Chemisch Nickel–Dispersionsschichten in Verschleißschutzanwendungen

Oberflächen 07. 11. 2015
  • Autoren dieses Artikels
  • 8042x gelesen

Von Jürgen Meyer, Stuttgart

Chemisch abgeschiedene Nickelschichten stellen ideale Systeme zur Einlagerung von Hartstoffen unterschiedlicher Art dar, um einen hervorragenden Verschleißschutz zu erzeugen. Dabei lassen sich unterschiedliche Anforderungen durch die Art der eingelagerten Hartstoffe wie Siliziumcarbid oder Diamant erzielen. Des Weiteren können die Eigenschaften durch die Größe der Partikel variiert werden. Diese liegen für Anforderungen an Reibung und Verschleiß im Bereich zwischen etwa 0,5 µm und 10 µm bei Schichtdicken von einigen 10 µm. Weitere Anpassungen der Eigenschaften können durch Kombinationen aus Dispersionsschicht und partikelfreier Schicht erzielt werden. Gute Gleiteigenschaften werden durch die Verwendung von hexagonalem Bornitrid als Dispersionsstoff erzielt.

Electroless Nickel Dispersion Coatings for Wear Protection

Electroless nickel coatings provide an ideal matrix within which to incorporate a range of hard materials as second phase, thereby affording a superb wear protection coating. According to the requirements of a given application, hard materials such as silicon carbide or diamond can be used. A further degree of freedom rests in the choice of particle size in each case. Depending on the friction and wear regime, typical particle sizes range from 0.5 µm up to 10 µm incorporated in a coating some tens of microns thick. The properties of such coatings can be further adjusted by incorporating a non-dispersion coating to form a duplex structure. Coatings with low friction properties can be formed by use of hexagonal boron nitride particles as second phase in the dispersion coating.

Chemisch Nickel-Dispersionsschichten mit eingelagerten Hartstoffen oder auch Trockenschmierstoffen bieten die Möglichkeit, durch Auswahl der Partikelart und -größe sowie des Elektrolytsystems zur chemischen Abscheidung von Nickel maßgeschneiderte Schichteigenschaften einzustellen. Neben den hervorragenden tribologischen Eigenschaften kennzeichnet diese Schichten insbesondere die Eigenschaft, auch geometrisch kompliziert gestaltete Bauteile mit höchster Präzision beschichten zu können. Das ohnehin breite Anwendungsspektrum der chemisch abgeschiedenen Nickelschichten lässt sich dadurch noch erweitern.

Obwohl die chemisch abgeschiedenen Nickel-Dispersionsschichten bereits seit Jahrzehnten erfolgreich in verschiedensten Anwendungen eingesetzt werden, gilt es weitläufig noch als exotisches Nischenverfahren. Dieser Ruf ist dabei unberechtigt: Jährlich werden Millionen von Bauteilen beispielsweise in der Automobil- und Textilmaschinenindustrie prozesssicher mit diesen Schichtsystemen versehen. Einen groben Überblick über typische Schichtsysteme und deren Anwendungsfelder gibt Tabelle 1.

 

 

Die CCT GmbH in Stuttgart beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit chemisch abgeschiedenen Nickel- und Nickel-Dispersionsbeschichtungen, wobei das Betätigungsfeld von der Entwicklung kundenspezifischer Schichtsysteme über die Prototypenfertigung bis hin zur Serienbeschichtung reicht.

1 Chemisch Nickel-Dispersionsbeschichtungen in offenen Tribosystemen

Für die Funktion eines offenen Tribosystems ist maßgeblich der Verschleiß des Grundkörpers verantwortlich, wobei der Gegenkörper die Beanspruchung aufbringt. Typisch für solche Systeme ist, dass der Grundkörper ständig mit neuem Material in Kontakt kommt. Zerspanungsvorgänge sind dieser Klasse zuzuordnen, wobei hier das Werkzeug (Grundkörper) ständig mit neuem Material (Werkstück) in Berührung ist.

Auch in der Textilmaschinenindustrie sind häufig offene Tribosysteme zu finden. Über die Anwendung von chemisch abgeschiedenen Nickel-Dispersionsschichten beim Open End- oder Rotorspinnen wurde an dieser Stelle bereits berichtet [1], weshalb auf die anwendungsrelevanten Details an dieser Stelle nicht eingegangen wird. In diesen Anwendungen werden Dispersionsschichten mit eingelagerten Hartstoffen wie Diamant und Siliziumcarbid eingesetzt, wobei die Partikelgrößen meist im Bereich von 1 µm bis 3 µm liegen. Abbildung 1 zeigt die Oberflächenstruktur einer chemisch abgeschiedenen Nickelschicht mit Siliziumcarbid (SiC).

Abb. 1: Oberflächenstruktur einer chemisch abgeschiedenen Nickelschicht mit Siliziumcarbid (1000:1)

 

Im Textilmaschinenbereich ist die durch die Partikel eingestellte definierte Oberflächenrauheit für einige faserführende Bauteile erwünscht oder sogar zwingend notwendig, da der Fasertransport und die Garnbildung durch Reibungsvorgänge stattfindet. Allerdings gibt es auch Beanspruchungsfälle im Textilmaschinenbereich, bei denen eine Mikrorauigkeit der Oberfläche nicht erwünscht ist, aber aus Gründen der Verschleißbeständigkeit auf die Einlagerung der Hartpartikel nicht verzichtet werden soll.

Diese zunächst widersprüchliche Anforderung lässt sich bei geometrisch einfachen Bauteilen dadurch lösen, dass das Bauteil nach der Beschichtung noch einer Gleitschleifbehandlung unterzogen wird. Dabei werden die aus der Oberfläche ragenden Hartstoffspitzen abgeschert und die Oberfläche geglättet. Bei geometrisch komplexeren Bauteilen wird auf die Dispersionsschicht eine feststofffreie chemisch abgeschiedene Nickelschicht (Nachvernickelung) aufgebracht, deren Schichtdicke so eingestellt wird, dass die Hartstoffpartikel gerade vollständig umschlossen werden. Abbildung 2 zeigt den Zahn einer Auflösewalze für Open End-Textilmaschinen. Die exakte, konturengenaue Beschichtung eines solchen Bauteils kann nur mit chemisch abscheidenden Nickelverfahren realisiert werden.

Abb. 2: Oberfläche aus einer chemisch abgeschiedenen Nickel-Diamantbeschichtung mit Nachvernickelung

 

In der Anwendung verschleißt nun die dünne, feststofffreie Deckschicht relativ schnell und legt die Diamantpartikel sukzessiv frei, so dass ein faserschonender Eingriff der Diamantpartikel ermöglicht wird. In Abbildung 3 ist ein solcher Zahn nach kurzer Laufzeit in der Maschine zu sehen. Die Nachvernickelung wird nur in den verschleißbeanspruchten Zonen abgetragen und legt dort die Dispersionsschicht frei. Durch diese Maßnahmen kann die Beschichtung also verschiedenen Anforderungen angepasst werden.

Abb. 3: Beschichtung aus chemisch abgeschiedenem Nickel mit Diamant, bei der die Diamantpartikeln freigelegt sind (500:1)

 

2 Beschichtungen in geschlossenen Tribosystemen

Von geschlossenen Tribosystemen wird gesprochen, wenn Grund- und Gegenkörper wiederholt beansprucht werden. Die Funktion hängt in diesem Falle vom Verschleiß beider Körper ab. Ein Beispiel für ein solches Tribosystem ist die Zylinderlaufbahn und der Kolben eines Verbrennungsmotors. In geschlossenen Tribosystemen sind die vorhergehend beschriebenen Schichtsysteme aufgrund der Partikelgröße oftmals nicht einsetzbar.

Hartstoffpartikel im Größenbereich zwischen 1 µm und 3 µm können in geschlossenen Tribosystemen einen unzulässigen Verschleiß des Gegenkörpers verursachen. Eine Möglichkeit zur Lösung dieses Problems besteht darin, die Partikelgröße der Hartstoffe zu reduzieren. Gerade für Tribopaarungen Metall / Metall werden vermehrt chemisch abgeschiedene Nickel-Dispersionsbeschichtungen eingesetzt, bei denen die Partikelgröße der eingesetzten Hartstoffe nur noch 0,5 µm bis 0,8 µm beträgt. Als Hartstoffe werden vor allem Diamant, Siliziumcarbid und Borcarbid verwendet.

Neben der Verschleißbeständigkeit spielen bei diesen Anwendungen auch die tribochemischen Eigenschaften der eingelagerten Partikel eine Rolle. So ist bekannt, dass Borcarbid im Reibkontakt reibwertmindernde Oxide bilden kann.

Die Schneide des Präzisionswerkzeuges in Abbildung 4 läuft gegen eine metallische Oberfläche und muss vor Verschleiß geschützt werden. Dabei darf die Beschichtung den Reibpartner nicht beschädigen oder unzulässig aufrauen. Gefordert ist eine gute Beständigkeit gegen Abrasivverschleiß durch Fremdpartikel im Reibkontakt sowie die Vermeidung von Adhäsivverschleiß zwischen den metallischen Reibflächen. Die Beschichtung muss weiterhin die Geometrie des Werkzeugs exakt abbilden und darf die Schneidengeometrie nicht verändern. Diese Problemstellung wurde durch das Aufbringen einer chemisch abgeschiedenen Nickelschicht mit einer Dicke von 6 µm bis 8 µm gelöst, in die SiC-Partikel mit einer mittleren Korngröße von 0,7 µm eingelagert sind. Trotz der geringen Partikelgröße kann ein Einlagerungsvolumen von etwa 25 % realisiert werden, was einen hervorragenden Verschleißschutz gewährleistet und zudem den Adhäsionsverschleiß wirkungsvoll unterbindet.

Abb. 4: Chemisch abgeschiedenes Nickel mit Siliziumcarbid, Partikelgröße 0,7 µm (5000:1)

 

In motorischen Anwendungen wird häufig Aluminium als Konstruktionswerkstoff eingesetzt. Aluminium weist aber schlechte tribologische Eigenschaften auf und neigt bei fehlender Schmierung oder Mangelschmierung zu adhäsivem Verschleiß. Dieses Problem sollte bei kleineren 2-Takt-Motoren durch eine Beschichtung des Aluminiumkolbens gelöst werden. Der Aluminiumkolben läuft hier in einem Zylinder, der ebenfalls aus Aluminium gefertigt ist. Eine bewährte Lösung für diese tribologisch ungünstige Materialpaarung ist die Beschichtung der Zylinderlaufbahn mit einer galvanisch abgeschiedenen Nickelschicht mit Siliziumcarbideinlagerungen.

Aus Kostengründen wird aber eine Lösung des Verschleißproblems durch eine Beschichtung des Kolbens bevorzugt. Versuche ergaben schnell, dass eine Beschichtung der Kolbenoberfläche mit chemisch abgeschiedenem Nickel oder auch chemisch abgeschiedene Nickel-Hartstoffschichten ein Versagen der Materialpaarung nicht sicher verhindern kann. Häufig tritt hierbei bereits nach kurzer Laufzeit ein Fressen auf.

Somit wurde die Forderung nach einer Beschichtung laut, die sowohl einen guten Verschleißwiderstand als auch Trockenschmiereigenschaften aufweist. Chemisch abgeschiedene Nickel-PTFE-Beschichtungen können unter bestimmten Bedingungen den Reibkoeffizienten einer Gleitpaarung deutlich reduzieren. Diese Beschichtung kommt jedoch aufgrund der geringen Beständigkeit gegen Abrasivverschleiß und der geringen Temperaturbeständigkeit nicht in Betracht. Bessere Ergebnisse werden von einer chemisch abgeschiedenen Nickelschicht mit eingelagertem, hexagonalen Bornitrid (hBN) erwartet. Hexagonales Bornitrid weist eine dem Graphit ähnliche Gitterstruktur auf und ist daher ein vergleichsweise weicher Feststoff mit sehr guten Gleiteigenschaften. Als besondere Vorteile des hexagonalen Bornitrids sind neben den guten Gleiteigenschaften die hohe Temperatur- und Oxidationsbeständigkeit zu nennen. Die Schichthärte beträgt je nach abschließender Wärmebehandlung zwischen 450 HV0,1 und 750 HV0,1.

Hexagonales Bornitrid lässt sich unter optimalen Bedingungen mit bis zu 25 Vol.% in die Schicht einbauen (Abb. 5). Motorenversuche zeigen, dass bei der Kolbenbeschichtung bereits eine geringere hBN-Konzentration von 10 Vol.% bis 15 Vol.% zur Vermeidung von Fressen ausreichend ist. Eine besondere Herausforderung besteht darin, eine tribologisch funktionsfähige Beschichtung auf einen nach beschichtungstechnischen Kriterien ungeeigneten Grundkörper aufzubringen.

Abb. 5: Chemisch abgeschiedene Nickelschicht mit hBN-Einlagerungen (Partikelgröße 2 µm)

 

Durch Anpassungen der chemischen Vorbehandlung und des Elektrolyten zur chemischen Nickelabscheidung gelingt es, die durch den Grundwerkstoff bedingten Schichtfehler auf ein unkritisches Maß zu reduzieren. So wird beispielsweise trotz grobkristalliner Siliziumausscheidungen im oberflächennahen Bereich eine porenfreie Schicht abgeschieden (Abb. 6).

Abb.6: Chemisch Nickel-hBN Beschichtung auf einer Aluminium-Silizium-Legierung

 

Neben der Forderung einer reibungsarmen und verschleißbeständigen Beschichtung auf dem Kolbenhemd ist auch der Schutz der Kolbenringnut vor Verschleiß eine Aufgabe, die durch die Beschichtung aus chemisch abgeschiedenem Nickel-hBN hervorragend gelöst wird. Hier kommt wieder die besondere Eigenschaft der chemisch abgeschiedenen Nickelschichten zum Tragen, auch in Bohrungen, Sacklöchern und Hinterschneidungen eine gleichmäßige Beschichtung zu gewährleisten, wie Abbildung 7 zeigt.

Abb. 7: Chemisch abgeschiedene Nickel-hBN-Beschichtung in Kolbenringnut

 

Ein weiteres Beispiel für die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der chemisch abgeschiedenen Nickel-hBN-Beschichtungen ist ein geometrisch komplexes Bauteil aus dem Hydraulikbereich. Das Bauteil weist eine Vielzahl kleiner Bohrungen auf, die als Führungsbuchsen dienen und vor Verschleiß durch den metallischen Laufpartner geschützt werden müssen. Zudem soll die Beschichtung antiadhäsive Eigenschaften aufweisen, um Ablagerungen zu verhindern. Die Bohrungen haben einen Durchmesser von weniger als 1 mm und müssen durchgehend mit einer Schichtdicke von 20 µm mit einer Toleranz von +/-2 µm beschichtet werden. Die Teilansicht eines solchen Bauteils mit beschichteter Innenbohrung ist in der Abbildung 8 wiedergegeben.

Abb. 8: Chemisch abgeschiedene Nickel-hBN-Schicht in Bohrungen eines Hydraulikbauteils

 

4 System mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten

Chemisch abgeschiedene Nickel-Dispersionsschichten können auf allen gängigen Konstruktionswerkstoffen wie Stahl, rostfreiem Stahl, Messing und Aluminium abgeschieden werden und bieten damit die Möglichkeit, die hervorragenden Eigenschaften der chemisch abgeschiedenen Nickelschichten mit denen der eingelagerten Partikel zu kombinieren.

Durch die Einlagerung von Hartstoffpartikeln lässt sich die Verschleißbeständigkeit der Schicht um ein Vielfaches steigern, wobei durch die Wahl von Partikelart und -größe eine gezielte Anpassung an die Verschleißbeanspruchung erfolgen kann. Insbesondere wenn niedrige Gleitreibung, Schutz vor Adhäsivverschleiß und Antihafteigenschaften im Fokus stehen, haben sich chemisch abgeschiedene Nickelschichten mit eingelagerten Festschmierstoffen wir hexagonales Bornitrid (hBN) bewährt.

Kontakt

CCT Composite Coating Technologies GmbH,
In den Entenäckern 30, D-70599 Stuttgart

Literatur

[1] T. Sörgel, J. Meyer: Chemische und elektrochemische Dispersionsbeschichtung; WOMAG 9/2013

DOI:  10.7395/2015/Meyer02

 

Relevante Unternehmen

Video(s) zum Thema

Werbepartner

Links zu diesem Artikel

Aus- und Weiterbildung

Top