Forschende der Fraunhofer-Gesellschaft haben einen entscheidenden Fortschritt in der Computertomographie erzielt. Erstmals ist es möglich, auch sehr große Objekte mit Röntgentechnik zu durchleuchten. Die XXL-Computertomographie erzeugt hochauflösende, kontrastreiche Bilder in 3D. Die Technik ermöglicht beispielsweise die Analyse von Elektroautos nach einem Crashtest. Aber auch historische Relikte lassen sich so untersuchen – und sogar ein Dinosaurierschädel.
Die Computertomographie mit Röntgenstrahlung spielt inzwischen auch abseits der Medizin eine wesentliche Rolle, zum Beispiel bei der Produktentwicklung in der Industrie. Doch bislang war die Computertomographie insbesondere im Hochenergiebereich auf Grund von nicht verfügbaren geeigneten Rekonstruktions- und Korrekturalgorithmen und Sensoren beschränkt auf kleinere und einfache Objekte. Die vorhandenen großen CT-Anlagen sind in ihrem Funktionsumfang für große Objekte stark eingeschränkt.
Forschern vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS ist nun ein bedeutender Fortschritt gelungen. Michael Salamon, Nils Reims und Dr. Michael Böhnel haben eine Technologie entwickelt, die auch sehr große Objekte durchleuchtet und hochauflösende 3D-Bilder generiert. Als Röntgenquelle nutzen die Forscher einen Linearbeschleuniger mit neun Megaelektronenvolt (MeV) und kombinieren ihn mit einer Röntgenkamera, die mit einer sensitiven Länge von vier Metern und 10 000 Pixeln arbeitet. Erstmals sind Objekte mit einem Durchmesser von 3,20 Meter und fünf Meter Höhe mit Röntgenstrahlen dreidimensional erfassbar; eine spezielle Technik, die ein Großobjekt in Teilen aufnimmt, ermöglicht sogar das Scannen noch größerer Objekte. Damit ist die Anlage die zurzeit größte CT-Anlage der Welt.
Die Objekte werden auf einem Schwerlastdrehteller rotiert. Kamera und Strahlenquelle tasten das Objekt synchron in vertikalen Bewegungen Zeile für Zeile ab. Durch die Rotation des Drehtellers erfasst die Kamera viele Betrachtungswinkel und schafft so die Basis für die dreidimensionale Darstellung.
Crashtest im Röntgenbild
Mit dem XXL-CT lassen sich beispielsweise Elektroautos nach einem Crashtest analysieren. Bisher musste man Objekte zeitaufwändig zerlegen, um Aufbau und Innenleben analysieren zu können. Durch die zerstörungsfreie Röntgenprüfung lassen sich jetzt Struktur und Materialien des Objekts im Detail analysieren, die bislang unzugänglich waren, zum Beispiel ganze Batteriemodule. Die starke Röntgenstrahlung macht sogar Strukturen in den dicht gepackten Akkus sichtbar.
Die Qualität der 3D-Bilder hat auch Skeptiker überzeugt. Früher habe man geglaubt, so Gruppenleiter Salamon, dass die Strukturen im Hochenergiebereich nicht mehr erkennbar seien, weil Materialien mit niedriger Absorptionsrate von den mit hoher Absorptionsrate sozusagen überschattet würden. Viel KV mache grau, das sei die landläufige Meinung gewesen. Mit unserer Entwicklung haben wir das Gegenteil bewiesen.
Um das 3D-Röntgenbild in der nötigen Qualität zu erhalten, arbeiteten die Forscher neben dem Linearbeschleuniger und der großen Zeilenröntgenkamera an weiteren Innovationen. So haben sie gemeinsam mit dem Industriepartner MT Mechatronics eine Konstruktion entwickelt, die auch bei tonnenschweren Objekten eine extrem präzise Positionierung ermöglicht. Auch die Verarbeitung der Röntgendaten wurden so optimiert, dass diese mit möglichst wenig Nutzerinteraktion automatisiert möglich ist und damit eine zukünftige Nutzung im industriellen Umfeld ermöglicht.
Kontrolle von Frachtcontainern
Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist die Kontrolle von Seefrachtcontainern. Schon jetzt werden in Häfen viele Frachtcontainer geröntgt, allerdings zweidimensional. Durch die 3D-Röntgentechnik werden auch kleine Objekte im Inneren der Container deutlich sichtbar. Gerade für Sicherheitsbehörden, die Frachtcontainer nach Sprengstoff oder Waffen durchsuchen, aber auch für Zollbehörden liefert die IIS-Technologie einen entscheidenden Mehrwert.
Neben dem Einsatz in der Industrie eröffnet die XXL-Computertomographie viele weitere Anwendungen. So lassen sich historische Objekte wie etwa Musikinstrumente durchleuchten, bei denen ein Aufschneiden und Zerlegen nicht infrage kommt. In einer besonders spektakulären Aktion haben die Fraunhofer-Spezialisten auch einen 65 Millionen Jahre alten Dinosaurierschädel gescannt. Der Schädel des Tyrannosaurus Rex blieb während der Röntgenprozedur in einer Kiste mitsamt dem ihn umgebenden Erdreich, in dem Paläontologen ihn gefunden hatten.
Für ihre am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS durchgeführten Arbeiten zum Thema XXL-Computertomographie – Unsichtbares sichtbar machen in einer bisher nicht da gewesenen Dimension, wurden Michael Salamon, Nils Reims und Dr. Michael Böhnel mit dem Joseph-von-Fraunhofer-Preis des Jahres 2018 ausgezeichnet.
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