Prozessüberwachung mit wartungsfreien Sensoren

Oberflächen 08. 11. 2017

Einsatz von Thermometrie und optischer Detektion in der Oberflächentechnik

Von M.Sc. Lucia Becker, Filderstadt

Für die Analyse von Prozesslösungen in der nasschemischen Oberflächenbehandlung bieten Sensoren zur Erfassung von thermischer Energie und Farben eine deutliche Hilfe. Sie unterstützen die sichere Detektion von Umschlagspunkten bei der Titration und erlauben damit, die Analysen zu automatisieren. Analysen zur Bestimmung von Metallen in Elektrolyten und ionischen Bestandteilen in Phosphatierungen sind Beispiele für den Einsatz von automatisierten Analysesystemen, die auch in die Prozesssteuerung eingebunden sein können und damit ein Baustein für den Schritt zu Industrie 4.0 darstellen.

Process Monitoring with Maintenance-Free Sensors
Applications of Thermometry and Colorimetry in Surface Finishing Technology

For the analysis of process solutions in aqueous surface finishing, sensors are an invaluable means of measuring temperature and colorimetric parameters. They allow a reliable determination of end-point in titrations and thus enable automated analyses. Determination of metal ion concentrations in electrolytes and the ionic components in phosphating solutions are two examples of analyses which are routinely automated and can thus be linked to process control. As such, they form critical elements in the transition to Industry 4.0.

In der modernen Oberflächenbehandlung wird der Ruf nach einer möglichst lückenlosen Überwachung von Spül- und Beschichtungsmedien immer lauter. Die Verfügbarkeit umfassender elektronischer Dokumentationen der Zustände von Behandlungsmedien über längere Zeiträume ist im galvanischen Fertigungsprozess schon beinahe Pflicht.

So werden beispielsweise im Automotive­bereich viele Aufträge an Zulieferer nur noch mit der Auflage zur Einführung einer automatisierten Prozesskontrolle, die auch die Analytik umfasst, vergeben. Auch der Aspekt der Vernetzung und Digitalisierung im Rahmen von Industrie 4.0 zwingt die ­Betriebe dazu, sich Gedanken zur Ausweitung von prozessnaher, automatisierter Analytik zu machen. Die engmaschige Überwachung von Schlüsselparametern, die zur Prozesssteuerung und als Nachweis für die Qualitätssicherung verwendet werden, garantiert eine gleichbleibende Produktqualität.

Basis der Überwachung sind meist die Vorschriften des Chemieherstellers beziehungsweise Chemielieferanten. Diese Vorschriften beinhalten gängiger Weise nasschemische Analysenmethoden, die gemäß den Vorgaben der Hersteller zum Teil aus mehreren aufwendigen Vorbereitungs- und Umsetzungsschritten, wie Verdünnen, Erhitzen, Fällungsreaktionen und Auswertung mittels Farbindikatoren, bestehen können. Um der vom Hersteller empfohlenen Analysenvorschrift gerecht zu werden und dennoch prozessnah zu analysieren, bietet sich für die Prozessüberwachung eine automatisierte Umsetzung der bewährten Laborvorschriften an.

Außerdem können für weitergehende, qualitätssichernde Maßnahmen auch eigene Standards definiert werden. Dazu zählt beispielsweise die Überwachung einer Störkomponente, die sich negativ auf einen Folgeprozess, zum Beispiel eine Klebung, auswirken kann.

Um nun eine effektive Kosten-/Nutzenabwägung durchführen zu können, sind auch an die Prozessanalytik hohe Anforderungen gestellt. Die Analyse- und Auswertetechniken müssen sich stetig weiterentwickeln, ohne dass Abweichungen zu den Analyseverfahren der Chemiehersteller entstehen.

1 Sensortechnik für die Analytik

Ein großer Entwicklungsschritt in Richtung robuste Sensortechnik mit möglichst langen Wartungsintervallen wurde mit dem thermometrischen und den optischen Sensoren gemacht. Klassisch angewandte Elektroden auf elektrochemischer Basis weisen den Nachteil auf, dass die Sensoroberfläche sich über die Zeit verändert. Es kommt zu Memoryeffekten und Nachlassen der Sensitivität. Das hat eine Nachkalibrierung zur Folge und der Sensor muss von Zeit zu Zeit ausgetauscht werden. Des Weiteren benötigen die Elektroden eine gewisse Pflege durch Nachfüllen des ausfließenden Elektrolyten und auch das Einhalten von Regenerationszeiten hat sich bewährt. All diese Nachteile treten bei thermometrischen oder optischen Sensoren nicht auf.

2 Thermometrie - Can you feel the heat?

Die thermometrische Titration (TET), beruht auf der Detektion einer Temperaturveränderung, verursacht durch eine Veränderung der Reaktionsenthalpie (H). Diese Änderung basiert auf Grundlage der sogenannten Gibbs-Helmholtz-Gleichung:

H° = G° + T 

mit:

ΔG° = Änderung der freien Reaktions­energie

T = absolute Temperatur

ΔS° = Änderung der Reaktionsentropie

Jede chemische Reaktion ist mit einer Änderung der Reaktionsenthalpie beziehungsweise der Reaktionswärme verbunden und macht diese zu einem universellen Parameter. Eine chemische Reaktion kann entweder exotherm oder endotherm verlaufen. Bei einer exothermen Reaktion wird Reaktions­energie frei gesetzt, was zu einer Erhöhung der Temperatur führt. Bei einer endothermen Reaktion hingegen wird Energie, zum Beispiel in Form von Wärme, aus der Umgebung aufgenommen und die Temperatur sinkt. Für den Fall einer einfachen Reaktion bedeutet dies, dass die Änderung der Temperatur von der umgesetzten Stoffmenge des Produkts abhängig ist. Bei einer Titration verändert sich also nur solange die Temperatur, wie die zugegebene Maßlösung mit dem Analyten in der Probe reagiert. Ist der gesamte Analyt umgesetzt, bleibt die Temperatur im Idealfall konstant oder ändert ihre Steigung (Abb. 1).

Abb. 1: Idealisierte thermometrische Titrationskurven für stöchiometrische Reaktionsgleichgewichte für eine exotherme (links) und endotherme (rechts) Reaktion; aufgetragen ist die Temperaturänderung in Abhängigkeit des zugegebenen Volumens an Titriermittel

 

3 Thermometrische Titration online

Mit einem Prozesssystem ist die Überwachung von Prozessen vollautomatisch und rund um die Uhr möglich. Sowohl die auto­matisierte Probennahme und -vorbereitung als auch die selbstständig durchgeführte Analytik bis hin zur Ergebnisausgabe an das Prozessleitsystem sind Aufgaben eines Prozessanalysators. Bei dem speziell für die thermometrische Titration verfügbaren System der Metrohm Process Analytics handelt es sich um den 2035 Process Analyzer – Thermometrie (Abb. 2).

Abb. 2: 2035 Process Analyzer – Thermometrie von Metrohm Process Analytics

 

Ein Anwendungsbeispiel aus dem Bereich der Oberflächentechnik ist die Überwachung von Elektrolyten zur stromlosen Nickel­beschichtung auf ihren Nickel- und Hypophosphitgehalt.

Bei der Bestimmung von Nickel handelt es sich um eine komplexometrische
Titration mit EDTA. Die Nickelionen bilden unter Freisetzung von Reaktionswärme mit NaEDTA einen Chelatkomplex. Diese Reaktion verläuft demnach exotherm und ist thermometrisch sehr gut zu detektieren. Die Bestimmung des Hypophosphits unterliegt einer Redoxreaktion (Kurzbezeichnung für Reaktionen, die aus Reduktion und/oder Oxidation von Ionen beziehungsweisen Atomen bestehen) mit Jod, das im Überschuss zur Probe zudosiert wird (Abb. 3). Anschließend wird das überschüssige Jod mit Natriumthiosulfat zurücktitriert und der Hypophosphitgehalt wird berechnet (Abb. 4). Auch hier handelt es sich um eine exotherme Reaktion.

Abb. 3: Thermometrische Titrationskurve eines chemischen Nickelelektrolyten; 12 g/L Nickel, 5 mL Probe

Abb. 4: Thermometrische Titrationskurve eines chemischen Nickelelektrolyten; 23.3 g/l Hypophosphit, 10 mL Probe

 

Da bei der thermometrischen Titration (TET) die Änderung der Reaktionswärme gemessen wird und diese sich sowohl bei einer komplexometrischen als auch bei einer Redoxreaktion ändert, kann der selbe Sensor für beide Titrationen verwendet werden.

Bei dem Sensor für die thermometrische Titration handelt es sich um den sogenannten Thermoprobe (Abb. 5); ein Temperaturfühler (Thermistor), der auf Halbleitertechnologie basiert und sich dadurch auszeichnet, jede Temperaturveränderung schnell und präzise zu erfassen. Außerdem besitzt der robuste Thermoprobe besondere Chemikalienresistenz und ist damit auch für den Einsatz in aggressiven und sogar HF-haltigen ­Medien bestens geeignet. Der größte Vorteil des Thermoprobe ist jedoch seine absolute Wartungsfreiheit. Er muss weder kalibriert noch konditioniert werden und auch das Nachfüllen von Elektrolytlösung ist nicht erforderlich. Somit besticht die thermometrische Titration durch ihre universelle Einsatzmöglichkeit und einen langlebigen Sensor.

Abb. 5: Thermoprobe, der Sensor für die thermometrische Titration (TET)

 

4 Optrode – Titration in neuem Licht

Die visuelle Indikation mit Farbindikatoren ist die am längsten bekannte Methode zur Erkennung des Titrationsendpunkts und wird noch immer häufig angewendet. Auch viele Analysenvorschriften der Hersteller von Chemie und Verfahren für die Oberflächenbehandlung beruhen auf der photometrischen Titration, bei welcher der Endpunkt durch ­einen Farbumschlag gekennzeichnet ist. Der große Nachteil dieser Methode ist ihre Fehleranfälligkeit, da das Farbempfinden einer jeden Person verschieden und in gefärbten oder trüben Probelösungen der Farbumschlag oft schwierig zu erkennen ist. Wird nun das subjektive menschliche Auge durch einen objektiven Sensor ersetzt, kann die gesamte Analytik automatisiert und validiert werden.

Die Optrode von Metrohm (Abb. 6) ist ein photometrischer Sensor für Titrationen mit optischer Endpunkterkennung. Da mit der Optrode insgesamt auf acht Wellenlängen detektiert werden kann, ist dieser Sensor für viele unterschiedliche Applikation geeignet. Außerdem ist er zu 100 % lösemittelresistent und muss weder mit Elektrolytlösung befüllt noch konditioniert werden.

Abb. 6: Optrode, der Sensor für die Endpunktindikation einer photometrischen Titration

 

Eingesetzt wird die Optrode beispielsweise in der Automobilindustrie um unterschied­liche Metallionen (z. B. Zink, Zirkonium, Nickel, Mangan) im Prozess der Phosphatierung zu überwachen. Bei der Bestimmung des Nickel- und Mangangehalts wird zuerst eine Titration der Probe mit dem Komplexbildner EDTA durchgeführt. Da zuvor ein Farbindikator zugegeben wird, färbt sich die Lösung am Endpunkt rot; dieser wird bei etwa 660 nm mit der Optrode sicher erfasst. Der Endpunkt entspricht dem Summenparameter für den Nickel- und Mangangehalt. Anschließend wird erneut eine Probe genommen, Nickel ausgefällt und die Titration mit EDTA wiederholt. Trotz des Niederschlags, der durch die Fällung von Nickel im Messgefäß vorliegt, wird der Endpunkt präzise detektiert und entspricht nun lediglich dem Mangan­gehalt. Der Nickelgehalt wird berechnet.

5 Zukünftige Herausforderungen

Die steigenden Anforderungen an die Oberflächentechnik, wie zum Beispiel die Nachweispflicht gegenüber Endkunden, sowie die zukünftige Vernetzung der galvanischen Produktion (Stichwort: Industrie 4.0) verursachen enormen Druck auf die Beschichtungsindustrie.

Mit der Anwendung der Prozessanalytik und unter Verwendung von wartungsfreien Sensoren kann diesen Anforderungen zukünftig entsprochen werden. Die Prozessanalytik sichert eine kontinuierliche und verlässliche Überwachung der Prozesse, zur Einhaltung der Prozesswerte und zur stetigen Optimierung. Durch die volle Automatisierung der Probennahme und -analyse entfällt eine manuelle Probennahme, was die Arbeitssicherheit enorm erhöht. Außerdem werden der Material und Personalaufwand minimiert und die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert.

  • www.metrohm.de

 

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