Trocknung gefrorener Profile für den Flugzeugbau

Werkstoffe 03. 09. 2017
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Eine der Hauptbaugruppen im Flugzeugbau stellt der Flugzeugrumpf dar, der sowohl alle anderen Flugzeugteile verbindet als auch Cockpit, Passagier- und Nutzlastenräume beinhaltet. Damit Kräfte optimal aufgefangen werden, hat der Rumpf einen runden oder ovalen Querschnitt, der überdies der Aerodynamik gerecht wird. Somit werden zum Bau des Rumpfes an die Form angepasste Profile benötigt. Die Erzeugung der Form stellt die Hersteller vor besondere Herausforderungen, denn sie kann nur bei bestimmten Temperaturen und nur in einem sehr begrenzten Zeitfenster stattfinden. Ein niedersächsisches Unternehmen fand hier eine Lösung durch eine Kombination aus Gefrieren, Antauen und Trocknen.

Konzept der Gesamtanlage

 

Claudius Peters aus Buxtehude stellt in seiner Aerospace Division Flugzeugkomponenten für das europäische Airbusprogramm her. Unter anderem werden dort Aluminiumprofile produziert und verarbeitet, die später einmal Teil eines Corpus von Flugzeugen werden. Viel Know-how ist notwendig, um die entsprechende Geometrie zu erzielen und ganz besonders, um spätere Ermüdungen oder Risse zu verhindern. Die Kräfte, die während des Fluges auf das Material einwirken, sind enorm. Ebenso wie die internationalen Vorschriften im Flugzeugbau, denen die Baugruppen natürlich Genüge leisten müssen.

Das weltweit operierende Unternehmen, das Teil einer privaten Engineering-Gruppe in England ist, gefriert die Profile, damit das innere Gefüge seinen Zustand behält. Im aufgetauten Zustand können die Aluminium­profile dann verarbeitet werden. Dafür steht gemäß der Verarbeitungsvorschriften lediglich ein kurzes Zeitfenster zur Verfügung. Allerdings ist diese Zeit nur bedingt nutzbar, denn während der ersten Auftauphase entsteht ein Kondensat an den Profilen. Zur Verarbeitung müssen die Teile aber komplett trocken sein. Zudem müssen die Profile bis in den Kern eine konstante Temperatur aufweisen, damit sie nach dem Trocknen nicht nochmals nachkühlen und erneut Kondensat entsteht, legt Mona Lemke, Leiterin des Flugzeugteilebaus bei Claudius Peters dar. Auch dürfen 60 °C Trocknungstemperatur beziehungsweise 25 °C Produkttemperatur nicht überschritten werden, da die Bauteile sonst beschädigt oder nicht direkt weiterverarbeitet werden können, so Lemke weiter. Doch die Anforderungen seitens Claudius Peters sind noch umfangreicher. Auch in Sachen Trocknungszeit, Energie und Geräuschbelastung hat der Komponentenhersteller die Messlatte hochgelegt. Um all diese Hürden zu meistern, machte sich Claudius Peters auf die Suche nach einem entsprechenden Partner für eine passende Trocknung und wurde beim Trocknungsanlagenbauer Harter aus Stiefenhofen im Allgäu fündig.

Niedertemperatur als wesentlicher Parameter

Die Harter GmbH bietet mit ihrer Kondensationstrocknung auf Wärmepumpenbasis eine ideale Lösung für eben diese komplexen Anforderungen. Ihre Art zu trocknen erfüllt kurze Trocknungszeiten, gleichmäßige Trocknung, konstante Parameter und vor allem niedrige Temperaturen. Das Projekt von Claudius Peters war dennoch in einigen Punkten eine große Besonderheit und erforderte viel Kreativität und Entwicklungsgeist seitens Harter. Wie in aller Regel wurden als erstes Trocknungsversuche durchgeführt. Zuerst wie üblich im Technikum bei Harter, zusätzlich vor Ort beim Kunden mit einer mobilen Versuchsstation. Auf diese Weise wurde der Weg für eine erfolgreiche Umsetzung dieses Projekts geebnet.

Durch die realisierte Trocknung konnte die Auftauzeit signifikant verkürzt und somit die Bearbeitungszeit verlängert werden. ­Heute werden die Profile bei Temperaturen zwischen 50 °C und 60 °C bei fester Trocknungszeit vollständig, homogen und zugleich schonend getrocknet. Nach der Trocknung haben die Profile eine ­Produkttemperatur von etwa 20 °C und liegen somit im geforderten Bereich zwischen 15 °C und 25 °C. Sie sind trotz ihrer schwierigen Geometrien an allen Stellen komplett trocken, sodass ein Nachkühlrisiko ausgeschlossen ist. Doch wie genau ist es physikalisch möglich, all diese Anforderungen zu erfüllen und wie wurden sie technisch umgesetzt?

Mona Lemke, Leiterin des Flugzeugteilebaus bei Claudius Peters, vor der neuen Anlage

 

Luftentfeuchtung und Luftführung

Um das verstehen zu können, ist eine ­kurze Erläuterung der Funktionsweise der Kondensationstrocknung mit Wärmepumpe sinnvoll. Harter hat dieses permanent weiter­entwickelte Verfahren vor über 25 Jahren erstmals auf den Markt gebracht und nutzt hier einen alternativen physikalischen Ansatz. Die Luft, die für die Trocknung verwendet wird, wird vorab in einem Aggregat sehr stark entfeuchtet und gleichzeitig erwärmt. ­Diese nun ungesättigte Luft wird in den Trockner und über die zu trocknenden Produkte geführt und nimmt dabei die Feuchtigkeit in kürzester Zeit auf. Anschließend wird die nun gesättigte Luft zurück ins Entfeuchtungs­aggregat geführt und gekühlt. Das Wasser kondensiert aus und verlässt die Anlage. Im geschlossenen Kreislauf wird dann die wieder erwärmte trockene Luft erneut zur Trocknung bereitgestellt.

Durch das Trocknen mit trockener Luft ist es möglich, im Niedertemperaturbereich zu bleiben. Die Trocknungstemperatur kann je nach Anwendung und Kundenwunsch zwischen 20 °C und 90 °C variierbar eingestellt werden; in der Regel liegt sie zwischen 45 °C und 75 °C. Dieses Trocknungsverfahren kombiniert somit von Natur aus mehrere vorteilhafte und wünschenswerte Charakteristika. Doch die trockene Luft allein ist nur die halbe Miete, erläutert Michael Richter vom technischen Vertrieb bei Harter, denn der zweite wesentliche Faktor für eine erfolgreiche Trocknung ist die richtige Luftführung. Harter integriert in jede Trocknungsanlage ein individuell gestaltetes Luftleitsystem. Somit wird gewährleistet, dass die ungesättigte Luft zielgenau auf, über oder durch die zu trocknenden Produkte strömt und nicht wahllos daran vorbei. Im Innendesign jedes Trockners steckt aus diesem Grund viel Know-how von Seiten Harter und natürlich auch einfach die Erfahrung aus einem Vierteljahrhundert Trocknungsanlagenbau.

Trocknung im Durchlauf

Bei Claudius Peters wurde eine Trocknungsanlage im Durchlaufverfahren realisiert. Die zu trocknenden Profile mit unterschiedlichen Stärken variieren in der Länge zwischen 30 cm und 10 m. Deshalb kam hierfür nur eine kontinuierliche Lösung in Frage. Ein Rollenförderer nimmt die tiefgefrorenen Profile mit einer Ursprungstemperatur von -25 °C auf und befördert sie zum Trocknungstunnel. Dieser Tunnel ist innen mit einem Edelstahl-Rollenförderer ausgestattet, der speziell für eine optimale Luftführung konzipiert wurde. Angeschlossen an den Durchlauf­trockner ist ein sogenanntes Airgenex®-Aggregat, in dem das erforderliche Klima für die Trocknung geregelt wird. Aus Platzgründen wurde das Entfeuchtungsaggregat in diesem Fall auf dem Durchlauftrockner platziert.

In einem ersten Schritt werden die Profile mithilfe eines Umluftventilators aufgetaut bis die Oberfläche eisfrei ist. Anschließend werden die Wassertropfen mit Abblasdüsen von der Oberfläche entfernt. Harter ­installierte hier eine spezielle Abblastechnik, die dem großen Portfolio an Profilen gerecht werden konnte – für große und schwerere Profile und auch kleinere und damit leichtere. Alle erhalten die maximale Abblasung und verbleiben durch eine technische Raffinesse trotzdem auf dem Rollenförderer. Gleichzeitig sorgen zwei Umluftventilatoren und spezielle Luftleitbleche für eine gleichmäßige Verteilung der trockenen Luft im Trockner.

Nach vollzogener Trocknung werden die Profile aus dem Trockner über einen weiteren Rollenförderer zur Entnahmestelle transportiert. Die einzelnen Rollen aller Förderer sind mit Kunststoff überzogen, damit die Aluminiumprofile nicht verkratzt werden. Der Trockentunnel hat Maße von 1600 mm x  3200 mm x 1600 mm (Länge x Breite x Höhe). Der Rollenförderer hat bei gleicher Länge eine Breite von 800 mm und eine Förderhöhe von 1000 mm. Die Bandgeschwindigkeit ist anpassbar. Die längsten Profile mit 10 m Länge beispielsweise sind nach zwei Minuten aufgetaut und trocken.

Energiesparend und geräuscharm

Auch energetisch ist die Airgenex®-Kondensationstrocknung interessant. Ein- und Ausgang am Trockentunnel sind so konzipiert, dass Wärmeverluste so gering wie möglich gehalten werden. Die Verrohrung zwischen Aggregat und Trockner ist isoliert, um die wertvolle Wärme im System zu halten. Die integrierte Wärmepumpentechnologie sorgt für eine effiziente Luftaufbereitung. Die Anschlussleistung des Entfeuchtungsaggregats liegt bei lediglich 4,3 kW. Zuzüglich der eingesetzten sechs Abblas- und Umluftventilatoren wird die von Claudius Peters geforderte maximale Anschlussleistung von 20 kW eingehalten.

Überdies sollten die Mitarbeiter keiner großen Lärmbelastung ausgesetzt werden. Somit war eine weitere Anforderung, dass der Trockner bei laufenden Ventilatoren einen Schalldruckpegel von 72 Dezibel nicht überschreiten durfte. Auch diesem Anspruch wurde Harter gerecht. Mit diesem Trocknungsverfahren haben wir eine technisch einwandfreie Lösung erhalten, die konstante Prozessparameter, eine leichte Bedienbarkeit liefert und unsere vielen und hohen Anforderungen voll erfüllt, so Lemke abschließend.

Kontakt

Harter GmbH, Harbatshofen 50, D-88167 Stiefenhofen; Michael Richter;
Tel.: +49 8383 / 9223–19; michael.richter@harter-gmbh.de

  • www.harter-gmbh.de

Claudius Peters Projects GmbH, Schanzen-
str. 40, D-21614 Buxtehude; Mona Lemke;
Tel.: +49 4161 / 706–318; mona.lemke@claudiuspeters.com

  • www.claudiuspeters.com
 

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