Zukünftige Anforderungen an die Oberflächenbehandlung (Industrie 4.0) ...

Werkstoffe 06. 05. 2018

... durch Automatisierung der Analytik
mit wartungsfreien Sensoren erfüllen

Von Daniel Schlak, Filderstadt

Die Oberflächentechnik wird zur Verbesserung der Effizienz und Steigerung der Qualität darauf angewiesen sein, automatisierte Prozesstechniken einzusetzen. Dazu zählen auch die Analysen der Prozesslösungen und Elektrolyte zur Verringerung von Konzentrationsschwankungen an wichtigen Bestandteilen. Für Säuren, Laugen oder Metallgehalte in diesen Lösungen eignen sich beispielsweise die thermometrische Titration, die Titration unter Einsatz von Indikatoren und Optrode oder Infrarotspektroskopie. Des Weiteren bieten sich je nach Prozessbedingungen Online- oder Atline-Systeme an.

1 Einführung

Der Bereich der Oberflächenbehandlung ist von der Vision, verschiedene Anlagenkomponentem zu einem selbstorganisierenden Netz einzubinden und damit flexibel auf Aufträge und Anforderungen an Beschichtungsqualitäten reagieren zu können, in den meisten Betrieben noch weit entfernt. Die Vernetzung der Produktion und somit die Notwendigkeit, relevante produktionsbezogene Informationen in digitaler Form zusammenzuführen, wird in den nächsten Jahren aber weiter fortschreiten.

Zu den qualitätsbestimmenden Informationen zählen Konzentrationen der Elektrolyte oder nicht erwünschte Fremd- und Nebenkomponenten, die oftmals mittels einfacher Betriebsanalytik in größeren Zeitabständen erfasst werden. Wie wichtig eine verlässliche automatische Prozessüberwachung ist, zeigt sich leider oftmals erst im Schadensfall, wenn Elektrolyte außerhalb der Toleranzen betrieben wurden. Abbildung 1 verdeutlicht die Abweichungen (Schwankungen) bei manueller Probenahme und Analytik im Vergleich zur deutlich besseren Annäherung an die Zielkonzentration bei automatisierter Analytik.

Abb. 1: Vergleich der Prozessstabilität bei manueller Analytik und Prozessanalytik

 

2 Anforderungen

Im Vergleich zu anderen Branchen, in denen Reinstlösungen vorliegen können, sind die zu berücksichtigenden Anforderungen in Bezug auf Aufstellungsort, Probenmatrix, Wartungs- und Bedienkonzept in den Betrieben der Oberflächenbehandlung häufig anders geartet und daher besonders wichtig bei der Ausgestaltung von Automatisierungskonzepten. Gescheitert sind in der Vergangenheit Konzepte, die zu komplex waren und zum Beispiel auf das Handling von Elektrolyten, die bei Abkühlung zum Auskristallisieren neigen, keinen gesonderten Augenmerk gelegt haben.

Um verlässliche Werte dauerhaft (24 Stunden / 7 Tage) liefern zu können, müssen Prozessanalysatoren im Bereich der Oberflächenanalytik folgende Punkte erfüllen:

  • Robuste Nassteilkomponenten / Sensoren (wartungsarm / wartungsfrei)
  • Einfache Bedienbarkeit
  • Analysenqualität durch innere Standards sicherstellen
  • Direkte Einbindung in Prozesssteuerung ermöglichen
  • Signalisierung von zyklischen und Bedarfswartungsfällen

    3 Lösungen mit wartungsfreien Sensoren

Zuverlässige Messwerte sind neben den angepassten Probenahme- und Liquidhandlinglösungen entscheidend von der Robustheit der Sensoren abhängig. Dies trifft umso mehr in einem Umfeld zu, in dem kein Bedienpersonal mit chemischer Ausbildung rund um die Uhr für die Fehlerbeurteilung zur Verfügung steht.

3.1 Thermoprobe

Eine der ältesten Varianten der Titration, die thermometrische Titration (TET), die auf der Erkennung des Endpunktes einer Reaktion durch einen sehr empfindlichen Temperatursensor beruht (Abb. 2), ist für Analysen im Oberflächenbereich eine ideale Lösung. Zum einen ist in diesem Bereich die Konzentration der zu bestimmenden Stoffe meist im Bereich einiger g/L von Interesse, die eine deutliche Änderung der Reaktionsenthalpie bewirken (Abb. 3). Zum anderen ist der Sensor gerade auch gegen aggressive Medien wie Mischsäuren oder Flusssäure beständig.

Abb. 2: Thermoprobe

Abb. 3: TET-Kurven

Abb. 4: 2035–Processanalysator (TET)

 

Mit dem 2035-Prozessanalysator (Abb. 4) können auf TET basierende Applikationen wie HF/HNO3-Bestimmung in hochkonzentrierten Ätzlösungen oder die Differenzierung von Salpetersäuren (HNO3), Phosphorsäure (H3PO4) oder Essigsäuregemische sicher und verlässlich als Onlinemessung umgesetzt werden. Das Verfahren bietet aber auch den Vorteil, die fast vollständige Analytik eines Prozesses mit einem wartungsfreien Sensor zu übernehmen, bei dem vorher mehrere Sensoren (pH- und Platinelektrode) notwendig waren, wie beispielsweise im Eloxalprozess mit den Parametern Natronlauge (NaOH in Entfetter / Beize), Aluminium (Beize, Glanzbad, Eloxierlösung) und Schwefelsäure (H2SO4 in Dekapieren, Eloxierlösungen).

3.2 Optrode

Die Optrode (Abb. 5) ermöglicht das Automatisieren von Analysen, bei denen die Endpunkterkennung auf Farbänderung mittels Indikator beruht. Der Sensor, der automatisch auf acht verschiedene Wellenlängen einstellbar ist, ermöglicht somit die Betriebsanalytik, die der Gefahr der bedienerabhängigen Beeinflussung durch die visuelle Auswertung unterlag, durch robustere verlässlichere Prozessmessungen zu ersetzen.

Erfolgreiche Umsetzungsbeispiele aus der betrieblichen Praxis sind die Überwachung von Phosphatierlösungen (Zn, Ni, Mn) oder Nickelelektrolyten (Ni) durch photometrische Titrationen.

Abb. 5: Optrode

Abb. 6: NIRS-Sonden

 

Neben der Auswertung bei einer Wellenlänge werden zukünftig auch Messungen mittels Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) an Bedeutung gewinnen (Abb. 6). Diese Art der Messung bietet den Vorteil einer Umsetzung als Inlinesonde direkt in den Aktivlösungen. NIRS ist allerdings eine Sekundärmessmethode. Das bedeutet, dass es notwendig ist, im Vorfeld der Prozessintegration ein Kalibriermodell mittels einer Primärmethode wie der Titration zu erstellen. Bei Änderungen der Probenmatrix muss dies im Kalibriermodell berücksichtigt werden. Erste Einsatzgebiete der NIRS-Technik sind die Überwachung der organischen Komponenten (Niedrig- und Hochsieder) in Tauchlackierungsbecken oder der Einsatz in Entfettungslösungen.

3.3 Online- oder Atline-Analytik

Online bedeutet die direkte Zuführung des Probestroms zum Prozessanalysator durch beispielweise Ansaugen mit Schlauchpumpen aus dem Bearbeitungsbehälter oder durch Zuführung mittels Bypass-Leitung. Bei der Atline-Variante (Abb. 7) werden die Proben dem in Prozessnähe stehenden Analysator per Handprobe zugeführt. Die Analytik selbst verläuft wie beim Onlinesystem vollautomatisch. Der Atline-Analysator ist oftmals mit Probenwechsler für Flaschen mit Barcodeerkennung ausgestattet, um die Probenzuführung einer größeren Anzahl von Lösungen (10 bis 20) möglichst ökonomisch (1- bis 2-mal pro Schicht) gestalten zu können. Beide Systemvarianten können die Analysewerte in die Prozesssteuerung zum Beispiel mittels Modbus-TCP übertragen oder direkt Nachdosierfunktionen übernehmen.

Abb.7: ProcessLab Atline

Abb. 8: 2026 Titrator Online

 

In den letzten Jahren hat die Verbreitung von Atline-Systemen zugenommen, da diese Variante die wirtschaftlichste Automatisierungsoption für eine größere Anzahl von Lösungen mit mehreren Parametern und eine längere Standzeit (>2 h) ist. Dennoch werden auch Einzelparametersysteme (Abb. 8), die direkt und schnell am Behälter mit den zu untersuchenden Lösungen prozessrelevante Parameter (z.B. Wasserstoffperoxid (H2O2) oder Fluorid in der Phosphatierungslösung) in kurzen Zeitintervallen (<10 min) überwachen, nachgefragt werden. Diese Systeme können mit Filtrationssystemen und intelligenten Rückspüleinheiten kombiniert werden, um keine Zusatzarbeiten zwischen den definierten Wartungsintervallen anfallen zu lassen.

4 Resümee

Die Ausgestaltung der Automatisierung der Prozessanalytik kann je nach Behandlungsart und Qualitätsrelevanz der Lösungen und Elektrolyte individuell ausgeführt werden. Unstrittig scheint jedoch für diese Branche zu sein, dass Betriebe, die sich wettbewerbsfähig und damit zukunftssicher aufstellen wollen, sich frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzen sollten. Ausschlaggebend für die Umsetzung sind im Wesentlichen wirtschaftliche Gründe wie Einspareffekte oder Verringerung der Ausschussproduktion. Neue Sensoren und Messtechniken in Kombination mit flexiblen Analysensystemen ermöglichen es, die Unterhaltskosten deutlich zu reduzieren und helfen somit den Return-on-Invest zu verkürzen.

  • www.metrohm-prozessanalytik.de

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