(Zukunfts-)Chancen der Weißbronzeschichten – eine potentielle Nickelersatzschicht?

Oberflächen 07. 05. 2017
Von Christian Mock und Stefan Kölle, Fraunhofer IPA, Stuttgart,
und Johannes Preußner, Fraunhofer IWM, Freiburg

Nickelschichten zählen zu den am häufigsten eingesetzten galvanischen Schichten. Vorteilen sind die guten Korrosions- und Verschleißeigenschaften, aber auch ein ansprechendes dekoratives Erscheinungsbild. Nachteilig ist die Gefahr der Allergieauslösung, die durch Legieren mit Kupfer und Zinn beseitigt werden kann. Damit die Legierungsabscheidung in breitem Umfang eingesetzt werden kann, muss das bisher erforderliche cyanidische System durch ein cyanidfreies bei vergleichbaren Eigenschaften ersetzt werden. Erste erfolgversprechende Ansätze ergaben Schichten bis zu 30 µm mit Legierungszusammensetzungen von 30 % – 60 % Kupfer, 36 % – 63 % Zinn und 5 % – 24 % Zink.

Future Opportunities for White Bronze Coatings – a Potential Replacement for Nickel?

Nickel coatings are among the most widely used electrodeposited metals. Their advantages include good corrosion and wear resistance as well as attractive visual appearance. Against this, is the danger of triggering an allergic responses although this can be minimised by using nickel alloyed with copper and tin. In order for an alloy electrodeposition process to be widely used, the classical cyanide-based process must be replaced with an alternative electrolyte giving comparable deposit properties. On this basis, satisfactory results have been found with deposits up to 30 µm thick, based on alloy compositions of 30% to 60% copper, 36% to 63% tin and 5% to 24% of zinc

1 Einleitung

Nickelschichten sind eines der am häufigsten eingesetzten, galvanisch abgeschiedenen Schichtsysteme. Dies liegt nicht zuletzt an dessen Vielseitigkeit. Das Eigenschaftsprofil ermöglicht durch eine hervorragende Glanzbildung und Einebnung den Einsatz als dekoratives Schichtsystem. Zudem bieten Nickelschichten einen sehr guten Korrosions- und Verschleißschutz, weshalb sie beispielsweise häufig als Zwischenschicht unter Chromschichten verwendet werden, um das Substratmaterial vor korrosivem Angriff zu schützen. Oftmals zeichnen sich Nickelschichten gerade durch eine Kombination dieser positiven Eigenschaften aus.

Problematisch ist allerdings, dass Nickel Kontaktallergien auslösen kann, von denen in Europa mittlerweile rund 65 Millionen Menschen betroffen sind [1]. Bei Produkten, die in direktem, dauerhaften Kontakt zum menschlichen Körper stehen, gibt es aufgrund der schnellen Sensibilisierung bereits seit vielen Jahren entsprechende EU-Verordnungen. Diese legen Grenzen dafür fest, wieviel Nickel von Produkten wie Schmuck, Knöpfen oder Reißverschlüssen an die Umwelt abgegeben werden darf. Häufig nimmt die Nickelabgabe jedoch mit dem Alter der Produkte zu, da Deckschichten über dem Nickel abgerieben werden und somit mit der Zeit allergische Reaktionen auftreten können.

Um dies zu vermeiden, werden seit längerem Weißbronzeschichten (CuSnZn) als Ersatz für Nickel bei Schmuck oder Knöpfen verwendet. Weißbronzeschichten weisen einen ähnlichen Glanz auf und bieten darüber hinaus eine sehr gute Korrosionsbeständigkeit.

Allerdings sind Weißbronzeschichten wesentlich weniger verbreitet, als es sich aufgrund des möglichen und gewünschten Ersatzes für Nickelschichten im Bereich des menschlichen Kontakts vermuten lassen würde. Gründe dafür sind unter anderem der komplexe Abscheideprozess eines ternären Schichtsystems und die Tatsache, dass die Schichten kommerziell ausschließlich aus cyanidhaltigen Elektrolyten erhalten werden.

2 Aktueller Forschungsstand der Weißbronzeschichten

Zur galvanischen Abscheidung von Weißbronzeschichten haben sich cyanidbasierte alkalische Elektrolytsysteme am Markt etabliert. Diese mit den Systemen verbundenen Nachteile erschweren jedoch eine breite prozesstechnische Anwendung. Zum einen ist Cyanid ein hochgiftiger Komplexbildner und muss dementsprechend sehr vorsichtig gehandhabt werden. Zusätzlich erfordert Cyanid eine aufwändige und dementsprechend teure Abwasserbehandlung. Zum anderen lassen sich mit den am Markt verfügbaren Verfahren leicht einebnende und rissfreie Weißbronzeschichten nur bis zu einer Schichtdicke von wenigen Mikrometern abscheiden. Um Bauteiloberflächen gegen Korrosion und Verschleiß zu schützen sind rissfreie Schichten mit ausreichender Dicke und guten mechanischen Eigenschaften zwingend gefordert. Bei dekorativen Oberflächen spielen zusätzlich das Einebnungsverhalten und der Glanzgrad eine große Rolle. Im Moment werden diese geforderten Eigenschaften ausschließlich von nickelbasierten Schichtsystemen erfüllt.

Die Schwierigkeit bei der galvanischen Abscheidung von Weißbronzeschichten besteht darin, die Metalle mit unterschiedlichem elektrochemischem Standardpotential – Kupfer ist edel, Zink unedel, Zinn liegt zwischen diesen beiden Metallen – so abzuscheiden, dass eine konstante und homogene Legierungszusammensetzung auf dem gesamten Bauteil entsteht. Um dies zu ermöglichen ist es notwendig, die elektrochemischen Eigenschaften der Legierungsbestandteile einander anzugleichen, sodass diese gleichzeitig und gleichmäßig abgeschieden werden können. Diese Anpassung der elektrochemischen Eigenschaften wird im Bereich der Weißbronzeschichten aktuell in breitem Maße durch den Einsatz von Cyanid als Komplexbildner erreicht.

Generell ergeben sich aus der Literatur wenig umfangreiche Informationen über Weißbronzeschichten und deren Abscheidung. Grundsätzlich wurden Weißbronzeschichten entwickelt, um die typische Farbe von Bronzeschichten zu verändern. Beispielsweise können mit einer Schichtzusammensetzung von 55 % – 60 % Kupfer, 20 % – 30 % Zinn und 10 % – 20 % Zink helle Schichten mit dem Erscheinungsbild ähnlich dem Glanznickel erzeugt werden. Um diese engen Grenzen einhalten zu können, sind eine komplexe Prozessführung und ständige Überwachung des Elektrolyten und der Verfahrensparameter erforderlich. Bereits kleine Abweichungen von den geforderten Zusammensetzungsbereichen führen zu einer starken Veränderung der Schichtoptik und -farbe; aus diesem Grund sind Weißbronzeschichten in ihrer Anwendung nicht weit verbreitet [2].

In der Literatur sind neben den am Markt gängigen cyanidbasierten Elektrolytsystemen auch einige cyanidfreie Elektrolytsysteme für die Weißbronzeabscheidung beschrieben. Als Komplexbildner wurden beispielsweise Pyrophosphat [3] oder Citrat [4, 5] anstatt von Cyanid eingesetzt. Zudem wurden in den letzten Jahren einige Patente in Bezug auf die cyanidfreie Weißbronzeabscheidung angemeldet [6-8]. Nichtsdestotrotz hat die cyanidfreie Abscheidung von Weißbronze, hinsichtlich der geforderten Schichteigenschaften, bisher keine zufriedenstellende technische Umsetzung erreicht. Der Hauptgrund dafür ist der schwierige Ersatz von Cyanid, da Cyanid mit vielen Metallen sehr stabile Komplexverbindungen bildet.

3 Projektbeschreibung und Ziele

Um die Anforderungen an Weißbronzeschichten als Nickelersatzschichten erfüllen zu können ist es nicht nur notwendig, die Legierungsschichten selbst, sondern auch deren Verfahrensprozesse weiterzuentwickeln. Neben der Optik und Funktionalität der Weißbronzeschicht ist vor allem auch der ganzheitliche Ersatz von Cyanid hinsichtlich Umweltverträglichkeit, Handhabung und Abwasserbehandlung von großer Bedeutung. Um diesen Ansprüchen in Zukunft gerecht werden zu können, fördert das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg das Verbundprojekt Umweltverträgliche und leistungsfähige galvanische CuSnZn-Beschichtungen, an dem das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA und das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM beteiligt sind.

Die beiden Fraunhofer-Institute haben das gemeinsame Ziel, ein umweltverträgliches galvanisches Schichtsystem auf Weißbronzebasis zu entwickeln. Die Schwerpunkte liegen dabei für das Fraunhofer IPA in der Schichtentwicklung und damit verbunden dem durchgängigen Ersatz von Cyanid durch alternative Komplexbildner. Des Weiteren ist die gezielte Einstellung von Schichteigenschaften wie Korrosions- und Verschleißschutz, Härte, Schichtdicke oder einebnendes Verhalten von besonderer Bedeutung. Parallel dazu beschäftigt sich das Fraunhofer IWM an der Entwicklung von atomistischen und thermodynamischen Simulationsmodellen, um Diffusionsvorgänge gezielt untersuchen und physikalische Schichteigenschaften vorhersagen zu können.

4 Erste Ergebnisse des Fraunhofer IPA

Zu Beginn des bis 2018 laufenden Projekts wurde in der Literatur nach alternativen Komplexbildnern für eine cyanidfreie Weißbronzeabscheidung recherchiert. Dabei stand neben wichtigen Aspekten wie der chemischen Stabilität und Marktverfügbarkeit besonders eine wirtschaftlich darstellbare Abwasserbehandlung im Vordergrund. Unter diesen Aspekten wurden verschiedene cyanidfreie Elektrolytsysteme ausgewählt und im Labormaßstab (Kleinzelle mit 800 ml) ausführlich untersucht. Besonders erfolgversprechende Systeme wurden und werden auf dem IPA-Elektrolytprüfstand mit einem Elektrolytvolumen von 4 Litern hochskaliert. Dieser Prüfstand ermöglicht es, durch seinen standardisierten Aufbau verschiedene definierte Probekörper (Rundstab und Profilkörper) bei gleichbleibender Versuchsumgebung zu beschichten (Abb. 1).

Abb. 1: IPA-Elektrolytprüfstand (links), Rundstab-Probekörper (rechts oben) und Profilkörper-Probekörper (rechts unten)

 

Der Rundstab stellt eine einfach zu beschichtende Geometrie dar und wird nach der Beschichtung für Grundlagenversuche und Korrosionstests verwendet. Der Profilkörper entspricht einem praxisnahen Bauteil und ist aufgrund seiner komplexen Geometrie schwieriger zu beschichten. Diese praxisähnlichen Beschichtungsbedingungen ermöglicht es, Aussagen über verschiedene Einflussgrößen und tribologische Eigenschaften der abgeschiedenen Schichten zu treffen. Die bisher durchgeführten Versuche mit dem IPA-Elektrolytprüfstand zeigten, dass mit cyanidfreien Elektrolytsystemen Schichten mit Dicken bis zu 30 µm abscheidbar sind (Abb. 2). Durch Variation verschiedener Verfahrensparameter war ein sehr breiter Bereich an Legierungszusammensetzungen erreichbar. Es wurden Schichten mit 30 % – 60 % Kupfer, 36 % – 63 % Zinn und 5 % – 24 % Zink abgeschieden.

Abb. 2: Querschliff einer cyanidfrei abgeschiedenen Weißbronzeschicht auf einem Rundstab (links); verschiedene cyanidfrei beschichtete Rundstab-Probekörper (rechts)

 

5 Erste Ergebnisse des Fraunhofer IWM

Am Fraunhofer IWM wurde zuerst das Grundlagenwissen über die Mikrostruktur und die mechanischen Eigenschaften der neuen CuSnZn-Schichten geschaffen, um auf dieser Basis den Herstellungsprozess für die jeweilige Anforderung an die Schicht optimal einstellen zu können. Dazu wurden atomistische und thermodynamische Simulationsmodelle erstellt, um Diffusionsprozesse gezielt zu untersuchen, Diffusionsparameter zu berechnen und physikalische Eigenschaften der Schicht vorhersagen zu können. Damit ist es beispielsweise möglich, Aussagen über den Einsatz bei erhöhten Temperaturen zu treffen und die Langzeitstabilität der Schichten auf dem jeweiligen Substratwerkstoff zu bewerten.

In Abbildung 3 ist ein nach thermodynamischen Modellen berechnetes Phasendiagramm zu sehen. Zudem sind Schichtzusammensetzungen von verschiedenen Abscheideversuchen mit dem IPA-Elektrolytprüfstand eingetragen. Wie zu erkennen ist, lässt sich die Zusammensetzung der Schicht über einen weiten Bereich steuern. Mittels Phasenanalyse und -modellierung lassen sich in einem nächsten Schritt Aussagen über die Eigenschaften treffen. Momentan werden die Modelle um kinetische Parameter erweitert, die die Diffusion beschreiben. So lassen sich Veränderungen der Schicht über die Zeit und auch Wechselwirkungen zwischen Schicht und Substrat berechnen.

Abb. 3: Thermodynamisch berechnetes Phasendiagramm (hier für 250 °C) für das Legierungssystem CuSnZn; Zweiphasenbereiche sind grün schraffiert und eine Auswahl der chemischen Zusammensetzung einzelner hergestellter Schichten ist mit Symbolen markiert

 

6 Ausblick und Ziele

Durch die bisherigen Ergebnisse konnte bereits nachgewiesen werden, dass ausreichend dicke und rissfreie Weißbronzeschichten cyanidfrei abscheidbar sind. Allerdings muss zur Erfüllung der Anforderungen an dekorative Schichten die Zusammensetzung des Elektrolyten hinsichtlich seiner Komplexbildner und Zusätze, wie zum Beispiel Netzmittel oder Glanzbildner, weiter optimiert werden, um auch die Anforderungen an dekorative Schichten erfüllen zu können. Aus diesem Grund werden aktuell verschiedene Netzmittel und Glanzbildner in Verbindung mit den cyanidfreien Elektrolytsystemen untersucht.

Damit der Anspruch an eine potentielle Nickelersatzschicht erfüllt werden kann, müssen die Eigenschaften der Weißbronzeschichten denen der Nickelschichten ähnlich sein. Die Weißbronzeschichten sind hinsichtlich der allergenen Eigenschaften des Nickels durch Kontakt mit der Haut im Vorteil. Allerdings sind nickelbasierte Legierungsschichten in vielen Bereichen des Automobilbaus, der Luft- und Raumfahrt oder des allgemeinen Maschinenbaus aufgrund ihrer sehr guten Korrosions- und Verschleißbeständigkeit weit verbreitet. Zur Erfüllung der Anforderungen vieler industrieller Bereiche müssen auch die funktionellen Eigenschaften (Korrosionsbeständigkeit, Verschleißwiderstand, Härte und Einebnung) der entwickelten, cyanidfrei abgeschiedenen Schichten untersucht und optimiert werden.

Mit Hilfe der thermodynamisch-kinetischen Modelle wird es möglich sein, den Langzeiteinsatz der Schichten, auch bei erhöhten Temperaturen, zu simulieren. Parallel werden Wasserstoffgehaltsmessungen und mechanische Tests durchgeführt, um eine potenzielle Wasserstoffversprödung, die in elektrolytischen Abscheideprozessen induziert werden kann, aufzudecken und im nächsten Schritt zu vermeiden.

Weitere Entwicklungsarbeiten werden zeigen ob es möglich ist, Weißbronzeschichten mit nickelähnlichen Eigenschaften cyanidfrei abzuscheiden. Sofern dies gelingt, steht der Industrie für viele Anwendungsbereiche eine echte Alternative zu allergieauslösenden Nickelschichten zur Verfügung.

Literatur

[1] Peter Lux: Schmuck & Co. - Nickel ist überall zu finden; Fortbildung für den öffentlichen Gesundheitsdienst (2014); Hg. v. Bundesinstitut für Risikobewertung, zuletzt geprüft am 19.04.2017

[2] Jordan, Manfred: The electrodeposition of tin and its alloys; Leuze Verlag, Saulgau/Württ. (1995)

[3] K. Clauwaert, K. Binnemans, E. Matthijs, J. Fransaer: Electrochemical studies of the electrodeposition of copper-zinc-tin alloys from pyrophosphate electrolytes followed by selenization for CZTSe photovoltaic cells; In: Electrochimica Acta 188(2016), S. 344–355; DOI: 10.1016/j.electacta.2015.12.013

[4] M. Slupska, P. Ozga: Electrodeposition of Sn-Zn-Cu alloys from citrate solutions; In: Electrochimica Acta 141 (2014), S. 149–160; DOI: 10.1016/j.electacta.2014.07.039

[5] S. Zahmi, E. J. Podlaha: Electrodeposition of Zn Alloys with Cu and Sn from Citrate Electrolytes; In: ECS Transactions 69 (30) (2015), S. 1–7; DOI: 10.1149/06930.0001ecst

[6] K. Bronder, U. Manz: Abscheidung von Kupfer-Zinn-Zink-Legierungen aus einem Elektrolyten; Angemeldet durch Umicore Galvanotechnik GmbH am 21.12.2011; Anmeldenr: 10 2011 121 798.7; Veröffentlichungsnr: DE 10 2011 121 798 A1

[7] K. Bronder, U. Manz: Deposition of copper-tin-zinc alloys from an electrolyte; Angemeldet durch Umicore Galvanotechnik GmbH am 21.12.2012; Anmeldenr: PCT/EP2012/075113; Veröffentlichungsnr: WO 2013/092314 A1

[8] K. Bronder, S. Berger, B. Weyhmüller, U. Manz: Wässriger cyanidfreier Elektrolyt für die Abscheidung von Kupfer-Zinn- und Kupfer-Zinn-
Zink-Legierungen aus einem Elektrolyten und Verfahren zur elektrolytischen Abscheidung dieser Legierungen; Angemeldet durch Umicore Galvanotechnik GmbH am 17.12.2013; Anmeldenr: 10 2013 226 297 B3; Veröffentlichungsnr: DE 10 2013 226 297 B3

DOI: 10.7395/2017/Mock1

 

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