Durch Megatrends wie Elektromobilität und Internet of Things steigen der Bedarf und die Vielfalt an kleineren und leistungsstärkeren Steckverbindern und deren Beschichtungssysteme enorm. Aufgrund der guten Leitfähigkeit und Oxidationsbeständigkeit wird hier meist Gold als Endschicht eingesetzt. Der hohe Goldpreis führ jedoch dazu, dass Alternativen wie Silber immer attraktiver werden, da Silber neben dem Kostenvorteil sehr gute elektrische Eigenschaften besitzt und zudem für Hochleistungskontaktsysteme eingesetzt werden kann. Allerdings neigt Silber in bestimmten korrosiven Medien zur Ausbildung von schwerlöslichen farbigen Beschlägen. Neben dem optischen Erscheinungsbild können diese Schichten die elektrischen Eigenschaften des Silbers negativ beeinflussen. Bis 2017 waren chrom(VI)haltige Prozesse aufgrund ihrer guten Schutzwirkung und des universellen Einsatzes Stand der Technik für Anlaufschutz. Diese wurden dann weitestgehend durch organische oder andere metallische Passivierungen ersetzt, die jedoch Nachteile in Bezug auf Preis sowie Lager- und Temperaturbeständigkeit haben und je nach Anwendung weniger effektiv sind. Die neu entwickelte metallische Passivierung Argalin® XL ohne Chrom(VI) bietet bei vergleichbaren Schutzeigenschaften die umweltfreundliche Alternative zu chrom(VI)haltigen Prozessen.
1 Silber als attraktive Kontaktendschicht
Steckverbinder werden für verschiedene Anwendungen in unterschiedlichen Umgebungen eingesetzt und sollten je nach Anforderung zuverlässige und stabile Kontakte liefern. Um diese Eigenschaften zu gewährleisten, konzentrieren sich die Hersteller neben dem Design und der Anzahl der Kontaktpunkte besonders auf die chemische Zusammensetzung und die physikalischen Eigenschaften der Kontaktoberfläche. Wichtige Aspekte sind hierbei: Verschleißfestigkeit, Lebensdauer, Normalkraft, Steckkräfte, sowie Kontaktwiderstände und Preis [1, 2].
Anwendungsabhängig bietet der Markt eine große Auswahl an unterschiedlichen Kontaktoberflächen. Die gängigen Endschichten bestehen meist aus Zinn, Gold oder Silber (Abb. 1). Unedles und preiswertes Zinn wird hauptsächlich für Standardanwendungen im Consumer- und Automobilbereich eingesetzt, bei denen wenige Steckzyklen vorgesehen sind und keine starken Vibrationen und Temperaturen erwartet werden. Das Verbot von Blei stellt diese Beschichtung jedoch in Bezug auf Whiskerausbildung immer noch vor Herausforderungen [3], da die Herstellung von Zinn-Blei als wirkungsvoller Schutz gegen Whiskerbildung nicht mehr in Betracht kommt.
Abb. 1: Übersicht von gängigen Oberflächenbeschichtungen [3]
Aufgrund der guten elektrischen Leitfähigkeit, der hohen Korrosionsbeständigkeit und des niedrigen Übergangswiderstandes hatte sich Hartgold als universelles Material für Endschichten durchgesetzt. Die niedrigen Steckkräfte führen zu einem geringen Verschleiß und ermöglichen somit eine lange Lebensdauer mit vielen Steckzyklen. Hartgold eignet sich dadurch optimal für Anwendungen, die geringe Spannungen benötigen, in korrosiver Umgebung stattfinden und für Signal- und Datenübertragung verwendet werden [4].
Durch den hohen Goldpreis konzentriert sich der Markt jedoch zunehmend auf attraktive Alternativmaterialien, die in Bezug auf Korrosions-, Temperatur- und Verschleißbeständigkeit vergleichbar mit den Eigenschaften von Hartgold sind. In diesem Zusammenhang haben sich Silber- und Silberlegierungen als preiswerte Alternative herauskristallisiert (Abb. 2).
Abb. 2: Kostenentwicklung für Connector Edelmetalle [5]
1.1 Eigenschaften von Silber für Steckverbinder
Silber ist fast so edel wie Gold und zeigt die höchste elektrische (60 m/(Ωmm2) und thermische (429 W/mK) Leitfähigkeit aller Metalle. Zudem besitzt Silber einen niedrigen Kontaktwiderstand (0,1 mΩ-1 mΩ), eine relativ geringe Härte (90 HV-180 HV) und ist durch gute Löt- und Schweißbarkeit charakterisiert. Aufgrund dieser Kombination an Materialeigenschaften eignet sich Silber optimal für Leistungsanwendungen mit hohen Temperaturen und Strömen, die vor allem in der Automobilindustrie zu finden sind [6, 7].
Trotz der hervorragenden elektrischen Eigenschaften zeigt reines Silber mechanische Nachteile als Oberflächenbeschichtung. Diese lassen sich im Allgemeinen mit dem hohen und instabilen Reibungskoeffizienten, der Tendenz zur Kaltverschweißung sowie dem Anlaufen in korrosiver Umgebung zusammenfassen.
Im Vergleich zu Hartgold tendieren silberbeschichtete Steckverbinder in industrieller Umgebung zu hohen Steckkräften, reduzierten Steckzyklen und erhöhtem Korrosionsrisiko. Für die Signalübertragungsindustrie bedeutet das, dass Silber für spezielle Anwendungen mit hoher Normalkraft und geringer Lebensdauer geeignet ist. Da für den Großteil der Anwendungen eine geringe Normalkraft und lange Lebensdauer erforderlich sind, kann Silber die Oberflächen aus Hartgold nur sehr bedingt verdrängen.
Um Silberschichten diesbezüglich zu optimieren, gibt es verschiedene Ansätze. Durch den Einbau von Fremdmetallen kann die Schichthärte und damit die Stabilität (z. B. durch Zugabe von Antimon (Sb), Selen (Se), Tellur (Te) und Bismut (Bi)) oder die Korrosionsbeständigkeit (z. B. in Form der SilberPalladium-
Legierung (AgPd)) erhöht werden [4].
1.2 Anlauf- und Korrosionsverhalten von Silber
Silber bildet in korrosiver Umgebung nach kurzer Zeit ungleichmäßige, schwerlösliche Beschläge, die in verschiedenen Farben von gelb bis schwarz auftreten können. Vor allem Schwefel- (H2S) und Chlorverbindungen (HCL) führen in Verbindung mit Luftfeuchtigkeit zu diesem Anlaufverhalten. Die dabei auftretende Ausbildung von Deckfilmen aus Silbersulfid (Ag2S) und Silberchlorid (AgCl) kann durch Anwesenheit zusätzlicher Gase (z.B. Ozon (O3) oder Stickstoffdioxid (NO2)) zudem noch beschleunigt werden (Tab. 1), wobei sich bevorzugt Silbersulfid bildet [3]. Auch wenn eine leichte Sulfidierung noch gute Kontakteigenschaften liefern kann, wird das Anlaufen aus ästhetischen Gründen nicht toleriert und führt meist zu Problemen bei der optischen Inspektion.
Eine stärkere Sulfidierung kann sich jedoch bei den anwendungstechnischen Eigenschaften negativ bemerkbar machen. Je nach Anwendung kann es zu einer unerwünschten Verschlechterung der Lötfähigkeit und zu einer unzulässigen Erhöhung des Kontaktwiderstandes von versilberten Steckverbindern kommen [4, 8]. Vermeiden lassen sich Anlaufschichten auf Silber und damit verbundene Effekte durch Passivierungen.
2 Silberpassivierung
Der Schutz einer Silberoberfläche vor dem Anlaufen kann zum Teil bereits durch entsprechende äußere Abschirmmethoden, wie beispielsweise geeignete Gehäuse oder adsorbierende Packungsmaterialien, erzielt werden.
Eine effektive Passivierungsschicht hat das Ziel, die Silber- oder Silberlegierungen vor korrosiven Medien zu schützen, die Funktionalität (Lötfähigkeit, Kontaktwiderstand) zumindest zu erhalten und die Lebensdauer zu erhöhen. Bis zu deren Verbot im Jahr 2011 waren chrom(VI)haltige Lösungen aufgrund ihrer guten Schutzwirkung Stand der Technik. Der Versuch, einen vergleichbaren Schutz durch Chrom(III)verbindungen oder andere Metalllösungen (z. B. auf Basis von Palladium (Pd), Rhodium (Rh) oder Zinn (Sn)) zu zu erreichen, blieb weitestgehend erfolglos oder war zu teuer.
Eine weitere Alternative bieten hier organische Passivierungen (Alkylthiole), die aber den hohen Anforderungen an Lager- und Temperaturbeständigkeit sowie Haftung teilweise nicht gerecht werden. Organische Passivierungen bestehen meist aus wasserunlöslichen Thiolen. In den Anfangsjahren wurden organische Lösungsmittel (u. a. chlorierte Kohlenwasserstoffe, Alkane oder Alkohole) verwendet, die aber sicherheits- und umweltbedingt zunehmend durch wasserbasierte Alkylthiol-Emulsionen ersetzt wurden. Eine der größten Herausforderungen in diesem Bereich ist es, stabile wässrige Emulsionen herzustellen, die es den Thiolen erleichtern, an der Metalloberfläche zu adsorbieren [8].
Atotech’s Argalin®-Portfolio bietet eine Vielzahl an Passivierungen für unterschiedliche Anforderungen und Anwendungen. Neben mehreren organischen Passivierungen wurde die neue, effektive und chrom(VI)freie Passivierung Argalin® XL entwickelt.
Die Passivierungsschichten werden in der Regel direkt nach der galvanischen Abscheidung von Silber auf die Oberfläche aufgebracht. Der Passivierungsprozess erfolgt bei Einsatz der organischen Passivierung durch Tauchverfahren, während die metallische Passivierung elektrolytisch aufgebracht wird. Galvanische Abscheidungen haben gegenüber den organischen selbstorganisierenden mono-molekularen Schichten (SAM: self assembled monolayers) den Vorteil, dass die Abscheidegeschwindigkeit höher ist und eine kompaktere Schutzschicht entsteht [9].
Alle aufgeführten Prozesse (Tab. 2) eignen sich für den Einsatz in Bandbeschichtungsanlagen sowie für Gestell- und Trommelanlagen.
3 Vergleichsanalyse
3.1 Testverfahren
In der Regel stehen einige Tests zur Verfügung, mit denen eine schnelle Aussage über die Effektivität von Passivierungsschichten getroffen werden kann. Ein wichtiges Verfahren ist hierbei ein Verfahren, mit dem das Anlaufen der Schichten in korrosivem Medium beschleunigt simuliert werden kann. Zu diesem Zweck wird die Kontaktoberfläche unter definierten Bedingungen eine definierte Zeit korrosiven Gasen, Gasgemischen oder einem Tauchmedium ausgesetzt. Die Auswertung dieser Anlauftests (Sulfidtauchtest, Thioacetamidtest) erfolgt optisch.
Neben den Tests zum Anlaufschutz werden folgende Kategorien zum Vergleich der Passivierungen herangezogen:
- Stabilität
- Prozessfähigkeit
- Performance beim Vergleich von reinem Silber mit Silberlegierungen
- Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit
Diese Tests dienen zur Evaluierung und dem Vergleich von organischen und metallischen Systemen. Als Referenz gelten die Kennwerte von Argalin®, einer Passivierung, die aus chrom(VI)haltigen Lösung abgeschieden wird.
3.2 Ergebnis des Vergleichs
Tabelle 3 enthält die Bewertung der einzelnen Passivierungen in den verschiedenen Testkategorien. Die metallischen Passivierungen schneiden in der Gesamtbetrachtungen besser ab als die organischen Passivierung. Die neue Passivierung ohne sechswertiges Chrom überzeugt bei den metallhaltigen Ansätzen aufgrund der besseren Umweltfreundlichkeit bei nahezu gleichen Eigenschaften wie die chrom(VI)haltige Ausführung.
4 Zusammenfassung
Die Gegenüberstellung der organischen und metallischen Passivierungen zeigt deutlich, dass das neu entwickelte Argalin® XL in Bezug auf Anlaufschutz und Stabilität die gleichen Eigenschaften aufweist, wie der chrom(VI)haltige Prozess Argalin®; er ist den organischen Passivierungen aber deutlich überlegen und bietet somit einen leistungsstarken Alternativprozess ohne Chrom(VI). Argalin® XL lässt sich gut löten und zeigt eine gute Haftung zum Mold. Im Vergleich zu reinem Silber bleiben der Kontaktwiderstand und die Gleiteigenschaft stabil.
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Auswahl der Silberpassivierung stark von den entsprechenden Anwendungsanforderungen abhängt und die geeignete Passivierung jeweils von Fall zu Fall ausgewählt werden muss.
Literatur
[1] M. Myers: The Performance Implications of Silber as a Contact Finish in Traditionally Gold Finished Contact Applications; Tyco Electronics, Harrisburg, PA, 2009
[2] I. Heile, R. Hüske: Contact plating material options for electronic connectors; Harting Ag & Co. Kg, 2017
[3] M. Myers: Overview of the Use of Silver in Connector Applications; Tyco Electronics, Harrisburg, PA, 2009
[4] DGO Precious metals professionals commitee, Electroplated Silver and Silver alloys including composites
[5] https://www.agosi.de/ek/ek.php/frontend/show_jahre/de; 3. Mai 2019
[6] https://www.wotech-technical-media.de/womag/ausgabe/2012/11/51_womag_imo_01_12/51_
womag_imo_01_12.php; 3. Mai 2019
[7] http://www.imo-oberflaechentechnik.com/versilbern.htm
[8] S. Nineva, S. Berger, F. Talgner: New Post-treatment Process with Enhanced Technical performance: Corrosion Protection for Electrocal Contacts; Jahrbuch Oberflächentechnik, 2016, Bd 72, Leuze Verlag
[9] https://www.metoba.de/wp-content/uploads/2015/10/Passivieren_von_Silber.pdf; 3. Mai 2019
- www..atotech.com