REACh, ECHA und die public consultation ...

Verbände 11. 06. 2016
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Von Dr. Malte-Matthias Zimmer

Seit einigen Tagen (und noch bis zum 22. Juni) stehen erneut Autorisierungsanträge auf der ECHA Website zur public consultation [1]. Erneut ist die Öffentlichkeit zur Kommentierung aufgerufen. Dieser Prozessschritt ist ein wesentlicher Teil für die Transparenz des Gesamtvorgangs. Zusätzlich bietet er grundsätzlich für ECHA und Kommission die Möglichkeit, mehr Informationen zu sammeln und die Entscheidungen damit zu objektivieren. Jedem Kommentierenden soll ermöglicht werden, die Entscheidungsgrundlage für die zuständigen Behörden zu erweitern.

Manches an der Durchführung der public consultation ist jedoch überraschend.

Verständlich ist noch die zeitliche Begrenzung. Schließlich muss die Behörde den Vorgang gezielt fortsetzen können. Andererseits sind 8 Wochen ein sehr kurzer Zeitraum; denn für eine detaillierte Kommentierung der umfangreichen Dokumente der Konsultation – zumal, wenn es mehrere Anträge sind, die kommentiert werden sollen – bedarf es recht umfangreicher Informationssammlungen. Kaum ein Unternehmen dürfte darauf vorbereitet sein; und kaum ein Unternehmen kann es sich leisten, seine kompetenten Mitarbeiter über diesen Zeitraum im Schwerpunkt für eine Kommentierung einzusetzen!

Erstaunlich ist, dass die Website der public consultation allein in Englisch betrieben wird. Sogar die Anträge werden ausschließlich in Englisch veröffentlicht. Selbst in anderer Sprache eingereichte Dossiers werden übersetzt! Steht damit nicht ein Antrag zur Kommentierung, der so nie eingereicht wurde? Wird damit nicht in Kauf genommen, dass Downstream user, die den Antrag für sich in Anspruch nehmen wollen, ihn gar nicht exakt verstehen und somit für sich nicht nutzen können? Und wer prüft, ob sich die Kommentare auch auf korrekt übersetzte Passagen beziehen?

Potentielle Kommentierer müssten den Antrag (oder die Anträge) womöglich erneut übersetzen. Ein Vorgang, der sehr kostspielig ist und selbst die ECHA Monate kostet.

Das Absonderlichste ist jedoch die Form, in der ein Kommentar erwartet wird. Obwohl der Antrag die Betrachtung der Risikosituation, der wirtschaftlichen Gegebenheiten und der Alternativsituation umfasst, wird hier nur nach den Alternativen gefragt [2]. Warum soll man weder die Risikosituation noch die ökonomischen Gegebenheiten mit Informationen weiter erhellen?

Darüber hinaus ist nicht vorgesehen, dass ein Kommentar das Nichtvorhandensein von Alternativen zum Inhalt hat. Es wird direkt nach anderen Technologien gefragt. Das Webformular beinhaltet keine anderen Möglichkeiten. Betroffene, die einen Kommentar abgeben möchten, stoßen auf diverse Erschwernisse und Begrenzungen. Die Art dieser Begrenzungen legen den Schluss nahe, dass nur eine bestimmte Art von Informationen berücksichtigt werden soll. Bewusst oder unbewusst wird nur ein Teil der Intentionen von REACh durch die public consultation gefördert – die Suche nach angeblichen Alternativen.

REACh erwartet jedoch erheblich mehr, sein Ziel ist die grundsätzliche Verringerung von Risiko sowie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit (siehe REACh-VO, Erwägung der Gründe (1)). Substitution kann ein Weg sein, soll auch bevorzugt werden. Doch Substitution ist kein absolutes Mittel, nicht das einzige. Die Reduktion auf diesen einzelnen Aspekt kann nicht im Sinne der Verordnung sein – und schon gar nicht im Sinne zweckmäßiger und verhältnismäßiger Maßnahmen!

Die Art der public consultation scheint zweierlei zu fokussieren:

  • Erstens die ausschließlich Frage nach anderen Technologien, die sich irgendwie als Alternative eignen könnten. Damit läuft die gesamte Befragung Gefahr, sich in längst diskutierten technologischen Fragen und Marketing-Kommentaren zu verlieren. Inwieweit dies die in den technologischen Details unerfahrenen Behörden beurteilen können bleibt abzuwarten.
  • Zweitens sollen die Vorgaben der Konsultation offensichtlich die Bearbeitung für die Behörden und ihre Mitarbeiter erleichtern. Das ist verständlich, sollte aber bei einem so schwerwiegenden Eingriff in die Wirtschaft nicht im Vordergrund stehen. Englisch mag gewohnte Hauptsprache der Verwaltung sein – für die Mehrzahl der EU-Bürger gilt dies jedoch nicht. Somit wird es erschwert, den Verwaltungsprozessen zu folgen. Man stelle sich vor, ein deutscher Bundesbürger hätte sich vor einem englischen Gericht zu behaupten! Auch die Mitarbeiter der EU sind Staatsdiener, die es vor allem der Gesellschaft ermöglichen sollen, die Regularien mit minimalem Aufwand befolgen zu können.

Auch davon hängt unser aller Wohlstand ab.

Literatur

[1] http://echa.europa.eu/de/addressing-chemicals-of-concern/authorisation/applications-for-authorisation

[2] https://comments.echa.europa.eu/comments_cms/AfA_Comments.aspx

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