Korrosionsschutz von Edelstahl mit neuartigem Schichtdesign

Oberflächen 09. 12. 2015

Von Michael Banghard1,2, Kamel Silmy1, Rene von Metzen1 und Volker Bucher1,2

Edelstähle zeichnen sich durch eine hohe Korrosionsbeständigkeit aus. Trotzdem kommt es im Kontakt zu chlorid- oder bromidhaltigen Elektrolyten zu Korrosionserscheinungen. Bei dieser Art der Korrosion wird die natürliche Passivschicht des Stahles selektiv verletzt. Dabei werden die Oxide in der Passivschicht von Chlorionen verdrängt. Ein Punktdefekt entsteht. An der verletzten Passivschicht kommt es zum
Ionenaustausch mit dem Elektrolyten, dabei bilden sich Löcher im Edelstahl, welche meist unbemerkt bleiben. Diese Lochkorrosion tritt in Abhängigkeit des Elektrolyten, ausnahmslos bei allen Edelstählen auf und führt zur dauerhaften Schädigung des Werkstoffes.

Um die Korrosionsbeständigkeit der Stähle zu optimieren, werden diese in der Praxis mit dünnen Schutzschichten (z. B. Aluminiumoxid, Siliziumoxid sowie galvanisch abgeschiedene Chrom- oder Nickelschichten) versehen. Da diese dünnen Schichten (Schichtdicken unter etwa 3 µm bis 5 µm) nicht vollkommen defektfrei sind, können diese der Lochkorrosion nicht langfristig standhalten. Ist die Beschichtung elektrochemisch edler als der Grundwerkstoff, kann ein solcher Defekt die Korrosionsprozesse sogar deutlich beschleunigen. Dies wird durch die Kombination von galvanischer und Lochkorrosion hervorgerufen. Dabei fließen Ströme vom kleinen anodischen (Loch) zum deutlich größeren kathodischen Bereich der Oberfläche (Abb. 1). Der Werkstoff löst sich auf und das Loch wird größer. Zudem kommt es in diesem Bereich zu einem pH-Abfall des Elektrolyten. Dieser Abfall des pH-Werte erfolgt durch folgende Reaktion im Kathodenraum:

FeCl2 + H2O FeClOH + H+ + Cl-

Durch diese lokalen pH-Veränderungen, steigt die Versagenswahrscheinlichkeit der Schicht und des Bauteils immens an.

Abb. 1: Mechanismus der Lochkorrosion bei Edelstählen unter Einwirkung von Chlorid

 

Abhilfe schafft eine am NMI entwickelte neuartige Mehrlagen-Kombinationsschicht, welche speziell als Korrosionsschutzschicht entworfen wurde. Dabei werden unterschiedliche Lagen einer amorphen, wasserstoffhaltigen diamantähnlichen Kohlenstoffschicht (a-C:H bzw. DLC) übereinander gestapelt. Dieses Übereinanderlegen einzelner Schichten versetzt die prozessbedingten Mikrodefekte. Dadurch wird verhindert, dass der Werkstoff Kontakt mit der Umgebung erhält. Abschließend werden die übrigen Defekte mit einer Parylene-Versiegelungsschicht verschlossen. Parylene-C ist gegenüber Säuren und Laugen absolut stabil und zeigt keinerlei Reaktionen.

Je nach Anforderung können mit diesem PECVD-Verfahren Mehrlagenschichten mit Dicken zwischen 3 µm und 30 µm erzeugt werden. Auf Grund der PECVD-Technologie kann diese Mehrlagenkombinationsschicht, wirtschaftlich und reproduzierbar, auch auf komplex gestalteten Bauteilen homogen abgeschieden werden. Diese Schicht zeichnet sich durch eine außerordentlich gute Schichthaftung und Kratzbeständigkeit auf Edelstahl aus, welche den Kategorien GT 0 bis GT 1 aus der Norm DIN EN ISO 2409:2007 (Gitterschnitttest) entsprechen.

Durch diese Beschichtung steigt die Korrosionsbeständigkeit eines Edelstahles 1.4571 erheblich. Es wurden beschichtete und unbeschichtete Proben einem verschärften Korrosionstest (in Anlehnung an den G48 Test nach ASTM) unterzogen. Nach der 18-wöchigen Einlagerung in unbelüftetem Solewasser (200.000 mg/l Chloridkonzentration) bei 60 °C traten bei den beschichteten Proben keine Korrosionsreaktionen auf. Auch Verletzungen durch Zerkratzen der Parylene-C Schicht hatte keinerlei Auswirkungen auf die Korrosionsbeständigkeit. Die unbeschichteten Referenzproben aus 1.4571 und dem hoch legierten 1.4539 wurden von der Sole jedoch sehr stark angegriffen (Abb. 2).

Abb. 2: Schrauben als Prüfteile in unterschiedlichen Stadien: unbeschichtet (links), beschichtet nach Auslagerung (Mitte) und unbeschichtet nach Auslagerung (rechts)

Typische Anwendungsgebiete dieser Beschichtung sind Bauteile mit Kontakt zu stark chloridhaltigen oder korrosiven Medien wie sie beispielsweise im Industrie- und Chemiebereiche, Schwimmbad- und Küstenbereiche auftreten. Die DLC-Schichten sind nachweislich biokompatibel und Parylene-C besitzt eine FDA-Zulassung. Des Weiteren kann das Schichtsystem bedenkenlos autoklaviert werden. Dadurch eignet sich diese neuartige Korrosionsschutzschicht auch hervorragend für die Medizin- und Pharmatechnik.

1 NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen, Markwiesenstraße 55, 72770 Reutlingen

2 Hochschule Furtwangen, Jakob-Kienzle-Straße 17, 78054 Villingen-Schwenningen

Kontakt: Michael.Banghard@nmi.de

DOI:  10.7395/2015/Banghard01 

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