Oberflächentechnik für die Mobilität von Morgen

Oberflächen 09. 09. 2016

– Verfahren und VergleichTeil 2

Bericht über das 38. Ulmer Gespräch

Oberflächentechnik für die Mobilität von Morgen – Verfahren und Vergleich war das Motto des 38. Ulmer Gesprächs am 12. und 13. Mai in Neu-Ulm, zu dem Prof. Dr. Wolfgang Paatsch mehr als 70 Teilnehmer begrüßen konnte. Auch wenn Elektrofahrzeuge derzeit noch einen verschwindend geringen Anteil einnehmen, ist doch ein großes Interesse bei den Kunden festzustellen. Im Vordergrund steht dabei das Thema Reichweite. Daraus ergeben sich für die Oberflächentechnik einige Veränderungen, vor allem bei der Beschichtung von Stahlteilen mit Zink und Zinklegierungen. Deutlich steigen wird der Bedarf nach elektrotechnischen Schichten oder Beschichtungen für Komposit-Teile. Es findet ein Wandel statt, zu dem die Themen des diesjährigen Ulmer Gesprächs mit technischen Inhalten beitragen. Weitere Schwerpunkte der diesjährigen Tagung waren die Anforderungen aus Reibung und Verschleiß mit möglichen Lösungs­ansätzen aus der Oberflächentechnik sowie intelligente Materialien. Vor allem bei den intelligenten Materialen wird deutlich, dass Entwicklungen im Bereich der Oberflächentechnik vor allem von fachübergreifenden Aspekten profitieren werden. Hier sind Anleihen in der Natur ebenso hilfreich, wie Forschungen auf dem Gebiet der organischen und anorganischen Werkstoffe.

Fortsetzung aus WOMag 06/2016

Tribologie von Kontakten

Die Vorträge über Reibung und Verschleiß eröffnete Tobias Dyck; er stellte tribologische Untersuchungen an zinnbeschichteten Kontakten mit unterschiedlichen Geometrien vor. Die untersuchten Kontakte werden beispielweise in hoher Zahl für Kontaktierungen von Leitungen für häus­liche Stromnetze eingesetzt, aber auch als Leiter­plattensteckkontakte. Dyck sieht einen deutlichen Anstieg derartiger Kontakte durch die zunehmende Elektromobilität; die Zinnschichten sind dabei als Alternative zu den bisher üblichen Gold- und Silber­oberflächen zu sehen.

Ausschlaggebendes Charakteristikum für Kontakte ist der Übergangswiderstand. Dabei beeinflusst die Verschleißbeständigkeit die Kontakteigenschaften über die Lebenszeit des Kontakts mit am stärksten.

Die Betrachtungen des Vortragenden bezogen sich vor allem auf die Geometrie eines Kontakts. Eine kugelförmige Kontaktgeometrie zeigt einen niedrigen Kontaktwiderstand, während eine zylinderförmige Geometrie einen geringen Verschleiß aufweist. Der erste Schritt des geschilderten Vergleichs basierte auf der Ermittlung des verfügbaren Verschleißvolumens für die beiden Geometrien, bei der die zylinderförmige deutlich besser abschneidet.

Kontakt mit kugelförmigem und zylinderförmigem Kontaktbereich (Quelle: Dyck/Ulmer Gespräch)

 

Prüfkörper mit den beiden untersuchten Struk­turen (Quelle: Dyck/Ulmer Gespräch)

 

Für Versuche wurden Probekörper mit Kugel- und mit Zylinderkontakt mit 10 µm Zinn beschichtet und in einem Prüfstand belastet. Unterschiedliche Radien wirkten sich merklich auf die Verschleißbeständigkeit aus, mit besseren Werten für den Kontakt mit einem höheren Verschleißvolumen. Bei der Kombination einer Kontaktkugel mit einer flachen Geometrie zeigte es sich, dass die Erhöhung des Radius hier eine deutliche Verbesserung der Verschleißbeständigkeit ergibt, während sich dies bei der Zylinderform deutlich schwächer auswirkte.

Die Versuche zeigen, dass die theoretische Betrachtung eine gute Basis für die Simulation von möglichen Geometrien darstellt. Damit sollte es zukünftig möglich sein, kurzfristig die Ausführung von Kontakten an neue Werkstoffe oder veränderte Rahmenbedingen anzupassen.

Schaltbare adaptive Tribosysteme

Ulrich Dellwo befasste sich mit schaltbaren adaptiven Tribosystemen und deren Reibungs- und Verschleißverhalten. Anlass für die Untersuchungen waren die steigenden Anforderungen an Wälzlager, die oftmals einer deutlich wechselnden Belastung unterliegen. Für derartige Wechselbelastungen könnte ein veränderbares Reib- und Schmierverhalten sehr vorteilhaft sein.

Als Hilfsstoff für schaltbare Schichten eignen sich ionische Flüssigkeiten. Weitere­ Vorteile von ionischen Flüssigkeiten sind die gute thermische Stabilität über einen weiten Temperaturbereich, eine geringe Entzündlichkeit, ein niedriger Dampfdruck, eine akzeptable elektrische Leitfähigkeit sowie die Einstellbarkeit von Viskosität oder Löslichkeit.

Für die Untersuchungen wurden ionische Flüssigkeiten mit definierten Eigenschaften hergestellt und deren Gefährdungspotenzial sowie der Bereich der nutzbaren Eigenschaften ermittelt. Die Flüssigkeiten wurden mit Schmierstoffen gemischt und modifiziert, woraus sich zwei unterschiedliche Ölsysteme mit drei unterschiedlichen ionischen Flüssigkeiten als mögliche Kandidaten für weitere Untersuchungen ergaben. Die Systeme wurden auf ihre Toxizität hin bewertet, außerdem wurde ihr Korrosionspotenzial geprüft. Keines der Systeme zeigte ein erhöhtes Korrosionspotenzial.

Herausforderungen ergaben sich jedoch durch die Notwendigkeit, ein entsprechendes elektrisches Feld während der gesamten Bauteilprüfung aufrechtzuerhalten und gleichzeitig (zur Bewertung der Untersuchungen) einen erkennbaren Verschleiß zu erhalten, um überhaupt Veränderungen der Parameter feststellen zu können. Die Versuche haben auch sehr komplexe Zusammenhänge aufgezeigt, da die Kombinationssysteme aus Ölen und ionischen Flüssigkeiten zum Beispiel mit der Bildung von neuen Verbindungen reagierten.

Dispersionsschichten

In Flugtriebwerken werden galvanisch abgeschiedene Dispersionsschichten als Dichtungselemente eingesetzt, die Josef Linska in seinen Ausführungen darstellte. Einführend informierte er über die einzelnen Elemente eines modernen Triebwerks mit deren Belastungen.

Ein wichtiger Bereich ist der Spalt zwischen Rotorblättern und dem Triebwerksgehäuse. Im Einsatz vergrößert sich aufgrund der vorliegenden Bedingungen im Triebwerk der Außendurchmesser des Turbinenschaufelwegs. Um den Spalt so klein wie möglich zu halten, wurden bisher weiche Schichten auf den Außenring aufgebracht, in den sich die Turbinenschaufel bei der Rotation­ eingraben kann. Im Gebrauch bewegt sich die Turbine auch in axialer Richtung und erzeugt so einen breiteren Graben. Dies erfordert nach einer beschränkten Lebens­dauer eine Nacharbeit. Eine härtere Verschleißschicht bringt hier keine längerfristige ­Lösung, sondern führt zur Zerstörung der Fan-Schaufeln.

Ein Ansatz zur Verbesserung dieser Situation kann das Auftragen von Verschleiß­schutzschichten auf die Enden der Schaufeln sein; allerdings sind aus Titan hergestellte Schaufeln schwer beschichtbar. Durch eine spezielle Vorbehandlung kann eine haftfeste Beschichtung in der Art eines Druckknopfeffekts erzielt werden. Eine besondere Herausforderung dabei ist, dass nur eine partielle Beschichtung der Außenkanten zulässig ist. Für die dafür entwickelte anspruchsvolle Lösung erfolgt eine aufwendige Abdeckung der gesamten restlichen Triebwerksoberfläche. Nach dem Beschichten müssen die überstehenden Kanten abgearbeitet werden. Auch für die außerordentlich verschleißbeständige Schicht konnte die Arbeitsgruppe des Vortragenden ein gut funktionierendes Verfahren entwickeln und in die Praxis umsetzen.

Dünnschichtsensorik

Für die Automobilindustrie sind intelligente Dünnschichtsensoren interessant; mit deren Herstellung befasst sich Dr.-Ing. Saskia Biehl. Sie wies darauf hin, dass heute Fahrzeuge bereits mit einer Vielzahl an Sensoren im Bereich Infrarot oder Ultraschall ausgestattet sind. Viele dieser Sensoren werden mittels Schichttechnik hergestellt, zum Beispiel piezoresistive Druckaufnehmer oder Platin-Dünnschichtmesswiderstände. Zwar besitzen diese Sensoren eine hohe Funktionalität, sie sind aber aufgrund der Edelmetalle relativ teuer. Die Entwicklung von kostengünstigeren Varianten, beispielsweise durch hohe Miniaturisierung, ist daher von großem Interesse.

Lösungen bieten Modifikationen von Kohlenstoffschichten, die so erzeugt werden, dass sie eine hohe Verschleißbeständigkeit und einen zum Beispiel durch Druck veränderbaren elektrischen Widerstand aufweisen. Dazu werden Strukturen im Vakuum aus unterschiedlichen Einzelschichten in einer Gesamtdicke von etwa 10 µm abgeschieden.

Dr. Biehl stellte als Anwendungsbeispiel zunächst Sensoren für die Umformung vor, mit denen die Blecheinzugsgeschwindigkeit beim Ziehen ermittelt wird. Die Sensoren dienen zur Reduzierung von Rissen und Falten im Werkstück. Zum Einsatz kommen photolithographisch strukturierte Chromschichten. Ein derartiger Sensor wird für die Herstellung von Motorträgern eingesetzt und hat inzwischen mehr als 8000 Umformvorgänge in voller Funktion bestanden.

Weiteres Beispiel ist ein Druck- und Thermosensor für Ziehprozesse, also ein Sensor, der für zwei Messgrößen geeignet ist. Der Sensor hat in der Praxis zur Umformung von Aluminiumblech gute Ergebnisse gezeigt. So können Temperaturänderungen von wenigen Grad und Druckänderungen während der Umformung reproduzierbar erfasst werden.

Für das Kunststoffspritzen wurden ebenfalls in Dünnschichttechnik Sensoren zur Messung der Temperatur und Enthaftungskraft hergestellt, bei denen die Vier-Leiter-Technik angewandt wurde. Mit einem derartigen Sensor können die Zykluszeit optimiert und die Qualität der gespritzten Produkte erhöht werden. Die Sensoren erfüllen die geforderte Verschleißbeständigkeit.

Eine universell einsetzbare Anwendung ist die Sensorik in Unterlegscheiben für die statische und dynamische Messung von Schraubverbindungen zur Erhöhung der Verbindungssicherheit. Die Fertigung ist im Bereich von M3 bis M64 mit und ohne Kabelanschluss möglich. Die Technologie kann auch auf die Messung der Temperatur erweitert werden.

Schaltbare Oberflächen
für Greifersysteme

Innovative Greifersysteme auf Basis schaltbarer Oberflächen waren das Thema des Vortrags von Dr. René Hensel. Hier wird auf Vorbilder in der Natur zurückgegriffen, beispielsweise in Form von Saugnäpfen, Kapillarkraft, sich verhakenden Filamenten oder der Adhäsion auf Basis von Van-der-Waal-Kräften. Den letztgenannten Effekt nutzen beispielsweise Geckos; sie sind damit in der Lage, sich auf allen Oberflächen rückstandsfrei zu bewegen. Die Kontaktflächen eines Geckofußes sind aus sehr flexiblen ­Filamenten aufgebaut, die sich bestmöglich an die Grundfläche anpressen lassen und sehr große Kontaktflächen erzeugen.

Hergestellt werden entsprechende künstliche Strukturen durch photolithographische Prozesse. Die Messung von Belastungen einzelner Strukturen zeigt, dass eine Verbreiterung der Randflächen an den Strukturenden (mushrooming) zu einer deutlich besseren Haftung führt. Allerdings sind dazu Änderungen der Lithographietechnik­ erforderlich, wobei die 2-Photonen-Lithographie zum Einsatz kommt. Die Untersuchungen zur Funktion der Strukturen erfolgten sowohl auf glatten als auch auf rauen Oberflächen. Bei den rauen Strukturen ist ein Einfluss der Strukturhöhe sowie des Abstands zwischen den Strukturen ­erkennbar.

Mit schaltbaren Strukturen wird das Abheben vom Gegenkörper einfach dadurch erreicht, dass der Anpressdruck erhöht wird (im Vergleich zum Anpressen vor dem Aufnehmen). Die Strukturen werden dadurch geknickt, wodurch die einzelnen Elemente von der Oberfläche abgelöst werden. Ein vergleichbarer Effekt tritt bei der Verwendung von Memorylegierungen auf, bei denen durch Temperatureinfluss die Oberflächenform (z. B. kugelförmige Erhebungen) umgeschaltet wird, also zwischen glatt und strukturiert.

Derartige Greifersysteme werden zum Beispiel in der Halbleiterfertigung oder in der Medizintechnik angewendet.

Biomimetische Oberflächen

Im letzten Vortrag ging Prof. Dr. Timo Sörgel auf die Funktion und Herstellung von biomimetischen Oberflächen ein, bei denen auf die Funktionen der Natur zurückgriffen und diese nachgeahmt werden. Neben der Herstellung von lösbaren Haftungen ist die Erzeugung von temporär hydrophoben Oberflächen ein Anwendungsfeld. Mögliche Verfahren zur Herstellung solcher Oberflächen beruhen auf der Selbststrukturierung oder der Verwendung von Additiven.

Ein bekanntes Beispiel aus der Natur ist das Lotusblatt, das seine Eigenschaft aufgrund einer Strukturierung auf sehr unterschiedlichen Längeneinheiten hat. Die Strukturen lassen sich technisch nachbilden, wobei zum Beispiel die Wirkung von unterschiedlichen Gegenpartnern mit einbezogen werden kann, wie beispielsweise die Größe von Tropfen. Anwendung finden die Oberflächen als Schutz gegen Verschmutzung, Vereisung oder Bewuchs mit Mikroorga­nismen.

Hergestellt werden diese Oberflächen unter anderem durch Galvanoformung, Zementation, selektive und selbstorganisierende Inhibierung, Lithographie, Plasmabehandlung oder selektives Abtragen. Durch Ausnutzung der Bildung von porösen Strukturen beim Anodisieren von Aluminium bieten sich weitere Möglichkeiten. Selbstorganisierte Schichten ergeben sich durch den Einsatz von Polyelektrolyten, die im Tauchverfahren aufgebracht werden.

Sehr vielversprechende Anwendungen bieten schaltbare Oberflächen. Als Basis kann hierfür Zinkoxid dienen, das röhrenförmige Strukturen bildet, die wechselnde Eigenschaften durch Einwirkung von UV-Licht zeigen. Elektrisch schaltbare Oberflächen können durch abgeschiedenes Polypyrrol erzeugt werden, die zwischen superhydro­phobem und superhydrophilem Zustand wechseln.

Weitere Beispiele sind Mottenaugen mit der Eigenschaft, Licht nicht zu reflektieren. Dies wird durch variable Brechungsindizes erzielt. Antibakterielle Oberflächen entstehen Prof. Dr. Sörgel zufolge durch Strukturierung von Oberflächen, beispielsweise in Form von Stegen auf der Oberfläche im Bereich von wenigen Mikrometern Stegbreite.

Die Haftung von Insektenfüßen beruht auf dem Vorhandensein eines Haftfilms in Form einer Öl-Wasser-Emulsion. Hier kommen die besonderen Eigenschaften von Flüssigkeiten in Bezug auf Scherkräfte zur Wirkung. Das technische Gegenstück kann aus einer Polyimidoberfläche bestehen, die ein gewisses Aufnahmevermögen für Wasser aufweist.

Schließlich dient die besondere Struktur der Haifischhaut als Vorlage für technische Lösungen zur Verminderung des Luftwiderstandes. Angewandt werden können solche Lösungen beispielsweise bei Fahrzeugen oder den Flügeln von Windturbinen.

Kontakt mit kugelförmigem und zylinderförmigem Kontaktbereich (Quelle: Dyck/Ulmer Gespräch)

Prüfkörper mit den beiden untersuchten Struk­turen (Quelle: Dyck/Ulmer Gespräch)

Sensormodul für den Ziehprozess, bei dem die Dünnschichtsensorik im Krümmungsradius des Werkzeugs aufgebracht wird und die Kontaktierung außerhalb der Belastungsfläche liegt
Quelle: Biel/Ulmer Gespräch

Sensorische Unterlegscheiben mit Bluetooth­übertragungQuelle: Biel/Ulmer Gespräch

Künstliche Haftstruktur in unterschiedlicher GeometrieQuelle: Hensel/Ulmer Gespräch

Oberflächenstruktur an der Unterseite eines GeckofußesQuelle: Hensel/Ulmer Gespräch

Beispiele für superhydrophobe Oberflächen, hergestellt durch Nanoprägen von PolymersubstratenQuelle: Sörgel/Ulmer Gespräch

Ulmer Gespräch – Podiumsdiskussion

Korrosion, Reibung, Verschleiß – Verfahren der Oberflächentechnik im Wettstreit

Der Wandel der Oberflächentechnikbranche durch den Wechsel vom klassischen Verbrennungsmotor zu Elektrofahrzeugen stand bei der Podiumsdiskussion im Rahmen des Ulmer Gespräch 2016 im Fokus. Lars Baumgürtel (Geschäftsführer Voigt & Schweitzer; Feuerverzinkung), Bernd Jülicher (Geschäftsleitung C+C Cours; Galvanotechnik), Ernst-Hermann Timmermann (Geschäftsführer DFO e. .; Lackiertechnik), Dr. Jörg Vetter (Oerlikon Balzers Coating; Plasmaoberflächentechnik) sowie Heiko Reski­ (MTV Metallveredlung; Galvanotechnik) nahmen hierzu Stellung. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Hans-Joachim Koeppen. Nachfolgend ist die Diskussion, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, zusammenfassend widergegeben.

Wie Hans-Joachim Koeppen eingangs vermerkte, wird der Korrosionsschutz auch in Zukunft die selbe Rolle spielen wie bisher. Allerdings fallen zahlreiche Teile, die derzeit noch im Antriebsstrang verbaut sind, weg. Dabei hat der Korrosionsschutz unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen: Schutz vor Zerstörung und Gewährleistung der unterschiedlichen Funktionen sowie die Aufrechterhaltung der Demontierbarkeit von Anbauteilen im Fall von notwendigen Reparaturen. Zudem vermitteln dekorative Effekte dem Kunden das Gefühl der Wertigkeit.

Bernd Jülicher betonte, dass zur Schaffung flexibler Mobilität, persönlicher Bequemlichkeit oder höherer Mobilität auch zukünftig Galvanotechnik benötig wird.

Lars Baumgürtel vertritt den Bereich der Feuerverzinkung, die insbesondere für den schweren Korrosionsschutz nach wie vor die beste Beschichtungsart ist. Inzwischen ist es durch Verzinkung mit neuester Verfahrenstechnik auch möglich, bei beschichteten Teilen das Umformen oder Fügen vorzunehmen, ohne den Korrosionsschutz oder die Festigkeit zu verändern. Dabei betonte er, dass die derzeit favorisierten Verbundwerkstoffe zwar geringes Gewicht und hohe Festigkeit aufweisen, allerdings nicht recycelbar sind. Vor allem aus diesem Grund wird Stahl auch in Zukunft seine Berechtigung haben – soweit eine optimale Beschichtung vorgenommen wurde.

Ernst-Hermann Timmermann wies auf die Bedeutung von Lacken hin: sie führen zum optimalen optischen Erscheinungsbild oder weisen auch selbstreinigende Eigenschaften auf. Zugleich unterstützen Lacke die Herstellung von Kombinationsbeschichtungen beispielsweise mit Zink, wo sie als ­Duplexbeschichtungen zunehmend gefragt sind.

Die Plasmaoberflächentechnik ist unter anderem prädestiniert zur Schaffung von verschleißbeständigen Gleitschichten, Sensorschichten oder dekorativen Oberflächen auf Leichtmetallen. Auch hier spielen nach Aussage von Dr. Jörg Vetter Kombinationsschichten mit Galvanik- oder Lackschichten eine immer größere Rolle. Nach seiner Ansicht werden die Elektrofahrzeuge mit zahlreichen bekannten und bewährten Modulen wie hydraulische Bremsen oder Klimaanlagen bestückt, die unterschiedlich beschichtete Teile enthalten. Er ist davon überzeugt, dass entfallende Beschichtungen durch neue Aufgaben kompensiert werden; für sie werden bereits bestehende sowie neu zu entwickelnde Beschichtungsverfahren zum Einsatz kommen.

Heiko Reski sieht gute Chancen für die Oberflächentechnik mit der Schaffung von intelligenten Partnerschaften, die neue Einsatzgebiete der Galvanotechnik oder von Kombinationsschichten erschließen können. Vor allem sind sie notwendig, um der stark zunehmenden Vielfalt bei den Technologien zur Oberflächenbehandlung gerecht werden zu können.

Hans-Joachim Koeppen wies auf eine weitere Herausforderung für qualitativ hochwertige Oberflächen hin: die Aussagekraft von Testmethoden. Der Bezug von (Labor-)Tests und Anwendung in der Praxis ist immer wieder problematisch. Es sind umfangreiche Entwicklungsarbeiten erforderlich, insbesondere auch zur Einführung von neuen Werkstoffen und Bearbeitungsverfahren, die sich grundsätzlich dem Wettbewerb zu bestehenden Systemen stellen müssen. Hervorzuheben ist die sich abzeichnende Tatsache, dass prinzipiell nur Mehrfachschichten hohe Beständigkeiten besitzen können. Testmethoden müssen deshalb auf die jeweiligen Bedürfnisse eines Herstellers und deren Wunsch nach Aussagekraft modifiziert werden. Ziel dabei wird es sein, dem Kunden eine zuverlässige Gewähr zur Beständigkeit über einen ­bestimmten Zeitraum zu geben.

Laut Bernd Jülicher zeichnet sich ein Trend ab hin zu individuellen Mehrfachschichten; sie werden eine stark steigende Nachfrage erfahren, sodass deren Weiterentwicklung voranzutreiben ist. Ein Beispiel hierfür sind die Hartchromschichten, die nicht prinzipiell für alle Anwendungen durch ein neues Schichtsystem ersetzbar sein werden; je nach Anforderung werden vollkommen unterschiedliche Oberflächentechniken erforderlich sein.

In den letzten Jahren hat sich nach Aussage von Hans-Joachim Koeppen gezeigt, dass Kunststoffteile nur selten als Ersatz für Metallteile ihren Zweck erfüllen. Insbesondere für Massenprodukte an Fahrzeugen sind die Kosten für die Herstellung von hochwertigen Bauteilen langfristig nicht vertretbar. Da die Endkunden bei solchen Fahrzeugen den Verfall der Werkstoffe akzeptieren, also das Rosten von Teilen, wird zur Verminderung der Herstellkosten in Zukunft wieder verstärkt auf Teile mit Verfallsdatum gesetzt werden. Unter dem Aspekt des Kostendrucks ist zu prüfen, ob stets Beschichtungen in der bisherigen Art und Weise notwendig sind. Sinnvollerweise werden dem Kunden nachteilige Erscheinungen von alternden Oberflächen zugemutet. Dies bedeutet, dass in Zukunft hochfester Stahl der vorzugsweise eingesetzte Werkstoff sein wird, da er geringes Gewicht bei guter mechanischer Stabilität aufweist.

Tatsächlich ist bei Fahrzeugen vor allem an nicht leicht einsehbaren Stellen starke Korrosion festzustellen, wie Lars Baumgürtel festhielt. Zur Vermeidung von Korrosion unter dem Aspekt einer hohen Sicherheit werden in Zukunft verstärkt Kombinationen, beispielsweise aus verzinktem Stahl mit Lack, zum Einsatz kommen. Damit wird darauf reagiert, dass oftmals kleinste Schwachstellen mit sicherheitsrelevanten Aspekten vorliegen, die den Einsatz von hocheffizienten Schutzsystemen unter Akzeptanz höherer Kosten vertretbar machen.

In Bezug auf den Einsatz von Werkstoffen war die Frage von Prof. Paatsch auf Unter- und Obergrenzen im Hinblick auf den Verzug von Blechen gerichtet. Nach Aussage von Lars Baumgürtel ist es derzeit möglich, Stähle bis 1600 MPa zu beschichten. Ergänzend zu den Ausführungen über Korrosion ist zu vermerken, dass bei einigen Stellen an Fahrzeugen nicht kalkulierbare Korrosionserscheinungen – vergleichbar mit maritimer Umgebung – vorhanden sind. Damit daraus kein weitreichendes ­Sicherheitsrisiko entsteht, ist für solche Anwendungen ein maximaler Korrosionsschutz erforderlich.

Ein genereller Korrosionsschutz für das gesamte Fahrzeug auf Lebensdauern von 20 Jahren und mehr ist nach Meinung von Dr. Jörg Vetter sicher nicht notwendig. Wichtig ist aber der Schutz von sicherheitsrelevanten Bauelementen.

Bereits heute ist nach Aussage von Bernd Jülicher erkennbar, dass der Sicherheits-
­anspruch bei zukünftigen Fahrzeugen mit hoher Vernetzung sich nicht mehr auf Korrosion richten wird, sondern auf den Schutz der Steuerungselektronik. Dadurch wird sich die Oberflächenbehandlung wieder stärker auf Anforderungen der Elektrotechnik oder sonstiger heute noch nicht klar ­benennbarer Eigenschaften richten.

Als Zukunftsvisionen der Lacksparte stehen laut Ernst-Hermann Timmermann derzeit zunehmende Funktionalitäten im Mittelpunkt, beispielsweise schaltbare Schichten. Dazu gehören auch optimierte Füller, die den Lacken eine hohe Elastizität verleihen. Ähnliche Aspekte richten sich auf die Kratzbeständigkeit, bei denen durch Anpassung des Lacksystems aber eine höhere Sprödigkeit des Lacks auftritt.

Untersuchungen zur Tribologie zeigen, dass chemisch abgeschiedenes Nickel in vielen kritischen Anforderungen exzellente Ergebnisse erzielt. Hier stellt sich laut Wolfgang Siegert die Frage nach belastbaren Vergleichszahlen zwischen den unterschiedlichen Beschichtungssystemen. Nach Ansicht von Heiko Reski muss die Lösung bei anpassungsgerechten Oberflächen liegen. Schwierigkeiten verursacht laut Dr. Vetter allerdings die große Zahl an unterschied­lichen Parameterzusammensetzungen, die Vergleiche kaum zulassen.

Für Prof. Paatsch liegt die Zukunft, wie die Diskussion gezeigt hat, in angepassten beziehungsweise in hybriden Schichten. Derzeit sind entsprechende Schichtsysteme noch nicht in breitem Maße auf dem Markt verfügbar oder sie werden nicht in erkennbarem Maße vermarktet. Auch hier müssen die Unternehmen der Oberflächentechnik verstärkt Aktivitäten entfalten.

Antibakterielle Oberfläche durch Strukturierung eines Polymers; Balkenlänge = 20 µm
Quelle: Sörgel/Ulmer Gespräch

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