Eigenspannungen bei chemisch abgeschiedenen Nickelschichten

Oberflächen 03. 02. 2016

Bericht über die Novemberveranstaltung der Bezirksgruppe der Deutschen Gesellschaft für Galvano- und Oberflächentechnik e. V. in Stuttgart

Patrick Rio informierte die Teilnehmer der letzten DGO-Bezirksgruppenveranstaltung im November 2015 in Stuttgart über Eigenspannungen bei chemisch abgeschiedenen Nickelschichten. Er berichtete einleitend, dass er letztmals als MacDermid-Mitarbeiter auftritt, da Anfang Dezember aus MacDermid der neue große Anbieter für Chemie und Verfahren der Oberflächentechnik MacDermid-Enthone wird, der zukünftig als neuer großer Konzern auf dem Oberflächentechnikmarkt tätig sein wird.

Nickelschichten aus der chemischen Abscheidung besitzen in der Regel Eigenspannungen, die als Druck- oder als Zug­eigenspannungen auftreten können. Die Ursachen für diese Erscheinung sind unter­ anderem thermischer Natur, der Gefüge­aufbau oder die in die Schicht mit abgeschiedenen Fremdstoffe. Thermische Spannungen treten durch unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten von Schicht und dem jeweiligen Substrat auf. Deshalb sind Druckspannungen auf Aluminium am höchsten und auf Stahl am geringsten.

Messungen der Eigenspannungen können mittels der Zwei-Streifenmethoden, dem Spiralkontraktometer oder dem IS-Meter erfolgen. Die Streifenmethode ist nicht genormt, aber sehr einfach einzusetzen und eignet sich für die Qualitätskontrolle der Elektrolyte. Das Spiralkontraktometer ist gemäß ASTM genormt. Die Werte werden hier direkt während der Beschichtung erfasst und angezeigt. Wie Patrick Rio betonte, sind alle Verfahren stark davon abhängig, dass auf einen exakten Ablauf der Messungen geachtet wird.

Die Auswirkungen der Eigenspannungen sind in erster Linie die Bildung von Rissen bei Zugspannungen (ab ca. 70 N/mm2 kritisch) und die Entstehung von Blasen beziehungsweise Abplatzungen bei Druckspannungen. Zum Teil können sich die Spannungen auch auf das Grundmaterial auswirken, bis hin zum mechanischen Bruch, wobei beispielsweise die Risse als Kerben im mechanischen Sinn wirken.

Die Ursachen für die Bildung von Eigenspannungen in chemisch abgeschiedenen Nickelschichten sind vor allem eingebauter Wasserstoff, das Alter des Elektrolyten, die Schichtdicke, die Arbeitsparameter, die Zusammensetzung des Elektrolyten oder organische und anorganische Verunreinigungen. Insbesondere nimmt mit der Nutzungsdauer eines Elektrolyten der Anteil an Abbauprodukten im Elektrolyten zu, wodurch die Tendenz zu steigenden Eigenspannungen zunimmt; aus diesem Grund ist die Nutzungsdauer einer der wichtigsten limitierenden Faktoren. Begrenzen lässt sich der Spannungsanstieg durch kontinuierliche Aufarbeitung oder Erneuerung des Elektrolyten (z. B. Bleed and Feed-Technik).

Mit zunehmender Schichtdicke sinken die Eigenspannungen ab und erreichen den Messungen des Vortragenden zufolge ab etwa 10 µm einen annähernd stationären Wert (bestimmt bei High-Nickel-Phosphor-Elektrolyten). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich auch die Messmethode auf den Verlauf der Änderung auswirkt. Bei Schichten mit niedrigem und mittlerem Phosphorgehalt waren bis etwa 4 µm Druckspannungen festzustellen, die dann in Zugspannungen wechseln, wobei der Verlauf der Spannungen meist stark von der Zusammensetzung des Elektrolyten abhängt. Drastische Unterschiede können durch die verwendeten Stoffe für die pH-Wert-Einstellung auftreten. Günstiger ist die Situation bei Verwendung von Natronlauge; allerdings wurden auch Zusammensetzungen ermittelt, bei denen Natronlauge zu erheblichen Anstiegen der Eigenspannungen führte.

Oftmals ist die Abscheidung von Glanzschichten gefordert, wobei bereits ab 1 ppm Glanzzusatz die Eigenspannungen deutlich ansteigen können. Bei den metallischen Verunreinigungen führt insbesondere Kupfer zur Spannungserhöhung. Bei der Beschichtung von Aluminium trägt der allmählich ansteigende Zinkgehalt ebenfalls zur Spannungserhöhung bei. Prinzipiell kann davon ausgegangen werden, dass ab etwa 3,5 MTO Zugspannungen steigende Tendenz aufweisen.

Neuentwicklungen richten sich daher darauf, bei Eigenspannungen auf geringe Anstiege zu achten. Dies hat sich beispielsweise bei einem Elektrolyten mit Ammoniak als pH-Regulator deutlich gezeigt. Damit werden die Bemühungen zur Herstellung von Schichten mit den positiveren Druckspannungen unterstützt.

Insgesamt ist für Patrick Rio die Situation bei der Auswahl der Messmethoden noch erheblich verbesserungswürdig. Insbesondere sind Verfahren zur bevorzugen, die zerstörungsfreie Spannungsmessungen an Bauteilen erlauben.

Eigenschaften und Vergleichswerte von inneren Spannungen (Quelle: P. Rio)

Auswirkungen von Zug- und Druckspannungen (Quelle: P. Rio)

Auswirkungen auf die Eigenspannungen mit steigendem Nitratgehalt im Elektrolyten Mid
Phos C7% (Quelle: P. Rio)

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