Round Table-Gespräch zu REACh
Für die Galvanikindustrie beginnt mit dem Sunsetdate von Chromtrioxid eine neue Zeitrechnung. Die WOMag-Redaktion sprach aus diesem Anlass mit Vertretern des VECCO e. V. und der HAPOC GmbH & Co. KG in Form eines virtuellen Round Table-Meetings, womit die Nutzung einer Webinarsoftware auch für derartige Gesprächsrunden als effizient und sinnvoll unter Beweis gestellt werden konnte. Am Gespräch beteiligt waren Matthias Enseling, Dr. Uwe König, Andrea Thoma-Böck, Peter Glaum und Marita Voss Hageleit.
WOMag-Redaktion: Geht am 21. September die Sonne wieder auf?
Alle: Das hoffen wir doch sehr. Aber Spaß beiseite: Erst mal ändert sich wenig. Die großen Konsortien für die Autorisierung werden wahrscheinlich noch kein Ergebnis haben und die Unternehmen, die sich darauf beziehen, dürfen weiter mit Chrom(VI)verbindungen arbeiten. Juristisch ist das von mehreren Seiten abgeklärt. Also ja, es darf weiter verchromt werden und es wird auch die Sonne aufgehen.
WOMag-Redaktion: Wie steht es jetzt eigentlich um Ihre Anträge und wann haben die Betriebe endlich wieder Planungssicherheit?
Matthias Enseling: Leider wissen wir das selbst nicht so genau. Durch den sehr breiten Ansatz, der für alle Beteiligten absolutes Neuland war, verbunden mit der Sprachproblematik haben wir einfach viel Zeit verloren. Dass es von den Komitees viele Fragen gibt, scheint nicht unüblich zu sein. Wir sind aber einfach spät dran und hätten jedoch gerne für unsere Mitglieder und Kunden früher Planungssicherheit gehabt. Heute würden wir das anders machen. Aber hinterher ist man immer schlauer. Juristisch ist das abgesichert; aber die Situation ist einfach unbefriedigend. Wie lernen eben alle mit REACh. Ich erwarte eine Entscheidung der Kommission nicht vor Ende 2018. Und bei der Reautorisierung sind wir dann nicht mehr so grün hinter den Ohren. Die Clusteridee erachte ich als unsere beste Chance für längere Autorisierungsperioden.
WOMag-Redaktion: Was verstehen Sie genau unter dem Begriff Clusteridee?
Dr. Uwe König: Na ja, wenn die Ergebnisse der ersten Entscheidungen betrachtet werden, kann der Eindruck entstehen, dass Einzelunternehmen oder kleinere gut zu beschreibende Gruppen längere Autorisierungsperioden erhalten können. Upstream-Autorisierungen haben da im Verfahren ihre Schwierigkeiten. Im Kreise des VECCO e. V. können auch homogene kleinere Gruppierungen gebildet werden, die sehr ähnliche Dinge tun. Die Analyse von Alternativen oder das Non-Use-Szenarium sind dann besser zu beschreiben. Wir nennen diese Gruppen Cluster.
WOMag-Redaktion: Und dann gründet sich aus Ihrem Kreis auch noch das Handelsunternehmen HAPOC GmbH & Co. KG. Braucht es denn noch einen weiteren Lieferanten von Chromtrioxid?
Andrea Thoma-Böck: Wir hatten am Anfang bestimmt nicht im Sinn, unser eigener Lieferant zu werden. Aber das hat sich so entwickelt. Wir hatten einfach Angst, dass die kleinen Beschichtungsunternehmen bei den Interessen der Großindustrie zu kurz kommen. Und ein wenig Wettbewerb kann ja auch nicht schaden. Es ist keine Erkenntnis von uns, dass REACh Monopole schafft. Hier wollen wir mit der guten alten genossenschaftlichen Idee Punkte sammeln. Das hat schon in anderen Märkten gut funktioniert. Übrigens sehen wir uns eher als Service-Dienstleister.
WOMag-Redaktion: Was beinhaltet denn dieser Service?
Matthias Enseling: Das steht eigentlich in den Dossiers. Die Aufgaben, die an die Unternehmen gestellt werden, sind super komplex. Das können viele nicht alleine schaffen. Das braucht es Beratung, Unterstützung oder einfach Information. Wir bauen zum Beispiel gerade ein Webportal für die ganzen Daten der Mitgliedsbetriebe auf. Sie sehen: ein großes Feld für Dienstleistung.
Ein Businessplan nur mit dem Verkauf von Chromtrioxid sieht übrigens nicht besonders erfreulich aus. Aber wir können uns schon vorstellen, Produktbundle und weitere Artikel um das Kernprodukt mit anzubieten. Also zum Beispiel Arbeitskleidung, Klebebänder, Handschuhe oder Messungen, um nur einige Möglichkeiten zu nennen - eben Alles, was der Verchromungsbetrieb so braucht. Und wenn wir größere Mengen einkaufen, können wir auch bessere Preise anbieten.
Dr. Uwe König: Aber vergessen Sie die Entwicklungstätigkeit nicht. REACh verlangt für die Reautorisierung zwingend die Beschäftigung mit Alternativtechnologien. Sind wir doch mal ehrlich: Wie soll das ein kleines Verchromungsunternehmen denn tun? Über eiffo verfügen wir beispielsweise über ein Netzwerk und werden immer wieder bestimmte Themen anstoßen und die Mitglieder in diese Arbeit einbinden. Für mich eines der Hauptziele von HAPOC.
WOMag-Redaktion: Die druckfrischen Lieferbedingungen haben es in sich. Will die HAPOC GmbH & Co. KG ihre Kunden mit Messungen und REACh-Auditierungen eigentlich quälen?
Dr. Uwe König (lacht): Nein bestimmt nicht. Eigentlich haben wir nur in den Gesetzestext und in die Zukunft geschaut. Beim genauen Lesen der Verordnung kommt man automatisch zu diesen Nebenbedingungen bei der Lieferung eines autorisierungspflichtigen SVHC-Produkts. Sonst stünden wir alle mit einem Fuß im Gefängnis. Aber wir helfen unseren Kunden ja auch. Wir sind alles Praktiker und haben Best-Practice-Betriebe mit hervorragenden Werten. Überhaupt ist das große Datenmaterial unser deutlicher Pluspunkt. Hier haben die Betriebe hervorragend mitgearbeitet. Aber auch hier zeigt die Erfahrung, dass das vorhandene Datenmaterial abgeglichen werden muss, um es für angemessene und machbare Entwicklungen nutzen zu können. Diese Erfahrung wollen wir durch Beratung weitergeben und natürlich auch nachvollziehen können. Sonst funktioniert das nicht.
WOMag-Redaktion: Und wenn dann ein Betrieb die Risikowerte übersteigt?
Peter Glaum: Dann werden wir das durch unser engmaschiges Netz und die Messstandards, die wir gerade mit einem renommierten Messinstitut erarbeiten, feststellen. Und dann stelle ich mir das so vor wie bei einem Qualitätsaudit: Die Mängel müssen in einem bestimmten Zeitkorridor geschlossen werden. Dazu bietet uns die neue TRGS eine Reihe an Maßnahmen. Wir wollen den Betrieben helfen, ein Vorzeigebetrieb zu sein - das war und bleibt unser Anspruch.
WOMag-Redaktion: Was passiert, wenn das nicht klappt?
Peter Glaum: Wenn sich ein Betrieb verweigert und trotz aller Bemühungen die Werte nicht besser werden, dann müssen halt auch mal die Lieferungen gestoppt werden.
WOMag-Redaktion: Dr. Zimmer war die prägende Figur im VECCO e. V. Hinterlässt sein Abgang zum ZVO nicht eine empfindliche Lücke?
Matthias Enseling: Warum denn das? Wir haben doch gar nicht aufgehört zusammen zu arbeiten. Wer Dr. Zimmer erlebt hat, weiß, dass sein besonderes Augenmerk und seine Stärke auf der politischen Bühne gelegen haben. Genau da ist er jetzt und da wollen wir weiter mit ihm arbeiten. Es gibt schon konstruktive Gespräche mit dem ZVO, die politische Arbeit gemeinsam fortzusetzen. Man muss nichts neu erfinden, was andere bereits schon gut machen. Und der ZVO ist hier sehr gut aufgestellt.
Außerdem sollte die Branche mit einer Stimme sprechen. Selbst für unsere kleinen mittelständischen Betriebe ist das die Möglichkeit, in Brüssel oder Berlin einmal Gehör zu finden. Die Zusammenarbeit kann auf vielen Ebenen vernetzt werden und das ist unterm Strich gut für die Unternehmen.
WOMag-Redaktion: Angenommen, Sie bekommen eine akzeptable Autorisierungszeit für Chromtrioxid. Lösen Sie dann den VECCO e. V. auf?
Marita Voss-Hageleit: Wer unsere Vereinssatzung liest, wird feststellen, dass da Chromtrioxid und andere Substanzen als Arbeitsfeld genannt sind. Wenn ich mir den Aktionsplan der ECHA und der Europäischen Kommission (CoRAP) und weiteren Listen der Stoffe unter Beobachtung (Public Activities Coordination Tool (PACT)) so anschaue, wird uns die Arbeit nicht ausgehen in den nächsten Jahren. REACh wird uns auf Trab halten. Aber wir sind inzwischen sehr gut gerüstet und mir ist es nicht bange vor der Zukunft.
WOMag-Redaktion: Danke für dieses Gespräch.