Rekordbeteiligung zeigt Interesse und Wertschätzung an Oberflächentechniken

Oberflächen 08. 11. 2016

ZVO-Oberflächentage in Garmisch Partenkirchen vom 21. bis 23. September – Bericht über ein Highlight der Branche – Teil 2

Die ZVO-Oberflächentage boten in diesem Jahr mehr als 70 Fachvorträge in vier ­parallelen Vortragsreihen zu Themen wie REACh, Korrosionsschutz, bandgalvanische Beschichtung, funktionelle Oberflächentechnik oder Reinigung. Aber auch Betrachtungen des oberflächentechnischen Marktes, Industrie 4.0 in der Oberflächentechnik oder Zukunftstechnologien wurden thematisiert. Und selbstverständlich erhielten auch wieder die Nachwuchskräfte aus Schulen und Hochschulen eine Plattform, um über ihre Arbeit zu berichten. In dieser und der nächsten Ausgabe wird ein Überblick über die Inhalte der Vorträge geboten.

Innovative galvanotechnische Lösungen

Den Eröffnungsvortrag bestritt der diesjährige Jacobi-Preisträger Prof. Dr. Landau mit einem Überblick über die unterschiedlichen Anwendungen galvanotechnischer Verfahren, wobei er aus seinen eigenen Arbeiten reichlich schöpften konnte. Eines der ersten Themen seiner zahlreichen Arbeiten befasste sich mit der Riefenbildung der Elektroden bei der Kupferraffination. Diese konnte auf die Strömung des Elektrolyten – insbesondere Störungen in der Anströmung – zurückgeführt werden. Durch Unterdrücken der Wirbelbildung und Variation der Elektrolytzusätze war es möglich, die zuvor auftretende Riefenbildung zu reduzieren.

 

Ein weiteres Thema seiner Arbeiten war die Aluminiumabscheidung aus Elektrolyten. Auf Basis des Kenntnisstandes von etwa 1960 wagte er den Sprung im sonst üblichen 100-Litermaßstab auf ein Elektrolytvolumen auf etwa 15 000 Liter. Da diese Menge des hochentzündlichen organischen Elektrolyten ein erhebliches Sicherheits­risiko barg, unternahm Prof. Landau nähere Untersuchungen zur Elektrochemie, die ihn in die Lage versetzte, das Verfahren sicher zu betreiben. Dadurch konnten Beschichtungen für die Praxis, beispielsweise in der Automobilindustrie, realisiert werden.

Das starke Wachstum der Elektronik führte zur Entwicklung von bandgalvanischen Verfahren mit selektiver Abscheidung. Unter anderem waren dazu auch Verfahren erforderlich, mit denen Kunststoffreste nach dem Umspritzen von Trägermaterial entfernt werden konnten. Als problematisch erwies sich beispielsweise auch die Erhöhung der Teilevarianten bei sinkender Stückzahl. Daraus entstanden zukunftsweisende Anlagen, beispielsweise zur Herstellung hochreiner Oberflächen auf 3D-Teilen.

Die neueste Entwicklung seines Arbeitslebens ist die Herstellung einer speziellen Silberoberfläche mit antimikrobieller Wirkung. Diese entstand unter anderem unter Mitarbeit des Fachausschusses Edelmetall der DGO. Ein wesentlicher Teil der Wirkungskette stellt bei dieser Verfahrenstechnik Sauerstoff dar, der an der Elektrode zu hochwirksamem Wasserstoffperoxid reagiert, neben weiteren Radikalen. Die Silberoberfläche kann auch die Bildung und das Wachsen von Biofilmen unter­drücken. Neue Untersuchungen zeigen, dass die Oberfläche die Bildung eines wichtigen Gens inhibiert. Die positive Wirkung hat dazu geführt, dass die Beschichtung jetzt auch für medizinische Geräte zur Wundversorgung, Einsätze in der Urologie, aber auch zur Beseitigung von Lippenherpes eingesetzt wird.

Impulsvorträge

Die Fachvorträge auf den ZVO-Oberflächentagen werden seit einigen Jahren durch einige ausgewählte Werbevorträge von jeweils etwa fünf Minuten Länge eröffnet. Diese können von Unternehmen genutzt werden, Besucher für die begleitende Fachausstellung zu gewinnen.

 

KTL 2.0

Martin Grün stellte die Verfahrenstechnologie Delta-eLack zur Beschichtung von Stanzbiege- und Massenschüttgutteilen vor, wobei je nach Bauteileart und Anforderungen an die Korrosionsbeständigkeit das System variiert werden kann. Bei günstiger Bauteilgeometrie und angepasstem Beschichtungssystem können Standzeiten von bis zu 2000 Stunden erzielt werden, wobei im optimalen Fall eine Zinkschicht mit Phosphatierung als Unterschicht verwendet wird. Die Beschichtung zeigt bei Einsatz der von Dörken MKS vorgegebenen Verfahrenstechnik auch im Trommelverfahren sehr gutes Aussehen und Korrosionsverhalten.

Oberflächentechnik weltweit

Im Vorfeld zur Hannover Messe 2017, zu der Unternehmen der Oberflächentechnik wieder mit einem eigenen Messebereich vertreten sein werden, zeigte Christoph Nowak Zahlen zum Oberflächentechnikmarkt weltweit. Er betonte, dass die Deutsche Messe AG zahlreiche Ausstellungen weltweit im Bereich der Technik in unterschiedlicher Größenordnung betreut. Dabei nehmen Aktivitäten wie Geschäftsanbahnungen oder Messevor- und Nachbarbeitung eine wichtige Funktion ein.

Direktmetallisierung

Timm Söntgerath, Atotech Deutschland, stellte ein neues Verfahren zur Direktmetallisierung mit kolloidalen Aktivatoren vor. Bisher findet als einer der ersten Schritte eine Kupferabscheidung durch eine Austauschreaktion mit den vorhandenen chemischen Zinnkeimen statt. Mit dem neuen Verfahren wird neben Kupfer auch Kupferoxid gebildet, das im weiteren Prozess zu Kupfer umgewandelt wird. Als Ergebnis daraus kann die Leitfähigkeit der Schicht stark erhöht werden, wodurch sich beispiels­weise die Beschichtung verbessert und die Bildung von unerwünschten Ausfällungen reduziert wird.

Nasschemische Analysemethoden

Gerhard Kirner von der Deutschen Metrohm erläuterte in seinen Ausführungen die Unterschiede der üblichen nasschemischen Analysemethoden. Deren Vorteile liegen in einer hohen Qualität und Quantität. Als Alternative bieten sich moderne Methoden wie Spektroskopie oder Elektrochemie an, mit denen die komplexer werdenden Elektrolyte erfasst werden sollen. Dazu bietet Metrohm vollständig automatisch arbeitende Analysatoren, mit denen ein großer Teil der verwendeten Stoffe bestimmt werden. Dabei haben Titrationen ihre Berechtigung, da sie direkt messen und einfach ausführbar sind.

Lagersysteme

Heiko Schneider, Eska Schneider Lagersysteme, stellte Systeme zur Lagerung von Gestellen vor, mit denen Zeit und Kosten eingespart werden. Mit den dazu entwickelten Paternoster-Lösungen wird das Handling der Gestelle deutlich vereinfacht, ein sehr guter Überblick über den Bestand gewährleistet und unter anderem die Reparaturkosten bei Gestellen deutlich reduziert.

Wasseraufbereitung

Für die Behandlung von Wasser und Abwasser verfügt die Antech-Gütling Wasser­technologie GmbH nach den Worten von Gernot Schug über Anlagen auf Basis unterschiedlicher Technologien mit hoher Anpassung an die Bedürfnisse der Kunden. Zur Erfüllung der Anforderungen aus Industrie 4.0 werden eingebettete Systeme angeboten, bei denen die Anlagen im Falle des Auftretens von Störungen Aktionen zum Beheben starten. So sind beispielsweise Lagertanks und Pumpen in Abwasser­anlagen mit separaten Steuerungen ausgestattet, die automatisiert arbeiten und sich überwachen sowie die erforderlichen Dokumentationen erstellen.

Topcoat

Andreas Mühle stellte das Topcoatsystem Finigard 301/202 der Coventya GmbH für den kathodischen Korrosionsschutz vor, eine Versiegelung für den erhöhten dekorativen Anspruch. Entwickelt wurde das Verfahren speziell für die Beschlagindustrie sowie für tiefschwarze Automobilteile. Das System kann in Gestell- und Trommelbeschichtungen eingesetzt werden. Zu den Vorzügen zählen gutes Ablaufverhalten, hohe Kratzbeständigkeit und gutes visuelles Erscheinungsbild.

ERP-Systeme

Mark Wietscher von der Gebauer GmbH bot Einblicke in die Möglichkeiten und Funktionen eines neuen Warenwirtschaftssystems, das zunehmend auch im Bereich der Oberflächentechnik zum Einsatz kommt. Das System umfasst die Betreuung von Einkauf, Lager, Produktionsüberwachung, Planung der Produktion, externe Fertigungsschritte, Qualitätssicherung mit Dokumentations­management und umfangreichen Auswertemöglichkeiten. Zu den Erweiterungen zählen Fotoverwaltung oder Mailservice. In anderen Industriebereichen ist das System bereits gut eingeführt.

 

Update REACh

Kunden und interne Prozesse

Matthias Enseling, Hartchrom GmbH und VECCO e. V, eröffnete den Themenblock zu REACh mit einer Betrachtung des Umgangs mit Kunden und internen Prozessen aufgrund der Entwicklungen von REACh. Dabei betonte er zu Anfang, dass beispielsweise die Einführung oder Erweiterung des Kunststoffgalvanisierens stark davon abhängt, wie sich die Autorisierung weiter entwickelt. Dazu zählt auch die Herausforderung, die Anforderungen aus REACh den Kunden und den nicht direkt involvierten Fachleuten nahezubringen.

Er wies darauf hin, dass REACh in sehr viele Einzelprozesse eines Unternehmens Einfluss nimmt. Vor allem ist eine sehr aufwendige und umfangreiche Kommunikation zwischen den Partnern der Lieferkette notwendig. Schwierig ist auch die Erfüllung des Personenschutzes gegen die Gefährdung durch Chemikalien: Unterschiedliche Sprachen durch die verschiedenen Nationalitäten in der EU (seitens der Verfasser von Datenblättern, Berichten etc. und seitens der betroffenen Mitarbeiter) erschweren es, die Inhalte von Datenblättern richtig zu verstehen. Noch unklar ist unter anderem der Einkauf von Stoffen, die unter die Autorisierung fallen. Insbesondere in der Oberflächentechnik sind zahlreiche Prozesse von Entwicklungen durch REACh betroffen, die über Chromtrioxid hinausgehen, beispielsweise Nickel, Kobalt, Borsäure oder Salpetersäure. Dies nimmt auch Einfluss auf die Wahl eines geeigneten Standorts, innerhalb oder außerhalb der EU, um beispielsweise die EU-Regelung REACh abzumildern oder zu umgehen.

Auf jeden Fall ist REACh eine Gelegenheit, eine intensive Kommunikation zwischen Beschichtern und Kunden oder der Politik in Gang zu setzen; Grundvoraussetzung bei allen Aktivitäten ist die intensive Mitarbeit der betroffenen Unternehmen.

Strategische Unternehmensführung im Umfeld von REACh

Der Fachverband Galvanisierte Kunststoffe­ (FGK) vertritt Unternehmen der Galvanotechnik, die zu den wichtigen Zulieferbetrieben für die Automobilindustrie zählen. Wie der Vorsitzende des FGK Jörg Püttbach betonte, ist es sowohl für die Kunden als auch für die Beschichtungsunternehmen wichtig, langfristige Liefersicherheiten zu gewährleisten. Der FGK hat über das CTAC-Konsortium die Autorisierung im Hinblick auf die Belieferung von Chemikalien zur galvanischen Verchromung beantragt. Darüber hinaus haben die Beschichtungsunternehmen zusätzlich einen Antrag auf Autorisierung zur Herstellung von Chromschichten auf ihren jeweiligen Produkten gestellt. Bei einer beantragten Gültigkeit bis zu nächsten Überprüfung von zwölf Jahren soll gewährleistet werden, dass die dekorativen Chromschichten im erforderlichen Maße auch in Zukunft in Europa hergestellt werden können. Damit soll auch die Gefahr vermindert werden, dass Chromschichten in größerem Umfang durch alternative Oberflächen (auf Basis von Lack oder physikalischen Beschichtungen) ersetzt werden oder die Beschichtungen in außereuropä­ischen Staaten hergestellt werden.

Formulierer und REACh

Die REACh-Verordnung erweitert bestehen­des Umweltrecht und setzt einige bisherige Regelungen außer Kraft. Dadurch stehen nach Aussage von Dr. Joachim Heermann (Schlötter GmbH & Co. KG) auch bei den Herstellern von Chemikalien für die Galvanotechnik Änderungen bei der Abwicklung der Produktion und Lieferung an. Dr. Heermann ging in seinem Vortrag auf die Inhalte und Auswirkungen von verschiedenen REACh-Bereichen im Vergleich zu bisherigen Gesetzen ein, wobei er die intensive Kommunikation zwischen allen Teilnehmern der Prozesskette als besonders wichtig hervorhob. Zugleich sind alle Parteien innerhalb der Lieferkette für den sicheren Umgang mit Chemikalien verantwortlich. Besonders zu beachten sind auch die Kandidatenlisten für Stoffe, da die Eintragung der Stoffe zu weitreichenden Auswirkungen führen. Viele Hersteller von Verbrauchsprodukten fordern, dass Produkte vollständig frei von kritischen Stoffen sein müssen – was sich jedoch nur bedingt erfüllen lässt. Derzeit zeichnen sich noch erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung der REACh-Richtlinien ab; fehlende Transparenz beziehungsweise eingeschränkte Akzeptanz von Stoffen zählen dabei zu den vorrangig genannten Gründen.

Im Bereich der nasschemischen Oberflächentechnik sind derzeit vor allem durch die Diskussion über Chromtrioxid und Borsäure erhebliche Unsicherheiten bei den Marktteilnehmern zu erkennen. Darüber hinaus stehen zum Beispiel Salz-, Schwefel- oder Salpetersäure sowie verschiedene Salze wie Kupfer- oder Zinnsulfat ebenfalls unter einer genaueren Beobachtung.

Herausforderung für den Handel

Am Beispiel von Verbindungselementen vermittelte Ralf Krumbiegel (F. Reyher), welche Herausforderungen sich für Händler durch REACh ergeben. Bereits mit der ELV und der RoHS standen vor allem Blei in Messing und Stahl sowie Chrom(VI) in Beschichtungen als problematische Stoffe unter Beobachtung – dies wird durch REACh nochmals verschärft. Für Handelsunternehmen bedeutete dies eine vorsichtige Abwägung an zu beziehenden Mengen der Verbindungselemente, um die vom Markt erwarteten Kosten realisieren zu können und gleichzeitig die Anforderungen nach unkritischen Oberflächen erfüllen zu können. Nach wie vor sind bei Verbindungselementen Zink-Nickel-Beschichtungen aus Kostengründen­ nur bedingt eine Alternative zu Zinkbeschichtungen.

Auswirkungen und Konsequenzen für den Maschinenbau

Die von REACh geforderte Transparenz der Inhaltsstoffe erweist sich zum Beispiel für den Maschinenbau als besonders schwierig, da dessen Produkte in der Regel aus sehr vielen Einzelteilen bestehen, wie Sylvi Claußnitzer (VDMA) betonte. Erschwerend kommt hinzu, dass die Maschinenbauer im Prinzip die gesamte Stoffbreite, die von REACh erfasst wird, betrachten müssen. Sie reicht von den beispielsweise in der Galvanotechnik verwendenden Chrom(VI)- und Nickelverbindungen über Zusätze in Ölen oder Schmierstoffen bis hin zu Weichmachern in Kunststoffen.

Damit die gesetzlichen Vorgaben von den Maschinenbauern eingehalten werden können, wird über Frühwarneinrichtungen nachgedacht. Diese befassen sich unter anderem mit den sich abzeichnenden Alternativprodukten sowie mit den Fällen, bei denen kein Ersatzprodukt in Aussicht ist. Hier müssen zum Beispiel die Maschinenbauer bei den Zulieferbetrieben darauf drängen, eine entsprechende Authorisierung zu erzielen. Herausforderungen ergeben sich insbesondere im Hinblick auf eine möglichst umfassende Informationsdichte sowie eine durchgängige Informationskette, deren Kosten nicht zu unterschätzen sind.

Aktueller Stand und Ausblick

Einen interessanten Blick auf REACh bot Klaus Berend, Mitarbeiter der Europäischen Kommission, der als Leiter des Referats REACh in der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU tätig ist. Er wies darauf hin, dass die Umsetzung der Verordnung kontinuierlich darauf hin betrachtet wird, in welcher Art und in welchem Umfang Verbesserungen der Abläufe erzielt werden können. Dies führt zu Überarbeitungen der Regeln und Vorgaben, beispielsweise in Form eines sogenannten Fahrplans (SVHC 2020 Fahrplan). Demzufolge sollen die Prozesse vereinfacht und deren Effizienz erhöht werden oder die Vorhersehbarkeit für alle Beteiligten verbessert werden.

Die Risikomanagement-Optionen (RMOA – Risk Management Options Analysis) spielen eine zentrale Rolle, um die Relevanz eines Stoffes bestimmen zu können. Aufgrund der daraus gewonnenen Ergebnisse erfolgt durch eine Entscheidung der Mitgliedsstaaten die weitere Behandlung von Stoffen. Hier besteht die Herausforderung darin, zu einer einheitlichen Meinung der Mitgliedsstaaten zu gelangen. Darüber hinaus ist die Industrie aufgefordert, die Registrierungsdossiers auf dem aktuellen Stand zu halten und alle verfügbaren Informationen über die Lieferkette hinweg aktuell zu halten. Auch hier muss der Informationsfluss noch deutlich verbessert werden.

Anhand einiger Zulassungsverfahren (z. B. für Trichlorethylen oder Dibutylphthalat, DPT) konnte das gesamte Verfahren bewertet werden. Auch wenn der Ablauf insgesamt ohne große Schwierigkeiten durchführbar ist, werden die hohen Kosten von etwa 200 000 Euro pro Antrag als inakzeptabel eingestuft. Des weiteren sind viele Anträge unnötig umfangreich und zu kompliziert. Auch die Risikobewertung wird als nicht ausreichend repräsentativ bewertet. Daher wird eine Verschlankung der Anträge angestrebt, die dann auch zu geringeren Gesamtkosten führen soll. Aber auch die generelle Sinnhaftigkeit der REACh-Verordnung steht bei der EU zur Diskussion, insbesondere, ob damit ein Mehrwert im Sinne der ursprünglichen Zielsetzung – Schutz des Lebens – erreicht wird.

Optionen außerhalb von REACh

Beim Umgang mit REACh stellt sich stets auch die Frage, ob mit der Verordnung eine Verbesserung der Situation gegenüber dem bisherigen Status erzielt wird. Die Cross Industry Initiative (CII, Maik Mistry) stellt hierzu Vergleiche, beispielsweise durch den Vergleich mit den bestehenden Gesetzen­ zum Schutz von Arbeitnehmern (AGWs) an. Diese zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie speziell auf die jeweiligen Verfahren und Stoffe für Produktionsabläufe­ beziehungsweise Arbeitsplätze ausgerichtet sind. Nach Ansicht des CII sind mit den bestehenden Verordnungen alle Nutzungen abgedeckt und Regulierungslücken nicht erkennbar. Die REACh-Zulassung führt demzufolge nicht zu einem zusätzlichen Schutz der Arbeitnehmer, verfehlt also ihr eigentliches Ziel.

Kathodischer Korrosionsschutz

Für viele Anwendungen hat sich die Beschichtung mit Zink-Nickel als Standardverfahren für den kathodischen Korrosionsschutz von Eisenwerkstoffen durchgesetzt. Vorreiter waren hier die Automobilindustrie sowie die Luft- und Raumfahrt. Dr. Björn Dingwerth (MacDermid Enthone) stellte Erfahrungen aus der Praxis vor; sie belegen vor allem einen deutlich höheren Aufwand für die Pflege der Elektrolyte sowie die Vor- und Nachbehandlung gegenüber den klassischen Zinkverfahren. Die Chemieanbieter tragen dem Rechnung, indem die Elektrolytsysteme kontinuierlich verbessert und angepasste Verfahren und Einrichtungen für die Pflege entwickelt werden.

Ähnlich sind die Erfahrungen von Andreas Schütte (HSO), der vor allem bei den Beschichtungsunternehmen einen hohen Bedarf an duktileren Schichten sieht. Das Zink-Nickel-Verfahren hat aufgrund der guten Eigenschaften zu einer Steigerung der Qualitätsansprüche geführt, durch die wiederum die Akzeptanz von galvanischen Schichten für den Korrosionsschutz gestiegen ist.

Karsten Stamm (WKLM) bestätigte durch Beschichtungen mit Zink-Nickel einen deutlichen Mehrwert, der durch Felderfahrungen untermauert wird. Er betonte aber zugleich, dass Zink-Nickel-Schichten ebenso wie die meisten anderen Beschichtungssysteme ihre Besonderheiten aufweisen. Diese bestimmen, für welche Anforderungen ein Einsatz sinnvoll ist.

Beschichtungen für elektrische Kontakte

Bandbeschichtungen kommen vor allem zur Herstellung von Halbzeug und Einzelteilen für Anwendungen in der Elektrotechnik zum Einsatz. Thomas Frey (IMO) schilderte, welche Technologien hier zum Einsatz kommen und welch hoher mechanischer Aufwand für einen optimalen Transport der Endlosbänder durch die Galvanikanlagen betrieben wird. Aufgrund der immensen Stückzahlen an beschichteten Teilen, die sich heute meist im Längenbereich von wenigen Millimetern und darunter bewegen, spielt die Einsparung von Edelmetallen eine große Rolle. Edelmetall­oberflächen gewährleisten eine gute Kontaktierung sowie eine gute Löt- und Bondbarkeit.

Dr. Isabell Buresch (Wieland Werke AG) befasste sich mit der Herstellung von Multilayerschichten zur Erfüllung von hohen Anforderungen an Kontaktoberflächen. Die Anforderungen sind insbesondere auf die stetig steigende­ Miniaturisierung der Kontakte zurückzuführen, aber auch auf einen wachsenden Kostendruck. Vor allem niedrige Steck- und Ziehkräfte, niedrige Kontaktwiderstände, eine gute Haftfestigkeit bei höheren Einsatztemperaturen oder eine hohe Korrosionsbeständigkeit sind die Anforderungen, die Steckkontakte erfüllen müssen. Um diese Anforderungen erfüllen zu können, wurden Schichtsysteme mit Nickel, Zinn und Silber untersucht. Dabei wurde die Bildung einer intermetallischen Phase Ag3Sn, bei der eine Unterschicht aus Nickel als Diffusionssperre zum Kupfersubstrat dient, durch eine Wärmebehandlung ausgelöst. Maßgeblich für die Bildung einer geeigneten Schicht ist die Wärmebehandlung nach der galvanischen Abscheidung der Nickel-, Silber- und Zinnschichten. Als Kriterium für die Qualität des Schichtsystems dienten der Kontaktwiderstand, die Haftfestigkeit der Beschichtung, der Reibkoeffizient, die Steckkraft sowie das Verhalten beim Löten.

Vorbeugender Brandschutz

Werner Bauer wählte als Titel für seinen Vortrag Galvanikbrände – und kein Ende in Sicht. Er begründete dies damit, dass allein in der Zeit von November 2014 bis Juni 2016 in Galvanikbetrieben 15 Brände mit erheblicher Zerstörung und Einzelschäden von bis zu 40 Millionen Euro aufgetreten waren. Erwartungsgemäß hat dies zu einer deutlich verstärkten Skepsis bei Versicherern gegenüber Galvanikbetrieben geführt.

Nach den Worten von Werner Bauer wurden die Brände vor allem durch heiße Bereiche (Heizungen), Absaugungen, Wasserstoffentwicklung sowie elektrische Installationen ausgelöst. Als Nahrung für die Brände dienten fast ausschließlich Kunststoffbehälter. Neben Heizkörpern zählen elektrische Kontakte zu den kritischen Punkten, die zu Funkenbildung führen und einen Brand auslösen können. Für die verschiedenen Brandauslöser lassen sich Risiko-Akzeptanz-Abschätzungen durchführen, die dabei helfen, geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Darüber hinaus ist es ratsam, auf qualitativ hochwertige Einrichtungen, beispielsweise als Trockengehschutz, Wert zu legen. Ähnliche Einrichtungen sind heute auch für Abluftanlagen verfügbar, um frühzeitig die Luftzufuhr zu unterbinden und so die Brandausbreitung zu verhindern. Die Versicherer drängen zudem darauf, die Einrichtung von Sprinkleranlagen in Betracht zu ziehen.

Eine Lösung um Großschäden in Betrieben zu vermeiden, ist die Nutzung von Brandmeldeeinrichtungen, die Joachim Hild (KFM) vorstellte. Hier kommen spezielle Geräte – sogenannte Rauchansaugsysteme – zum Einsatz, die auf die jeweiligen betrieblichen Spezialitäten eingerichtet werden können. Dadurch ist es möglich, Fehlalarme so weit als möglich auszuschließen. Brände können so bereits im Entstehungsstadium mit hoher Sicherheit erkannt werden. Ein derartiges System erkennt einen Brand bereits, bevor sichtbarer Rauch auftritt.

Dieter Lenzenhuber (MacDermid Enthone), der bereits seit einiger Zeit sehr aktiv in der Brandvorbeugung und dem Brandschutz in der Galvanotechnik unterwegs ist, gab einen Überblick über den abwehrenden Brandschutz als letzte­ Verteidigung gegen erhebliche Zerstörungen durch einen Brand. Die Grundlage für derartige Maßnahmen sind unter anderem der Technische Leitfaden der Feuer- und Feuerbetriebsunterbrechungs-Versicherung VdS 195:2008-01(04) oder das DVGW-Arbeitsblatt W405. Daraus folgend sind Handfeuerlöschgeräte mit Druckluftschaum eine sehr gute Alternative zur Brandbekämpfung in Galvanikbetrieben. Allerdings sollte die Bedienung eines Feuerlöschers trainiert werden. Eine weitere Möglichkeit sind Sprinkleranlagen. Außerdem ist ein Feuerwehrplan nach DIN 14095 zu erstellen und eine regelmäßige Vor-Ort-Begehung mit der örtlichen Feuerwehr erforderlich. Sehr zu empfehlen ist zudem die Einteilung des Betriebs in Brandabschnitte oder die Möglichkeit zum schnellen Abschalten der Abluftanlage. Schließlich sollten vor allem elektrische Anlagen regel­mäßig kontrolliert werden.

Markt im Wandel

Die Galvanoindustrie in China, speziell mit Blick auf den Einsatz von sechswertigem Chrom, war das Thema von Christian Deyhle (Qubus GmbH), dessen Unternehmen seit vielen Jahren mit Erfolg in China als Umweltberater für die Oberflächentechnik aktiv ist. Seit etwa fünf bis acht Jahren werden die Rahmenbedingungen für Galvanikbetriebe stetig verschärft. So liegen beispielsweise in bestimmten Regionen die Grenzwerte für Abwasser bei 0 mg/l Phosphor und Stickstoff, womit die Abgabe von Abwasser nicht möglich ist. Eine weitere Besonderheit ist, dass in der Regel nicht zwischen Chrom(III) und Chrom(VI) unterschieden wird. Der Wert für Gesamtchrom liegt zwischen 0,5 mg/l und 1,0 mg/l. Auch bei der Abluft findet keine Unterscheidung zwischen drei- und sechswertigem Chrom statt; es erfolgt in erster Linie eine Begrenzung der Abluftmenge je beschichteter Fläche und der Höhe des Abluftkamins. Die Regelungen für die Lagerung von Chemikalien sind in etwa mit der Störfallverordnung zu vergleichen; seit 2010 ist eine China-REACh-Regelung in Kraft. Während der Einsatz von Cyaniden in China verboten ist, wurden Chrom(VI)-
verbindungen noch nicht erfasst.

Prinzipiell werden in Bezug auf den produktionsintegrierten Umweltschutz internationale Unternehmen strenger behandelt als chinesische Betriebe – hierfür sind drei Klassifizierungen in Gebrauch. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Vorschriften, die unter anderem zur Anwendung kommen, wenn ältere Unternehmen geschlossen werden sollen. Dies wird erreicht durch geforderte Reservetanks, die Überschreitung von Jahresumsätzen oder dem Anteil an Automatikanlagen. Generell wird gefordert, Galvanikbetriebe nur noch in ausgewiesenen Arealen anzusiedeln, die beispielsweise die Bearbeitung des Abwassers übernehmen.

Heiko Reski (MTV) plädierte in seinem Vortrag dafür, die stets komplexeren Herausforderungen für Beschichtungsunternehmen durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Unternehmen anzugehen. Hierbei können die Stärken der einzelnen Partner besser genutzt werden. Darüber hinaus lassen sich die Kosten für oftmals teure Entwicklungen oder den Unterhalt von Prüf- und Kontrollbereichen einfacher aufbringen. Durch solche strategischen Kooperationen können globale­ Märkte mit einem großen Portfolio an Verfahren bedient werden. Dafür zeigte er Beispiele aus seinem Unternehmen, das mit diesem Ansatz gute Erfahrungen gemacht hat.

Mit einem weiteren Aspekt, dem sich die Dienstleister im Bereich der Oberflächentechnik konfrontiert sehen, befasste sich Prof. Dr. Andreas Bund (TU Ilmenau). So wird der Wandel von den bisher üblichen Verbrennungsmotoren in Fahrzeugen zu Elektroantrieben allein schon deshalb einen enormen Umbruch in der Branche verursachen, da zahlreiche Teile – insbesondere im Antriebsstrang – entfallen werden. Dadurch sind Beschichtungsunternehmen gezwungen, neue Kundengruppen zu suchen und sich mit anderen Beschichtungsarten zu befassen. Hier sollte vor allem ein Blick auf die Batteriekomponenten geworfen werden. Die Elektroden in den unterschiedlichen Batterietypen benötigen verschiedene Eigenschaften im Kern- und im Oberflächenbereich: Sie sind ein typisches Produkt für Beschichtungstechniken, zum Beispiel für Kupferlegierungs- oder Kupferdispersionsschichten. An Kontakte in Fahrzeugen mit Elektroantrieb werden hohe Anforderungen gestellt, die heute zum Teil noch Weiterentwicklungen der Beschichtungstechnik nötig machen. Schließlich wird der Bedarf an Sensoren steigen, die ebenfalls mit Beschichtungen gelöst werden können.

DGO-Mitgliederversammlung

Prof. Dr. Lampke leitete die diesjährige Mitgliederversammlung und gedachte zu Beginn der verstorbenen Mitglieder. Zudem konnte er wieder einige neue Mitglieder, sowohl persönliche als auch Firmenmitglieder, begrüßen.

Dr. Sasa Jacob betonte im Geschäfts- und Tätigkeitsbericht der DGO die wichtige Arbeit der einzelnen Fachausschüsse, wie etwa des FA Forschung unter Leitung von Prof.Dr. Paatsch, oder des gemeinschaftlichen Fachausschusses Kombinierte Oberflächentechnik (Prof. Dr. Uhlemann) mit den Themenfeldern Galvanotechnik, Lackiertechnik und Plasmatechnik. Aktuelles Projekt ist die Untersuchung der Oberflächentechnik von additiv gefertigten Teilen. Der FA chemische Metallabscheidung unter Leitung von Prof. Dr. Sörgel und der FA Edelmetalle (Prof. Dr. Uwe Landau) zeichnen sich durch ihre besonders rege Außendarstellung der Galvanotechnik dar; der FA Galvanoformung unter Leitung von Klaus Schmid befasst sich unter anderem mit den Auswirkungen von REACh auf die Galvanotechnik. Der FA Prozesslenkung und Analyse unter Leitung von Dr. Hans-Jochen Fetzer betreibt unter anderem die Weiterbildung bei Analysentechniken. Der Arbeitskreis Wasserstoffversprödung wird von Prof. Paatsch geleitet und untersucht die Möglichkeiten zur Vermeidung von Wasserstoffversprödung. Der Arbeitskreis Kupfer- und Kupferlegierungen unter Leitung von Ulrich Bingel als neuer Zusammenschluss und der Arbeitskreis Zink-Nickel (Karl Morgenstern) schließen die Runde der Fachgruppen ab.

Den Finanzbericht trug Christoph Mattheis­ vor. Im Jahr 2015 konnte ein Überschuss von 20 510  Euro erzielt werden, wobei nahezu der gesamte Betrag aus Rückstellungen entstand. Spenden gingen ein, jedoch in bescheidenem Umfang. Unbefriedigend ist zudem die Akzeptanz der Fortbildungsveranstaltungen, die insbesondere durch stärkere Konkurrenz zunehmend schlechter wird. Der Kassenbericht (Winfried Hormes) zeigt deutlich, dass die Kassenlage trotz positiver Null unbefriedigend ist und Anstrengungen unternommen werden sollten, um bessere Erlöse zu erzielen. Vorstand und Geschäftsführung wurden im Anschluss von der Mitgliederversammlung entlastet.

Für 2016 und 2017 wird die Haushaltsentwicklung durch schlecht angenommene Veranstaltungen, die dadurch nicht stattfinden konnten, unbefriedigend sein. Für die AiF-Aufwendungen hat die DGO Entschädigungen erhalten. Um die finanzielle Situation zu verbessern, ist nach Ansicht der Vorstandschaft eine breitere Streuung des Veranstaltungsangebots erforderlich. Ein weiterer wichtiger Punkt, um mehr Erlös zu erzielen, wird in einem Vorhaben mit Forschungsprojekten gesehen, das vom BMBF gefördert wird; neben der DGO sind die ­Dechema und der DGM involviert. Die DGO hat hier die Aufgabe des Hauptvertreters. Weitere Projekte sind Galactif und Rekopp.

Forschungsprojekte und deren Ergebnisse sollen aktiv in die Wirtschaft hineingetragen werden. Neue Ideen und Ansätze sollen unter anderem im Rahmen eines eintägigen Workshops (World-Café) von und mit Unternehmensvertretern erarbeitet werden. Ein weiterer Schritt ist die intensive Nachwuchsförderung unter Anwendung der neuen Medien. Schließlich wird über eine Beitragsanpassung diskutiert, was in einer intensiveren Arbeit des Verbandes für die Branche eine Grundlage finden könnte.

Abschließend wurden Rainer Venz, Andreas Zahl, Dr. Andreas Zielonka und Dr. Andreas Dietz als DGO-Vorstand wiedergewählt.

– wird forgesetzt –

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