Analysentechnologien für innovative Oberflächen

Oberflächen 05. 03. 2019

Die Fachgruppe Oberflächen in microTEC Südwest - Kompetenz- und Kooperationsnetzwerk für intelligente Mikrosystemtechniklösungen treibt die Arbeiten zum Einsatz und die Weitereentwicklung von Analyseverfahren voran

Anfang November 2018 fand die inzwischen 16. Sitzung der Arbeitsgruppe Oberflächen im Netzwerk der microTEC Südwest statt, zu der sich die Teilnehmer bei der DataPhysics Instruments GmbH in Filderstadt trafen. Zu den Themen, mit denen sich die Arbeitsgruppe befasst, zählen Anwendung und Weiterentwicklung von Analysentechnologien. Der derzeitige Fokus liegt auf Einsatzgebiete in der Medizintechnik und Elektronik. Hierzu zählen Verfahren wie die Benetzungsanalyse, wie sie unter anderem der Gastgeber der Veranstaltung DataPhysics Instrument entwickelt und vertreibt.

Die Leiterin der Arbeitsgruppe Dr. Christine Neuy gab einführend ­einen Überblick über die Inhalte der bisherigen Treffen sowie die derzeitigen Arbeitsschwerpunkte und Ergebnisse aus den Arbeiten im Umfeld des Netzwerkorganisators microTEC Südwest. Sie wies insbesondere auf die neue Medizintechnikmesse T4M in Stuttgart hin, die vom 7. bis 9. Mai 2019 stattfindet und die Bereiche Komponenten und Werkstoffe, Dienstleistungen, Fertigungstechnik sowie Produktionsumfeld abdeckt.

Messgeräte für Grenz- und Oberflächen

Der Leiter des Applikationszentrums der DataPhysics Dr. Martin Grüßer stellte das 1997 gegründete Unternehmen vor. Unter den entwickelten Verfahren und Geräten stehen Kontaktwinkelmessgeräte und Tensiometer im Vordergrund, die heute in zahlreichen Industriebereichen, von der Papierherstellung über die Beschichtung von Werkstoffen und Bauteilen bis zur Kunststoffverarbeitung, Elektronik oder Kosmetik und Pharmaindustrie, zum Einsatz kommen. Mittels Tropfenanalyse wird die Oberflächenspannung an Grenzflächen ermittelt. Dafür stehen unterschiedliche Verfahrensvarianten - Analyse von hängenden oder sitzenden Tropfen - in Abhängigkeit von den vorliegenden Stoffen und den jeweiligen Geometrien der Festkörper zur Verfügung. Bei der Tensiometrie wird das Gewicht einer Flüssigkeitslamelle, die sich bei der Benetzung eines Testkörpers bildet, ermittelt, daraus werden dann die Kenngrößen für Grenzflächenzustände errechnet.

Oberflächenanalyse ­mittels Kontaktwinkelmessung

Dr. Michaela Laupheimer ging ­detaillierter auf die Bestimmung des Benetzungsverhaltens und der Oberflächenenergie ein. Basis der Technologie ist die Vermessung beziehungsweise die Charakterisierung eines Flüssigkeitstropfens beim Kontakt mit der Oberfläche eines Festkörpers. Die Benetzungseigenschaften des Flüssigkeitstropfens hängen beispielsweise von den Material­eigenschaften des Festkörpers und der Flüssigkeit sowie der Sauberkeit und des Aktivierungszustandes des Festkörpers ab. Je nach Zustand nimmt der Flüssigkeitstropfen eine unterschiedliche Gestalt an, die direkt vermessen werden kann. Kenngröße ist hierbei der Winkel zwischen der Grenzfläche des Tropfens und der Oberfläche des Festkörpers.

Form eines Flüssigkeitstropfens, wie er bei der Kontaktwinkelmessung erscheint, für unterschiedliche Zustände einer Festkörpferoberfläche (Bild: Dr. M. Laupheimer)

Effekte einer Oberflächenbehandlung bei unterschiedlichen Grundwerkstoffen (Bild: Dr. M. Laupheimer)

 

Aus den gewonnenen Messgrößen ergeben sich Charakterisierungen einer Oberfläche wie hydrophil oder hydrophob. Die Messungen zeigen zudem die Wirkungsweise von verschiedenen Arten der Oberflächenbehandlungen wie einer klassischen Entfettung oder einer moderneren Plasma- oder Flammbehandlung. Sie erlauben darüber hinaus Rückschlüsse auf die Haftfestigkeiten von aufgebrachten Beschichtungen.

Die mittels Kontaktwinkelmessung gewonnenen Werte beruhen auf den unterschiedlichen molekularen Wechselwirkungen (bzw. Bindungen) zwischen den beteiligten Stoffen und deren polaren Zustandsformen (Anteilen an elektrischen Ladungen = Dipolen). Da sowohl die Festkörper als auch die Flüssigkeiten mit deren physikalischen Naturkon­stanten in die Messung eingehen, werden zur Bestimmung der entsprechenden Oberflächenenergie die Kontaktwinkel von mehreren Testflüssigkeiten mit bekannten Oberflächenspannungen gemessen und zur Auswertung der Ergebnisse herangezogen. Die dafür entwickelten Messgeräte bestehen in der Regel aus einem Dosiersystem zur Erzeugung eines Tropfens sowie einer Kamera, einer Lichtquelle und einer Auswerteeinheit mit einer geeigneten Software zur Bildverarbeitung. Besondere Beachtung wird hierbei dem Dosiersystem geschenkt, das eine hohe Reproduzierbarkeit für die Erzeugung möglichst kleiner Tropfen gewährleisten muss. Je nach Randbedingungen kommen Tropfenvolumina zwischen 1 µl (Standardsystem) und 30 pl (Pikoliterdosierung) zur Anwendung. Damit können auch kleinste Flächen, beispielsweise Bondstellen auf Leiterplatten oder Chips, und stark strukturierte Oberflächen, wie beispielsweise die Gewindegänge von Schrauben oder die Oberflächen von feinen Drähten, vermessen werden. Für diese unterschiedlichen Anforderungen bietet die DataPhysics Instruments Geräte und Verfahren an.

Materialprüfung an Gewindegängen von Dentalimplantaten (Bild: Dr. M. Laupheimer)

 

Oberflächenanalytik ­mittels Photothermie

Mit dem Verfahren der Photothermie zur Charakterisierung von Oberflächen beziehungsweise von Beschichtungen befasst sich Prof. Dr.-Ing. Dietmar Schorr vom Steinbeis-Transferzentrum Tribologie in Anwendung und Praxis. Bei der Photothermie wird Energie mittels Laser in die Oberfläche eingebracht. Die daraus folgende Wärmeabsorption, Wärmeleitung im entsprechenden Oberflächenvolumen sowie der Konvektion und Strahlung wird mit Hilfe eines Infrarotdetektors erfasst. Die entsprechende Messgröße ist die Phasendifferenz zwischen Anregungslaser und Detektor. Die reflektierte Wärmestrahlung ist von verschiedenen Stoffkennwerten abhängig und liefert ­damit Aussagen über Materialinhomogenitäten, Strukturdichte, Härte, Elastizitätsmodul, Schichtdicke, Schichthaftung sowie enthaltene Füllstoffe (Art, Dichte, Verteilung). Interessant ist auch die Tatsache, dass über die Modulationsfrequenzen des Systems die Eindringtiefe variiert werden kann.

Beispiel für die Untersuchung der Haftung einer Schicht auf einem Substrat (Bild: Prof. Dr. Schorr)

 

Mit dem Verfahren lassen sich Werkstoffbereiche der Oberfläche in Tiefen zwischen wenigen Mikrometern bis in den Millimeterbereich untersuchen. Prof. Dr. Schorr zeigte Anwendungen und die möglichen Ergebnisse für Schichten mit Haftungsfehlstellen, für Randzonen mit unterschiedlichen ­Härten sowie Füllstoffen in Werkstoffen beziehungs­weise Beschichtungen. Die Technologie zeichnet sich durch eine hohe Messgeschwindigkeit sowie durch eine hohe Auflösung beziehungsweise eine hohe Messgeschwindigkeit bei hohen lateralen Ausdehnungen aus. Voraussetzung zur Durchführung ist die Erstellung einer Stoffreferenz beziehungsweise einer Eigenschaftenreferenz, beispielsweise für Haftungsmängel ­einer Beschichtung auf einem Substrat.

Fluoreszenzmesstechnik

Die Fluoreszenzmesstechnik ist ein Verfahren, um organische Belegungen auf Werkstoffen zu erfassen, wobei bisher primär punktuell gemessen wird. Dr. Albrecht Brandenburg vom Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM aus Freiburg ging in seinen Ausführungen zunächst auf die Grundlagen der Fluoreszenztechnik ein, bei der durch Bestrahlung die Emission von Licht ausgelöst wird. Kernpunkt ist die Tatsache, dass jeder fluoreszierende Stoff eine charakteristische Absorptions- und Emissions­wellenlänge besitzt. Darüber hinaus ist bei dünnen Schichten das Messsignal von der Dicke der Schicht abhängig. Wie bei optischen Verfahren häufig der Fall, sind die Mess­zeiten sehr kurz und das Verfahren ist damit sehr schnell.

Messung einer Ölfilmbelegung auf Metallteilen für Fahrzeuge (Bild: Dr. A. Brandenburg)

 

Für den Einsatz werden zunächst Kalibrierungen der verschiedenen fluoreszierenden Stoffe (häufig die in der Technik eingesetzten Öle) durchgeführt und somit die Basis gelegt, aus den Fluoreszenzdaten auf die vorhandenen Arten der Belegung schließen zu können. Für die am Fraunhofer IPM entwickelte Technologie F-Scanner mit besonders kurzen Messzeiten erfolgt die Anregung mittels Laser und die Detektion mit einem speziellen, empfindlichen Detektor. Das System zeichnet sich durch ein großes Sichtfeld von 500 mm x 500 mm aus und erlangt eine hohe Scangeschwindigkeit. Zudem verfügt das System über eine hohe Tiefenschärfe, wodurch auch komplex geformte Teile mit hoher Genauigkeit vermessen werden können. Die Nachweisgrenze der Methode liegt bei etwa 10 mg/m2 und einer optischen Auflösung von etwa 500 µm. Dieses System wird unter anderem für die Prüfung über einem Förderband eingesetzt und erlaubt die Prüfung der Reinigungsqualität von Bauteilen. Das Förderband kann hierfür bis zu zwei Meter breit sein und einen Vorschub von bis zu 2 m/s aufweisen.

Prinzipieller Aufbau des Messsystems F-Scanner 2D(Bild: Dr. A. Brandenburg)

Beispiel für die Fluoreszenmessung im freien Fall (Bild: Dr. A. Brandenburg)

 

Eine Neuentwicklung ist die Fluoreszenzprüfung im freien Fall, also als dreidimensional arbeitende Technologie. Die zu prüfenden Teile werden dazu mit LED-Modulen mit 200 W Lichtleistung beleuchtet (UV-Blitz) und aus unterschiedlichen Richtungen mit sechs Detektionskameras aufgenommen. Das System ist für die Messung mit CAD-­Daten zur Lageerkennung ausgestattet und somit in der Lage, die Belegung mit fluoreszierenden Stoffen auf allen Bereichen der Oberfläche zu erkennen. Derzeit lassen sich mit der entwickelten Gerätetechnologie Teile zwischen 10 mm und 200 mm Durchmesser mit einer Prüfrate von 1/s vermessen. Die Ortsauflösung liegt hier bei 200 µm bis 400 µm.

Besichtigung und Abschluss

Zum Abschluss der Veranstaltung bot Dr. Grüßer im Rahmen einer Führung den Teilnehmern einen Einblick in die Produktion der DataPhysics. Der Standort in Filderstadt verfügt über moderne Einrichtungen zur Anwendung der Messtechnik und Schulung von Kunden. Insgesamt sind in Filderstadt etwa 35 Mitarbeiter tätig.

Die nächste Sitzung der Fachgruppe Oberflächen findet am 12. März bei der AP&S International GmbH in Donaueschingen statt. ­Näheres zur Sitzung und den Möglichkeiten zur Teilnahme sind bei der microTEC Südwest erhältlich.

  • www.microtec-suedwest.de
 

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