Reibung von Führungsdrähten und Katheterschläuchen

Medizintechnik 10. 05. 2018

– Recherche zur Technologie - Teil 2

Von Annabelle Schofer, Markus Niemann und Volker Bucher, Hochschule Furtwangen, Fachbereich Mechanical and Medical Engineering

Katheter und Führungsdrähte werden in verschiedenen medizinischen Fachbereichen sowohl für diagnostische wie auch für therapeutische Zwecke eingesetzt. Aufgrund der vielen verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten gibt es Form und Aufbau betreffend eine sehr große Variantenvielfalt. Die wichtigste Eigenschaft eines Medizinprodukts, die grundsätzlich vorhanden sein muss, ist die Biokompatibilität. Da es sich bei Kathetern und Führungsdrähten um medizinische Produkte handelt, deren Anwendungsbereich innerhalb des Körpers liegt, müssen Katheter und Führungsdrähte darüber hinaus zahlreichen anwendungsspezifischen Anforderungen gerecht werden, wobei hier der Aspekt der beim Ein- und Ausführen auftretenden Reibung betrachtet wird. Wird ein Katheter oder Führungsdraht in ein Hohlorgan eingeführt, entsteht beim Kontakt von Instrument und Gewebe Reibung. Um die Reibung zu reduzieren, werden auf die Katheter und Führungsdrähte spezielle Beschichtungen aufgebracht. Der zweite Teil der Abhandlung betrachtet den Aufbau der Führungsdrähte von Kathetern. Des weiteren werden die auftretenden Kräfte bei der Führung von Kathetern in den Gefäßen erläutert sowie Verfahren zur Bestimmung der Kräfte vorgestellt.

-Fortsetzung aus WOMag 4/2018-

2.3 Führungsdrähte

Führungsdrähte sind dünne Drähte, die zum Einführen und richtigen Positionieren von Kathetern benutzt werden.

2.3.1 Form und Aufbau

Abbildung 32 zeigt den grundlegenden Aufbau von Führungsdrähten. Sie bestehen standardmäßig aus einem festen Kerndraht, auch Versteifungsdraht oder Seele genannt, der von einem flexiblen Draht spiralförmig umwickelt wird. Zusätzlich kann der Führungsdraht ein sogenanntes Sicherungsband (Sicherheitsdraht) enthalten sowie über eine Kunststoffbeschichtung verfügen. Beim Führungsdraht wird zwischen Schaft und Spitze unterschieden. Die spiralförmige Ummantelung beginnt meist erst im Bereich der Spitze. Um eine exakte Steuerung des Führungsdrahtes zu ermöglichen, muss die Spitze flexibel sein. Diese Flexibilität wird über eine Verjüngung des Kerndrahts im Bereich der Spitze erreicht. Einige Führungsdrähte verfügen über zwei flexible Spitzen. Der Kerndraht kann fixiert oder innerhalb des Führungsdrahtes beweglich sein. Durch Zurückziehen des Kerndrahtes kann die flexible Spitze des Führungsdrahtes verlängert werden, was für Bereiche mit sehr kurvigem Gefäßverlauf von Bedeutung ist.

Es gibt Führungsdrähte mit gerader, gebogener oder j-förmiger Spitze (Abb. 33). Die gebogene j-förmige Spitze verhindert ein Eindringen des Drahtes in das Gewebe. Die gerade Spitze eignet sich besonders gut für enge Gefäße. Führungsdrähte variieren je nach Anwendung in Länge und Durchmesser. Die Länge liegt standardmäßig bei 145 cm bis 165 cm, der Durchmesser liegt stets unter 1 mm. Der Durchmesser der Krümmung der j-Spitze variiert zwischen 1,5 mm und 15 mm.

Aufgrund der verschiedenen Anwendungsgebiete existieren zahlreiche verschiedene Kombinationen der möglichen Herstellungsvarianten, aber auch eine große Zahl von Formen mit abweichenden, speziellen Ausführungen. Abbildung 34 zeigt beispielhaft drei für die Herzkatheterisierung typische Führungsdrähte.

Bei einer Ausführung (Abb. 34a) ist ein sich verjüngender Kerndraht spiralartig umwickelt, wobei die Umwicklung über das Ende des Kerndrahtes hinausreicht. Der Kerndraht und das Ende der Spirale sind über ein Sicherungsband aus Edelstahl verbunden, das am Ende der Spirale mit dieser sowie am Beginn der Verjüngung mit dem Kerndraht verschweißt ist. Der Draht besitzt keine Beschichtung.

Eine weitere Variante (Abb. 34b) besteht aus einem sich verjüngenden Kerndraht mit spiralförmiger Umwickelung, wobei die Umwicklung mit dem Kerndraht endet. Kerndraht und Spirale sind am Ende miteinander verschweißt. Zusätzlich ist der gesamte Draht (Schaft und Spitze) mit einem Polymer ummantelt. Bei der dritten gezeigten Ausführung (Abb. 34c) ist der sich verjüngende Kerndraht über die gesamte Länge nur mit einem Polymer ummantelt.

Bei den kunststoffummantelten Führungsdrähten werden oftmals im Bereich der Spitze und des Schaftes unterschiedliche Polymere verwendet. Sowohl die polymerummantelten als auch die nicht-ummantelten Führungsdrähte sind mit und ohne Beschichtung erhältlich. Auch hierbei werden oftmals für Schaft und Spitze unterschied­liche Beschichtungen aufgetragen.

2.3.3 Material und Beschichtung

Damit sie dem beim Einführen aufgebrachten Druck nicht nachgeben, sondern eine Bewegung in die gewünschten Richtung ausführen, müssen Führungsdrähte weniger flexibel, aber dafür stabiler als die Katheterschläuche sein. Dennoch ist auch bei ihnen eine gewisse Flexibilität erforderlich, um dem Gefäßverlauf überhaupt folgen zu können. Für diese Eigenschaft eignen sich metallische Verbindungen. Gleichzeitig müssen sie biokompatibel sein.

Metallische Werkstoffe neigen allerdings zur Korrosion, was generell bei medizinischen Produkten vermieden werden sollte. Um sowohl die nötige Stabilität als auch die notwendige Biokompatibilität zu erreichen, werden sowohl für die Kerndrähte als auch für die spiralförmigen Umwicklungen im Allgemeinen Edelstähle verwendet, da diese eine hohe Beständigkeit gegenüber Korrosion besitzen. Sehr häufig findet eine FeCrNiMo-Legierung (Chrom-Nickel-Stahl) mit 17 % bis 20 % Chrom, 12 % bis 14 % Nickel und 2 % bis 4 % Molybdän Verwendung.

Ein weiterer verwendeter Werkstoff ist Nitinol, eine Nickel-Titan-Legierung mit etwa 55 % Nickelanteil. Nitinol ist sehr biegsam und gehört zu den Formgedächtnislegierungen. Ein daraus hergestellter Draht kann auch nach mehrfacher Verformung ohne Brechen in seine Ausgangsform gebracht werden. Bei Nitinol ist die Anfälligkeit für Abknicken sehr gering, wobei die Gesamtstabilität etwas geringer ist als bei Chrom-Nickel-Stahl.

Der Durchmesser des Kerndrahts am vordersten Ende beträgt etwa 20 µm bis 100 μm. Die Verjüngung erfolgt stufenweise mit weichen Übergängen. Die Steifigkeit des Drahtes kann bei der Herstellung sowohl durch die Wahl des Materials als auch durch einen entsprechenden Durchmesser und eine entsprechende Abstufung des Kerndrahts eingestellt werden.

2.4 Zusammenwirken Katheterschlauch und Führungsdraht

Bei Herzkatheterisierungen wird zunächst mit einer Kanüle die Arterie oder Vene an der entsprechenden Stelle punktiert. Durch die Kanüle wird der Führungsdraht ein kleines Stück in das Gefäß eingeschoben. Der Führungsdraht ist dünn genug, um durch die schmale Einstichöffnung eingeführt zu werden. Er dient gleichzeitig dazu, die Einstichöffnung offenzuhalten. Die Kanüle wird entfernt. Über den Draht wird nun eine sogenannte Schleuse, ein kurzer, etwa 10 cm langer Katheter, eingeführt. Sollte die Einstichöffnung noch nicht groß genug sein, um die Schleuse einführen zu können, kann diese mit Hilfe einer etwas größeren Kanüle, die ebenfalls direkt wieder entfernt wird, zuerst aufgeweitet werden.

Der eigentliche Untersuchungskatheter wird nun auf den Führungsdraht aufgefädelt und durch die Schleuse in das Gefäß eingeschoben. Führungsdraht und Katheter werden dann zusammen bis zur gewünschten Stelle vorgeschoben. Ist die richtige Position erreicht, wird der Führungsdraht zurückgezogen und entfernt, der Katheter bleibt im Körper. Am Ende der Untersuchung oder Behandlung wird auch der Katheter zurückgezogen. Die Schleuse bleibt während der gesamten Behandlung liegen und wird erst als letztes entfernt. Sind für eine Behandlung mehrere Katheter notwendig, können diese so nacheinander durch die Schleuse eingeführt werden.

In ähnlicher Weise wird der zentrale Venenkatheter gelegt. Die entsprechende Vene kann jedoch gegebenenfalls zuerst durch einen kleinen Hautschnitt freigelegt werden. Anschließend wird auch hier die Vene mit einer Kanüle punktiert, durch die Kanüle ein Führungsdraht eingeführt, die Kanüle entfernt und schließlich über den Führungsdraht ebenfalls eine Schleuse eingeschoben. Der Katheter wird dann in gleicher Weise durch die Schleuse über den Führungsdraht eingeführt und zusammen mit dem Führungsdraht an die gewünschte Stelle geschoben. Wenn der Katheter richtig liegt, wird die Portkammer mit dem Katheter verbunden und unter die Haut genäht. Für das Legen eines peripheren Venenkatheters ist wie oben beschrieben kein Führungsdraht notwendig.

Auch das Einführen eines Blasenkatheters, sowohl transurethral als auch suprapubisch, benötigt keinen Führungsdraht. Transure­thrale Katheter werden direkt in die Harnröhre eingeschoben. Für das Legen eines suprapubischen Katheters erfolgt ein kleiner Einschnitt. Mit einem Hohltrokar, einer großlumigen Kanüle, wird die Blase durch die Hautdecke punktiert. Durch den Trokar wird der Katheter eingeführt. Der Trokar kann anschließend gespalten und entfernt werden.

Für das Legen einer inneren Harnleiterschiene ist wiederum ein Führungsdraht notwendig. Dieser wird entweder transkutan in die Niere eingebracht und dann bis in die Harnblase vorgeschoben oder über ein Zystoskop zunächst in die Harnblase geführt und von dort weiter bis ins Nierenbecken geschoben. Über diesen Führungsdraht wird schließlich die Harnleiterschiene vorgeschoben, bis das proximale Ende im Nierenbecken und das distale Ende in der Harnblase richtig positioniert sind. Wird der Führungsdraht dann zurückgezogen, kringeln sich die beiden Enden des Pigtail-Katheters, sodass dieser nicht mehr verrutschen kann.

3 Reibung

Reibung entsteht immer dann, wenn sich zwei Oberflächen berühren oder darüber hinaus sich berührend aneinander vorbei bewegen. Die Stärke der Reibung hängt von der Oberflächenbeschaffenheit beider Komponenten und deren Wechselwirkung ab. Bei einer Katheterisierung ist einerseits die Berührung zwischen Instrument und Gewebe und andererseits die Berührung der verschiedenen zusammenarbeitenden Instrumente untereinander zu berücksichtigen. Daher werden im Folgenden die Reibung zwischen Material und Körper und die Reibung zwischen Material und Material gesondert betrachtet.

3.1 Reibung zwischen
Material und Körper

Wird ein Instrument, zum Beispiel ein Katheter oder ein Führungsdraht, in ein menschliches Gefäß, oder generell in einen Hohlraum, eingeführt, so tritt das Instrument sowohl mit dem ihm umgebenden Gewebe als auch mit den umgebenden Flüssigkeiten in Wechselwirkung. In beiden Fällen entsteht Reibung. Dabei unterscheidet man die innere Reibung durch die Flüssigkeit und die äußere Reibung durch das Gewebe.

Zunächst soll näher auf die innere Reibung der Flüssigkeit eingegangen werden. Die Moleküle einer Flüssigkeit sind entgegen denen eines Festkörpers nicht fest gebunden. Sie können sich frei bewegen und so gegeneinander verschoben werden. Flüssigkeiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihr Volumen immer beibehalten, ihre Form aber ändern können. Daher können, sofern sie durch äußere Kräfte ausgelöst wird, in Flüssigkeiten Strömungen entstehen. Das Verhalten dieser Strömungen mit den auftretenden Kräften zeigt Abbildung 35 schematisch am Beispiel eines Flüssigkeitsfilms zwischen zwei Platten.

Die untere Platte befindet sich in Ruhe, die obere Platte wird mit konstanter Geschwindigkeit ν über die Flüssigkeit bewegt. Gedanklich teilt man die Flüssigkeit in mehrere übereinander liegende Schichten gleicher Dicke ein, die sich übereinander wegbewegen ohne sich zu vermischen. Zwischen den Molekülen innerhalb der Flüssigkeit herrschen Kohäsionskräfte, zwischen den Molekülen der Flüssigkeit und der Oberfläche der Platte herrschen Adhäsionskräfte. Diese Wechselwirkungen beruhen im Wesentlichen auf Van-der-Waals-Kräften. Sind die Adhä­sionskräfte groß genug, so nehmen die beiden Flüssigkeitsschichten, die direkt an den Platten anliegen, die Geschwindigkeit der jeweiligen Platte an. Die Flüssigkeitsschicht an der ruhenden Platte befindet sich damit ebenfalls in Ruhe, diejenige an der bewegten Platte bewegt sich ebenfalls mit der Geschwindigkeit ν. Aufgrund der Kohäsions­kräfte ist jede Flüssigkeitsschicht mit der über und unter ihr liegenden verbunden. Eine Flüssigkeitsschicht wird nun durch die unter ihr liegende langsamere Schicht in ihrer Bewegung ausgebremst, sodass die Fließgeschwindigkeit der einzelnen Schichten von der bewegten Platte zur ruhenden Platte immer weiter abnimmt. Innerhalb der Flüssigkeit entsteht ein Geschwindigkeitsgradient ν/h . Um die Platte nun mit der gewünschten Geschwindigkeit ν über die Flüssigkeit zu bewegen, ist eine gewisse Kraft F erforderlich. Diese Kraft entspricht der inneren Reibungskraft der Flüssigkeit und ist proportional zum Geschwindigkeitsgradienten ν/h und zur Fläche

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