Polymere Barriereschichten für Elektronik in harscher Umgebung

Medizintechnik 07. 04. 2019

Von Prof. Volker Bucher, Hochschule Furtwangen

1 Einleitung

Seit mehreren Jahren wird an Schichtsystemen geforscht, die mechanisch flexibel sind (also biegsam, eventuell dehnbar) und eine maximale Barrierewirkung gegenüber Wasserdampf oder anderen zum Teil aggressiven Medien bieten. Insbesondere die Medizintechnik, die sich bei aktiven Implantaten (neuronale Schnittstellen) mit der harschen Umgebung der physiologischen Umgebung im menschlichen Körper konfrontiert sieht, hat ein großes Interesse an solchen Schichtsystemen.

Der Leser fragt sich eventuell, wieso dieses Problem immer noch auf der Tagesordnung steht. Es gibt doch schon seit vielen Jahren Herzschrittmacher oder Cochleaimplantate, so dass dieses Problem doch eigentlich inzwischen gelöst sein sollte. Nun ist es in der Tat so, dass für diese beiden Beispiele eine Technologie besteht, die etabliert ist. Heute werden dazu hermetische Gehäuse aus beispielsweise Titan oder Keramik verwendet. Die Implantatgehäuse sind aber einige Zentimeter groß und ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass nur wenige Kontakte (Schnittstellen zum Herzen oder anderen Körperteilen) aus dem Gehäuse herausgeführt werden. Außerdem werden über diese Verbindungskabel in der Regel nur Wechselspannungen übertragen, was zur Folge hat, dass durch die alternierende Ladung an den Grenzflächen sich Oxidation und Reduktion abwechseln, sofern die Spannungen nicht zu groß sind. In der Summenbetrachtung findet also keine Netto-Ladungsaustauschreaktion statt, und somit auch keine Korrosion.

Mittlerweile nimmt aber die Anzahl von miniaturisierten aktiven Implantaten zu. Ein Beispiel dafür ist das Retina-Implantat (Abb. 1), das einige 1000 Schnittstellen für Elektroden beinhaltet, welche die benachbarte Netzhaut stimulieren soll.

Abb. 1: Einsatzort des Retina-Implantats im Auge [1]

 

Mit den beim Herzschrittmacher verwendeten großen Steckverbindern ist diese Anzahl nicht kontaktierbar. Das System muss auch in der Zuleitung mechanisch flexibel sein. Damit entsteht ein Bedarf an neuen ­Technologien, um kleine vielkanalige Systeme gegen die salzhaltige und feuchte Umgebung zu schützen. Aber auch smarte Sensor- oder Aktor­systeme sind zum Teil harscher ­Umgebung ausgesetzt und benötigen einen guten Schutz gegen Feuchtigkeit.

2 Stand der Technik

Entsprechend dem Stand der Technik werden für kurzzeitige Anwendungen meist die Parylen-Beschichtungen verwendet. Abbildung 2 zeigt einen im Institut für Mikrosystemtechnik der Hochschule Furtwangen (Studienzentrum Rottweil) beschichteten Servomotor, der dank einer hier zum Einsatz kommenden, bürstenlosen Motorausführung auch unter Wasser funktioniert. Dieser Motor kam in einem Schüler-Forschungsprojekt des Leibniz Gymnasiums in Rottweil unter der Leitung von Norbert Kleikamp zum Einsatz. Damit konnte ein Unterwasserroboter gebaut werden. Für medizinische Implantate reicht diese einfache Parylen-Beschichtung allerdings nicht aus. Die Diffu­sion von Wasserdampf durch die Schicht ist noch zu groß.

Abb. 2: Modellbau-Servomotor, welcher durch eine Parylen-Beschichtung auch unter Wasser funktioniert

 

Im Bereich der Konsumelektronik gibt es mittlerweile viel verbreitet Displays, welche auf organischen Leuchtdioden basieren. Hier kommt es auf eine große Barrierewirkung gegen Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit an. Meist kommen hier dünne Metalloxide zum Einsatz, welche mit der neuen Technologie der Atomlagenabscheidung (Atomic Layer Deposition ALD) hergestellt wurden. Bei derartigen Fernsehgeräten (Abb. 3) kommt es nicht darauf an, dass sie biegsam sind. Auch werden sie in der Regel nicht unter Wasser getaucht. Diese extrem dünnen und trotzdem sehr dichten Schichten bieten sich an, auch auf biegsame Elektronik (Abb. 4) abgeschieden zu werden. Insbesondere Kombinationen der Parylen-Beschichtung mit der ALD-Technologie sind vielversprechende Kandidaten, um miniaturisierte aktive Implantate oder generell miniaturisierte flexible Elektronik in harscher Umgebung zu schützen.

Abb. 3: Fernseher basierend auf der Technologie organischer Leucht­dioden (OLED) wie er heute Stand der Technik ist [2]

Abb. 4: Konzept zur Abscheidung von Metall­oxid-Multilagen auf Polymerfolien [3]

 

In den nächsten Ausgaben der WOMag werden sowohl die Messmethoden zur Bestimmung der Wasserdampf- oder Sauerstoffdiffusion der Schichten als auch Konzepte zur Abscheidung von Multilagenschichten vorgestellt werden.

Literatur

[1] Retina Implant AG: Das RETINA IMPLANT Alpha AMS: Das Implantat; online, verfügbar unter https://www.retina-implant.de/de/implantat/ri-alpha-ams/ Zugriff am 20.02.2019

[2] https://www.otto.de/p/philips-55pos901f-12-oled-fernseher-139-cm-55-zoll-2160p-4k-ultra-hd-
ambilight-smart-tv-565214252/#variationId
=549794135&gid=1&pid=1, Zugriff am 24.03.2019

[3] Michael Engel: Vielkanalige Messung der Diffusionsbarrieren von Multilagen-Verkapselungssystemen für aktive Implantate; Bachelorthesis an der Hochschule Furtwangen, 2019

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