Inline-Messung der Abscheidegeschwindigkeit ...

Oberflächen 10. 06. 2016

... zur Prozessführung einer modernen Chemisch-Nickel-Anlage

Von Dr. Eckart Giebler, Dresden

Der qualitätsgerechte Betrieb von Chemisch-Nickel-Prozessen stellt eine komplexe Aufgabe dar. Zur Realisierung spezifizierter Schichtdicken muss die Abscheidegeschwindigkeit bekannt sein. Bisher wird diese meist durch manuelle Probekörpermessungen ermittelt. Eine neuartige Inline-Messtechnik der Somonic Solutions GmbH ermöglicht nun, die Schichtdicke und die Abscheidegeschwindigkeit fortlaufend zu messen. Nach Darstellung des prinzipiellen Vorgehens bei der Führung von Chemisch-Nickel-Prozessen und einer Kurzvorstellung der neuen Inline-Messtechnik wird ein Anwendungsfall beschrieben. Er zeigt den Einsatz der Messtechnik in einer modernen Chemisch-Nickel-Anlage eines großen Unternehmens. An drei Wannen mit Elektrolyt zur chemischen Metallabscheidung werden dort die warenträgerbezogene Schichtdicke und die Abscheidegeschwindigkeit online gemessen. Entsprechend der Abscheidegeschwindigkeit wird die Beschichtungsdauer festgelegt. Erste Betriebserfahrungen zeigen, dass mit Einsatz der Messtechnik Schichtdicken in den geforderten Toleranzgrenzen gesichert werden können.

In-line measurement of the deposition rate for the process control of a modern electroless nickel plant

A high-quality electroless nickel deposition is a complex task. The deposition rate has to be known to realize a specified deposition thickness. So far, the deposition rate is determined by manual measurements on test samples. A novel in-line measurement offered by Somonic allows for the first time a continuous monitoring of the deposition thickness and deposition rate. After describing the principal approach in control of electroless nickel processes the new in-line measurement device is described briefly. An application example shows the application of the in-line measurement in an electroless nickel plant which was recently put into operation at a large company. The process instruments, installed at three electroless nickel tanks, measure the deposition thickness and rate. The deposition rate is used for automatic calculation of the plating time. First operational experience demonstrates that specified deposition thicknesses can be ensured by use of the measurement device.

1 Problemstellung

Bei den sogenannten Chemisch-Nickel-Verfahren erfolgt eine chemisch-reduktive Abscheidung von Nickel-Phosphor-Legierungsschichten. Das heißt, im Gegensatz zur klassischen galvanischen Abscheidung wird hier außenstromlos beschichtet.

Chemisch-Nickel-Verfahren werden bei hohen Anforderungen an die Gleichmäßigkeit der Schicht eingesetzt, da stromdichte­bedingte Schwankungen der Schichtdicke (Knocheneffekt) nicht auftreten. Hervorragend geeignet sind Chemisch-Nickel-Beschichtungen auch für hohe Anforderungen an den Korrosionsschutz. Insbesondere hoch phosphorhaltige Schichten (mehr als 10 % Phosphor) weisen einen exzellenten Korrosionsschutz auf. Nicht zuletzt kann mit außenstromlos abgeschiedenen Nickelschichten eine hohe Härte der Bauteiloberfläche erreicht werden. Dazu erfolgt im Anschluss an die Beschichtung eine geeignete Wärmebehandlung [1].

Die Abscheidung von hochqualitativen Chemisch-Nickel-Schichten erfordert eine angepasste Prozessführung, bei der unterschiedliche Zielkriterien erfüllt werden müssen. So sind bei den meisten Anwendungen spezifizierte Schichtdicken zu realisieren. Weiterhin ist die Geschwindigkeit der Beschichtung (Abscheidegeschwindigkeit, auch Abscheiderate) zu kontrollieren. So soll die Abscheidung im Allgemeinen möglichst schnell geschehen, um eine hohe Produktivität zu erreichen. Allerdings bestimmt die Abscheidegeschwindigkeit auch die Einbaurate für Phosphor. Da von der Zusammensetzung der Nickel-Phosphor-Legierung viele wichtige Schichteigenschaften abhängen, ist die Abscheidegeschwindigkeit häufig in einem bestimmten Bereich zu halten. Nicht zuletzt muss die Prozessführung bei der Chemisch-Nickel-Abscheidung einen stabi­len Prozessbetrieb gewährleisten. Insbesondere ist Wildabscheidung (Bezeichnung für Nickelabscheidung an Wanne und Ausrüstungsgegenständen) zu verhindern. Der Prozess darf aber auch nicht überstabilisiert werden, da die Abscheidung dann wiederum zu langsam erfolgt.

2 Prozessführung von Chemisch-Nickel-Prozessen

2.1 Einflussfaktoren

Die Führung von Chemisch-Nickel-Prozessen ist eine durchaus nicht triviale Aufgabe. Grund dafür ist die große Anzahl von Faktoren, welche die Abscheidung beeinflussen. Insbesondere die Konzentrationen der in der Chemisch-Nickel-Verfahrenslösung enthaltenen Stoffe haben einen wesent­lichen Einfluss. So wirken die Nickelkonzentration und die Konzentration des Reduktionsmittels (meist Hypophosphit) auf die Abscheidegeschwindigkeit. Ebenso haben Stoffe einen Einfluss, die sich als Reaktionsprodukt (z. B. Orthophosphit) oder durch Nachdosierung (z. B. Sulfat) in der Prozesslösung anreichern. Darüber hinaus enthalten die Chemisch-Nickel-Verfahrenslösungen diverse weitere Stoffe mit Wirkung auf die Abscheidung, wie Komplexbildner, Puffer, Stabilisatoren und Beschleuniger.

Neben den Stoffkonzentrationen ist die Temperatur die wichtigste Prozessgröße bei der außenstromlosen Nickelabscheidung. Bereits eine Änderung von wenigen Grad bewirkt eine deutliche Beschleunigung oder Verlangsamung der Abscheidung. Nicht zuletzt wirken die hydrodynamischen Verhältnisse in der das Bauteil umgebenden Chemisch-Nickel-Prozesslösung auf die Abscheidevorgänge. So kann sowohl eine zu geringe als auch eine zu hohe Strömung zur Verlangsamung der Abscheidung führen [2].

2.2 Eingriffsmöglichkeiten

Für das Erreichen einer spezifizierten Dicke der Nickelschicht ist die Dauer der Beschichtung die wichtigste Eingriffsmöglichkeit. ­Daneben wird versucht, die Abscheide­bedingungen möglichst gut zu stabilisieren.

So gibt es verschiedene Eingriffsmöglichkeiten, um auf Veränderungen der diversen Einflussfaktoren bei der Chemisch-Nickel-Abscheidung zu reagieren. Stoffe, die durch chemische Reaktionen, Verschleppung oder Schichteinbau verbraucht werden, werden nachdosiert. Die Nachdosierung erfolgt in Form flüssiger Lösungen. Weiterhin wird Wasser ergänzt, das durch Verschleppung und bei den meist warmarbeitenden Prozessen besonders durch Verdunstung verloren geht. Die Anreicherung von Stoffen in der Chemisch-Nickel-Verfahrenslösung wird zum Problem, wenn Störgrenzkonzentrationen überschritten werden. Um das zu verhindern, erfolgt der Verwurf von Prozess­lösung. Es kann ein vollständiger Verwurf, ein Teilverwurf oder ein kontinuierlicher Verwurf erfolgen. Zur Entfernung von bestimmten Störstoffen stehen alternativ auch produktionsintegrierte Regeneratoren (z. B. Elektrodialysezellen) zur Verfügung.

Die Stabilisierung der Temperatur erfolgt durch gezieltes Beheizen. Kühlen ist im Chemisch-Nickel-Prozess nicht nötig, da durch das Eintauchen von kalten Bauteilen und deren Aufheizung im Nickelelektrolyten sowie insbesondere durch die Verdunstung erhebliche Kühleffekte auftreten. Die Hydrodynamik kann bei der Chemisch-Nickel-Abscheidung in verschiedener Weise verändert werden, etwa durch Variation der Umwälzung, der Lufteinblasung oder der Warenbewegung. Allerdings werden solche Eingriffsmöglichkeiten kaum bei laufendem Betrieb genutzt, sondern vor Inbetriebnahme des Prozesses optimiert.

2.3 Steuerung der Abscheidebedingungen

Zur gezielten Steuerung der Abscheidebedingungen werden insbesondere verschiedene Stoffkonzentrationen stabilisiert. Die zur Stabilisierung der Nickelkonzentration nötige Messung erfolgt entweder online am Prozess (Direktfotometrie) oder offline im Labor (Titration oder Röntgenfluoreszenz). Das Reduktionsmittel wird meist nur stöchio­metrisch zum Nickel dosiert; gelegentlich erfolgt eine Kontrolle per Analyse im Labor. Da der pH-Wert einen großen Einfluss auf die Abscheidegeschwindigkeit hat, wird er regelmäßig manuell oder durchgängig per Onlinemessung ermittelt. Darauf basierend findet eine Dosierung zur pH-Wert-Korrektur statt. Alle weiteren genannten Stoffe werden üblicherweise mit den Dosier­lösungen für Nickel und Reduktionsmittel dosiert. Deren spezifische Kontrolle findet im laufenden Prozessbetrieb kaum statt.

Die Nachdosierung von Wasser findet im Rahmen einer Füllstandsregelung statt. Zur Temperaturstabilisierung wird die Temperatur in der Chemisch-Nickel-Wanne gemessen und die Heizleistung variiert (meist Ein/Aus-Betrieb).

2.4 Steuerung der Schichtdicke

Zur Realisierung spezifizierter Schichtdicken gibt es bei der chemisch reduktiven Nickelabscheidung verschiedene Strategien, die hier kurz vorgestellt werden.

Die erste Möglichkeit ist, die Beschichtungsdauer anhand der gewünschten Schicht­dicke festzulegen. Dabei wird davon ausgegangen, dass durch die Stabilisierung aller relevanten Prozessgrößen eine konstante Abscheidegeschwindigkeit erreicht wird. Aufgrund der oben angesprochenen Komplexität der Chemisch-Nickel-Prozesse besteht hierbei jedoch eine erhebliche Unsicherheit. Besonders beim verwurfsfreien Betrieb kommt es zur Aufsalzung (Aufkonzentration z. B. von Orthophosphit oder Sulfat) und dadurch zur Verlangsamung der Abscheidung. Daher ist die Festlegung der Beschichtungsdauer ohne Ermittlung der tatsächlichen Abscheidegeschwindigkeit nur bei geringen Anforderungen an die ­Genauigkeit der Dicke der chemisch abgeschiedenen Nickelschicht praktikabel.

Gebräuchlicher ist, die Beschichtungszeit am Anfang der Beschichtung entsprechend der aktuellen Abscheidegeschwindigkeit festzulegen. Die entsprechende Abscheidegeschwindigkeit wird dazu produktionsbegleitend durch Messungen der Schichtdicke an Probekörpern oder an vorher beschichteter Ware ermittelt. Als Probekörper werden Bleche, Bolzen oder Drähte genutzt, die für eine definierte Zeit im Chemisch-Nickel-Prozess mitbeschichtet werden. Die danach erreichten Schichtdicken werden indirekt durch Differenzwägung oder direkt durch Schichtdickenmessung (Röntgen­fluoreszenz, mechanische Messuhr) ermittelt. Schichtdickenmessungen an der Ware erfolgen meist mittels Röntgenfluoreszenz.

Bei der Festlegung der Beschichtungsdauer zum Start der Beschichtung bleiben mögliche Änderungen der Abscheidegeschwindigkeit während der Beschichtung unberücksichtigt. Das kann für das Erreichen einer Zielschichtdicke relevant sein, wenn dicke Schichten abgeschieden werden und/oder hohe Anforderungen an die Genauigkeit der Schichtdicke bestehen. In diesem Fall wird die Entwicklung der Schichtdicke­ durch parallel beschichtete Probekörper verfolgt. In der Praxis wird dabei meist ein zeitgleich mit der Ware eingehängter Probe­körper entnommen, nachdem ein größerer Teil der mutmaßlichen Beschichtungszeit abgelaufen ist. Mit einer der oben genannten Methoden werden die Schichtdicke und damit die Abscheidegeschwindigkeit gemessen. Darauf basierend erfolgt dann eine Adaption der Beschichtungsdauer durch Anpassen der Rest-Beschichtungszeit.

3 Technik zur Inline-Messung

Die Somonic Solutions GmbH hat eine neuartige Messtechnik entwickelt, die eine Messung von Schichtdicke und Abscheidegeschwindigkeit während der galvanotechnischen Metallabscheidung ermöglicht. Bei dem patentierten Messverfahren [3] wird ein stabförmiger Sensor direkt in die Prozesslösung des Beschichtungsprozesses eingebracht. Auf einem an der Sensorspitze aufgeschraubten Probekörper findet parallel zur Ware eine Abscheidung statt (Abb. 1). Das Messverfahren ist sowohl an galvanischen als auch an außenstromlosen Abscheideprozessen einsetzbar [4].

Abb. 1: Inline-Messung von Schichtdicke und Abscheidegeschwindigkeit

Abb. 2: Stabsensor

 

Der Sensor ist ein in seiner Resonanzfrequenz­ schwingender Stab. Durch die Metallabschei­dung an der Sensorspitze werden die Masse und damit die Resonanzfrequenz des Stabschwingers verändert. Eine elektronische Regelung sorgt dafür, dass der Sensor der Änderung der Resonanzfrequenz fortlaufend folgt. Somit bildet die Resonanzfrequenz die Schichtmasse ab und ist dementsprechend die Messgröße des Sensors. Bei der Online-Messung werden aus gemessener Frequenz die Schichtmasse und Schichtdicke kontinuierlich berechnet. Aus dem Verlauf der Schichtdicke wird die Abscheide­geschwindigkeit online berechnet.

In Abbildung 2 ist der Stabsensor abgebildet. Am Stabende ist ein Probekörper aufgeschraubt, auf dem die Abscheidung erfolgt. Die Elektronik im Sensorkopf realisiert die Resonanzschwingung. Die Messinformationen (Resonanzfrequenz, Temperatur) werden zu einem Basisgerät übertragen. Im ­Basisgerät erfolgt die fortlaufende Berechnung von Schichtdicke und Abscheidegeschwindigkeit. Die entsprechenden Ergebnisse werden auf einem Display als Zahlenwert und als Zeitverläufe vor Ort angezeigt. Darüber hinaus sind verschiedene elektronische Schnittstellen verfügbar, um die Messwerte vom Basisgerät zu einer Anlagensteuerung zu übertragen. Somit können die Messgrößen als Grundlage einer Prozessregelung genutzt werden.

4 Anwendung in der Praxis

4.1 Messaufgabe

Nachfolgend wird ein Anwendungsfall der oben vorgestellten Inline-Messtechnik bei einem großen Unternehmen vorgestellt. Der betrachtete Standort dient als Produzent und Zulieferer insbesondere für die Automobilindustrie und die Elektronikindustrie. In einer Inhouse-Galvanikabteilung werden in verschiedenen modernen Beschichtungsanlagen vorwiegend eigene sowie externe Produkte einer Oberflächenbehandlung unterzogen. Neben der chemischen und galvanischen Nickelbeschichtung werden Nickel-Gold-, Gold- und Silberschichten realisiert.

Bei dem Unternehmen entstand im Jahr 2014 eine neue Anlage zur chemischen Vernicke­lung von verschiedenen Serienteilen. Die mit moderner Anlagen- und Steuerungstechnik ausgestattete Fertigungslinie wurde durch die F. K. Galvanik GmbH realisiert. Um dem Ziel einer gleichbleibend hohen Beschichtungsqualität gerecht zu werden, wurde die Anlage mit einem hohen Automatisierungsgrad umgesetzt. So ist neben der üblichen Basisautomatisierung (Temperatur, Füllstand) auch eine Onlinemessung und Regelung des Nickelgehalts (Nickelcontroller) und des pH-Werts vorhanden. Das Transportsystem wird vollautomatisch gesteuert. Die verfahrenstechnische Steuerung und die Transportsteuerung sind in ein hierarchisch strukturiertes Prozessleitsystem integriert, wodurch eine zentrale Steuerung der gesamten Beschichtungslinie ermöglicht wird.

Die Inline-Messtechnik von Somonic wird in der neuen Chemisch-Nickel-Anlage mit dem Ziel eingesetzt, spezifizierte Schichtdicken sicher zu realisieren. Das heißt, dass vorgegebene Toleranzen der Schichtdicke durchgängig gesichert werden. Die dazu nötige Prozessüberwachung kann durch Einsatz der Inline-Messtechnik effizient, also mit geringem personellen Aufwand, erfolgen.

4.2 Anlagenintegration der Messung

Die außenstromlose Nickelabscheidung findet in der neuen Anlage in drei parallelen Wannen statt. Diese drei Wannen wurden mit der Technik zur Inline-Messung von Schichtdicke und Abscheidegeschwindigkeit ausgestattet. Jeweils in der Mitte der Wanne ist am Wannenrand eine Halterung befestigt, in die ein Abscheidesensor eingehängt werden kann. Der Sensor wird mit einer Anschlussbox verbunden, die an der Außenseite der Wanne befestigt ist. Der Anschluss erfolgt dabei mit einem Steckverbinder mit Bajonettverriegelung. Somit kann der Sensor beispielsweise für die Vorbehandlung oder für ein nach Wildabscheidung nötiges Strippen einfach gelöst und wieder angeschlossen werden.

Die Anschlussboxen haben eine Kabelverbindung zum jeweiligen Basisgerät. Dabei sind die drei Basisgeräte zentral an einem Anlagenbedienplatz angeordnet (Abb. 3). Für die gerade im Betrieb befindlichen Chemisch-Nickel-Wannen wird dort die aktuelle Abscheidegeschwindigkeit angezeigt. Die drei Prozessmessgeräte sind über einen Feldbus (Profibus) an die zentrale Anlagensteuerung angeschlossen. Somit werden die Messwerte der warenträgerbezogenen Schichtdicke und der Abscheidegeschwindigkeit an die Anlagensteuerung übermittelt. Von der Steuerung zum Messgerät werden wiederum beim Einfahren und Ausheben der Ware die Signale zum Starten und zum Stoppen der warenträgerbezogenen Schichtdickenmessung gesendet.

Abb. 3: Basisgeräte am Anlagenbedienplatz

 

Um nun eine spezifizierte Schichtdicke einzustellen, wird die zweite, in Abschnitt 2.4 beschriebene Strategie genutzt. Das bedeutet, es wird am Beginn der Oberflächenbehandlung für den jeweiligen Warenträger die Aufenthaltsdauer im Chemisch-Nickel-Prozess festgelegt. Die Beschichtungsdauer wird dabei aus der spezifizierten Sollschichtdicke und der online gemessenen Abscheidegeschwindigkeit berechnet. Kommt es also durch Alterung des Nickelelektrolyten zur Verlangsamung der Abscheidung, erfolgt eine automatische Verlängerung der Beschichtungsdauer.

4.3 Erste Betriebserfahrungen

Die Einführung der Inline-Messtechnik für Schichtdicke und Abscheidegeschwindigkeit erfolgte in der neuen Anlage schrittweise. Nach einer Praxiserprobung der Messtechnik in der neuen Chemisch-Nickel-Anlage wurde zunächst eine Wanne mit dem Prozessmessgerät ausgestattet. Nach mehrmonatigem, störungsfreien Betrieb der Messung wurden auch die beiden anderen Wannen entsprechend instrumentiert. Die Inbetriebnahme der Messgeräte erfolgte jeweils durch Somonic. Bei der Inbetriebnahme wird jeweils eine Erstkalibrierung durchgeführt. Grundlage bildet dabei eine Differenzwägung des Sensor-Probekörpers vor und nach einer längeren Beschichtung. Weiterhin erfolgen bei der Inbetriebnahme eine Feineinstellung der Temperaturkompensation des Messsystems sowie eine auf den Prozess angepasste Optimierung der Messdynamik. Nach Ausstattung aller drei Chemisch-Nickel-Wannen mit der Inline-Messtechnik werden derzeit Erfahrungen beim Dauerbetrieb während der regulären Fertigung gesammelt.

In Abbildung 4 sind beispielhaft Messverläufe dargestellt, wie sie während der regulären Fertigung anfallen. Nach dem Wechsel des Sensor-Probekörpers wurde die Messung um etwa 09:35 Uhr gestartet. Aus der Messung der Resonanzfrequenz erfolgt die Berechnung der Dicke, der auf dem Probekörper abgeschiedenen Nickel-Phosphor-Schicht. Diese Gesamtschichtdicke startete nach dem Probekörperwechsel bei Null und stieg während des dargestellten Zeitraums auf 70 µm an, wie die braune Kurve in ­Abbildung 4 zeigt.

Abb. 4: Messung von Schichtdicke und Abscheidegeschwindigkeit im Produktionsbetrieb

 

Aus der Änderung der Schichtdicke wird die Abscheidegeschwindigkeit kontinuierlich abgeleitet. Im Beispielverlauf wurde die Abscheidegeschwindigkeit im Bereich von etwa 8 µm/h bis 9 µm/h gemessen (blaue Kurve in Abb. 4). Wie dort zu erkennen ist, startet die gemessene Abscheidegeschwindigkeit bei einem Anfangswert von cirka­ 8,7 µm/h. Bei Start von Null würde der Messwert eine gewisse Zeit benötigen, bis er sich an den realen Verlauf annähert. Um das zu verhindern, wird der Endwert der Abscheide­geschwindigkeit vor dem Probekörperwechsel gespeichert und als Anfangswert nach Start der neuen Messung genutzt. Wird nach Neuansatz der Prozesslösung eine deutlich abweichende Abscheide­geschwindigkeit erwartet, kann auch ein anderer Anfangswert per Hand vorgegeben werden. Dadurch wird die Messabweichung in der Startphase der Messung verringert.

Beim Einbringen eines Warenträgers wird jeweils eine Messung der warenträgerbezogenen Schichtdicke gestartet (grüne Kurve in Abb. 4). Die Schichtdicke steigt jeweils bis zum Ausheben der Ware an. Die kreisförmige Markierung (grün) zeigt den Endwert der warenträgerbezogenen Schicht­dicke zum Ende des Beschichtungsvorgangs an. Die online gemessenen Schichtdicken wurden im Nachhinein mit den an der Ware gemessenen Schichtdicken verglichen. Die Messung der Schichtdicke an den Bauteilen erfolgte dabei mittels Röntgenfluoreszenz (RFA) (Rauten (violett) in Abb. 4). Es zeigt sich, dass die Ergebnisse beider Messmethoden gut korrespondieren. Die mit zehn Prozent angenommen Fehlerbereiche beider Messungen überschneiden sich bei allen dar­gestellten Einzelmessungen.

5 Zusammenfassung

Chemisch-Nickel-Beschichtungen zeichnen sich durch gleichmäßige Schichtdicken,­ durch eine hohe Korrosionsbeständigkeit, durch gute Verschleißfestigkeit und nach geeigneter Wärmebehandlung durch hohe Härte aus. Durch eine geeignete Prozessführung der sensiblen Abscheideprozesse sollen spezifizierte Schichtdicken mit konstanten Schichteigenschaften realisiert werden. Wegen der großen Anzahl von Einflussfaktoren und Eingriffsmöglichkeiten ist der Betrieb von Chemisch-Nickel-Prozessen eine komplexe Aufgabe. So werden diverse Maßnahmen getroffen, um die Abscheidebedingungen bestmöglich zu stabilisieren. Um spezifizierte Schichtdicken zu realisieren, muss die Geschwindigkeit der Chemisch-Nickel-Abscheidung bekannt sein. Diese wird bisher hauptsächlich durch manuell durchgeführte Probekörpermessungen ermittelt.

Eine neuartige Inline-Messtechnik der Somonic Solutions GmbH ermöglicht nun, den Abscheideprozess während der industriellen Fertigung zu verfolgen. Bei Anwendung an Chemisch-Nickel-Prozessen erfolgt parallel zur Ware eine Nickelabscheidung auf dem Probekörper eines Abscheidesensors. Mittels einer Resonanzfrequenzmessung können die Schichtdicke und die Abscheidegeschwindigkeit am Sensor fortlaufend gemessen werden.

Die Inline-Messtechnik wird in einer neuen Industrieanlage zur außenstromlosen Nickelabscheidung eingesetzt. Dort wurden drei Chemisch-Nickel-Wannen mit einem entsprechenden Prozessmessgerät ausgestattet. Somit können jeweils die warenträgerbezogene Schicht­dicke und die Abscheidegeschwindigkeit fortlaufend gemessen werden. Die Messwerte werden über einen Feldbus (Profibus) an die Anlagensteuerung übergeben. Dort wird entsprechend der gemessenen Abscheidegeschwindigkeit die Beschichtungsdauer festgelegt. Somit können spezifizierte Schichtdicken mit geringem personellen Überwachungsaufwand realisiert werden. Weiterhin kann die Messung der Abscheidegeschwindigkeit genutzt werden, um den nötigen Verwurf der Nickelelektrolyte zu ­detektieren. Wie in den ersten Betriebs­monaten der Inline-Messtechnik gezeigt wurde, kann die Schichtdicke warenträgerbezogen verfolgt werden. Durch die Anpassung der Beschichtungszeit entsprechend der online gemessenen Abscheidegeschwindigkeit lässt sich die Beschichtung in den geforderten Toleranzgrenzen gesichert durchführen.

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