Einsatz von Bleianoden in der Hartverchromung - wie sieht die Zukunft aus?

Oberflächen 09. 06. 2019
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Platinierte Titananoden PLATINODE® HC von Umicore Electroplating ermöglichen eine bleifreie und damit nachhaltige Hartchrombeschichtung

Blei wird laut Umweltgiftreport 2015 [1] als das Umweltgift mit den verheerendsten Auswirkungen auf Umwelt und Menschen gesehen. Von Behörden in den USA und Europa wird das Metall nicht erst seit diesem Report in einem immer kritischeren Licht gesehen.

Der Einsatz von Blei wird wohl stetig steigenden zeit- und kostenintensiven Arbeitssicherheits- oder Umweltauflagen unterworfen werden. Für Betriebe der Galvanotechnik kommt erschwerend hinzu, dass für die bei der Produktion entstehenden Abfallprodukte wie Bleichromat oder Bleioxid eventuell mit weiteren Maßnahmen zu rechnen ist. Gerade in der Hartverchromung, in der Bleianoden lange Zeit das Maß der Dinge waren, ist dies ein Thema. Mit großer Wahrscheinlichkeit müssen Bleianoden damit eher früher als später ersetzt werden, um nach vorgegebenen Regulierungen und trotzdem effizient produzieren zu können.

Einen äußerst einfachen Ausweg aus dieser Problematik bieten durch Hochtemperatur­elektrolyse (HTE) mit Platin beschichtete Titan­anoden der Umicore Electroplating. Deren PLATINODE®, so der Markenname der Anoden, ermöglicht einen nahezu – mit speziellen Zusätzen sogar komplett – bleifreien Prozess und bringt zudem weitere ökologische und wirtschaftliche Vorteile mit sich.

Frank Friebel (Vertrieb Elektrokatalytische Elektroden; links) und Thomas Ebert (Betriebsleiter Elektrokatalytische Elektroden)

 

Stärkere Regulierung ist die logische Konsequenz

Blei, ein allgegenwärtiges und vielseitiges Metall, wird seit prähistorischen Zeiten verwendet und ist in vielen industriellen Prozessen fest verankert. Insbesondere seit Ende des 20. Jahrhunderts wird aufgrund ­seiner nachgewiesenen gesundheits- und umweltschädlichen Auswirkungen die ­Exposition auf die Umwelt und damit auch auf den Menschen sukzessive eingedämmt. Eine der bekanntesten Maßnahmen ist sicherlich die Einführung des bleifreien Normal- und Superbenzins, beziehungsweise das damit verbundene EU-weite Verbot für verbleites Benzin seit dem Jahr 2000 [2].

Aktuell rücken zusätzlich auch Abfallstoffe aus der Bleiverarbeitung immer mehr in den Fokus dieses Vorhabens. So wurde das bei der Abscheidung von hohen Schichtdicken in der Hartverchromung in großen Mengen entstehende Bleichromat intensiv analysiert. Bleichromat wird in Deutschland ökologisch zum Beispiel als stark wassergefährdend kategorisiert, was der höchstmöglichen Einstufung entspricht und demnach Naturkatastrophen auslösen kann [3]. Auch bezüglich der Auswirkung auf den Menschen stuft etwa die Europäische Chemikalienagentur ECHA das Abfallprodukt unter anderem als krebserregend und fortpflanzungsgefährdend ein und prüft eine Zulassung des Stoffes als extrem besorgniserregend in der REACh-Verordnung [4].

Diese Beurteilungen führen weltweit zu einer immer stärkeren Regulierung für bleiverarbeitende Unternehmen. So existieren zeit- und kostenintensive Hürden schon bei der Beschaffung von Blei zur Weiterverarbeitung, wie beispielsweise in den USA durch die ­Registrierung bei der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA. Aber nicht nur aus umweltpolitischen Belangen resultieren immer strenger werdende Verordnungen. Durch die Gesundheitsgefahr halten diese konsequenterweise auch beim Thema Arbeitssicherheit immer stärkeren Einzug, wie es am Beispiel der Handlungen durch die US-Behörde OSHA [5] nachvollzogen werden kann. Das langfristige Ziel aller Maßnahmen ist, durch konzertierte Anstrengungen auf weltweiter Ebene, Blei immer weiter aus dem industriellen Einsatz zu verdrängen.

Wirtschaftlicher Erfolg wird zunehmend eingeschränkt

Aufgrund der Faktenlage und der zunehmenden medialen Aufmerksamkeit werden Galvanikbetriebe sich zunehmend für ihren Bleieinsatz rechtfertigen müssen. Nicht nur in der Außenkommunikation gegenüber der Öffent­lichkeit und Stakeholdern. Gleichermaßen auch intern gegenüber der Belegschaft, die Gefahrstoffen wie Bleichromat bei Reinigungsarbeiten und während der Entsorgung ausgesetzt ist.

Über den erhöhten Kommunikationsaufwand hinaus wird sich also das Festhalten an Bleiprozessen auch zwangsläufig wirtschaftlich negativ auswirken:

  • Die Beschaffung von Blei und die Entsorgung von entstehenden Abfallprodukten wie Bleichromat-Schlamm wird sich wohl bis zu einem etwaigen Verbot immer komplizierter und teurer gestalten.
  • Die Auflagen zum Schutz der Mitarbeiter (z. B. Reinigungseinrichtungen, Schutzkleidung, medizinische Vorsorgeuntersuchungen) werden stetig ausgebaut und damit kostenintensiver.
  • Die Fokussierung auf eine nachhaltige Herstellungskette veranlasst Unternehmen zunehmend nicht ins Konzept passende Zulieferer auszusortieren.
  • Die Prozesse sind dank platinierter Titan­anoden effizienter (bzgl. Wartung, Lebensdauer und Qualität) und werden so auf lange Sicht zu einem wirtschaftlichen Vorteil gegenüber Wettbewerbern in der Hartverchromung führen.

In der Summe kann dies allein aus ökono­mischer Sicht bereits mittelfristig das Aus für Bleianoden in der Hartverchromung be­deuten.

Ein Ausweg – HTE platinierte Anoden

Bereits seit Jahrzehnten werden platinierte Titananoden (Pt/Ti) in der Hartverchromung erfolgreich eingesetzt. Entsprechende Elektrolyte vorausgesetzt, ist damit ein absolut bleifreier Prozess durch einen 1:1-Austausch von Blei- zu platinierten Titananoden sogar meist ohne großen Aufwand möglich.

Neben dem Hauptargument – eine Hartverchromung ohne Blei – bieten durch Hoch­temperaturelektrolyse beschichtete platinierte Titananoden zwei weitere Vorteile aus ökologischer Sicht:

  • Eine Verringerung des einzusetzenden Grundsubstrats (z. B. Titan oder Niob statt Blei) durch eine vielfach längere Lebensdauer aufgrund der hohen Beständigkeit
  • Eine sparsame Verwendung von Platin, das langlebig durch Hochtemperaturelektrolyse mit hoher Korrosionsbeständigkeit aufgebracht wird. Bei einer anschließenden Wiederbeschichtung (Replatinierung) des Grundsubstrats wird darauf noch vorhandenes Platin aufgearbeitet und kostensparend wiederverwendet

Dazu kommen die bereits bekannten qualitativen Vorzüge, wie etwa eine sehr gleichmäßige Schichtdickenverteilung auf dem Werkstück, die keiner Nachbesserung im ­Anschluss bedarf. Diese ist zum einen auf die absolute Formstabilität von platinierten Titananoden zurückzuführen; zum anderen auf die (der wässrigen Abscheidung deutlich überlegenen) Hochtemperaturelektrolyse, welche eine zu 99,99 % reine Platinschicht ermöglicht, sowie unter anderem hohe Haftfestigkeit und Duktilität.

Wirtschaftlich durch kurze Amortisationsdauer

Obwohl gerade aus den genannten Umwelt­aspekten heraus auch wirtschaftliche Vorteile abzuleiten sind, so zum Beispiel ein deutlich reduzierter Wartungsaufwand (Entsorgung, Rüstzeiten, Nachbesserung) oder eingesparte Ressourcen (Lebenszyklus, Replatinierung, Stromverbrauch), scheuen einige Hartverchromer trotzdem den Umstieg hin zu einem zukunftsgerichteten Workflow.

Durchschnittlicher Kostenverlauf der platinierten Titananode im Vergleich zu Bleianoden

 

Verhältnis von durchschnittlichen Anschaffungskosten zur Lebensdauer für platinierte Titananoden und Bleianoden

 

Auch hier lässt nach Überzeugung von Frank Friebel aus dem Vertriebsteam der Umicore der einmalige Anfangsinvest Unternehmen von der Umstellung Abstand nehmen, trotz der kurzen Amortisationszeit und anschließend günstigeren Produktion. Offensichtliche Prozessverbesserungen, reduzierte Produktionsstillstände und der Imagegewinn werden meist erst gar nicht in die Betrachtung miteinbezogen. Umicore Electroplating rechnet etwa mit ­einem drei- bis fünffachen Investitionsbetrag im Einführungsjahr im Vergleich zu den jährlichen Kosten für herkömmliche Bleianoden. Die Folge ist, dass der Break-Even nach der Umstellung in etwa drei Jahren erreicht ist. Natürlich sind das nur Durchschnittswerte, die je nach Anforderung und Komplexität der Anoden variieren können. So ist es möglich, dass erst nach fünf Jahren eine Amortisation gegeben ist oder aber auch bereits nach zwei. Damit Interessenten hier eine fundierte Entscheidung treffen können, bietet Umicore eine kundenspezifische und transparente Wirtschaftlichkeitsberechnung als Entscheidungshilfe an.

Platinierte Anoden außerhalb der Hartverchromung

Die Vorteile von mit Hochtemperaturelek­trolyse platinierten Anoden kommen natürlich auch in vielen anderen elektrochemischen Galvanotechnikprozessen zum Tragen. In den letzten Jahren ist aus Qualitätsgründen ein immer stärkerer Einsatz in der Halbleiter- und Leiterplattentechnik zu beobachten. Gleichzeitig sind platinierte Titananoden seit langer Zeit im Automotive-Sektor oder der Wasseraufbereitung aufgrund der unkomplizierten Handhabe zuhause.

Hinweis

Alle Preise, Preisvergleiche und daraus berechnete Angaben verstehen sich als Durchschnittswerte der Umicore Electroplating mit Stand Mai 2019.

Quellen

[1] 2015 World’s Worst Pollution Problems – The New Top Six Toxic Threats: A Priority List for Remediation Pure Earth & Green Cross Switzerland; https://greencross.ch/de/news-info/umweltreporte

[2] Environmental lead exposure: a public healthproblem of global dimensions; Bulletin of the World Health Organization; https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc /articles/PMC2560844/ pdf/11019456.pdf

[3] Blei(II)chromat in der GESTIS-Stoffdatenbank; Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV); http://gestis.itrust.de/nxt/gateway.dll/gestis_de/002140.xml?f=tem- plates$fn=default-doc.htm$3.0

[4] Stoffinformationen zu Bleichromat; ­Europäische Chemikalienagentur ECHA; https://echa.europa.eu/
de/substance-information/-/substance-info/100.028.951

[5] Lead Standards; Bundesbehörde der Vereinigten Staaten zur Durchsetzung des Bundesarbeitssicherheitsgesetzes OSHA; https://www.osha.gov/SLTC/lead

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