Die Verknüpfung von Produktionsabläufen mit Digitaltechnik birgt ein besonders großes Potenzial für Oberflächentechnik. Intelligente Systeme steigern den Automatisierungsgrad und können den Prozess entlang der gesamten Wertschöpfungskette effizienter gestalten. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit auch zukünftig zu erhalten, ist ein frühzeitiges Umdenken notwendig. Somit stellt sich die Frage, wie die Automatisierung der Prozessanalytik gestaltet sein muss, um den Anforderungen von Industrie 4.0 zu genügen.
1 Anforderungen gemäß Industrie 4.0
Der digitale Wandel ist nicht mehr nur eine Zukunftsvision, sondern wird in einer Vielzahl von Unternehmen bereits in seinen Grundzügen umgesetzt. Die Basis dazu ist die Analyse der eigenen Prozesse. Besonders in der Oberflächentechnik müssen hierzu alle prozessrelevanten Parameter der Elektrolyte und Arbeitsmedien verlässlich und kontinuierlich überwacht werden, um ein schnelles Eingreifen zu gewährleisten. Dazu gehört die Erfassung der Elektrolytkonzentrationen sowie seiner Fremd- und Nebenkomponenten. Nur mit einer robusten Messtechnik kann die Abscheidungsgüte zu jeder Zeit sichergestellt werden.
In vielen Betrieben ist allerdings die vollautomatische Analyse mittels moderner Prozessanalysatoren noch nicht Stand der Technik. Eine einfache Betriebsanalytik im eigenen oder im Auftragslabor, bei der alle relevanten Parameter der unterschiedlichen wässrigen Lösungen in größeren Zeitabständen erfasst werden, birgt das Risiko, dass Elektrolyte außerhalb der Toleranzen betrieben und die hohen Qualitätsstandards der Produkte nicht eingehalten werden. Analysensysteme, die Industrie 4.0-fähig sind, liefern verlässliche Messwerte und stellen sicher, dass diese direkt in alle gängigen Prozessleitsysteme übertragen beziehungsweise in vorhandene QM-Systeme integriert werden.
2 Von der Probennahme bis zur Analyse
In Abhängigkeit der Anzahl der zu analysierenden Parameter, der Messstellen und der Analysenfrequenz werden verschiedene Analysenformen unterschieden.
Wird die Probe manuell entnommen und im Labor mittels Laboranalysengeräten analysiert, wird von Offline-Analytik gesprochen. Bei der Atline-Variante werden die Proben zwar auch manuell per Handprobe entnommen, jedoch dem in Prozessnähe stehenden Analysator zugeführt. Der Atline-Analysator ist in der Regel mit einem Probenwechsler für Flaschen mit Barcodeerkennung ausgestattet. Bei einer größeren Anzahl von zu kontrollierenden Lösungen kann die vollautomatische Analyse somit besonders wirtschaftlich gestaltet werden
Eine direkte Zuführung des Probenstroms zum Analysensystem mittels Ansaugen mit Schlauchpumpen aus dem Becken oder durch Zuführen mittels Bypass-Leitungen ist gemeinhin als Online-Analytik bekannt.
Abb. 1: Je nach Analysenfrequenz und Anzahl der Messstellen können Proben manuell oder vollautomatisch aus dem Prozess entnommen und analysiert werden
Sowohl Online- als auch Atlineanalytik zeichnen sich durch folgende Vorteile aus:
- engmaschige Überwachung aller relevanten Elektrolytparameter
- 24/7-Betrieb möglich
- Analyse von mehreren Parametern
- Überwachung mehrerer Messstellen (Abb. 1)
- Kombination von Analysenmethoden
- einfache Übertragung der Analysenwerte in die Prozesssteuerung
- automatisches Nachdosieren der Lösungen
3 Prozessanalysatoren
für die Oberflächentechnik
Die chemische Zusammensetzung der unterschiedlichen wässrigen Lösungen in der Oberflächentechnik variiert von stark korrosiven über hochkonzentrierte Elektrolyte, die zur Auskristallisation neigen, bis hin zu Spüllösungen mit Analytkonzentrationen (Verschleppungen) im ppm-Bereich. Demnach ist es selbsterklärend, dass bezüglich Aufstellungsort sowie Wartungs- und Bedienkonzept besondere Anforderungen an automatisierte Analysensysteme gestellt werden. Um rund um die Uhr verlässliche Analysenwerte zu generieren, müssen Prozessanalysatoren im Bereich der Oberflächentechnik folgende Anforderungen erfüllen.
- robuste und chemisch inerte Nassteilkomponenten
- konsequente Trennung von Nassteil und Elektronikteil
- wartungsfreie Sensoren
- einfache Bedienbarkeit
- direkte Einbindung in die Prozesssteuerung
Das Herzstück der Analysensysteme sind die Sensoren, deren Robustheit entscheidend für die zuverlässige Generierung von Messwerten ist. Somit kann eine zukunftsfähige Vernetzung der Produktion im Sinne von Industrie 4.0 nur mit qualitativ hochwertigen Sensoren gelingen.
4 Wartungsfreie Sensoren am Beispiel des pH-Wertes
Die Bestimmung des pH-Wertes zählt wahrscheinlich zu den häufigsten Analysenmethoden in der Chemie. Auch in der Oberflächenbehandlung ist eine genaue und verlässliche Erfassung des pH-Wertes Voraussetzung, um die gewünschte Vorbehandlungsqualität und Abscheidungsgüte sicherzustellen. Allerdings unterliegt die genaue Messung des pH-Wertes einer Reihe von chemischen, physikalischen und mechanischen Einflussgrößen, wodurch die Bestimmung mit herkömmlichen Inline-Sensoren oftmals zu ungenau ist und beim Anwender zu teuren Ausfällen führen kann.
Zu den wichtigsten Einflussfaktoren gehören:
- schwankende Messungen durch zum Beispiel Luftblasen, Feststoffe oder hohe Strömungsgeschwindigkeiten
- Beschädigung der Elektroden durch aggressive und hochkonzentrierte Elektrolyte
- Reduktion der Lebensdauer der Sensoren durch hohe Temperaturen
- aufwändige manuelle pH-Kalibration beziehungsweise Reinigung
Wechselarmaturen finden in der Oberflächenindustrie kaum Anwendung, da der pH-Wert meist in offenen Behältern und nicht in geschlossenen Bypassleitungen erfasst wird. Darüber hinaus kann der direkte Kontakt von Glassensoren mit den Elektrolyten zur Schädigung der Sensoren führen, was einen häufigen und kostenintensiven Austausch zur Folge hätte. pH-Online-Prozessanalysatoren bieten dagegen vollautomatische Kalibier- und Reinigungssysteme, die eine robuste Messung auch an schwer zugänglichen Messstellen oder in aggressiven Prozessmedien erlauben. Durch die Verlagerung der Messung aus dem Prozess in eine externe Messzelle kann eine langlebige pH-Messung mit einer Genauigkeit erreicht werden, die mit klassischen Inline-Sonden nicht möglich ist.
Eine Anwendung, die eine sehr robuste Messung mit hoher Genauigkeit erfordert, ist die Einstellung des pH-Wertes im chemisch abscheidenden Nickelelektrolyten. Hier ist es notwendig, den pH-Wert möglichst im Bereich von ± 0,1 pH-Wert-Einheiten konstantzuhalten. Herkömmliche Inline-Sonden können diese Vorgabe nur mit aufwändigen, regelmäßigen manuellen Kalibriertätigkeiten erfüllen. Ein automatisches System (Abb. 2) konditioniert und kalibriert die Elektrode automatisch und kann auch Nachdosierpumpen ansteuern.
Abb. 2: Vollautomatisches Analysensystem beispielsweise zur Bestimmung des pH-Wertes als Einzelparameter, wobei das kompakte System mit Filtrations- oder Rückspüleinheiten kombiniert werden kann
5 Wartungsfreie Sensoren am Beispiel der Thermoprobe
Die thermometrische Titration (TET) beruht auf der Erkennung des Endpunktes einer Reaktion durch einen sehr empfindlichen Temperatursensor. Jede chemische Reaktion ist mit einer Änderung der Reaktionswärme gekennzeichnet (Abb. 3). Dabei wird entweder Reaktionswärme freigesetzt (Erhöhung der Temperatur) oder Energie aus der Umgebung aufgenommen (Temperatur sinkt). Der bei der thermometrischen Titration verwendete Sensor (Abb. 4) erfasst kleinste Temperaturänderungen schnell und präzise. Durch die Verwendung von chemisch inerten Materialien können auch hochkorrosive Medien wie flusssäurehaltige Lösungen untersucht werden. Dank seines Designs muss der Sensor Thermoprobe weder kalibriert noch konditioniert werden. Ebenso ist das Nachfüllen von Elektrolytlösungen nicht erforderlich; der Sensor kann daher als wartungsfrei bezeichnet werden. Mit der Thermoprobe ist ein langlebiger Sensor erhältlich, der nicht nur eine sichere Analyse von hochkorrosiven Ätzlösungen sondern auch eine Differenzierung von Säuregemischen beziehungsweise auch Analysen ermöglicht, bei denen mehrere unterschiedliche Sensoren (wie z. B. pH-, Metall- oder Ionensensitive Sensoren) notwendig waren.
Abb. 3: Schematische Darstellung von thermometrischen Titrationen aufgetragen als Temperaturänderung in Abhängigkeit des Volumens des zugegebenen Titriermittels
Abb. 4: Thermoprobe – Sensor für die thermometrische Titration
6 Resümee und Blick in die Zukunft
Moderne Prozessanalysatoren erlauben die vollautomatische Probenahme direkt aus dem Prozess in das Messgefäß. Diese Anordnung ermöglicht sowohl eine kontinuierliche Überwachung des Elektrodenzustandes als auch die visuelle Überprüfung aller Analysenschritte. Da die Elektroden nicht permanent mit hochkonzentrierten Elektrolyten in Berührung kommen oder Feststoffe zu Beschädigungen führen können, ist die Lebensdauer der Sensoren deutlich erhöht. Ein weiterer Pluspunkt ist die vollautomatische Reinigung und Kalibration, was in einem Höchstmaß an Zuverlässigkeit resultiert. Ein Stillstand der gesamten Anlage durch umfangreiche Wartungsarbeiten am Sensor gehört der Vergangenheit an.
Der Druck auf Unternehmen der Oberflächentechnik, die beispielsweise gegenüber der Automobilindustrie oder dem Maschinenbau in der Nachweispflicht stehen, sich den Anforderungen an die Digitalisierung in der Fertigung zu stellen, wächst stetig. Allerdings geht es nicht nur um die Sammlung und Erfassung von Daten. Vielmehr müssen diese auch konsequent ausgewertet und entsprechende Rückschlüsse gezogen werden. Dies kann beispielsweise direkt in der Berechnung von Nachdosiervolumina und der Ansteuerung von Nachdosierpumpen erfolgen.
Erst dieser Regelkreis ermöglicht eine wirkliche Effizienzsteigerung der Produktion und kann entscheidende Wettbewerbsvorteile sichern. Vollautomatische Prozessanalysatoren mit zuverlässigen und wartungsfreien Sensoren können kontinuierlich Daten generieren. Dadurch werden Prozesse angestoßen, die, bei Betrachtung des gesamten Produktionsprozesses, für kürzere Durchlaufzeiten und die Erhaltung von hohen Qualitätsstandards mit reduziertem Ausschuss sorgen.
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