Kunststoffgalvanisieren - Herausforderungen, Entwicklungen und Design

Oberflächen 07. 08. 2019

Bericht über eine Tagung des Kunststoff-Institut Lüdenscheid am 16. Mai 2019

Metallisierte Kunststoffteile werden in großem Umfang in der Automobil- und Sanitärindustrie sowie für Möbel und Haushaltsgegenstände eingesetzt. Die hierbei genutzten Metallschichten aus Nickel und Chrom werden durch die Umsetzung der REACh-Verordnung in Frage gestellt, wobei für Kunststoffe sowohl die Vorbehandlung als auch die eigentliche Metallisierung betroffen ist. Im Rahmen der Fachtagung in Lüdenscheid wurden vor diesem Hintergrund Vorträge über die Situation im Hinblick auf die Autorisierung und den Einsatz von alternativen Verfahren zur Verchromung angeboten. Auch die Nutzung von 3D-Druck war Vortragsthema. Insbesondere im Bereich der Sanitärindustrie steht darüber auch der Einsatz von nickelhaltigen Grundwerkstoffen und Nickelschichten im Hinblick auf die Nickelmigration unter Beobachtung.

Die Verwendung von galvanisierten Kunststoffen hat sich in den letzten Jahren auf sehr hohem Niveau behaupten können, obwohl die Auswirkungen der REACh-Verordnung im Hinblick auf die Verwendung von Chrom(VI)verbindungen hier erhebliche Einschränkungen befürchten lassen. Dies ist vermutlich einerseits auf die Bemühungen zur Verringerung des Gewichts im Bereich Fahrzeugbau durch den vermehrten Einsatz von Kunststoff in Fahrzeugen zurückzuführen. Andererseits sorgen metallische Schichten auf Kunststoff mit einer dekorativen abschließenden Chromschicht für ein sehr positives Erscheinungsbild bei gleichzeitig ausgezeichneter Kratzbeständigkeit und hoher Korrosionsbeständigkeit. Derartige Schichten vermitteln sowohl im Interieur von Fahrzeugen als auch bei Sanitärteilen oder Gebrauchsgegenständen im Haushalt eine hohe Wertigkeit.

Metallschichten auf Kunststoff erzielen eine derzeit kaum durch andere Verfahren zu ersetzende metallische Optik und Haptik, Hochwertigkeit und Langlebigkeit. Durch die Anforderungen, die bisher bewährten Verfahren zur Vorbehandlung von Kunststoffen unter Einsatz von Chromat und die Beschichtung mit Nickel-Chrom möglichst nicht mehr zu verwenden, steht insbesondere die Technologie des Kunststoffgalvanisierens vor immensen Herausforderungen; die inzwischen fünfte Fachtagung im Kunststoff-Institut Lüdenscheid thematisierte diese Problematik.

Ein Blick auf die Einrichtungen und Gerätschaften des Kunststoff-Instituts in Lüdenscheid (Quelle: Kunststoff-Institut Lüdenscheid)

 

Interessierte Tagungsteilnehmer erhielten am Vorabend der Tagung im Rahmen einer Institutsführung Einblick in die außerordentlich weitreichende Ausstattung an Anlagen für die Kunststoffverarbeitung sowie Geräten zur Untersuchung und Prüfung. Dazu informierten Dominik Malecha und Laura Waltermann, die für die Organisation der Tagung verantwortlich waren, über die Entwicklung des Instituts und dessen heutige Leistungsfähigkeit.

Im Mittelpunkt der von Dominik Malecha geleiteten Fachtagung mit mehr als 30 Teilnehmern stand die galvanische Verchromung von Kunststoffteilen, wie sie heute in großem Umfang als Dekorelemente in Fahrzeugen oder im Bereich der Sanitärindustrie eingesetzt werden. Im Zeitalter der Touch-Technik werden hierfür allerdings zunehmend Kombinationen aus metallisiertem Kunststoff mit Glaselementen entwickelt. ­Weitergehende Änderungen am Interieur der Fahrzeuge werden nach Ansicht von Dominik Malecha durch den Trend zum autonomen Fahren zu erwarten sein, wie er an zahlreichen Beispielen verdeutlichte.

Kommunikation in der Lieferkette

Marita Voss-Hageleit, Vecco e. V., ­eröffnete die Reihe der Fachvorträge mit einer Betrachtung über die neue Umgangsweise mit Chrom(VI)verbindungen zur Herstellung von Chromoberflächen. Sie betonte eingangs, dass vor allem der erwartete Informationsfluss zwischen den Unternehmen und insbesondere von der Industrie in die Politik - eine der primären Voraussetzungen zur Erfüllung der Forderungen aus REACh - nicht im gewünschten Umfang und der erforderlichen Intensität erfolgt ist. Dies beruht zum Teil darauf, dass die Wege der verschiedenen Chemikalien durch die Industrie sehr komplex sind.

Um die notwendige Kommunikation zu verbessern, ist es in einem ersten Schritt erforderlich, dass der Managementbereich in den Unternehmen aktiv wird. Themen, die von den Akteuren in der Lieferkette zu bearbeiten sind, sind die Registrierung/Autorisierung, der Arbeitsschutz mit Schwerpunkt Exposi­tionswerte und PSA, der Umweltschutz mit Inhalten zu Emission, Abwasser und Schlamm, technische Bedingungen für die Verwendung von zu registrierenden Stoffen und insbesondere alle Fragen der Substitution von SVHC-Stoffen. Herausforderungen ergeben sich beispielsweise bei Chrom(VI) dadurch, dass die Einbeziehung der gesamten Prozesskette einerseits sehr umfangreich sein kann, andererseits aber der Stoff Chromsäure selbst ausschließlich im galvanischen Betrieb verwendet wird. Zu den zentralen Unterlagen zählt für die REACh-Verordnung das Sicherheitsdatenblatt für die betroffenen Stoffe. Ein weiteres Element, mit dem der sichere Umgang von Stoffen in Betrieben belegt werden muss, sind zuverlässige Messungen zur Exposition.

Galvanikunternehmen müssen sich im Rahmen einer Autorisierung mit der Substitution von Stoffen befassen, also für die ­Nutzung nachweisen, dass eine Substitution nicht möglich ist - dieser Punkt ist vor allem für kleinere Unternehmen sehr aufwendig. Häufig ist diese Betrachtung mit der primären Geschäftsentwicklung des jeweiligen Unternehmens verbunden. Beispielsweise führt dies dazu, dass Unternehmen die Technologie Chromabscheidung nicht mehr anbieten. Besonders gravierend ist diese Entwicklung, weil Chromoberflächen mit die umfangreichste Liste an positiven Eigenschaften aufweisen und damit auch die ­Eigenschaften von verchromten Produkten stark betroffen sind. Dies bedeutet in der Regel, dass die Nutzer der Chromoberfläche entscheiden müssen, welche Eigenschaften sie für Substitutionen in den Vordergrund rücken möchten beziehungsweise müssen. In diesem Punkt sind im Übrigen Lohnbeschichter deutlich im Nachteil, da ihre Einflussnahme auf die Produktgestaltung bei ihren Kunden tendenziell sehr gering ist. Damit ist unter anderem festzustellen, dass im Hinblick auf die Erfüllung der REACh-Verordnung - insbesondere beim Punkt Substitution - häufig ein deutlicher Eingriff in bestehende Marktregulatorien durch die Politik erfolgt.

Die Wichtigkeit von Eigenschaften einer Oberfläche: Vergleichsmöglichkeit anhand eines Netzdiagramms, hier am Beispiel Chrom in der Möbelindustrie (Bild: M. Voss-Hageleit)

 

Um die Anforderungen der REACh-Verordnung gegenüber den Behörden nachweisen zu können, ist neben dem VECCO e. V. und der EUPOC auch das Unternehmen HAPOC aktiv. HAPOC unterstützt die Unternehmen dabei, Anforderungen hinsichtlich der Exposition und der Arbeitssicherheit zu erfüllen und bei der notwendigen Kommunikation. Allerdings steht dem das Kartellrecht entgegen, das beispielsweise die Nennung von Geschäftsstrategien oder Lieferketten kritisch sieht.

Dreiwertige dekorative Verchromung

Andreas Prinz, HSO Solingen, stellte ein Verfahren vor, das für die Substitution der klassischen galvanischen Verchromung für dekorative Anforderungen in Betracht kommt, wobei er sich auf den Einsatz in Fahrzeugen konzentrierte. Eingangs wies er darauf hin, dass bereits seit etwa 60 Jahren Kunststoffe dekorativ verchromt werden, ohne dass sich daraus ein Problem in Bezug auf Umweltschutz oder Arbeitssicherheit ergeben hat.

Der Stoff Chrom(VI) hat für die Kunststoff­beschichtung zwei Aufgaben, einmal die Vorbehandlung des Kunststoffs und zum anderen die Erzeugung der metallischen Chromoberfläche. Aus beiden Aufgaben ergibt sich im Übrigen keine Gefährdung des Endnutzers. Die Chromschicht selbst zeichnet sich durch eine Reihe von sehr positiven Eigenschaften aus.

Bisher haben die Forderungen aus REACh zu einer erheblichen Verunsicherung der Beschichtungsbranche und der Endkunden sowie zu hohen Kosten für die Beschichtungsunternehmen geführt. Auch ist zu befürchten, dass die Beschichtung in das außereuropäische Ausland verlagert wird, bei oftmals deutlich schlechteren Bedingungen für die sichere und umweltverträgliche Anwendung der Verfahren.

Herausforderungen ergeben sich bei einer Umstellung von Chrom(VI) auf Chrom(III) beispielsweise aus einer reduzierten Farbstabilität und einem deutlich höheren Aufwand für die Prozessführung. Andererseits sind bei den Designmöglichkeiten Erweiterungen zu verzeichnen. Einige Beschichter, wie zum Beispiel BIA, konnten inzwischen Oberflächen aus Chrom(III)systemen zum Einsatz bringen, beispielsweise bei Fahrzeugen der PSA (Peugeot Société Anonyme). Um bei weiteren OEMs zur Anwendung zu kommen, muss die Forderung nach Mischverbauung verchromter Teile aus Chrom(III)- und Chrom(VI)systemen erfüllt werden. Gute Ergebnisse werden beim Korrosionsverhalten erzielt, wogegen derzeit noch die Nickellässigkeit und die Abriebbeständigkeit verbessert werden müssen.

Schwierig ist nach Ansicht des Vortragenden, beide Verfahrenstechnologien in einer Anlage zu integrieren. Dies ist auch einer der Gründe dafür, dass bisher eine Umstellung der Verfahrenstechnologien kaum in Betracht gezogen wurde, insbesondere auch deshalb, weil nach wie vor die Auslastung der bestehenden Kapazitäten für die Beschichtung aus Chrom(VI)elektrolyten hoch ist. Vorschub für die Umstellung leistet die vor kurzem angedeutete Autorisierungsdauer von weniger als zwölf Jahren.

Die Chrom(III)verfahren zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie mit deutlich geringeren Konzentrationen an gelöstem Chrom auskommen; allerdings ist die Anodentechnik relativ kostenintensiv, insbesondere im Fall eines Elektrolyts auf Sulfatbasis. Des Weiteren muss die Einschleppung von Fremdmetallen durch den Einsatz von Ionenaustauschertechnik begrenzt werden, was sich durch erhöhte Kosten bemerkbar macht.

Trotz der noch vorherrschenden Schwierigkeiten und höheren Kosten haben Chrom­oberflächen nach Ansicht von Andreas Prinz Zukunft. Die Umstellung von Chrom(VI)- auf Chrom(III)systeme wird allerdings noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Für die Vorbehandlung von Chrom(VI) stehen derzeit noch keine wirklich akzeptablen Verfahren zur Verfügung.

Chrom(III)elektrolyte - Eigenschaften und Farbvarianten

Peter Böttcher, SurTec GmbH, befasste sich mit den Eigenschaften und Farbvarianten der Chromschichten aus Chrom(III)elektrolyten. Eingangs wies er darauf hin, dass beispielsweise VW seit diesem Jahr seine Beschichtungszulieferer zur Abgabe von Angeboten für Schichten aus Chrom(III)systemen auffordert, sowie Vorbehandlungen ohne Chrom(VI) in den nächsten Jahren wünscht. Insbesondere für asiatische Automobilhersteller sind im Innenbereich bereits einige Teile mit Chrom(III)verfahren beschichtet. Weitere Anwendungen mit Metallsub­straten sind im Bereich der Geräte oder Möbel zu finden. Dafür werden aktuell etwa 480 000 Liter Elektrolyt des Chemie- und Verfahrenslieferanten SurTec eingesetzt. Die Farbvarianten reichen von Chrom(VI)aussehen bis hin zu sehr dunklem Chrom. Grundsätzlich sind die sulfatischen Systeme gelblastig, wobei eines der neueren Systeme dem Chrom aus Chrom(VI)systemen sehr nahe kommt.

Mögliche Farbtöne der Oberflächen aus Chrom(III)elektrolyten für Systeme der SurTec (Bild: P. Böttcher)

 

Für das System der SurTec stehen besondere Anoden zur Verfügung, die eine hohe Standzeit und eine hohe Stromausbeute erlauben. Zur Abscheidung von 0,2 µm bis 0,3 µm wird eine Abscheidedauer von zwei Minuten bis fünf Minuten benötigt. Um die erforderlichen Komplexbildner aus den anfallenden Abwässern zu entfernen werden ­spezielle Systeme angeboten. Darüber hinaus ­werden Ionenaustauscher zur Abreicherung von Fremdmetallen in den Elektrolyten benötigt. Besonders vorteilhaft ist nach Aussage des Vortragenden die höhere Tiefenstreuung. Im Vergleich zu Chrom(VI)systemen liegen die Betriebskosten für Chrom(III)elektrolyte um etwa 20 Prozent höher.

Sinnlichkeit von Oberflächen

Die Eigenschaften von Oberflächen mit besonderem Fokus auf Chrom rückte Dirk Kieslich, Gerhardi Kunststofftechnik GmbH, in der Vordergrund seiner Betrachtungen. Eingangs wies er darauf hin, dass die Vorbehandlung von Kunststoffen zu deutlich höheren Herausforderungen für die Anbieter von Chemieverfahren führt, als der Wechsel von Chrom(VI) auf Chrom(III).

Um eine Oberfläche sinnlich wahrzunehmen, werden Haptik, Optik, Akustik, Geschmack und Geruch beansprucht. Für Chromoberflächen werden nach Ansicht des Referenten primär Haptik und Optik in Anspruch genommen, wogegen die übrigen Sinne durch eine Metalloberfläche nicht oder nur sehr eingeschränkt angesprochen werden, wie beispielsweise der Klang einer Metalloberfläche beim Anschlagen.

Die Veränderung von Chromoberflächen im Automobil (Bild: D. Kieslich)

 

Die Entwicklung bei Innenteilen von Fahrzeugen fällt dadurch auf, dass zwar zahlreiche Schalter oder Hebel nach wie vor eine metallische Oberfläche aus Chrom besitzen. Allerdings spielt der Einsatz von Licht eine immer größere Rolle. Häufig wird das Lichtelement in der Nähe einer Chromoberfläche gelegt und damit die Reflexion von Chromoberflächen genutzt. Hierbei erbringt der Einsatz der LED-Technik zusätzlich Dynamik.

Als negativ betrachtet der Vortragende, dass Kunden der Beschichter durch REACh verunsichert worden sind; zum einen durch die Aussagen zur Toxizität, zum anderen aufgrund der langfristigen Lieferfähigkeit. Grundsätzlich befindet sich der gesamte Fahrzeugbau erkennbar im Wandel, wobei die Bedeutung der Innenausstattung der Fahrzeuge wächst, allerdings zugunsten von Lack und Licht. Dabei fällt auch auf, dass die verbleibenden Chromoberflächen immer filigraner werden. Der Anteil an Schaltern wird stark abnehmen, da die Steuerung durch Gesten immer mehr Zuspruch findet. Getrieben ist diese Entwicklung unter anderem auch durch den Wandel zur E-Mobilität. Eine weitere Entwicklung zeichnet sich unter anderem durch die steigenden Anteile an farbigen Elementen im Fahrzeuginneren aus, die sich sehr gut durch unterschiedliche Folientechnologien herstellen lassen.

Insbesondere im Außenbereich lassen die derzeitigen Projektstudien der Autohersteller erwarten, dass Chromoberfläche nicht mehr benötigt werden. Auch hier wird zunehmend lackierter Kunststoff und Licht eingesetzt.

Abschließend wies Dirk Kieslich darauf hin, dass Chromoberflächen eine neue Sinnhaftigkeit erhalten müssen, um das Interesse daran bei den Automobilherstellern beizubehalten beziehungsweise für die Zukunft verstärken zu können. Hierfür spielen beispielsweise Strukturierungen, Funktionalisierungen oder auch Farbe eine Rolle. Als Beispiel führte er Strukturchrom an. Dazu werden Folien galvanisch beschichtet, die wiederum geometrisch beliebig weiterverarbeitet ­werden können. Im Prinzip werden dazu kleine Strukturen durch galvanische Schichten erzeugt, und parallel vorliegende Segmente sind durch dünne Lackschichten beschichtet. Solche Folien können bis zu 25 µm dünn werden, die mechanische Stabilität lässt sich durch anschließendes Hinterspritzen, beispielsweise mit Polycarbonat, erzeugen.

Nickelmigration

Chromschichten erhalten für dekorative Anwendungen in der Regel einen Unterbau aus Nickel in Dicken zwischen wenigen Mikrometer und bis zu 30 µm, beispielsweise bei Kunststoffsubstraten. Da diese Schichten lediglich dünne Chromschichten deutlich unter 1 µm erhalten, besteht das Risiko, dass Nickel durch Poren oder Risse in der Chromschicht nach Außen gelangt und somit ­Nickelallergien auslösen könnte. Mit diesem Thema setzte sich Uwe Dietrich, Dornbracht GmbH & Co. KG, auseinander. Er wies darauf hin, dass Sanitärarmaturen neben diesem Effekt, der sich aus der Berührung von Oberflächen ergibt, zudem einer Beobachtung aufgrund einer befürchteten Nickelanreicherung in Trinkwasser unterliegen.

Kritisch ist die Bestimmung der Nickelmigration. Aufgeführt sind in den dafür relevanten Unterlagen der Behörden alle Teile, die vor allem im Haushalt aufgeführt sind, wobei Hartgeld bewusst aus der Liste genommen wurde, da die EU zu hohe Kosten für einen Ersatz des Metalls bei Münzen befürchtete.

Die gesetzlichen Regelungen sind nach Kenntnis des Vortragenden als bedenklich anzusehen, da bei der nachweislichen Überschreitung der genannten Grenzwerte Rückrufaktionen erforderlich werden. Im Wiederholungsfall ist die Abgabe von Nickel ein Fall für das Strafgesetzbuch.

Die Nickelabgabe aus einer Legierung in Trinkwasser erfolgt linear, wobei die maßgebliche DIN EN 1811 gleichermaßen auf Legierungen (hier Messing) und Beschichtungen anzuwenden ist (Bild: U. Dietrich)

 

Neben der Nickelmigration über Hautkontakt ist für die Sanitärindustrie die Anreicherung im Trinkwasser zu beachten. Allerdings sind Gefährdungsangaben wenig sinnvoll, da nur der erste Schluck Wasser (Stagnationswasser) erhöhte Nickelgehalte aufweist. Auch wenn die Regelungen hier erkennbar in eine falsche Richtung laufen, scheut die Behörde den Weg zur Entfernung von Produkten aus der Liste der gefährlichen Stoffe. Hilfestellung erhalten betroffene Unternehmen durch eine wissenschaftliche Studie (JRC Science und policy Reports), die sich mit den tatsächlichen Kontaminierungsverhältnissen beim Duschen auseinandersetzt, also beispielsweise durchschnittliche Duschdauern ermittelt hat. Daraus resultierend erfolgte das Streichen von Duschköpfen aus der Liste; ebenfalls herausgenommen wurden im Übrigen auch Türschlüssel.

Ein Fazit der sehr umfangreichen Ausführungen von Uwe Dietrich war der wichtige Hinweis, dass ein Beschichter seine Kunden darüber informieren muss, dass ein verwendeter Stoff auf die SVHC-Liste gekommen ist. Aus diesem Grund müssen Unternehmen stets auf dem Laufenden sein, welcher Stoff in die Diskussion kommt. Nur dann bestehen auch Chancen, die Aufnahme von Stoffen in die SVHC-Liste zu verhindern.

Kunststoffe und PVD

Christoph Tschaar, Hansgrohe SE, befasst sich mit der Beschichtung von Kunststoffen durch PVD-Verfahren für Sanitärarmaturen. Für derartige Oberflächen wird in der Regel auf den Kunststoff ein Schichtensystem aus Kupfer, Nickel und Chrom mittels klassischer galvanotechnischer Verfahren aufgebracht. Damit handelt es sich bei der vorgestellten Beschichtung nicht um einen Ersatz von Chrom(VI)verfahren, sondern um eine ­Erweiterung des Spektrums.

Die galvanische Schicht liefert einmal die elektrische Leitfähigkeit für die PVD-Beschichtung und verhindert zum anderen das Ausgasen des Kunststoffes im Vakuum, das für PVD Voraussetzung ist. Darüber hinaus ist zu verhindern, dass das Substrat zu stark erwärmt wird. Die Erwärmung wird vermieden, indem längere Pausen in den Beschichtungsprozess eingefügt werden. Die Länge der Pausen wurde über eine komplexe Messung der tatsächlich auftretenden Temperaturen ermittelt. Auf Basis der Daten wurden der Beschichtungsprozess optimiert und damit die Bauteiltemperaturen auf 80 °C begrenzt. Bei höheren Temperaturen kommt es zu Haftungsproblemen zwischen Kunststoff und Metall.

Eine weitere einzustellende ­Kenngröße ist die Farbe der PVD-Schicht. Kritisch sind hier die möglichen Gase, beispielsweise Stickstoff, die während der Beschichtung in geringen Mengen in die Prozesskammer eingeleitet werden. Diese verändern die PVD-Schicht. Anspruchsvoll ist die Einstellung der Farbe deshalb, weil durch Hochglanz die Farbabweichungen deutlich schlechter zu erkennen sind. Dazu eignet sich die Festlegung, beispielsweise des b-Werts bei einer üblichen Lab-Farbmessung. Zudem werden für die Herstellung von farbigen Oberflächen Grenzmuster festgelegt und benötigt.

Derzeit werden vom Sanitärdesign verstärkt schwarze Oberflächen gewünscht. Für diese eignet sich sehr gut die Kombination aus galvanischer Grundschicht (in großem Umfang matte Schichten) und PVD-Deckschicht. Im Falle der Farbvariante Mattschwarz handelt es sich um eine Mehrlagenschicht, bestehend aus Haftvermittler, Vorschicht und Deckschicht. Neben Farben sind hohe Anforderungen an die Abriebfestigkeit zu erfüllen. DLC-Beschichtungen, die ebenfalls schwarze abriebfeste Oberflächen erzeugen, scheiden aus Gründen der Prozesstechnik aus.

Galvanisieren von 3D-Druck-Kunststoffteilen

Derzeit ist vorherrschende Meinung, dass bei gedruckten Kunststoffteilen zur Erzeugung einer dekorativen Oberfläche eine mechanische Oberflächenbearbeitung unumgänglich ist. Andreas Lang, Delbramed GmbH, ist mit dem Anspruch angetreten, das Gegenteil unter Beweis zu stellen. Dazu ging der Vortragende zunächst auf die Zukunftsfähigkeit des 3D-Drucks in der Industrie ein. Hier liegen vor allem Automobil- und Luftfahrt- sowie die Kunststoffindustrie an der Spitze. Sinnvoll für einen weiter steigenden Einsatz ist auf jeden Fall die Auswahl optimaler Werkstoffe, aber auch die Betonung von Vorteilen der Technologie gegenüber klassischen Verfahren. Inzwischen ist die Technologie soweit fortgeschritten, dass alle Stückzahlen unter 50 000 pro Jahr kostengünstiger mit 3D-Druck als mit den konventionellen Herstellverfahren realisierbar sind. Die Präzision reicht heute bis in den Mikrometerbereich. Implantate werden derzeit bereits bis zu 40 Prozent mittels 3D-Druck gefertigt.

Der Einsatz von galvanisierbaren Kunststoffen ist nach Aussage von Lang nötig, weil die Teile gut reinigbar sein müssen oder eine höhere Oberflächenrauheit die Beschichtbarkeit fördert. Als Grundwerkstoff empfiehlt sich für das Teilespektrum im Unternehmen des Vortragenden PEEK. Herausforderung war anfangs die Herstellung der ersten geschlossenen Schicht. PEEK gilt im Allgemeinen als bedingt galvanisierbar, insbesondere der Beizprozess war schwierig zu führen.

Der anfängliche Optimierungsansatz beim 3D-Druck richtete sich auf die ­Schichtdicke der einzelnen Drucklagen. Im nächsten Schritt wurden die notwendigen CAD-Daten auf die Drucktechnik hin optimiert, insbesondere für einen Verzicht auf Stützstrukturen. Dafür werden beispielsweise Handscanner oder Computertomographen eingesetzt. Heute werden mittels der Technologie beispielsweise Implantate oder medizintechnische Teile mit partieller Galvanikoberfläche, aber auch Segmente für Gasturbinen mit einer Kunststoffbasis hergestellt. Erzielbar werden damit beispielsweise Ra-Werte von 0,02. Darüber hinaus ist es mit einer optimierten Technologie möglich, zum Beispiel 1600 Uhrengehäuse in drei Stunden zu drucken.

Die von Andreas Lang vorgestellte Technologie erfuhr bei den Teilnehmern der Tagung ein sehr hohes Interesse. Allerdings wurde der Wunsch, reale Teile seiner Herstellungstechnologie zu sehen, bei der Tagung in Lüdenscheid noch nicht erfüllt, was aber sicher bei weiteren Veranstaltungen der Fall sein dürfte. Auf jeden Fall stärken die Entwicklungen die Überzeugung, dass 3D-Druck nach wie vor einen stark steigenden Anteil an der zukünftigen Produktion hocheffizienter Bauteile erzielen wird.

Pumpen- und Filter für ­Satin-Nickel-Elektrolyte

Einen besonderen dekorativen Effekt, Blendfreiheit und geringe Griffempfindlichkeit werden durch die Beschichtung von Kunststoffen mit Satin-Nickel-Schichten erzielt. Jan Bohncke, Siebec Group - Bohncke GmbH, stellte die für einen sicheren Betrieb der entsprechenden Elektrolytsysteme notwendige Filter- und Pumpentechnologie vor. Satin-Nickel-Oberflächen basieren auf der Herstellung einer speziellen Struktur der galvanischen Nickelschicht, wofür ein Elektrolytsystem mit einer dispersiven Phase Anwendung findet. Während der Abscheidung lagern sich Flüssigkeitströpfchen aus einer nicht wasserlöslichen Phase an der Oberfläche an. Dadurch entsteht eine Nickeloberfläche mit kugelförmigen Eindellungen. Diese wiederum verändern die Lichtstreuung der Oberfläche und erzeugen so das matte Aussehen.

Entscheidend für ein gleichmäßig mattes Erscheinungsbild sind die Verteilung und Größe der Dispersionsphase im Elektrolyten. Die dispersive Phase neigt im Betrieb des Elektrolyten zum Koagulieren, also zum ­Wachsen der Tröpfchen. Mit einem speziellen Filter- und Pumpensystem gelingt es, die Additive aus dem Elektrolyten zu entfernen und durch frische Zusätze zu ersetzen. Hierbei ist es wichtig, das System auf die jeweiligen örtlichen Gegebenheit, wie Behältergröße, Strömungsverhältnisse im Behälter oder Belegung eines galvanischen Elektrolyten, einzustellen. Ein optimales Pumpensystem ist in der Lage, die notwendige Zusammensetzung des Elektrolyten kontinuierlich zu gewährleisten und damit ein konstant ­gutes Abscheideergebnis zu erzielen.

Gleichrichtertechnologie

Im letzten Beitrag der Fachtagung gab Thomas Köhl-Skarval, Plating electronic GmbH, einen Überblick über die Gleichrichtertechnologie für die galvanische Metallabscheidung. Eine genaue Betrachtung der Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Gleichrichtertechnologien wie Regeltrafo, Thyristortechnik oder Schaltnetzteile empfiehlt sich unter anderem auch deshalb, weil die Stromkosten für die Galvanotechnik zu den Hauptkostenfaktoren zählen. Darüber hinaus können sich je nach Art des Einsatzes im galvanischen Betrieb Vorteile durch geringeren Platzbedarf, eine bessere Art der Kühlung der Gleichrichterbauelemente oder ein günstigeres Regel­verhalten ergeben. Bei Betrachtung der unterschiedlichen Kenngrößen der Gerätetechnologien wie Leistungsbereich, Kühlarten, Regelung, Restwelligkeit, Leistung, Wirkungsgrad oder Baugröße schneidet die Schaltnetztechnologie gegenüber Regel- und Thyristortrafo besser ab.

Moderne Gleichrichter bieten vor allem durch ihren modularen Aufbau unterschiedliche Möglichkeiten der Installation, z. B. unter (oben) oder über einer Beschichtungslinie (Bild: Th. Köhl-Skarval)

 

Beim Wirkungsgrad im galvanischen Prozess kann davon ausgegangen werden, dass bei der Thyristortechnik die Stromausbeute bei etwa 20 Prozent liegt und bei Schaltnetzteilgleichrichtern etwa 24 Prozent erreicht. Am Beispiel einer realen Anlage für das Kunststoffgalvanisieren zeigte der Vortragende empfehlenswerte Arten der Gleichrichterausstattung und -positionierung. Er zog weiterhin einen Vergleich für den Einsatz von Thyristor- und Schaltnetzteiltechnologie. So kann bei Einsatz der Schaltnetzteiltechnik gegenüber Thyristorgleichrichtern von einer Reduzierung der Energieverluste von mehr als 50 Prozent ausgegangen werden, so dass trotz höherer Investitionskosten eine deutliche Einsparung von etwa 15 Prozent möglich ist. Kostenvorteile ergeben sich nach Aussage des Vortragenden auch durch die Nachrüstung vorhandener Gleichrichter durch die neueste Technologie.

Hinweis

Der Termin und das Programm für die Tagung 2020 zum Thema Kunststoffgalvanisieren sind zu finden unter:

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