Im Falle der Ersetzung von Chrom(VI) durch Chrom(III) in der Oberflächentechnik gibt es eine Reihe von Veröffentlichungen die zeigen, dass ein Ersatz möglich ist. Dabei fällt auf, dass es sich bei diesen Anwendungen häufig um die Substitution in einem Inhouse-Betrieb handelt; für diesen gelten wiederum folgende Bedingungen:
- Anforderungen an das Produkt können im Gespräch mit seinen Kunden geklärt und damit der Wechsel den Kunden vermitteln werden
- das eingesetzte Produktmaterial ist genau bekannt, was die Prozessparameter im Vorfeld kalkulierbarer machen.
Für einen Lohnbeschichter für die Herstellung von Chromoberflächen ist die Frage, das Verfahren Chrom(VI) durch ein anderes (nicht nur Chrom(III)) zu ersetzen, nicht nur die, ob ein SVHC-Stoff durch ein anderes Verfahren ersetzt werden kann und die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden können. Es erfordert vom galvanotechnischen Betrieb eine betriebswirtschaftliche Herangehensweise die alle Unternehmensbereiche umfasst.
Erste, zu stellende Fragen hierbei sind:
- Ist oder gehört die Verchromung zu meiner Kernkompetenz
- Wieviel Umsatz/Rendite/Kosten nimmt dieser Prozess in meinem Unternehmen ein
- Wie wird sich der Markt zukünftig entwickeln.
Von der Beantwortung dieser Fragen hängt eine Unternehmensstrategie ab, die entwickelt und der entsprechend ein Maßnahmenplan für die Zukunft aufgestellt werden muss.
Für den Fall, das die Verchromung nicht die Kernkompetenz ist und es Möglichkeiten gibt, diese Prozesse auszulagern oder nicht mehr anzubieten, wird ein zukunftsorientierter Unternehmer die entsprechenden Maßnahmen kennen und seine Unternehmensstrategie danach ausrichten.
Wenn die Existenz des Betriebes und der Mitarbeiter von der Anwendung des Prozesses mit einem Chrom(VI)verfahren abhängen, ergeben sich ganz andere Fragen, z.B.:
- Wie wird sich der Markt für welche Produkte, wie entwickeln?
- Wie entwickeln die Kunden ihre Produkte und welche Position haben sie?
- Welchen Umsatz beziehungsweise Rendite erzielen die Produkte für die bis heute noch keine erkennbar realistischen Substitutionsmöglichkeiten auf dem Markt sind?
- Wie ist mit der Stellung mancher Kunden umzugehen, die die Herstellung der Oberfläche nicht interessiert und die die gleichen Eigenschaften erwarten - gleich welcher Ersatz gefunden wird - in Hinblick auf Optik, Haptik und Korrosionsbeständigkeit?
- Welche Möglichkeiten hat der Betrieb, Prozesse neu zu installieren, damit Umsatz mit höheren Kosten zu erzielen und trotzdem eine Rendite zu realisieren, die zudem auch zukünftig für die Erhaltung des Betriebes und der Sicherung der Arbeitsplätze notwendig sind?
- Welchen Zeitraum benötigt die Entwicklung dieser Szenarien und lassen sich die notwendigen Entscheidungen in die langfristige Unternehmensstrategie einbinden?
Viele Fragen und Antworten, die nicht allgemein gültig sein können und auch zukünftig nicht sein werden. Ein Konflikt und der sich auftut zwischen AOA (Analyse der Alternativen) und der SEA (sozioökonomische) Analyse und der dem berühmten gordischen Knoten gleicht.
Eine allgemein gültige Antwort kann und wird es auch auf Seiten der Kunden nicht geben. Stellungnahmen von produktspezifischen Branchenverbänden sind schwerlich zu bekommen. Lediglich für die Branchen im Bereich Aerospace and Defence scheint ein Verbund in Planung, der die Beschichter möglicherweise unterstützen wird in ihrem Bemühen eine Lösung zu finden.
Verkaufsstrategische Überlegungen der Lieferanten der Beschichter von galvanischen Chromoberflächen machen die Frage der Substitution mit Chrom(III) oder anderen Oberflächen nicht unbedingt einfacher, da es die Lösung nicht gibt, die Marktbedingungen teilweise offene Antworten verhindern.
Die komplexe Fragestellung, wie den Kunden eine Oberfläche angeboten werden kann, für die ehrlicherweise ein höherer Erlös erzielt werden müsste und die auch in den meisten Fällen keine besseren Eigenschaften hat, ist noch ungelöst. Der Kunde wird, wenn er die Möglichkeit hat und seinen Kunden weiterhin die gleichen Oberflächen bieten möchte, Lieferanten im außereuropäischen Ausland suchen oder alternativ sein Produkt nicht mehr mit einer metallischen Oberfläche anbieten.
Ein Aspekt in den Bemühungen um eine Substitution ist eine Spezies, die bisher in den Diskussionen nicht oder nur selten vorkommt: der Mitarbeiter. Das galvanotechnische Unternehmen hat im Normalfall Mitarbeiter die seit Jahren und Jahrzehnten mit dem Unternehmen verbunden sind. Teilweise sehr gut ausgebildet oder aber auch ohne besondere Ausbildung im Unternehmen zu hervorragenden Mitarbeitern herangezogen. Diese nehmen Arbeits- und Umweltschutz ernst und sind sicher im Umgang mit z.B. Chromsäure, ohne ihre Gesundheit zu gefährden. Die auch im Regelfall auch keine Kollegen kennen, die durch chromsäurebedingten Krankheiten betroffen oder gestorben sind. Die nun anstehenden Veränderungen verursachen Ängste vor allem bei langjährigen Mitarbeitern. Ängste vor Umschulung, Frühverrentung, Freisetzung. Aber dieses Thema sollte eine separate Aufarbeitung wert sein.
Die für die Umsetzung der REACh-Verordnung zuständigen Behörden in der EU und den Nationalstaaten scheinen erkannt zu haben, dass diese komplexe Fragestellung nicht mit einfachen Antworten zu regeln ist. Ein geregelter Übergang ist im Interesse aller Beteiligten.
Für das galvanotechnische Unternehmen
gibt es in diesem Moment nur den Weg, die geforderten Arbeits- und Umweltschutzanforderungen zu erfüllen, sich einem Konsortium anzuschließen oder eine Einzelautorisierung anzustreben und seine Zukunftsstrategien an den oben aufgeführten Fragestellungen auszurichten.
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