Am 12. Juli 2016 fand in der Bayerischen Landesvertretung in Brüssel eine Veranstaltung des CETS (European Committee for Surface Treatment) zum Thema REACh statt; die Schirmherrschaft über die Veranstaltung hatte der Europaabgeordnete Markus Ferber übernommen. Die Veranstaltung war gut besucht, es nahmen Vertreter der Bayerischen Landesvertretung, Mitglieder der Europäischen Kommission, Mitglieder des Europaparlaments sowie Pressevertreter teil. Es wurden drei wesentliche Vorträge präsentiert, die zu kontroversen Diskussionen führten.
Andrea Thoma-Böck, geschäftsführende Gesellschafterin der Thoma-Metallveredelung, stellte vertretend für die 180 Unternehmen des VECCO e. V. und der gesamten europäischen Oberflächenbranche in ihren Ausführungen detailliert und emotional nachvollziehbar die existenzgefährdende Überforderung bei der Umsetzung der europäischen Chemikalienverordnung REACh in kleinen und mittleren Unternehmen dar. Die REACh-Verordnung ist nach ihren Worten ein Bürokratiemonster und das Gesetz, das klein- und mittelständische Unternehmen laut Bericht der Kommission am meisten belastet. Andrea Thoma-Böck musste sich bei der komplexen Thematik der ungewohnten englischen Sprache bedienen, obwohl ihr tägliches Geschäft vollständig in der Muttersprache Deutsch abläuft. Allein aufgrund der sprachlichen Barriere ist es für jedes kleinere Unternehmen entsprechend problematisch, seine Interessen ausreichend wahrnehmen zu können.
Die wesentlichen inhaltlichen Kritikpunkte an der Durchführung von REACh sind: fehlende Objektivität, Ungleichbehandlung, generelle Forderung nach Substitution, fehlende Kenntnis, welche Stoffe in Zukunft noch zulassungspflichtig werden, wodurch keine gezielte Forschung möglich ist. Hier werden Forschungsgelder in unermesslicher Höhe vernichtet. Hinzu kommt eine ständige Rechtfertigung – auch während der Laufzeit der Zulassungen (review period) – gegen jedes beliebige dubiose Marketing, da bei Nichtregierungsorganisationen und Behörden naturgemäß die technische Expertise nicht ausreicht, um eine sinnvolle Vorauswahl zu treffen.
Die Bestätigung für letzteres lieferte umgehend der nachfolgende ECHA-Vortrag. Es wurde eine einzelne Technologie als angebliche Alternative positiv beurteilt und damit beworben, dabei steht eine eingehende technische und ökonomische Bewertung noch aus. Dieses fehlende Verständnis für die tatsächlichen Zusammenhänge in Markt und Lieferketten führt zusätzlich zu sehr kurzen Zulassungszeiten; diese wiederum ziehen Investitionsstopps und Verlagerungen ins außereuropäische Ausland nach sich.
Sowohl Dr. Markus Berges von der ECHA (European Chemicals Agency, Helsinki) als auch Dolores Romano (The European Environmental Bureau, EBB, Brüssel) machten in ihren Vorträgen sehr allgemeine Aussagen, sodass eine nachvollziehbare, quantitative Bewertung der Ergebnisse von REACh nicht gegeben war.
Dies ließ die Teilnehmer unbefriedigt zurück, da der riesige bürokratische Aufwand somit keinerlei Erfolgskontrollen unterzogen werden kann. Entsprechend kontrovers, teilweise hitzig, entwickelte sich die anschließende Diskussion.
Sowohl die Kommission als auch die Mitglieder des Europaparlaments stellten unbequeme Fragen an den Vertreter der ECHA, welche mit der Durchführung der REACh-Verordnung beauftragt ist. Sie waren sehr betroffen von den dramatischen Ausführungen von Andrea Thoma-Böck und sehr interessiert daran herauszufinden, warum ihr eigentlich erfolgreiches Gesetzeswerk zu solch gravierenden Schwierigkeiten in der Umsetzung führt.
Andrea Thoma-Böck wies darauf hin, dass es aus Sicht des CETS, der nationalen Verbände und der einzelnen Unternehmen Lösungsmöglichkeiten geben würde, um die Ziele von REACh mit verhältnismäßigen Vorgehensweisen statt massiver Bürokratie zu realisieren. Voraussetzung sei jedoch, dass Behörden und Politik die Warnungen ernst nehmen und gemeinsam, nicht nur mit der Chemie- und Großindustrie, partnerschaftlich an einer Lösung arbeiten.
Markus Ferber forderte die ECHA in seiner Ansprache zu großer Vorsicht bei der Durchführung auf. Der Schutz der Menschen und Umwelt stehen an oberster Stelle – den dafür notwendigen Wohlstand sichert aber die Ökonomie. Daher ist nach seiner Meinung Augenmaß gefragt. Andernfalls könnten unverhältnismäßige Maßnahmen und Aufwände zu einem massiven, unnötigen Verlust von Unternehmen und Arbeitsplätzen führen.
Über VECCO e. V.
Als europäisches Autorisierungskonsortium ist der VECCO e. V. seit 2012 für mehr als 180 Unternehmen, darunter Betriebe der galvanischen Oberflächentechnik, Zulieferunternehmen, Endanwender und Fördermitglieder, die Stimme in Brüssel. Hier engagiert sich der Verein für die sinnvolle, wirtschaftliche und umweltgerechte Bewertung aller Substanzen, die durch REACh erfasst und für die Oberflächentechnik relevant sind.
Insbesondere setzt sich das Konsortium dafür ein, die Zulassungen zu Verwendungen gemäß der REACh-Verordnung derart zu erarbeiten und zu erwirken, dass eine langfristige Existenzsicherung der fertigenden Betriebe gegeben sein wird. Dabei sieht die Mitgliedschaft auch eine Unterstützung in der Erarbeitung des Zulassungsdossiers vor und der Unterstützung der Politiker in ihrem Bemühen, die berechtigten Interessen der KMUs in Europa in ihren Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen.
Für VECCO-Mitglieder sind die Standards zum Arbeits- und Umweltschutz der deutschen Regularien selbstverständlich bindend. Zusätzlich haben sich jedoch alle Unternehmen durch ihre Mitgliedschaft bei VECCO e. V. verpflichtet, an der ständigen Verbesserung der Schutzmechanismen für Mensch und Umwelt zu arbeiten, innovative Forschung zu betreiben oder zu unterstützen und jederzeit für hervorragende Bedingungen für ihre Mitarbeiter und die Umwelt zu sorgen.
- www.vecco.info
- www.eupoc.com