Keimzelle für Spezialisten der Oberflächentechnik feiert Dreifachjubiläum

Oberflächen 08. 11. 2017

Die Fachschule für Galvanotechnik in Schwäbisch Gmünd als eine der wichtigsten Ausbildungsstätten für alle Sparten der Oberflächentechnik begeht ein seltenes Dreifachjubiläum: 90 Jahre Fachschule für Galvanotechnik, 25 Jahre Oberflächentechnik an der Gewerblichen Schule und 25 Jahre Fachschule für Leiterplattentechnik

Schwäbisch Gmünd war lange Zeit eines der wichtigsten Zentren für die Herstellung von Schmuck und vor allem für Sakralgegenstände aus Silber und Gold. Davon zeugen heute noch Einrichtungen wie die Hochschule für Gestaltung, heute vor allem auf dem Gebiet des Industriedesigns bekannt, dem Berufskolleg für Design, Schmuck und Gerät oder dem Forschungsinstitut für Edelmetalle und Metallchemie fem. Zusammen mit der Grundausbildung in Galvano- und Oberflächentechnik verfügt die Stadt damit im Prinzip über die komplette Qualifikationsreihe für den Nachwuchs. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Hochschule in Aalen mit einem Fachbereich für Oberflächentechnik seine Ursprünge in Schwäbisch Gmünd hat.

Alle Einrichtungen orientieren sich verständlicherweise am Bedarf der Industrieunternehmen. Daher darf es als logisch und trotzdem auch als weitsichtig und mutig angesehen werden, dass vor 25 Jahren als Ergänzung zum klassischen Galvanotechniker eine Einrichtung mit Spezialisierung auf Leiterplattentechnik gegründet wurde. Zu diesem besonderen Jubiläum hatte die Fachschule eingeladen; Oberstudiendirektorin Sabine Fath konnte dazu am 6. Oktober auch hochrangige Vertreter der Politik in den neuen Mensaräumen der stark erweiterten Fachschule begrüßen.

Fachausbildung erfordert Unter­stützung aus Politik und Wirtschaft

Die Ausbildung im Bereich der Oberflächen­technik ist derzeit auf vier große Zentren in Deutschland konzentriert. Damit kommt dem Schulträger die Aufgabe zu, mit Mitteln des Landkreises die überregionale Ausbildung zu finanzieren. Sowohl der zur Feier erschienene Landrat Klaus Pavel als auch der Staatssekretär Christian Lange (Mitglied des Deutschen Bundestages) betonten die Wichtigkeit der Ausbildungseinrichtung, die auch in Zukunft ideell und finanziell begleitet werden. Sie vergaßen aber auch nicht, die enorme Hilfe der Industrie im Umfeld der Oberflächentechnik und Leiterplattentechnik zu erwähnen. So wird die Fachschule durch Sachspenden beispielsweise mit Gerätschaften und Chemikalien versorgt. Zudem ermöglichen viele Betriebe den Studenten im Rahmen der Technikerausbildung die Absolvierung ihrer Abschlussarbeiten bei und mit den Unternehmen, sodass ein intensiver und reger Kontakt zwischen den Neu-Technikern und ihren zukünftigen Arbeitgebern aufgebaut und gepflegt werden kann. Eine ebenso wichtige Unterstützung erfährt die Schule durch den Förderverein für die Fachschulen der Galvano- und Leiterplattentechnik e. V. - kurz Galvanicus. Der Förderverein, dem sehr viele ehemalige Absolventen angehören, ist in der Lage, kurzfristig Finanzmittel für Einrichtungen, Lehrmaterial oder auch Exkursionen bereitzustellen und damit für eine optimale Anpassung der Ausbildung an die zum Teil schnelle Entwicklung, insbesondere in der Leiterplattentechnik, zu sorgen.

Besonders bei der Technikerausbildung, sowohl im Bereich der konventionellen Galva­notechnik als auch bei der für die extrem schnell wachsende Datentechnik unerlässlichen Leiterplattentechnik, gewinnt der Begriff der überregionalen Ausbildung eine besondere Bedeutung. Hier bietet die Fachschule in Schwäbisch Gmünd im Prinzip einen internationalen Service, der regelmäßig durch Studenten aus Österreich und der Schweiz in Anspruch genommen wird.

Schwieriger Anfang - erfolgreiches Bestehen

Prof. Peter Kunz, ehemals Hochschule Aalen und langjähriges Mitglied des Fördervereins Galvanicus, ließ die Entwicklung der Galvanotechnik in Schwäbisch Gmünd Revue passieren. So reichen die ersten ­Ansätze zur Ausbildung von galvanotechnischem Fachpersonal bis 1909 zurück, indem erstmals eine labormäßige Einrichtung zur Durchführung der galvanischen Vergoldung und des Metallfärbens entstand. 1922 folgte mit der Gründung des Forschungsinstituts für Edelmetalle und Metallchemie der nächste Schritt; hier wurden unter anderem Kurse für Galvanotechnik angeboten. Diese fanden vor allem aufgrund des steigenden Bedarfs an edlen Gegenständen von Besteck über Dekorationsgegenständen bis zu Schmuck nach Ende des ersten Weltkrieges eine starke Nachfrage nach entsprechenden Fachkräften.

Mit Hugo Krause konnte 1927 schließlich eine kompetente Fachkraft zur Gründung der Ausbildungseinrichtung für Galvanotechnik gewonnen werden. Mit einem Lehrumfang von 50 Wochenstunden wurde der reguläre Unterricht aufgenommen. Krause folgte der nicht minder bekannte Fachmann Prof. Dr. Ernst Raub als Lehrer an der Technikerschule, als Leiter des Forschungsinstituts für Edelmetalle und Metallchemie und schließlich als Mitgründer der Hochschule Aalen nach: Die Ausbildung zum Ingenieur für Oberflächentechnik (ab 1956) war im übrigen der erste Studiengang der Hochschule. In Schwäbisch Gmünd folgten weitere namhafte Persönlichkeiten im Bereich der Galvanotechnik, wie Prof. Arvid von Krusenstjern oder Karl Müller und Heinrich Leyendecker.

Mitte des letzten Jahrhunderts hatte die Technikerschule allerdings auch gegen Widerstände seitens der Schulbehörde zu kämpfen, die eine Mindestschülerzahl von 15 Schülern verlangte. Mit der Gründung des Fördervereins und dem nachdrücklichen Engagement von Fachleuten wie Peter Kunz, Walter Albert, Prof. Dr. Lieber, Hasso Kaiser oder Alois Kubat aus Industrie und Ausbildung gelang es, das Kultusministerium von der Notwendigkeit der Schule zu überzeugen und die Einrichtungen der Schule zu erweitern. Mit dem stark steigenden Bedarf an galvanotechnischen Verfahren zur Herstellung von elektronischen Schaltungen und der großen Zahl an Unternehmen, die sich auf diesem neuen Gebiet mit Entwicklungen hervortaten, wurden 1988 die Überlegungen und Planungen für eine Ausbildungs­einrichtung zur Ausbildung von Leiterplattentechnikern aufgenommen. 1992 war es dann soweit: Die Leiterplattentechniker erhielten ihre Fachausbildung und erhalten sie bis heute – als einzigem Standort weltweit.

Studiendirektor Volker Rogoll wies darauf hin, dass derzeit etwa 40 Personen die Technikerausbildung (Galvanotechnik und Leiterplattentechnik) wahrnehmen und etwa 200 Auszubildende den Blockunterricht in Schwäbisch Gmünd besuchen. Daneben haben die Technikerstudenten die Möglichkeit, den Meisterbrief durch die Belegung von weiteren Fächern zu erwerben, was ebenfalls in breitem Maße wahrgenommen wird. Ganz besonders zu betonen ist die Tatsache, dass die Absolventen der Technikerschule einer ungebrochen hohen Nachfrage aus der Industrie gegenüberstehen, die Ausbildung also bestens investierte Zeit ist!

Leiterplattentechnik in Deutschland

Auch wenn die Zahl der Leiterplattenhersteller in Deutschland in den letzten Jahren abgenommen hat, können innovative Unternehmen gegen die übermächtige Konkurrenz in Asien durchaus bestehen. Dies ­bezeugte Michael Vaas von der Vaas Leiterplattentechnologie in Schwäbisch Gmünd. Hierzu tragen die stetige Steigerung der Komplexität und Miniaturisierung der Elektronik der Smartphones, der Trend zum Internet der Dinge oder die Anstrengungen im Zusammenhang mit Industrie 4.0 ganz wesentlich bei.

Allerdings sind die Hersteller von Elek­tronikkomponenten wie Leiterplatten gefordert, die Preise für ihre Produkte kontinuierlich und deutlich zu reduzieren. Dazu sind nach den Worten von Michael Vaas erhebliche Entwicklungsleistungen in neue Verfahren und neue Anlagentechnologien zu erbringen. Dies wiederum ist nur von gut ausgebildeten Fachleuten zu leisten. Aus diesem Grund ist für Vaas die Zusammenarbeit mit der Fachschule und die Unterstützung der Schule ein Muss.

Unternehmen wie Vaas Leiterplattentechnologie werden insbesondere mit der Herstellung von Spezialprodukten beauftragt. Dazu zählen beispielsweise Leiterplatten mit besonderen Basismaterialien, flexible Leiterplatten für Hochfrequenzanwendungen oder Multilayer mit bis zu 32 Lagen. Da die Spezialprodukte in eher geringeren Stückzahlen hergestellt werden, sind eine hohe Flexibilität bei gleichzeitig optimaler und flexibler Anlagentechnik sowie bestens ausgebildete Fachleute eine Grundvoraussetzung für das Unternehmen.

Eine weitere ­Spezialität der deutschen Leiterplattenhersteller ist die Fertigung von übergroßen Leiterplatten. Zur Erfüllung der heutigen Anforderungen nimmt nach Aussage von Michael Vaas die Beratungstätigkeit von Leiterplattenherstellern einen immer größeren Raum ein. Durch die Möglichkeit, Technikerarbeiten bei und mit Vaas Leiterplatten­technologie durchführen zu können, lernen die angehenden Techniker den Umgang mit den Kunden und erlangen die Fähigkeit, sich nach Abschluss der Ausbildung schnell und mit gutem Erfolg in der ­Arbeitswelt zurecht­zufinden.

Moderne Einrichtungen für die Lehre

Ein wichtiges Standbein, besonders für die hochkomplexe ­Leiterplattentechnologie, ist die praxisnahe Herstellung elektronischer Schaltungen unter Anwendung aller Einzelschritte – von der Herstellung des Laminats bis zur Endbeschichtung der Leiterplatten. Hier verfügt die Technikerschule in Schwäbisch Gmünd unter anderem über eine neue Beschichtungsanlage der Walter Lemmen GmbH. Die Anlage mit Volumina der einzelnen Arbeitspositionen zwischen 30 L und 60 L wurde vor zwei Jahren in Betrieb genommen und ist mit den wichtigsten Verfahren ausgestattet, die auch ihre großen Schwestern in produzierenden Unternehmen besitzen. Hier können die Studenten ihre mittels CAD-Systemen hergestellten Entwürfe vom gepressten Laminat über das Aufbringen des Leiterbildes mit Hilfe von Phototechniken bis zum Ätzen der Kupferfolien, Beschichten der Leiterbahnen oder Durchkontaktieren der Lagen in Praxis durchführen.

Darüber hinaus stehen verschiedene Prüfeinrichtungen zur Verfügung sowie Möglichkeiten zur Bestückung der Leiterplatten, sodass der gesamte Produktionszyklus abgearbeitet werden kann; er ist in den Grundzügen vergleichbar mit dem großer Hersteller von einfachen Messgeräten über Steuerungen für Maschinen bis zum High-End-Produkt eines Mobiltelefons oder Tabletcomputers.

 

Fachlehrer Klotz (Mitte) erläutert den Besuchern der Jubiläumsveranstaltung die vorhandenen Einrichtungen für die Ausbildung der Fachrichtung Leiterplattentechnik

 

Text zum Titelbild: Galvanikanlage für die Leiterplattenherstellung mit peripheren Einrichtungen

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