr von einzelnen kleinen und mittleren Unternehmen allein bewältigt werden können, ist eine Zusammenarbeit zwischen den Lieferketten und zwischen Marktbegleitern nahe­liegend. Daraus entstand 2012 die Cluster-Initiative Hochform, die von der Stadt Pforzheim – Wirtschaft und Stadtmarketing – zur ­Unterstützung der Unternehmen mit Schwerpunkt in der metallverarbeitenden Präzisionstechnik aus der Region Pforzheim/Nordschwarzwald vorangetrieben wird. Resultate der Netzwerkarbeit werden in einem jährlich stattfindenden Werkstofftag präsentiert. Die vierte Tagung dieser Art stand am 1. Oktober unter dem Motto Werkstoffaspekte in der Oberflächentechnik. Etwa 200 Fachleute waren der Einladung nach Pforzheim gefolgt und konnten sich in zwölf Fachvorträgen zum Themenkreis informieren.

     
   

 

Seitens der Hochschule in Pforzheim ist vor allem das IWWT, Institut für Werkstoffe und Werkstofftechnik, in die Arbeiten der Initiative Hochform einbezogen, wie Prof. Dr.-Ing. Norbert Jost in seiner Einführung betonte. Hierbei nimmt die Oberflächentechnologie einen wichtigen Raum ein. Das Institut führt in diesem Bereich neben der Aus- und Weiterbildung der Studenten auch Dienstleistungen in Form von Entwicklungsunterstützung oder der Fehler­suche durch.

Ermüdungsverhalten

Prof. Dr. Frank Walther von der TU Dortmund ging in seinem Fachvortrag auf einen wichtigen Aspekt bei der Auslegung von sicherheitsrelevanten Bauteilen aus Metall ein. Sowohl eine Dauer- als auch insbesondere eine Wechselbelastung kann bei Werkstoffen zum Versagen führen, ohne dass die maximalen Belastungen überschritten werden. Dies wird auf Effekte zurückgeführt, die das Gefüge eines Werkstoffs während seiner Lebensdauer verändern. So können beispielsweise lokale Kristalldefekte wie Versetzungen wandern und sich zu größeren Fehlstellen agglomerieren. Da diese ­Defekte bisher messtechnisch nicht erfassbar waren, war eine Abschätzung der Stabilität von Teilen sehr schwierig und wurde in der Regel durch eine Überdimensionierung ausgeglichen.

Mechanische, thermische, elektrische und magnetische Messverfahren eignen sich zur systematischen mikrostrukturbasierten­ Charakterisierung des Ermüdungs- und ­Betriebsfestigkeitsverhaltens metallischer Werkstoffe und -verbindungen unter ein- und mehrstufiger zyklischer Beanspruchung zur Bewertung des Einflusses von Herstellungsverfahren, Verbindungstechnologien und Umgebungseinflüssen. Damit wird ein Großteil der Einflussgrößen auf die Stabilität von Werkstoffen erfasst.

Die verformungsinduzierte Veränderung der Probentemperatur kann in gleicher Weise zur Charakterisierung des Verformungs- und Schädigungsverhaltens genutzt werden wie die plastische Dehnungs­amplitude. Der auf der Zunahme der Defektdichte beruhende Anstieg des elektrischen Widerstandes sowie der magnetischen Impedanz liefern frühzeitig und aussagekräftig Hinweise auf das Versagen eines Bauteils. Eine umfangreiche Messung der Effekte aus stufenförmigen und kontinuierlichen Laststeigerungsversuchen liefert mit sehr geringer Probenanzahl in kurzer Zeit umfangreiche Informationen über die zyklischen Eigenschaften. Daraus kann eine Bewertung von Fertigungseinflüssen auf die Ermüdungsfestigkeit im Rahmen einer zeit- und kosteneffizienten produktionsbegleitenden Qualitätskontrolle erfolgen. Am Beispiel eines austenitischen Stahls, eines Vergütungsstahls, eines Gusseisenwerkstoffs sowie einer Magnesiumlegierung zeigte der Co-Autor und zweite Vortragende Dr. Peter Starke, Universität des Saarlandes, welche Ergebnisse mit den erarbeiteten Messverfahren gewonnen werden können.

Kontaktschichten aus Zinn-Silber

Die zunehmende Nutzung von elektronischen Geräten fordert unter anderem von den Herstellern der einzelnen Komponenten hohe Qualitäten zu akzeptablen Kosten. Dazu gab Dr. Markus Kostron von der Enayati GmbH & Co. KG einen Einblick in die Herstellung von Kontaktbeschichtungen für Steckverbinder, wie sie im Bereich der ­Automobil- und Industrieelektronik zum Einsatz kommen. Die Anforderungen an entsprechende Kontaktflächen sind eine gute Leit- und Kontaktfähigkeit, Duktilität, Reib- und Verschleißbeständigkeit, Löt­fähigkeit und geringe Kosten.

Als Ersatz für die heute nicht mehr zulässigen Blei-Zinn-Legierungen findet neben reinem Zinn zunehmend Silber Anwendung. Zinn zeigt hierbei den erheblichen Nachteil, unter thermischer und mechanischer Belastung Whisker zu bilden. Bei den Whiskern handelt es sich um fadenförmige Zinnkristalle, die aus der Zinnoberfläche heraus­wachsen und Längen von mehreren Hundert Mikrometern erreichen. Die Folge­ sind Kurzschlüsse zwischen Kontaktflächen. Darüber hinaus neigen glänzende Zinnschichten zur Rissbildung. Silberoberflächen besitzen zwar die beste elektrische Leitfähigkeit, neigen aber zur Bildung von nichtleitenden Deckfilmen und besitzen nur geringe Beständigkeit gegen Reibung und Verschleiß, was sich insbesondere bei lösbaren Steckkontakten und hoher Steckzyklenzahl als Nachteil erweist.

REM-Aufnahmen von Zinn-WhiskernBild: Kostron/WSP

 

Bessere Eigenschaften lassen sich oftmals durch die galvanische Herstellung von Oberflächen aus Legierungen erzeugen. Bei einer Zinn-Silber-Legierung mit 3,5 Mass.% Silber bildet sich eine intermetallische Phase (Ag3Sn) und eine zinnreiche Phase. Durch diese ergibt sich ein günstigerer Schmelzpunkt von 217 °C, entsprechend der Lotlegierung. Streckgrenze und Scherfestigkeit als zwei weitere wichtige Kenngrößen sind höher als bei der Lotlegierung. Darüber hinaus weist die galvanisch abgeschiedene Legierung einen günstigen Reibungskoeffizient auf, wodurch geringe und vor allem konstante Einpresskräfte beim Einsatz als Einpresskontakten erzielt wird. Zusätzlich ist die Gefahr der Whiskerbildung in kritischer Länge nahezu ausgeschlossen und unter Anwendung von angepassten Nachbehandlungen lassen sich die Schichteigenschaften weiter optimieren.

Kupfer-Aluminium in der Elektrotechnik

Die Bemühungen zur Einsparung von Gewicht in Fahrzeugen sind eine der wichtigen Herausforderungen für die Herstellung und den Einsatz von Kupfer-Aluminium-Verbundwerkstoffen, wie Joachim Ruhnke von der Inovan Gmbh & Co. KG einführend betonte. Bei der Verbindung von Kupfer und Aluminium sind mehrere Aspekte zu beachten. So müssen die unterschiedlichen elektrischen Leitfähigkeiten der beiden Metalle durch eine Erhöhung der Leitungsquerschnitte gegenüber reinem Kupfer ausgeglichen werden. Das deutlich geringere spezifische Gewicht des Aluminiums führt aber trotzdem zu einer geringeren Gesamtmasse bei gleicher Leitfähigkeit und erhöhtem Querschnitt. Des Weiteren muss bei der Verbindung der beiden Metalle die isolierende Oxidschicht auf Aluminium zerstört werden und vor allem ein Schutz gegen die galvanische Korrosion bei Einwirkung von wässrigen Lösungen auf den Verbund gewährleistet sein. Mittels Walzplattieren gelingt es, aus Kupfer mit einer Reinheit von 99,95 % und Aluminium mit einer Reinheit von 99,5 % einen Verbund zu erzeugen, der allen Anforderungen der Elektrotechnik entspricht und sowohl eine Einsparung beim Gewicht als auch den Kosten erlaubt. Die Metallkosten des Verbundes betragen nur 12,5 % der Kosten für reines Kupfer und das Gewicht wird etwa halbiert.

Partielle (links) und vollflächige Walzplattierung (Bild: Ruhnke/WSP)

 

Je nach Anforderungen an Kontaktfähigkeit, Löt- oder Schweißbarkeit oder das elektrochemische Verhalten kommen beispielsweise vollflächige oder partielle Walzplattierungen zum Einsatz. Bimetallische Bänder werden für den Einsatz als Leitungen in Fahrzeugen mit einer zusätzlichen Verzinnung versehen und so gegen die Gefahr einer galvanischen Korrosion geschützt.

Für Lithiumionenakkumulatoren werden Aluminium und Kupfer so miteinander verwalzt, dass eine sehr gute mechanische und elektrische Verbindung entsteht und gleichzeitig eine Seite des Metalls vollständig aus Aluminium besteht und die andere aus Kupfer. Damit liegen die beiden erforderlichen Pole des Akkus vor und gleich­zeitig eine gute elektrische und mechanische Verbindung.

Für Solarzellen werden kupferplattierte Aluminiumbänder mit 130 µm Dicke zusätzlich mit Silber beschichtet. Die Bänder dienen als Stromsammelschienen und werden zu diesem Zweck mit einem Steckverbinder kombiniert. Für organische Leuchtdioden eignet sich die Aluminiumseite des Verbundes als schweißbarer Kontakt für die Glasrückseite der LED. Eine weitere Anwendung, bei der Aluminium der erforderliche Kontaktpartner ist, liegt bei der Herstellung einer Verbindung zwischen elektrischer ­Leitung und dem Aluminiumgehäuse eines elektrischen Bauelements, beispielsweise von Kondensatoren, vor.

Schichtwerkstoffe für Steckverbinder

Thomas Frey von der IMO Oberflächentechnik GmbH gab einen Einblick in die Herstellung von galvanischen Beschichtungen für Steckverbinder. Bei Bauteilen für den Niederspannungsbereich spielen hierbei die Edelmetalle Gold, Palladium und Silber eine wichtige Rolle. Zur Erhöhung der Verschleißbeständigkeit und Reduzierung der Kosten kommen zudem Zinn, Weißbronze, Nickel und Kupfer zum Einsatz. Um die zum Teil sehr anspruchsvollen Geometrien in zwei- oder dreidimensionaler Ausführung optimal beschichten zu können, sind die Geometrien der Teile auf die Eigenheiten der galvanischen Beschichtung abzustimmen. Dies bedeutet insbesondere, Spitzen­ oder Kanten zu minimieren, da hier die Schicht aufgrund der elektrischen Feldlinienkonzentration eine höhere Dicke erreicht. Bei Nichtbeachten erhöhen sich die Kosten für den Edelmetallverbrauch und die entstehenden dickeren Schichten können zu Rissen und Abplatzungen führen.

Steckverbinder werden in der Regel als vorgestanztes Band beschichtet. Dafür stehen bei IMO unterschiedliche Arten von Bandanlagen zur Verfügung, mit denen zur Einsparung von Metall partielle Beschichtungen mit lateralen Abmessungen von wenigen Millimetern in hoher Präzision herstellbar sind.

Vermeidung von Kantenaufbau bei der galvanischen Beschichtung (Bild: Frey/WSP)

 

PVD-Beschichtungen

Während die galvanischen Verfahren vorwiegend bei metallischen Substraten zum Einsatz kommen, eignen sich die vakuumtechnischen, physikalischen Methoden zur Beschichtung von nahezu allen Grundwerkstoffen. Die physikalische Dampf­abscheidung PVD ist hierbei die vermutlich am weitesten verbreitete Art. Dr. Joachim Ganz, Doduco GmbH, stellte die Abscheidung von Edelmetallen mittels der PVD-­Beschichtung zur Herstellung von Produkten für die Medizintechnik, Elektrotechnik und Sensorik vor.

Beim Sputtern wird bei geringem Druck von 1 Pa in einer Vakuumkammer und unter Einsatz eines elektrischen Feldes der zu beschichtende Werkstoff mit Hilfe von ­Gasionen aus einem Target herausgeschlagen. Die zerstäubten Metallatome schlagen sich anschließend auf den zu beschichtenden Grundwerkstoffen nieder. Dadurch ist es möglich, eine sehr gleichmäßige Schicht auf nahezu beliebigen Substraten herzustellen. Bei Einsatz von reaktiven Gasen können auch Verbindungen – vorzugsweise Nitride oder Carbide – entstehen, die sehr harte Schichten bilden.

Für Kontakte in der Elektrotechnik und Elektronik kommen je nach Einsatz Gold oder Goldlegierungen zur Anwendung. ­Interessante Einsatzgebiete ergeben sich durch die Herstellung von Multilagensystemen, die mit hoher Präzision im Bereich von einigen 10 nm Dicke abscheidbar sind. Für die Medizintechnik werden beispielsweise Substrate wie flexibles Silikon, bestimmte Kunststoffe mit antibakteriellen Oberflächen oder Titan mit Edelmetalloberflächen erzeugt. In der Sensorik sind es Gold und Platin, die auf bestimmten Substraten als Sensoren für Temperatur, Druck oder pH-Wert agieren können.

Neben den praktisch beliebig wählbaren Substraten bietet die PVD-Technik auch den Vorteil, dass eine sehr große Vielzahl an unterschiedlichen Werkstoffen in beliebiger Mischung als Schicht aufgetragen werden kann. Damit sind Zusammen­setzungen bei Oberflächen herstellbar, die ansonsten durch schmelzmetallurgische oder auch galvanische Verfahren nicht darstellbar sind.

Beschichtete Titanimplantate (Bild: Ganz/WSP)

 

Lasereinsatz in der Oberflächentechnik

Tom Cruz von der Hochschule Pforzheim gab einen Einblick in die Forschungsarbeiten der Hochschule zum Einsatz von Lasern für das Auftragschweißen sowie das Laserhärten. Die Lasertechnik bietet eine hohe Energieeffizienz und im Falle des Auftragschweißen einen geringer Materialeinsatz, wobei die Verfahren bei den unterschiedlichsten Werkstoffen einsetzbar sind.

Beim Laserauftragschweißen wird die zu bearbeitende Oberfläche durch die Energieeinwirkung aufgeschmolzen. Parallel dazu wird das Beschichtungsmaterial auf die Oberfläche mittels Gasstrahl zugeführt, auf dem Weg zur Oberfläche ebenfalls erhitzt oder aufgeschmolzen und beim Auftreffen auf die Oberfläche mit dieser im schmelzflüssigen oder angeschmolzenen Zustand vermischt. Das Resultat sind sehr widerstandsfähige und variable Oberflächenzonen. Darüber hinaus erfährt das Innere des Grundwerkstoffs kaum eine thermische Beeinflussung, sodass dessen mechanische Eigenschaften erhalten bleiben und zugleich eine gute Anbindung zwischen Grundmaterial und Beschichtung erzielbar ist. Je nach Ausführung und Leistung der Lasereinrichtung sind die Bearbeitungszone oder die Bearbeitungsgeschwindigkeit in einem breiten Bereich einstellbar. Die Dicken der Schichten können mehrere Millimeter betragen. Zudem sind neben flächigen Auftragsformen auch Spuren oder Strukturen herstellbar.

Auftragschweißen mittels Laser (Bild: Cruz/WSP)

 

Beim Laserhärten von Oberflächen wird ausgenutzt, dass die Aufheizung sehr schnell erfolgen und die Erwärmungstemperatur über einen einstellbaren Zeitraum gehalten werden kann. Bleibt die Erwärmung auf die Oberflächenzone beschränkt, so erfolgt die Abkühlung durch die gute Wärmeableitung innerhalb sehr kurzer Zeit, was einem Abschrecken mit Geschwindigkeiten von etwa 104 K/s entspricht. Oxidation kann durch die Verwendung von Schutzgas vermieden werden. Größere Flächen werden durch zeilenförmiges Abrastern bearbeitet und beim Einsatz entsprechend groß dimensionierter Laseranlagen können hohe Produktionsraten erzielt werden. Erste technische Anwendungen befinden sich in der Pilotphase. Allerdings sind umfangreiche Entwicklungsarbeiten zur Bestimmung der Rahmenparameter für die verschiedenen Werkstoffe im Vorfeld eines breiten Einsatzes erforderlich.

Nanoschichtsysteme

Der Einsatz von Palladium ist den Ausführungen von Markus Klingenberg, Inovan GmbH & Co. KG, zufolge in der Leiterplattentechnik eine eingeführte und bewährte Oberfläche. Je nach Anwendung noch mit einer dünnen Goldschicht versehen, wird diese Oberfläche für Bond-, Klebe-, und Lötanwendungen eingesetzt. Im Bereich von Leadframes und Stanzgittern hat sich diese Schicht trotz ihrer deutlichen Vorteile noch nicht auf breiter Front durchsetzen können.

Im Unternehmen des Vortragenden wurde ein solches Nanoschichtsystem entwickelt, bei dem mit einer Kombination aus Nickel, Palladium und Gold gearbeitet wird. Obwohl die Einzelschichten nur Dicken im Bereich von 10 nm bis 100 nm aufweisen, zeigen sie eine hohe Korrosions- und Temperaturbeständigkeit sowie eine sehr gute Eigenschaft zum Bonden oder Löten. Aufgrund der geringen Dicken ergeben sich gegenüber den bisher üblichen Beschichtungen deutliche Kosteneinsparungen bei gleichzeitig hoher und zuverlässig erreichbarer Prozesssicherheit.

Beschichtetes Bauteil vor und nach einer Belastung durch oxidative Atmosphäre (Bild: Klingenberg/WSP)

 

Benetzungsverhalten von Oberflächen

Die Benetzung von Oberflächen entscheidet bei vielen Anwendungen über die Funktion von Prozessen: die Reinigung von Gegenständen mit flüssigen Medien, die Beschichtung von Kunststoffen und Metallen mit Lacken oder durch galvanische Abscheidung oder auch das Bedrucken von Papier. Marouen Ban Said, KIT/IAM-CMS, befasst sich mit der theoretischen Beschreibung der Benetzungsvorgänge, aus denen sich insbesondere die Mikrostruktur der zu benetzenden Oberfläche als entscheidende Größe herauskristallisiert. Das Werkzeug der Untersuchung ist ein sogenanntes Phasenfeldmodell mit Benetzungsgradbedingung, mit dem das Benetzungsverhalten von Wassertropfen auf chemisch strukturierten Oberflächen sehr gut beschrieben werden kann.

Das Modell wurde im einzelnen aus bekannten physikalischen Beziehungen aufgebaut und daraus insbesondere die Mikro­struktur der Oberfläche als Einflussfaktor herausgearbeitet. In Versuchen wurde gezeigt, wie das Benetzungsverhalten von Tropfen, die in etwa die gleiche Größenordnung der chemischen Struktur aufweisen, wirken. Die erzielten Ergebnisse haben eine sehr gute Übereinstimmung mit den Resultaten anderer Arbeiten geliefert. In weiteren Versuchen wird sowohl die Verdampfung als auch die Kondensation von Tropfen auf chemisch heterogenen Oberflächen untersucht.

Herstellung von Hartmagneten aus Recyclingmaterial

Eine der hauptsächlichen Gründe zur Nutzung von Recyclingmaterial für die Herstellung von Hartmagneten ist die ungleiche Verteilung der wichtigen Seltenen Erden, die zur Monopolstellung für China geführt haben, wie Prof. Dr. Carlo Burkhardt, Ohnmacht & Baumgärtner GmbH & Co. KG, einführend betonte. Magnete sind unabdingbare Bauteile der Elektromotoren oder elektronischen Speichermedien. Für beide­ steigt der Bedarf auch in Zukunft weiter an. Die bisher erfolgte Suche nach Alternativen zu den Seltenen Erden war wenig erfolgreich, sodass die Aufarbeitung von Recyclingmaterial die einzige alternative Quelle für die benötigten Rohstoffe darstellt.

Für Magnete aus den Materialien Neodym, Eisen und Bor wurde ein geschlossener Materialkreislauf bei 100-%iger Wiederverwertung entwickelt. Im ersten Schritt erfolgt die Zerkleinerung der aufzuarbeitenden Magnete. Dabei können auch beschichtete Magnete von Festplatten verwendet werden, die eine Nickelschicht als Schutzfilm enthalten. Daraus gewonnene Metallpulver lassen sich mittels Spritzguss oder durch additive Fertigung in die gewünschte Form bringen. Zur Herstellung von pulverförmigem Rohmaterial wird unter anderem die Eigenschaft genutzt, dass Wasserstoff den Magnetfestkörper durch Bildung von Neodymhydrid entlang von neodymreichen Phasen im Metall zerstört. Das entstandene Pulver kann direkt der Fertigung von neuen Magneten zugeführt werden.

Zur Formherstellung werden dem Pulver Polymere und Additive zugesetzt, die beim Pressen oder der additiven Fertigung für die notwendige Stabilität des sogenannten Grünlings sorgen. In einem weiteren Arbeitsschritt erfolgt das Entbindern durch die Behandlung mit Lösemitteln. Durch eine abschließende Wärmebehandlung entsteht dann der zum Einsatz bestimmte Hart­magnetkörper.

Magnete aus Recyclingmaterial (Bild: Burkhardt/WSP)

 

Laser- und Diffusionsschweißen

Für den Aufbau von mikrotechnischen Apparaten werden unter anderem strukturierte Bleche verwendet. Dr. Thomas Gietzelt vom KIT in Karlsruhe befasst sich mit dem Einsatz des Laser- und Diffusionsschweißens, um solche Bleche zu verbinden und die entsprechenden Apparate herzustellen. Beim Diffusionsschweißen werden die Ausgangsstrukturen in der Regel gestapelt und im Hochvakuum bis auf Temperaturen unterhalb des Schmelzpunkts aufgeheizt. Ein weiteres Verfahren ist das Laserschweißen, bei dem mittels Lichtleiter hohe Energien auf kleine Flächen fokussiert werden und somit hohe Schweißgeschwindigkeiten erreichbar sind. Kriterien für die Schweißqualität sind beispielsweise Gasdichtheit oder die Erhaltung der Geometrien der Teile. An metallographischen Schliffen zeigte der Vortragende die entstehenden Verbindungen, die je nach Anwendung eine hohe Festigkeit oder gasdichte Bereiche aufweisen müssen. Die Strukturen selbst können aus mehreren Hundert Einzelblechen mit komplexen Strukturen bestehen.

Block aus 300 Einzelblechen und Detailansicht eines Übergangs zwischen zwei Blechen (Bild: Gietzelt/WSP)

 

Selektives Laserschmelzen

Jörg Finkbeiner von der Roßwag GmbH ­befasste sich mit dem 3D-Druck von Metall, bei dem der Einsatz von Laser eine vielversprechende Technologie ist. Dabei betonte der Vortragende die Wichtigkeit einer Betrachtung der vollständigen Prozess­kette von der Planung der herzustellenden Teile bis zur Nachbearbeitung. Besonders interessant ist die additive Fertigung aufgrund der Tatsache, dass keine Werkzeuge­ oder Formen benötigt werden und mit ­geringsten Abfallmengen an Werkstoffen gerechnet werden kann.

Das selektive Laserschmelzen erfolgt durch spurenweises Aufschmelzen von Pulver in einem verfügbaren Bauraum, wodurch im ersten Schritt ein flächiger fester Körper entsteht. Durch Absenken, Nachbefüllen des Bauraums und erneutes Aufschmelzen werden weitere Schichten des endgültigen Körpers erzeugt. Aufgrund der Technik des Absenkens ist kein optisches Nachjustieren des Lasers erforderlich – es wird stets in der selben Ebene gearbeitet.

Durch Laserschmelzen hergestellter Impeller (Bild: Finkbeiner/WSP)

 

Je nach verwendetem Werkstoff muss beim Laserschmelzen die optimale Energie und Einwirkdauer des Laserstrahls ermittelt werden, um die erforderliche Festigkeit des herzustellenden Körpers zu erreichen. Als Werkstoffe sind heute verschiedene Stähle (z. B. nichtrostender Stahl, Werkzeugstahl), Aluminium, Titan, Bronzen, Nickelbasislegierungen, Kupfer oder Edelmetalle in Gebrauch. Die eingesetzten Korngrößen der Pulver liegen zwischen etwa 10 µm und 60 µm. Sie bestimmen die Festigkeit sowie die Genauigkeit der erzielbaren Teile. Zur Herstellung können auch Stützstrukturen eingesetzt werden, die in einem späteren Arbeitsprozess entfernt werden. Des Weiteren wird mit Übermaßen gearbeitet, falls eine mechanische Nachbearbeitung zum Beispiel zur Reduzierung der Oberflächenrauheit erforderlich ist. Als großer Vorteil erweist sich der Umstand, dass die CAD-Daten aus der Konstruktion heute direkt für die Fertigung beziehungsweise Steuerung des Lasers eingesetzt werden können.

Aluminium-Kupfer-Hybridmaterial

Im Zuge einer Einsparung von Gewicht für Fahrzeuge oder einer Erhöhung der Wärmeabfuhr bei elektronischen Geräten wird der Einsatz eines neuen Verbundmaterials aus Aluminium und Kupfer immer interessanter. Uwe Dreißigacker von der Doduco GmbH stellte dazu das vom Unternehmen angebotene Bimetall AlCunnect vor. Dieses ist in zwei Ausführungen verfügbar: als vollflächiger Verbund und als überlappendes Bandmaterial. Neben dem geringeren Gewicht ergibt sich in der Regel eine Einsparung an Kosten, da Aluminium über eine gute elektrisch und thermische Leit­fähigkeit verfügt.

Bimetall aus Aluminium und Kupfer (Bild: Dreißigacker/WSP)

 

Zur Anwendung kommt das Bimetall beispielsweise in Lithiumionenakkus als Elektrode, wodurch sich das Gewicht des Speicherelements verringern lässt. Vollflächige Verbunde können durch Fließpressen zu Kühlkörpern umgeformt werden. Sie zeichnen sich durch eine gute Wärmeleitfähigkeit und hohe Wärmekapazität aus und eignen sich auch für den Einsatz von Kühlwasser. Weitere Anwendungen sind beispielsweise Leiter in Kabelbäumen oder Teile für elektromagnetische Spulen. Durch den Einsatz von Aluminium anstelle von Kupfer, beispielsweise bei Spulen, ergeben sich deutliche Vorteile durch geringere Materialkosten und Gewichtsreduzierung. Dies wiederum führt auch zu neuen Produktentwicklungen. Elektromagnetische Spulen werden beispielsweise in Transformatoren, Relais, Elektromotoren, Generatoren sowie Elektromagneten verwendet und ermög­lichen damit in vielen Bereichen eine Einsparung von Energiekosten.

Um die Gefahr der galvanischen Korrosion bei Einwirkung von Feuchtigkeit zu vermindern, können die Verbunde mit organischen oder anorganischen Schutzschichten versehen werden. Bei der Verwendung für Stanzteile kann dieser Korrosionsschutz bereits im Rahmen der üblichen Oberflächenbeschichtung in Bandanlagen aufgebracht werden und so die Kosten für den zusätz­lichen Schutz sehr gering halten.

Fazit

Prof. Dr. Norbert Jost zeigte sich sowohl im Hinblick auf das rege Interesse an den Vorträgen, der Beteiligung der Unternehmen an der begleitenden Fachausstellung als auch der mehr als 200 Tagungsteilnehmer aus ganz Deutschland außerordentlich erfreut. Dabei betonte er die gute Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und der Hochschule in Pforzheim, die einen nicht unerheblichen Teil zu der guten Wirtschaftslage im Raum Pforzheim beiträgt. Die Zusammenarbeit darf dabei durchaus als ungewöhnlich bezeichnet werden, da sie in vielen Fällen ungeachtet der Tatsache erfolgt, dass zahlreiche Mitbewerber im Cluster Hochform an der Weiterentwicklung der Technologien beteiligt sind. Er ist davon überzeugt, dass auch in den nächsten Jahren interessante Veranstaltungen im Bereich der Werkstofftechnik und Werkstoffverarbeitung angeboten werden ­können.

WOMag - Information

Folgende, in diesem Bericht enthaltene Fachbeiträge stehen Lesern der WOMag auch als Langversion zur Verfügung:

  • Markus Klingenberg: Nanoschichtsystem Nickel/Nano-Palladium/
    Nano-Gold als Bondoberfläche – Entwicklung, Serienproduktion und Anwendungen; WOMag 3/2015
  • Dr. Thomas Gietzelt: Einsatz des Laser- und Diffusionsschweißens zur Herstellung mikroverfahrenstechnischer Apparate; WOMag 9/2015
  • Dr. Joachim Ganz: PVD-Beschichtung mit Edelmetallen für die Medizintechnik, Kontakttechnik und Sensorik; WOMag 9/2015
  • Thomas Frey, Oliver Stieler: Cost Engineering – Gemeinsam zur optimalen Beschichtung; WOMag 10/2015
  • Tom Cruz: Lasermaterialbearbeitung in der Oberflächentechnik; WOMag 11/2015
 

 

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