IVD-Aluminium-Beschichtung – zertifiziert für die Luft- und Raumfahrt

Oberflächen 04. 09. 2017
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Acorn Surface Technology Ltd ist ein auf Oberflächentechnik spezialisiertes Unternehmen, das in Kirkby-in-Ashfield bei Nottingham in Großbritannien beheimatet ist. Es gehört seit Anfang 2016 zur AHC-Gruppe, ist jedoch schon wie die AHC Oberflächentechnik GmbH seit 2001 im Firmenverbund von Aalberts Industries NV. Seit ihrer Gründung im Jahre 1969 bot Acorn Anodisierverfahren (Harteloxal, Chromsäure- und Schwefelsäure-Anodisieren) in erster Linie für die fein­mechanische Industrie an.

In den folgenden Jahren richtete sich Acorn sehr stark auf die Luft- und Raumfahrt­industrie aus, gestützt auf einem hohen technischen Know-how in den dort geforderten Anodisier- und Lackierverfahren. Mit zunehmender Anzahl von OEM- und Kunden-Zulassungen, einschließlich Airbus, ­Boeing, Bombardier und Rolls Royce, hielt das Unternehmen Ausschau nach neuen Technologien, in die es neben seinen In-house-Verfahrens­entwicklungen investieren konnte.

1998 griff Acorn die Technologie des ionengestützten Bedampfens mit Aluminium auf, bekannt unter dem Begriff IVD-Aluminium-Beschichtung (IVD = Ion Vapour Deposition). Acorn hat diese Technologie und die Verfahrenskapazitäten im Laufe von 18 Jahren erfolgreich weiterentwickelt. Die IVD-Aluminium-Beschichtung wurde ursprünglich von McDonnell Douglas als Ersatz für das Cadmieren von Stahl- und Titanbauteilen entwickelt. Das IVD-Aluminium wird vor allem für den Korrosionsschutz typischerweise im Temperaturbereich von 0 °C bis 300 °C eingesetzt. Die Beschichtung kann auch der Vermeidung bimetallischer oder galvanischer Korrosion dienen. Ein Beispiel ist die Beschichtung von Befestigungselementen aus Titan mit IVD-Aluminium, mit denen Alumi­niumbaugruppen verbunden werden.

Es lassen sich drei verschiedene Beschichtungsklassen definieren. Die Beschichtung nach Klasse 1 mit mindestens 25 μm Schichtdicke bietet die beste Korrosionsbeständigkeit (mindestens 504 h im Salzsprühtest nach ASTM B117). Beschichtungsklasse 2 ­findet oft Anwendung für bearbeitete Teile, wo enge Toleranzen gefragt sind. Die Schichtdicke liegt hier im Allgemeinen zwischen 13 µm und 25 μm. Beschichtungen nach Klasse 3 schließlich werden üblicherweise aufgebracht auf Befestigungselemente und andere filigrane Komponenten mit engen Toleranzen. Hier beträgt die Schichtdicke typischerweise 8 µm bis 13 μm und bietet die geringste Korrosionsbeständigkeit. Die Korrosionsbeständigkeit kann in allen Fällen durch eine nachfolgende chemische Konversionsbeschichtung erhöht werden.

Es gibt eine Reihe von wichtigen Prozess­schritten bei der IVD-Beschichtung mit Aluminium auf metallischen Substraten. Zunächst werden die Teile entfettet, um Zerspanungs- oder Dewateringöle zu entfernen, gefolgt von einem feinkörnigen Sandstrahlen. Zum einen wird dabei die Oberfläche ­mechanisch gereinigt, zum anderen wird ein Profil mit einer großen Oberfläche erzeugt. Letzteres unterstützt die physikalische Bindung der Beschichtung zu dem Substrat.

Der letzte Schritt erfolgt in der Vakuum-­Beschichtungskammer. Die Teile werden während des Prozesses auf einem elektrisch leitenden Gestell gehalten. Das Gestell kann während des Verfahrens fixiert sein oder bewegt werden. Eine Bewegung verbessert die Verteilung der Beschichtung auf komplexer geformten Teilen. Der ­Beschichtungsprozess erfolgt in einer evakuierten Beschichtungskammer. Dieser wird Edelgas zugegeben, eine elektrische Spannung angelegt und damit eine Plasma-Glimmentladung erzeugt, die als violettes Leuchten in der Kammer deutlich sichtbar ist. Als Folge entsteht eine sehr saubere Oberfläche auf dem Substrat.

Zu Beginn des eigentlichen Beschichtungsprozesses wird Aluminiumdraht einer Reihe von hocherhitzten Keramiktiegeln zugeführt. Mittels einer angelegten Hochspannung werden sehr hohe Temperaturen erzeugt und das Aluminium verdampft zu einem elek­trisch geladenen Nebel (ionisiert). Die negativ geladenen Aluminiumatome bewegen sich durch das Vakuum und scheiden sich auf den zu beschichtenden Teilen ab, die elektrisch geerdet sind.

Die Aluminiumquelle kann unterhalb der Teile bewegt werden, die von einem Metallgestell herabhängen. Dadurch wird eine große Menge an Teilen in einem Vakuumdurchlauf ­beschichtet. Eine weitere Variante ist, mit einer festen Beschichtungsquelle zu arbeiten. Die Teile bewegen sich dann oszillierend durch den optimierten Beschichtungsbereich. Beide Methoden haben ihre Vorteile und sind das Ergebnis der Entwicklung des Produktionsprozesses.

Nach der Beschichtung mit IVD-Aluminium haben die Teile ein mattgraues Aussehen und werden sorgfältig nachbehandelt. Der nächste Schritt ist, die Poren in der äußeren Oberfläche der Beschichtung durch Glasperlenstrahlen zu schließen. Die Teile können direkt in diesem Zustand verwendet werden, oder, was häufiger ist, die reine Aluminiumoberfläche wird durch eine chemische Konversionsbeschichtung mit anschließende Passivierung auf Basis von Chrom(III) umgewandelt.

Nach der Beschichtung hat Acorn die Möglichkeit, die Qualität der Beschichtung unter Verwendung einer Anzahl verschiedener Prüfmethoden zu bestimmen. Üblicherweise erfolgt dies bei Eisenwerkstoffen mit Hilfe einer Wirbelstromsonde oder bei Nichteisen-Werkstoffen wie Titan- oder Kupferlegierungen über mechanische Maßprüfungen. Ein weiterer großer Vorteil der IVD-Aluminium-Beschichtung ist, dass sie bereits nach einer einfachen Oberflächenvorbehandlung lackiert werden kann. Die Oberfläche eignet sich für viele Lacke einschließlich allgemein vorgeschriebener flüssigkeitsdichter Primerlacke auf Epoxidharz-Basis sowie Trockenfilm-Schmierstoffe.

Acorn ist traditionell stark auf den Luftfahrt- und Verteidigungssektor ausgerichtet, die beide in Großbritannien gut etabliert sind. In diesem Zusammenhang war Acorn weltweit das erste Unternehmen, das eine NADCAP-Zertifizierung für das IVD-Aluminium-Beschichtungsverfahren erhalten hat.

Das Verfahren ist auch für eine Reihe von großen Luft- und Raumfahrtunternehmen wie Airbus, Boeing, Bombardier, Leonardo, Rolls-Royce, Safran und UTC zertifiziert. Die Bauteile, die für diese Endkunden beschichtet werden, können in Größe und Komplexität in erstaunlichem Ausmaß variieren. Durch ein spezielles Trommelbeschichtungsverfahren, bei dem Teile in einer Trommel über eine feststehende Quelle gedreht werden, wird eine dünne IVD-Aluminiumschicht in einem Batch-Prozess mit typischerweise Tausenden kleiner Befestigungselemente pro Charge aufgetragen.

Immer öfter wird das IVD-Aluminium-Beschichtungsverfahren für größere Bauteile gefordert, wo die Beschichtung ganzflächig sein kann, oder selektiv unter Verwendung von Maskierungen aufgetragen wird. Diese Beschichtungen sind häufig dicker und verfügen über eine ausgezeichnete Korrosionsbeständigkeit. Typische Beispiele sind etwa Flugwerkkomponenten, Motorkomponenten und Mischmetall-Baugruppen.

Die Produktionsstätte bei Acorn kann vier verschiedene IVD-Aluminium-Beschichtungskammern einsetzen: zwei Anlagen mit Trommel für kleinere Teile und zwei weitere große Beschichtungsanlagen zur Beschichtung von größeren Teilen bis zu 2 m Länge und bis zu 300  mm Breite. Sie sind aber auch ausgelegt für kleinere Teile.

Der Fokus auf die Prozessentwicklung ermöglichte es Acorn, die Kundenbasis deutlich zu erweitern. Acorn beliefert heute Kunden im globalen Maßstab. Mehr als die Hälfte der IVD-Beschichtung mit Aluminium geht an Kunden in Europa, der Rest an Kunden in ­Asien und Amerika.

  • www.ahc-surface.com
 

Text zum Titelbild: Business Development Manager Jonathan ­Riches, Geschäftsführer David Cox und Werk­leiter Paul Brown vor einer IVD-Beschichtungskammer (von links nach rechts)

 

Befestigungselemente mit einer IVD-Aluminiumbeschichtung von Acorn

 

IVD-beschichtete Bauteile mit Maskierung im inneren Durchmesser, die nach der Aluminiumbeschichtung passiviert wurden

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