Klare Kante

Werkstoffe 08. 11. 2015
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Chemisch abgeschiedenes Nickel bringt kritische Bauteile perfekt in Form
– Anwendungen bei der Pallas GmbH & Co. KG

Verschleiß und Korrosion zählen zu den größten Ausfallrisiken stark beanspruchter Bauteile in zahlreichen industriellen Schlüsselanwendungen. Um dadurch ausgelösten Stillständen, Reparaturen oder Neuanschaffungen vorzubeugen, erhalten­ kritische Komponenten vor ihrem ersten Einsatz eine technische Beschichtung, die sie widerstandsfähiger gegen Abrasion und Korrosion macht. Als etablierte, funktionelle Beschichtung gegen Verschleiß und Korrosion ist chemisch abgeschiedenes Nickel anderen galvanischen Verfahren deutlich überlegen. Die außenstromlos abgeschiedene Schicht erlaubt es, sogar sehr komplexe Geometrien, Innengewinde oder Passungen konturtreu und mikrometergenau zu beschichten. Einsatz findet das Verfahren bei Bauteilen aus Stahl, Edelstahl, Buntmetall oder Aluminium. Als ausgewiesener Experte im Bereich anspruchsvoller Oberflächentechnik setzt die Pallas GmbH & Co. KG gerade auch im heiklen Bereich der chemischen Vernickelung von gedrehten oder gefrästen Bauteilen aus Aluminium immer wieder Maßstäbe.

Wo andere Verfahren nur bedingt einsetzbar sind, zeigt die chemische Vernickelung Format. Ob im Maschinen-und Anlagenbau, in der Medizintechnik, im Bergbau, in der Automobil-, Luft- und Raumfahrt-, Elektro- oder Lebensmittelindustrie: Exzellente Korrosionsbeständigkeit und tribologische Eigenschaften sowie mit Hartchrom fast vergleichbare Härten kennzeichnen die erzeugten Schutzschichten. Ihre Konturtreue, Maßhaltigkeit, Duktilität und Porenfreiheit qualifizieren sie überdies für eine Vielzahl von Anwendungen, denn je komplizierter die Bauteilgeometrie, desto effizienter ist dieses Veredelungsverfahren. Bei dem chemischen, autokatalytischen Prozess scheiden sich in einem wässrigen Elektrolyten Nickelionen ab. Sie bauen überall dort, wo das Werkstück mit der Lösung in Berührung kommt, eine schützende Nickel-Phosphor-Legierung gleichmäßig auf.

Chemie für optimales Ergebnis

Anders als bei galvanisch aufgebauten Nickel­schichten entsteht kein Faradayscher Käfig, wodurch auch alle Zwischen- und Hohlräume, die vom Elektrolyt umströmt werden, eine planparallele, mikrometergenau einstellbare Schichtdicke an Nickel erhalten. Somit können auch geometrisch komplizierte Bauteile mit vielen Kanten, Spitzen, Gewinden, Passungen oder Sacklöchern ohne Nachbearbeitung präzise veredelt werden. Bei gefrästen oder gedrehten Teilen bedeutet das für Konstrukteure und Fertiger, dass sie die Konstruktions­maße übernehmen und die Teile beispielsweise fünf Mikrometer kleiner als das vorgesehene Endmaß herstellen können. Pallas baut dann bei der Veredelung mit chemisch abgeschiedenem Nickel die Differenz zum Fertigmaß exakt auf. Durch eine Wärmenachbehandlung (Tempern) wird eine Härte bis 1000 HV erreicht.

Wertvolle Dienste leistet dieses Verfahren deshalb auch bei nachträglichen Änderungen an fertigen Bauteilen, bei der Korrektur von zu kleinen Passungen oder zu großen Bohrlöchern sowie bei der Reparatur verschlissener Elemente. Die von Pallas eingesetzte Elektrolytchemie HP von Dr. Hesse­ erzeugt eine Nickelschicht mit zehn- bis zwölfprozentigem Phosphorgehalt. Dadurch ist sie chemisch sehr beständig und bietet bei Schichtdicken ab 25 Mikrometer hohen Korrosionsschutz. So widersteht sie selbst aggressivem Industrie- oder Seeklima viele Jahre zuverlässig. Zudem sind die chemisch-Nickel-Legierungen löt- und umformbar, anlaufbeständig, elektrisch leitfähig, nicht magnetisch und lebensmittelecht. Sie enthalten weder Blei noch Cadmium und bieten durch ihre erzielbare Härte eine nahezu gleichwertige Alternative zum in der Diskussion stehenden Hartchrom. Allerdings entfällt bei chemischer Vernickelung die bei Hartverchromung erforderliche aufwändige Nachbearbeitung. Damit ist dieses Verfahren trotz der hohen Anschaffungskosten der Bäder auch deutlich günstiger als Verchromen.

Sensibles Verfahren präzise steuern

Entscheidend für die Qualität der Veredelung mit Nickel ist die perfekte Beherrschung der aufwändigen Elektrolytführung und des insgesamt sehr sensiblen Verfahrens. Dazu zählt die anwendungsspezifische Vorbehandlung mit einem mehrstufigen­ Reinigungsprozess, die wesentlichen Einfluss auf Haftfestigkeit und Optik der Schicht hat. Fett- und Oxidschichten gilt es ebenso sorgfältig zu entfernen wie andere Verunreinigungen. Dabei durchlaufen die Bauteile bei Pallas zwischen der alkalischen und elektrolytischen Entfettung sowie dem sauren Beizen immer wieder intensive Spülgänge. Anschließend werden in dem 1,5 Meter langen, 0,80 Meter breiten und 0,90 Meter hohen Behälter mit dem chemisch abscheidenden Nickelelektrolyt Komponenten mit Bauteilgrößen von wenigen Gramm bis zu 500 Kilogramm ­beschichtet.

Damit immer die gleiche Konzentration an Nickelionen die Werkstücke umspült, durchwälzt ein Rührwerk permanent die Lösung. Das an den Werkstückoberflächen abgeschiedene Nickel wird kontinuierlich ergänzt. Mit kontinuierlich am Tag durchgeführten Analysen des Nickel-und Hypophosphitgehalts und entsprechender Nachdosierungen gewährleistet Pallas die konstante chemische Zusammensetzung der Lösung. Zehnmal pro Stunde wird das Bad überdies komplett über Filter gereinigt. Nach sechs bis acht Wochen Standzeit ist der Elektrolyt verbraucht und wird in der unternehmenseigenen Abwasserbehandlungsanlage zur Entsorgung umweltgerecht aufbereitet. Über die Dauer der Beschichtung steuert Pallas – bei unverändertem pH-Wert und konstanter Temperatur von 90 °C – die Herstellung von Schichtdicken zwischen zwei Mikrometer und bis 80 Mikrometern. Pro Stunde werden bei dem Verfahren etwa zehn Mikrometer der Legierungsschicht aufgebaut. Die Trocknung nach dem letzten Spülgang erfolgt wiederum per Druckluft, da die Werkstücke immer noch bis zu 50 °C heiß sind.

Durch eine nachgeschaltete Wärmebehandlung kann eine hartchromähnliche Härte von bis zu 1000 HV erzielt werden, welche die Verschleißfestigkeit der Beschichtung – etwa für Passungen von Wellen oder für Bauteile, die einer starken Reibung ausgesetzt sind – optimiert.

Komplexe Geometrien planparallel veredeln

Bei Pallas werden beispielsweise aus Stahl gedrehte Hydraulikzylinder mit einem Durchmesser von 800 Millimetern und einem Stückgewicht von 80 Kilogramm im Elektrolyten chemisch vernickelt. Durchgehende Passungen und bis zu 100 Millimeter tiefe Bohrlöcher im Mittelkranz, die innen beschichtet werden sollen, geben hier den Ausschlag für die Wahl dieses Verfahrens. Beim galvanischen Vernickeln müssten für die Innenbeschichtungen der Bohrungen und Passungen jeweils einzelne Anoden gelegt werden. Auch Hartverchromen scheidet hier aus, da für die zahlreichen Bohr­löcher und Passungen zunächst Hilfsanoden gebaut werden müssten, damit sich die Schicht innen aufbaut. Außerdem müsste die Chromschicht im Gegensatz zur chemisch Nickel-Legierung über das erforderliche Maß hinaus aufgebaut und anschließend in jeder Bohrung wieder auf Maß zurückgeschliffen werden – beim Innenschleifen ein überaus aufwändiger Prozess.

Einzelne Bereiche der Zylinder, die nicht vernickelt werden sollen, werden mit geeigneten Mitteln maskiert oder abgedeckt und damit vor der Nickellegierung geschützt. Zum chemischen Vernickeln werden die Zylinder an Gestellen aufgehängt und per Kran durch die Beschichtungslinie bewegt. Das Zusammenspiel von Komponentengröße und präziser Schichtdicke erfordert hier hohe Genauigkeit.

Aber auch bei kleinen Komponenten ist die Expertise von Pallas gefragt. So etwa bei einer Kleinserie von aus Aluminium gedrehten und gefrästen Bauteilen mit komplexer Geometrie, die für medizinische Diagnostikgeräte bestimmt sind. Zahlreiche Zwischenwände, innenliegende Bohrungen, Gewinde und Passungen prädestinieren diese Bauteile für die chemische Vernickelung. Ebenso wie zum Beispiel Kabelschuhe aus Kupfer für die Luft- und Raumfahrtindustrie, die als Trommelware eine chemisch abgeschiedene Nickelschicht zum Schutz vor Korrosion erhalten.

Insbesondere für Bauteile mit vielen Ecken und Kanten oder Bohrungen, die als Prototyp oder in Kleinserie veredelt werden sollen, ist chemisch abgeschiedenes Nickel das Verfahren der Wahl und Pallas der Partner, der die hohe Kunst der individuell optimierten Oberfläche virtuos beherrscht.

Pallas GmbH & Co. KG
Adenauerstraße 17, D-52146 Würselen

 
     

Aus Aluminium gedrehte und gefräste Bauteile mit komplexer Geometrie und zahlreichen Passungen erhalten eine hochpräzise chemische Vernickelung für ihren Einsatz in medizinischen Diagnostikgeräten

Trommelware: Kabelschuhe aus Kupfer für die Luft- und Raumfahrtindustrie erhalten eine chemisch Nickel-Legierung zum Schutz vor Korrosion

Kupfer-Bauteile auf dem Weg in die Bäderstraße zum chemischen Vernickeln

Auf der wellenförmigen Oberfläche von Transportrollen zeigt chemisch Nickel seine Stärken in Konturtreue und Maßhaltigkeit

     

Bei Hydraulikzylindern mit bis zu 100 Millimetern tiefen Bohrlöchern und vielen Passungen ist chemisch Nickel das Verfahren der Wahl

        

Stopfen verschließen Bohrungen, die nicht chemisch vernickelt werden sollen (li.); als Gestellware bewegen sich die Hydraulikzylinder per Kran durch die Bäderstraße (Mitte); die 800 mm großen Hydraulikzylinder gehen zum Vernickeln auf Tauchstation in das mit Druckluft zum Sprudeln gebrachte Bad (re.)

Format zeigt chemisch Nickel bei Komponenten mit zahlreichen Zwischenwänden, innenliegenden Bohrungen, Passungen und Gewinden

Insbesondere zur technischen Beschichtung von Bauteilen mit vielen Ecken und Kanten ist chemisch Nickel unverzichtbar

Nach der Qualitätsprüfung werden die beschichteten Bauteile sorgfältig verpackt und ausgeliefert

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