Werkstoffe und Oberflächen genauer betrachtet!

Oberflächen 07. 04. 2019

2. Fino-Forum am 23. November 2018 an der Hochschule Aalen

Professor Dr. Timo Sörgel eröffnete das zweite Fino-Forum und zeigte sich erfreut über die angebotenen Themen zur Herstellung und Charakterisierung von innovativen Oberflächen mit galvanotechnischen und physikalischen Verfahren. Hierbei erweist es sich als deutlicher Vorteil, dass nahezu jede ­Branche in mehr oder weniger großem Umfang mit Oberflächen und speziellen Eigenschaften von Oberflächen konfrontiert ist. Dies demonstrierte Professor Sörgel an einem beliebig gewählten Beispiel der Herstellung von alkoholischen Getränken, das einige Parallelen zu den Verfahren und daraus gewonnenen Ergebnissen aufweist. Besonders Wert wird bei den Projekten und Arbeiten des Fino auf die Eigenschaft innovativ im Namen des Fino und der Arbeitsweise der beschäftigten Fachleute sowie die Ausrichtung des Blicks auf kombinierte Verfahren gelegt.

In zunehmendem Maße werden im Bereich der Oberflächentechnik strukturierte Oberflächen eingesetzt, mit denen neue und kombinierte Eigenschaften erzielbar sind. Ein solches Projekt ist die Herstellung von speziellen Benetzungseigenschaften, aber auch die strukturierten Dispersionsschichten für neuartige Batterieelektroden. Das Projekt der Batterieelektroden umfasst neben der Herstellung der eigentlichen Elektroden auch die Betrachtung des Upscaling in den Industriemaßstab mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit.

Im Namen der Hochschule sprach Professor Klein dem Fino-Institut (Forschungsinstitut für innovative Oberflächen) der Hochschule Aalen sein Kompliment aus. Fino nimmt seinen Worten zufolge an der Hochschule eine Vorreiterrolle ein; ihm sind inzwischen drei weitere Institute in vergleichbarem Aufbau gefolgt. Fino kann heute bereits auf mehr als 1 Million an eingeworbenen Drittmitteln blicken.

Vakuumbeschichtung und Verschleißschutz

Der erste Fachvortrag von Dr. Sven ­Towardy befasste sich mit der Vakuumbeschichtung als Möglichkeit zur Verbesserung des Verschleißschutzes. Hier zeigt sich der große Vorteil der Oberflächentechnik, mit der durch die Bearbeitung die Eigenschaften des Verbunds aus Grundwerkstoff und Oberfläche verbessert beziehungsweise erweitert werden können. Im Bereich der Vakuumtechnik stehen hier Verfahren wie die Diffusionstechnik oder die Dünnfilm- und Dickfilmbeschichtung zur Auswahl. Im Unternehmen des Vortragenden sind dies insbesondere die Dünnfilmtechnologien.

Die Verbesserung der Eigenschaften wurde mit Einführung der Technologien vor etwa 50 Jahren mit Titannitridschichten erzielt. Heute stehen darüber hinaus eine große Anzahl an unterschiedlichen Zusammensetzungen und verschiedenen Aufbauten, beispielsweise unter Anwendung von Titan-Aluminium-Nitrid, Titannitrid oder beispielsweise Titan-Carbo-Nitrid, zur Verfügung. Als optimal für die Schichten hat sich ein bestimmtes Verhältnis aus Aluminiumnitrid und Titannitrid erwiesen.

Als eine der Hauptanwendungen gilt der Schutz von Oberflächen auf Werkzeugen für das Fräsen, Drehen oder Bohren. Vorteilhaft sind vor allem Multilagenschichten. Mehrlagige Schichten zeichnen sich insbesondere durch eine Reduzierung der Rissbildung durch die Schichten aus. Wie Untersuchungen gezeigt haben, nimmt die Rauheit der Oberfläche einen wichtigen Punkt ein, wobei eine möglichst glatte Oberfläche angestrebt wird. Des Weiteren muss die Tragfähigkeit des Substrats beachtet werden, da eine zu geringe Tragfähigkeit zum Einbrechen der Hartstoffschicht führt. Bestimmen lässt sich die Haftfestigkeit beispielsweise in Kombination mit der Tragfähigkeit durch den Scratchtest.

Derzeit stehen vor allem ­Kombinationen aus Titan-Aluminium-Nitrid oder Aluminium-Chrom-Nitrid in Fokus des Interesses. Für die Herstellung werden insbesondere Lichtbogenverdampfen und Sputtern gewählt. Zu den neueren Verfahrensvarianten zählt HiPIMS, bei dem mit gepulstem Sputtern gearbeitet wird, sowie die Leistungsdichte der Beschichtung zu Optimierung der Beschichtung herangezogen wird. Die erzielten Schichten zeichnen sich durch eine hohe ­Homogenität aus.

Dispersionsabscheidung

Intelligente Lösungen für ­anspruchsvolle Oberflächen durch den Einsatz der elektrochemischen Dispersionsabscheidung stellte Arwed Gößler aus Sicht des Praktikers vor. Die MTV in Solingen verfügt über eine Galva­noanlage für Stückgewichte mit bis zu vier Tonnen; sie ist damit eine der größten Anlagen in Europa. Daneben steht bei MTV eine Einrichtung für die Stückbeschichtung für Teile bis zu sieben Meter Länge und bis zu 100 Tonnen Gewicht zur Verfügung. In einem zweiten Teil des Unternehmens werden vor allem Castorbehälter in Innenraum beschichtet.

Für Bauteile mit höchster Beständigkeit gegen chloridhaltige Atmosphären (vor allem unter Tage) bietet MTV eine Bronzebeschichtung an. Diese Beschichtung zeigt auch nach etwa zehn Jahren keinen Angriff unter Tage. Eine weitere Besonderheit ist eine Zink-Nickel-Beschichtung für Elektrolyseure, bei der eine Oberflächenvergrößerung durch Auslösen des Zinks erreicht wird. Eine außer­gewöhnliche chemische Beständigkeit besitzt NiL35, allerdings mit geringerer Verschleißbeständigkeit. Um eine Oberfläche mit speziellen Schwerpunkten aus unterschiedlichen Eigenschaften zu erhalten, müssen nach Aussage des Vortragenden Kombinationsschichten hergestellt werden. Entscheidend ist hierbei die Auswahl der Eigenschaft, welche die äußerste Schichtlage erbringen muss.

Dispersionsschichten können hier eine interessante Alternative zu Kombinationsschichten darstellen. Die Technologie ist dadurch begrenzt, dass die Kombination aus Elektro­lyt und Dispersionsstoff anspruchsvoll ist. So ist derzeit kein Dispersionsstoff verfügbar, der mit den Elektrolytsystemen zur Bronzeabscheidung verträglich ist. Eine weitere Einschränkung ist die unerwünschte Agglomeration, aber auch die peripheren ­Geräte wie Pumpen. Für Nuklearbehälter werden Schichten mit Bor als Dispersionsschichten eingesetzt, da Bor ein ausgezeichneter Neu­tronenabsorber ist. Heute wird die Schicht auf Teilen für die Druckindustrie genutzt, da die Schichten eine hohe Korrosionsbeständigkeit in Verbindung mit gutem Verschleißschutz aufweisen müssen.

Ein weiteres System mit sehr guter Korrosions- und Verschleißbeständigkeit ist Nickel-Kobalt mit Borcarbidpartikeln. Hiermit werden erstmals Eigenschaften erzielt, die den klassischen Chromschichten vergleichbar sind. Gegenüber Chrom ist die Schicht dadurch gekennzeichnet, dass die Verformung nicht an den Grundwerkstoff weitergeleitet wird, sondern in der Schicht stattfindet. Dadurch wird es beispielsweise auch möglich, durch Überschleifen der Schicht eine oberflächliche Verformung zu entfernen. Da die Schicht in nahezu beliebiger Dicke abgeschieden werden kann, wird die Möglichkeit zur mechanischen Nachbearbeitung unterstützt.

Nanomaterialien

Professor Dr. Gisela Schütz gab einen Einblick in die Grundlagenentwicklung von Nanomaterialien unter Einsatz von Röntgenstrahlung zur Untersuchung des Materialaufbaus. Die Röntgenstrahlung erlaubt nicht nur, in Oberflächennähe hohe Auflösungen zu erzielen, sondern sie führt auch zu Aussagen über den inneren Aufbau der Werkstoffe, gepaart mit hoher Messgeschwindigkeit und damit der Möglichkeit zur Betrachtung von dynamischen Vorgängen in Werkstoffen. Mit der Nanoauflösung werden die Bereiche mit Auflösungen von wenigen Atomabständen erreicht. In der Praxis kommen solche Strukturen beispielsweise in der Elektronik (elektrischen Schaltungen) vor. Um solche Untersuchungen durchführen zu können, stehen Anlagen mit 1020 Photonen pro Quadratzentimeter zur Verfügung, bei denen die Strahlung durch Synchrotronanlagen erzeugt wird. Derartige Großanlagen sind an etwa 50 Orten weltweit in Betrieb.

Für die Materialanalyse wird die Tatsache genutzt, dass jedes Element spezifische Absorptionskennwerte aufweist. Damit kann durch Einstellung der eingesetzten Energie der Röntgenstrahlung spezifisch ein Element in einem Werkstoff detektiert werden. Erkennbar werden dadurch zum Beispiel auch Ladungszustände oder Bindungszustände. Herausforderungen ergeben sich durch die Notwendigkeit, die Röntgenstrahlung zu fokussieren, da Linsen nicht einsetzbar sind. Mittels streifender Strahlung an Ringen gelingt es jedoch, die Strahlung auf einen Bereich um etwa 1 Nanometer Durchmesser zu fokussieren. Hierzu muss mit sehr dünnen Substraten unter etwa 100 Nanometer gearbeitet werden.

Neben der Untersuchung von Werkstoffen kommt die Technologie auch zur Umweltforschung an Aerosolen oder für die Geologie zur Bestimmung der Zusammensetzung und dem Aufbau von Gesteinen zum Einsatz. Im Bereich der Batterieforschung lässt sich mit dem Verfahren der Aufbau einer Elektrode, zum Beispiel die Verteilung der Lithiumverbindungen, ermitteln. Ein weiterer Untersuchungsgegenstand sind Festplatten, bei denen die Magnetstruktur vor und nach dem Beschreiben eines Speichers charakterisiert werden kann.

Im Extremfall können mit dieser Technik mit einer Auflösung von 5 x 1010 Bilder/s magnetische Wellen untersucht werden. Zukünftig werden auch Untersuchungen von elektrochemischen Abläufen an Oberflächen, wie sie auch bei der Galvanotechnik vorkommen, möglich sein.

Substrate nach Maß

Die Reihe der Vorträge wurde von Professor Dr. Joachim Albrecht über schlaue Substrate für Oberflächen nach Maß abgeschlossen. Prinzipiell ist darunter zu verstehen, dass eine Unterlage so beschaffen ist, dass in Kombination mit Oberflächentechnik eine neue ­Eigenschaft erzielt werden kann.

Für die Betrachtungen bei Fino reicht die Längenskala im Bereich von einigen Mikrometern bis zu einigen Nanometern. Als Beispiel nannte der Vortragende Haifischhaut, Mikrochip-on-a-Lab oder verschleißmindernde Oberflächen. Bisher wurde eine Verschleißminderung durch die Beschichtung eines Substrats mit harten Schichten und eine anschließende, erforderliche Strukturierung erreicht. Der Vortragende wählt dagegen den Weg, im ersten Schritt die Strukturierung vorzunehmen und dann die Beschichtung aufzubringen. Dazu werden beispielsweise die Dispersionsstoffe in einem Prägestempel so eingearbeitet, dass damit eine Struktur im Grundwerkstoff herstellbar ist. Anschließend wird dann darauf eine Beschichtung aufgebracht, ohne die Struktur zu verändern. Damit konnte beispielsweise die Reibung von Oberflächen um etwa 20 Prozent gesenkt werden. Diese Untersuchungen wurden zusammen mit dem FEM in Schwäbisch Gmünd durchgeführt.

Ein weiteres Projekt ist die Herstellung einer Oberfläche, die zugleich wasser- und ölabweisend ist. Dazu muss sowohl die Grenzflächenenergie gesenkt und gleichzeitig eine zum Beispiel pilzartige Struktur hergestellt werden. Gewonnen werden solche Strukturen beispielsweise durch Laserstrukturierung im ersten Schritt und anschließender Elek­trophorese zum Aufbau einer dreidimensionalen, baumartigen Struktur. Eine weitere Möglichkeit ist die Auftragung und Funktionalisierung einer Beschichtung. Umgesetzt wird dies zum Beispiel durch Fluorisieren einer Silanschicht. In einem weiteren Projekt wird über selbstorganisierenden Oberflächen eine supraleitende Keramik auf einen Träger aufgebracht. Damit lassen sich verlustfrei ­erhebliche Strommengen leiten.

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