Materialeinsparungen bei Fahrwerkbauteilen: Auf den Korrosionsschutz kommt es an

Werkstoffe 07. 12. 2019

Von Christian Lenzmann, Dörken MKS, Herdecke

Innovative Leichtbauweisen versprechen insbesondere bei Fahrwerkteilen in Automobilen wie Gelenken, Bremsen, Federn, Lenkung und Rädern enorme Chancen für eine nachhaltige Gewichtsreduktion und somit auch Einsparungen im Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs. Wie eine aktuell von Dörken MKS beauftragte Studie zeigt, kommt es dabei aber auch auf den optimalen Korrosionsschutz an.

Hohe Belastung der Fahrwerkskomponenten

Das Fahrwerk im Auto überträgt die Kräfte zwischen Fahrzeug und Fahrbahn und ermöglicht darüber hinaus das Lenken und Bremsen. Die in diesem komplexen Verbund verbauten Teile – vor allem die Lenkelemente – sind im Straßenverkehr extremen Belastungen, wie zum Beispiel Schlaglöchern und Fahrbahnrissen ausgesetzt. Um ein ­sicheres Fahren zu ermöglichen, benötigt ein Auto daher verschiedene Quer-, Längs- und Verbundlenker. Die je nach Fahrzeugklasse aus Stahl oder Aluminium hergestellten Bauteile müssen eine möglichst hohe Knickfestigkeit aufweisen – dies wird in der Regel durch die Konstruktionsgeometrie und Materialstärke erreicht.

­Korrosionsschutzmöglichkeiten bei Fahrwerkteilen

Um die Funktionalität der Bauteile zu gewährleisten, müssen die jeweiligen Bauteile einen leistungsfähigen Korrosionsschutz erhalten. Die in der Praxis oftmals eingesetzte KTL-Beschichtung eignet sich vor allem für komplizierte Strukturen, große Stückzahlen und dringt auch in Hohlräume ein. Jedoch bietet die KTL nur einen passiven Korrosionsschutz – so kann schnell Korrosion in Form von Rost bei den verwendeten Eisenwerkstoffen auftreten, wenn die Lackschicht bis zum Substrat verletzt wird. Dieses Problem kann durch einen Zink- oder Zinklamellen-Basecoat in Kombination mit einem darauf abgestimmten Topcoat oder alternativ einer kathodischen Tauchlackierung gelöst werden. Damit wird ein hochleistungsfähiger kathodischer Korrosionsschutz erreicht. Die Beschichtungssysteme aus Zinklamellen empfehlen sich aufgrund der geringen Schichtdicken (8 µm-20 µm) zum Beispiel für Fahrwerkslenker sowie auch Hohlräume und angebaute Schweißmuttern.

Simulationsversuche zur ­Reduktion der Blechdicken

Vor diesem Hintergrund stellte sich Dörken MKS bei der Entwicklung zukunftsweisender Korrosionsschutzsysteme für den Leichtbau die Frage, welche Potenziale hinsichtlich der Gewichtseinsparung die Wanddickenreduk­tion - speziell bei Fahrwerksbauteilen - bieten kann. Im Rahmen einer vom ACS (Automotive Center Südwestfalen) durchgeführten Studie wurde dies anhand des vereinfachten Modells eines Fahrwerklenkers nach den ­Eulerschen Knickfällen untersucht.

Grund dieser Untersuchungsmethode ist der Umstand, dass Fahrwerkslenker in der Regel mit einer Wandstärke von 2,6 mm produziert und somit überdimensioniert werden. Dieser Risikoaufschlag rechnet mögliche Korrosionsschäden bereits mit ein und könnte – so die Annahme – durch den Einsatz eines optimalen Korrosionsschutzes reduziert werden.

Erfüllung der Knickfestigkeit

So wurde zunächst per Finite-Elemente-Methode ermittelt, wie sich das Modell (U-Profil aus Stahl) mit 2,6 mm Blechdicke bei Knicklast verhält (Abb. 1). Ergebnis: Das U-Profil knickte bei 49,2 kN aus. Da sich die Anforderungen der OEMs – je nach Fahrzeugmodell – auf nur etwa 35 kN belaufen, zeigte sich schon hier eine deutliche Überdimensionierung. Im Anschluss wurde durch eine Simulation untersucht, bis zu welcher Blechdicke das U-Profil unter einer gegebenen Knicklast von mindestens 35 kN reduziert werden kann – und zwar ohne die geforderte Knickfestigkeit zu vernachlässigen. Es zeigte sich, dass sich die Blechdicke des U-Profils auf etwa 2 mm verringern ließe. Das bedeutet eine mögliche Massenreduktion von bis zu 30 %.

Abb. 1: Die für die Studie erstellte vereinfachte Form eines Fahrwerklenkers, bestehend aus U-Profil mit Materialstärke 2,6 mm (Länge 300 mm) (Bildquelle: acs - Automotive Center Südwestfalen GmbH)

 

Korrosionsbelastung ­beschichteter Prüfkörper

In einem weiteren Versuch wurde der Einfluss von Korrosion auf die mechanischen Eigenschaften des Prüfkörpers mittels Drei-Punkt-Biege-Versuch (in Anlehnung an DIN EN ISO 14125) geprüft (Abb. 2 und 3). Zunächst wurde ermittelt, welche Biegesteifigkeit das Profil mindestens erfüllen muss. Bei einer Dicke der Referenzbleche von 2 mm ergab sich eine errechnete Biegesteifigkeit von 3,1 kN/mm. Folgende Systeme wurden im Anschluss praktisch untersucht:

  • 2-mm-U-Profile, beschichtet mit einem hochleistungsfähigen
    Zinklamellen-Basecoat sowie Topcoat von Dörken MKS
  • 2,6-mm-U-Profil mit einer Phosphatbeschichtung und anschließender KTL-Oberfläche

Daraufhin wurden die Prüfkörper im Knickbereich einem Steinschlag (DIN EN ISO 20567) sowie drei Korrosionsbelastungen ausgesetzt: der Salzsprühnebelprüfung (DIN EN ISO 9227), dem beschleunigten Korrosionstest II (ACT II) und der VDA-Prüfung (gemäß VDA 233-102).

Abb. 2: Die für den Knicklastfall ermittelte minimale Blechdicke von 1,95 mm wurde in unterschiedlichen 3-Punkt-Biegepüfungen validiert(Bildquelle: acs - Automotive Center Südwestfalen GmbH)

 

Abb. 3: Beispiel eines Kraft-Weg-Diagramms aus einem 3-Punkt-Biege-Versuch(Bildquelle: acs - Automotive Center Südwestfalen GmbH)

 

Zinklamellenbeschichtung mit bester Performance

Als Ergebnis konnte bei dem mit einem Zink­lamellensystem beschichteten Prüfkörper (2 mm Wandstärke) in keinem der drei Korrosionstests das Auftreten von Grundmetallkorrosion - auch bekannt als Rotrost-Befall - festgestellt werden. Dabei wurden trotz immenser Materialersparnissen Prüfzeiten von 1000 Stunden in der Salzsprühnebelprüfung und jeweils sechs Zyklen in den Klimawechseltests erreicht. Des Weiteren ließ sich – sowohl belastet als auch unbelastet – bei der 3-Punkt-Biegeprüfung eine Biegesteifigkeit zwischen 3,2 kN/mm und 3,4 kN/mm feststellen. Das 2,6-mm-U-Profil zeigte zum Vergleich bei gleichem Versuchsaufbau erkennbare Grundmetallkorrosion. Unbelastet wurde eine Biegesteifigkeit von circa 4 kN/mm ermittelt, nach Belastung lag diese zwischen 3,8 kN/mm und 3,9 kN/mm.

Fazit: Geringeres Gewicht durch ­effektives Beschichtungssystem

Die Studie zeigt, dass die in der Praxis als ­Sicherheitskomponente eingeplanten höheren Wandstärken mit Hilfe eines Zinklamellensystems eingespart werden können. Ein effektiver Korrosionsschutz kann somit – bei gleicher Bauteilperformance – zu Gewichtseinsparungen von rund 30 % führen.

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