Mit Plasma zum chromfreien Sonnenschutz

Oberflächen 08. 10. 2019

Bei der Vorreinigung von Aluminiumbändern vor der Lackierung fallen üblicherweise große Mengen an Chemikalien und kontaminiertem Abwasser an. Eine atmosphärische Plasmatechnologie ermöglicht einem führenden Sonnenschutz­hersteller seit zwölf Jahren, jegliche Nasschemie im Feinreinigungsprozess seiner Aluminiumbänder zu vermeiden und damit beispielhaften Umweltschutz zu leisten.

Der Wechsel von einem eingeführten Indus­trieprozess zu einem völlig neuen, ist ein großer Schritt, der von einem Unternehmer neben Mut vor allem Geduld verlangt. Beide Fähigkeiten stellte die Griesser AG unter Beweis, als es vor Jahren darum ging, eine neue Lackieranlage für Aluminiumbänder so umweltfreundlich wie möglich auszulegen. Das Schweizer Familienunternehmen gehört zu den führenden Sonnenschutzherstellern ­Europas und ist auf die Herstellung witterungsbeständiger Rollläden und Lamellenstoren aus Aluminium spezialisiert. Am Stammsitz Aadorf wurde im Jahr 2007 mit Anwendung der atmosphärischen Openair-Plasma-Technologie (Abb. 1) des Systementwicklers Plasmatreat erstmals in der Coil-Coating-Industrie ein Reinigungsverfahren in Betrieb genommen, bei dem umweltschädigende Probleme gar nicht erst existent wurden. Doch ein solch umwälzender Prozesswandel geschieht nicht von heute auf morgen.

Abb. 1: Feinreinigung eines Aluminium-Coils mit Openair-Plasma, bei dem mit dem umweltschützenden Düsenverfahren das Band trocken und chemiefrei gereinigt wird; benötigt werden für seinen Betrieb allein Druckluft und Strom (Bild: Plasmatreat)

 

Die Vision

Schon lange hatten sich damals die Fachleute bei Griesser mit dem Gedanken beschäftigt, wie die Prozesssicherheit des Lackierverfahrens in einer neuen Schmalband-Beschichtungsanlage mit einer implementierten Vorbehandlung erhöht und gleichzeitig umweltfreundlich gestaltet werden könnte. Da in die alte Anlage keine Vorbehandlungszone integriert war, wurden bislang chromatierte Bänder verarbeitet; das sollte sich ändern. Auch sollte die Geschwindigkeit erhöht werden, das hieß, eine schnellstmögliche Durchlaufzeit neuer Produkte bei absolut konstanter Lackierqualität. Klar war allerdings, dass für die neue Anlage und die angestrebten Produktionsmengen bei herkömmlicher Vorbehandlung auch eine nasschemische Reinigungsstraße von über sechzig Metern Länge erforderlich werden würde - aber dafür gab es auf dem Werks­gelände keinen Platz.

Bei einer Messe wurde der damalige Projektleiter auf die zu der Zeit noch junge Openair-Plasma-Düsentechnik von Plasmatreat aufmerksam; ein Inline-Reinigungsverfahren mit Atmosphärendruckplasma (AD-Plasma), das nur Luft und Strom benötigt und ohne jegliche Chemie auskommt (Abb. 2). Der Gedanke an die Möglichkeiten und Vorteile, die diese Plasmatechnologie für sein geplantes Vorhaben mit sich bringen würde, ließ ihn nicht mehr los. Vor allem die reduzierten Prozessschritte und die hohe Umweltfreundlichkeit eines zukünftigen Coil-Coating-Verfahrens faszinierten ihn.

Abb. 2: Die vor zwölf Jahren neu gebaute Lackieranlage von Griesser kommt aufgrund des Ein­satzes von AD-Plasma ohne eine nasschemische Reinigungsstraße aus (Bild: Plasmatreat)

 

Plasma ersetzt Nasschemie

Die gute Benetzbarkeit und einwandfreie ­Beschichtung von Aluminium fordern eine absolut reine Oberfläche. Eine solche ist jedoch erst einmal nicht gegeben. Stattdessen finden sich Restspuren aus dem Produktionsprozess wie Trenn- und Gleitmittel, Schneidöle oder Ziehfette oder auch undefinierte Oxidschichten und Schmutzablagerungen. Die Verunreinigungen verhindern, dass die im Aluminium vorhandene und für die Haftfestigkeit einer Beschichtung maßgeblich mitverantwortliche Oberflächenenergie zur Wirkung kommen kann. Vor der Weiterverarbeitung ist eine intensive Reinigung des Substrats somit zwingend erforderlich und diese erfolgt bei Aluminiumbandware üblicherweise seitens der Lieferanten oder spezieller externer Reinigungsfirmen unter Einsatz von umweltgefährdenden Nass­chemikalien.

Openair-Plasma dagegen ist ein trockener, umweltfreundlicher Prozess mit hoher Feinreinigungskraft. Die Wirkungsweise beruht, vereinfacht gesagt, auf der oxidierenden Eigenschaft des Plasmas. Die Düsen werden einzig mit Druckluft, gegebenenfalls auch mit einem gewünschten Prozessgas sowie mit Hochspannung betrieben. Bei der Vorbehandlung reinigt der auf die Oberfläche auftreffende Plasmastrahl das Material von allen organischen Verunreinigungen. Die Vorbehandlung erfolgt berührungslos, ortsselektiv und sehr schnell. In nur einem Arbeitsschritt wird die Oberfläche mikrofein gereinigt und gleichzeitig auf Molekularebene aktiviert (Abb. 3).

Abb. 3: Wie die infrarotspektroskopische Messung erkennen lässt, werden durch das hohe Energieniveau des atmosphärischen Plasmas Verunreinigungen an der Metalloberfläche gezielt in ihrer Struktur auf­gebrochen und entfernt (Bild: Plasmatreat)

 

Bei Aluminium und anderen Metallen wird die im Substrat vorhandene Oberflächen­energie durch die intensive Plasmareinigung wieder freigelegt, so dass eine vollflächige und homogene Benetzbarkeit der Oberfläche gewährleistet ist. Die für den vollautomatisierten und kontinuierlichen Produktionsprozess konzipierten Plasmatreat-Systeme sind computergesteuert, monitorüberwacht und uneingeschränkt roboterkompatibel. Die Vorbehandlungsprozesse selbst sind robust und zu 100 Prozent reproduzierbar.

Griesser war von den Möglichkeiten der innovativen Technologie begeistert. In Plasmatreat fand das Unternehmen einen engagierten Partner, der sofort bereit war, neue Wege zu gehen und gemeinsam die Integration der Plasmavorbehandlung in die neue Lackierstraße von Griesser zu erproben.

Die Forschung

Das von Griesser beschlossene Unterfangen erforderte jedoch noch einiges an Forschungsarbeit und bis zum Bau einer neuen Anlage und dem Einsatz des neuen Verfahrens war es noch ein weiter Weg. ­Obwohl bereits die allerersten Versuche ergeben hatten, dass der Einsatz der Plasmatechnologie als Alternative zur nasschemischen Reinigung genutzt werden kann, musste am Verfahren noch entwickelt und gefeilt werden, bevor es mindestens ebenso effektiv funktionierte wie das zuvor beim Lieferanten eingesetzte chemische Reinigungsverfahren. Gleiches galt für eine langzeitstabile Haftung der nachfolgenden Konversions- und Lackschicht.

Griesser entschloss sich, das Forschungsunternehmen Nanocraft mit einer ­Studie zum Thema Plasmabehandelte Aluminium­bleche zu beauftragen. Als Ableger des Max-Planck-Institutes und unabhängiger Forschungsdienstleister war Nanocraft mit aufwendig entwickelten Methoden aus der Rastersondenmikroskopie in der Lage, Oberflächen sowohl konventionell, das heißt, topografisch elastisch, als auch chemisch sensitiv bis zur molekularen Auflösung abzubilden.

Die Anwendbarkeit von AD-Plasma in der Serienfertigung sowie seine Wirksamkeit bei der Reinigung und Aktivierung von zu lackierenden Oberflächen - wie dem Coil ­Coating - wurde von Nanocraft nachgewiesen. Bei den Versuchen wurde die ­konventionelle chemische Vorbehandlung als Referenzsystem genutzt. Unter Berücksichtigung der zu optimierenden Material-Plasmaparameter (Fokus, Intensität, Energieeintrag) konnte eine deutliche Überlegenheit gegenüber konventionellen Vorbehandlungsmethoden aufgezeigt werden: Die gewonnenen ­Ergebnisse belegten nicht nur die Einsatzmöglichkeit von AD-Plasma als Alternative, vielmehr erzielte die Plasmabehandlung in allen Bereichen deutlich bessere Ergebnisse als die chemische Referenz. Da es sich bei den Aluminiumbändern um Bauteile handelte, welche später im Fassadenaußenbereich zum Einsatz kommen sollten, erfolgte zudem beim Forschungsinstitut für Edelmetalle und Metallchemie (fem) in Schwäbisch Gmünd ein 1000-stündiger essigsaurer Salzsprühtest nach dem GSB-Standard.

Ein Meilenstein der Anlagentechnik

Ende 2006 begann der Aufbau der ­neuen 49 Meter langen Lackierstraße und ­Anfang Juni 2007 erfolgte die Inbetriebnahme. Zunächst erwarb Griesser die Coils noch als grob vorgereinigte Bleche, entschied sich aber bald, aus Kostengründen auch diesen ersten Reinigungsschritt selbst auszuführen. Die integrierte Grobreinigung erfolgt seitdem umweltfreundlich mit Hilfe einer Hochdruck-Wasserstrahlanlage. Als Reinigungsmedium kommt hierbei allein demineralisiertes Wasser (VE-Wasser) zum Einsatz, das nach Gebrauch wieder aufbereitet wird.

Der Feinreinigungsprozess der Aluminiumbänder erfolgt mit AD-Plasma. Auf jeweils einer Breite von 150 Millimeter reinigen insgesamt 48 versetzt angeordnete rotierende Plasmadüsen die Aluminiumbleche beidseitig vor dem Aufbringen (No-rinse-Verfahren) der chromfreien Konversionsschicht (Abb. 4). Die Düsen erzielen eine hydrophile Oberfläche mit einem Kontaktwinkel von konstant 20° bis 30°. Durch die höhere Benetzbarkeit kann der nachfolgende Konversionsschichtauftrag eine optimale Verbindung mit der Oberfläche eingehen. Die computergesteuerte, auf ­einer Fläche von lediglich 2 m x 1,50 m untergebrachte Plasmaanlage (Abb. 5) ersetzt bei Griesser heute eine sonst erforderliche über 60 Meter lange Reinigungsstraße. Abhängig vom Grad der Verschmutzung der Bänder werden durch das umweltschonende Reinigungskonzept große Mengen an Chemikalien und tausende Tonnen von Abwasser pro Jahr vermieden. Da im Vorreinigungsprozess keinerlei Abfall entsteht, entfällt auch die sonst übliche Neutralisation, also das Aufbereiten von Abwasser. Das heißt, es entfallen große Mengen an Filterkuchen, welche als Sondermüll entsorgt werden müssten.

Abb. 4: Auf jeweils einer Breite von 150 mm reinigen insgesamt 48 versetzt angeordnete rotierende Düsen die Aluminiumbleche beidseitig vor dem Aufbringen der chromfreien Konversionsschicht und der Lackierung (Bild: Plasmatreat)

Abb. 5: Innenbereich der auf einer Fläche von nur 2 m x 1,50 m untergebrachten computergesteuerten Plasmaanlage, mit der bei Griesser die Produktionsgeschwindigkeit um das Vierfache erhöht werden konnte (Bild: Plasmatreat)

 

Durch den Plasmaprozess hat sich nicht nur die Produktionsgeschwindigkeit von 10 m/min auf 40 m/min erhöht, berichtet Emanuel Kissling, Leiter der Gesamtproduktion im Werk Aadorf, hinzu kommt ein großer Gewinn an Flexibilität, der die Beschichtung von Kleinmengen möglich macht und damit zu einer Steigerung des eigenen Produktionsvolumens beiträgt. Griessers Vision, jegliche Chemie im Vorreinigungsprozess zu vermeiden, hat sich erfüllt. Die gesamte ­Coil-Coating-Produktion der Aluminium­jalousien erfolgt heute chromfrei. Die kosteneinsparenden und umweltschonenden Maßnahmen haben für die Coil-­Coating-Branche Vorbildfunktion.Inès A. Melamies

Kontakt

Plasmatreat GmbH; Ansprechpartner: Joachim Schüßler

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