Pro galvanisch Chrom – Positives Signal in schwieriger Zeit

Oberflächen 09. 12. 2019

Die Hansgrohe Group tätigt eine Millionen-Investition in einen Neubau für die Kunststoffgalvanikanlage am Standort ­Offenburg und unterstreicht damit die Bedeutung der galvanischen Verchromung für Sanitärteile

Mit dem Bau der neuen ­Kunststoffgalvanik am Standort Offenburg hat die Hansgrohe Group einen weiteren Meilenstein in ihrer Firmengeschichte gesetzt. 30 Millionen Euro investierte der international tätige Hersteller von innovativen Lösungen für Bad und Küche auf dem bestehenden Werksgelände in Elgersweier in das neue Gebäude samt Galvanikanlage. Diese wird in ihrem Endausbau die Kapazitäten zur Veredelung von Kunststoffprodukten mehr als verdoppeln. So ist das Unternehmen aus Schiltach für sein zukünftiges Wachstum bestens gerüstet. Eineinhalb Jahre nach der Grundsteinlegung im Oktober 2017 wurde die Großanlage im Frühjahr 2019 in Betrieb genommen. Mit der Millionen-Investition setzt der Armaturen- und Brausenspezialist aus dem Schwarzwald ein wichtiges Zeichen, für Kunden weltweit und für die Arbeitsplätze in der Ortenau.

30 Millionen Euro investierte die Hansgrohe Group in ihre neue Kunststoffgalvanik, die sich auf 10.000 Quadratmeter auf dem bestehenden Werksgelände in Offenburg Elgersweier erstreckt (Bild: Hansgrohe SE)

 

Produktionseffizienz auf 10 000 Quadratmetern

Das Gebäude der Kunststoffgalvanik wurde auf einer Fläche von 10 000 Quadratmetern auf dem bestehenden Hansgrohe-­Areal realisiert. Gleichzeitig wurden in der ­Halle Flächen für weitere Investitionen in Zukunftstechnologien vorgehalten. Der direkte Anschluss an Kunststoffspritzerei und Montage sorgt für effiziente Abläufe in der Produktion. Vor der Inbetriebnahme wurden jedes Jahr rund 18 Millionen Kunststoffteile im Werk Offenburg galvanisiert. Die neue Anlage liefert im Endausbau mehr als doppelt so hohen Output. Die bestehende Kunststoffgalvanik, die bei der Gründung des Produktionsstandorts Offenburg vor über 25 Jahren gebaut wurde, soll Anfang 2020 ­außer Betrieb genommen werden. Ein ­wichtiges Argument für den Neubau der Anlage in Offenburg-Elgersweier ist die hohe Fachkompetenz und Erfahrung der Mitarbeiter vor Ort. Die Investition sichert bestehende und schafft neue Arbeitsplätze in der Region.

Glänzende Teamleistung

Die Planung und der Bau der neuen Hansgrohe-Kunststoffgalvanik erstreckten sich über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren. Die neue Anlage ist nach Ansicht von Gesamtprojektleiter Benjamin Neumaier eine der größten und modernsten in Europa. Über die Projektlaufzeit hinweg waren mehr als 100 Kolleginnen und Kollegen am Projekt beteiligt. Dazu kamen zahlreiche externe Partner, wobei es weltweit nur wenige Anbieter für solche Großanlagen gibt, so Neumaier. Ein Projekt dieser Art stellt alle Beteiligten vor enorme Herausausforderungen. Es müssen nicht nur hohe gesetzliche Anforderungen erfüllt werden, wie beispielsweise das Genehmigungsverfahren gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), bei dem verschiedenste Behörden und Stake­holder involviert sind. Auch unsere haus­internen Ansprüche an Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind hoch, wie Neumaier, der seit elf Jahren bei Hansgrohe tätig ist, betont. Gelungen ist das Projekt nach Aussage des Projektleiters insbesondere auch durch die exzellente Zusammenarbeit der erfahrenen Kollegen aus den beteiligten Fachbereichen und deren hohe Fachkompetenz. Die entstandene Anlage besitzt aufgrund der zahlreichen Detaillösungen mit optimaler Einbindung in das Gesamtkonzept eine außerordentliche Effizienz. Die ­Konzeption des Gesamtgebäudes der neuen Galvanik­abteilung und die Anlagenkonzeptionierung wurden eng aufeinander abgestimmt und ermöglichten so die Realisierung einer hochmodernen und zukunftsorientierten Beschichtungsanlage.

Benjamin Neumaier (li.) und Thorsten Pohl stellten die neue Galvanik im Detail vor

 

Anlagen und Verfahrenstechnologie

Zur Herstellung der Sanitärteile in Offenburg werden die klassischen, galvanisierbaren ABS-Kunststoffe eingesetzt. Diese werden in der direkt an die Galvanik angrenzenden Produktion durch Kunststoffspritzen hergestellt und durch werksinterne Logistik angeliefert.

Nach einer standardmäßigen ­Vorreinigung erfolgt im ersten Arbeitsschritt die erforderliche Aktivierung der Oberfläche. Für ABS-­Kunststoffe ist dies das Beizen in Chrom-Schwefelsäure. Hierbei werden die an der Oberfläche befindlichen Budatienphasen aufgelöst, wodurch kavernenartige Vertiefungen in der Größenordnung von wenigen Mikrometern Durchmesser entstehen. Nach einer gründlichen Spülung der Teile werden im zweiten Schritt Palladium-Zinn-Verbindungen in Form einer sogenannten kolloidalen Lösung angelagert und anschließend in metallische Kristalle beziehungsweise Keime umgewandelt. Diese Keime dienen in einem weiteren Schritt zur stufenweisen Bildung ­einer geschlossenen metallischen Schicht über die gesamte Kunststoffoberfläche.

Aufgrund der kavernenartigen ­Vertiefungen in der Kunststoffoberfläche, die ­vollständig von der aufwachsenden Schicht gefüllt werden können, entsteht eine intensive Verbindung zwischen Kunststoff und Metallschicht. Diese Verbindung lässt sich anschaulich als eine Art Druckknopf beschreiben, wobei die Zahl an erzeugten Druckknöpfen sehr hoch ist. Die Gesamtschicht selbst besteht aus 20 µm bis 30 µm Kupfer und 5 µm bis 20 µm Nickel, wobei die Auswahl der Metalle vor allem auf verfahrenstechnischen Gründen basiert. Die galvanischen Kupferverfahren zeichnen sich durch günstige Abscheidebedingungen und eine deutliche Erhöhung des Glanzgrades aus. Zudem ist Kupfer ein relativ duktiler Werkstoff, was beispielsweise im Hinblick auf die Wärmebelastung im Einsatz vorteilhaft ist. Nickel besitzt eine hohe Härte und stellt damit eine gute Basis für die abschließende Chromdeckschicht dar.

Die Mehrlagenschicht aus Kupfer, Nickel und Chrom weist eine sehr gute Korrosions­beständigkeit auf. Die Chromschicht verfügt darüber hinaus über ein hohe Kratzbeständigkeit, einen sehr hohen Glanz, eine exzellente Lichtreflexion, eine ansprechende Farbe oder auch eine dauerhafte Reinigbarkeit. Ähnliche umfangreiche Eigenschaften sind von Edelstahl bekannt. Allerdings wird durch die Kombination aus Kunststoff, der die Form und Funktion des Produkts liefert, und der galvanisch aufgebrachten Mehrfachschicht aus Kupfer, Nickel und Chrom eine kaum zu übertreffende Ressourceneffizienz erzielt.

Neben einem sehr geringen Materialeinsatz und gleichzeitig überragenden Eigenschaften zeichnen sich die galvanotechnischen Beschichtungsverfahren dadurch aus, dass große Teilemengen zeitgleich den Bearbeitungsprozess durchlaufen, und damit geringe Taktzeiten erzielt werden. Schließlich beruhen alle Prozessschritte auf chemischen und elektrochemischen Reaktionen in wäss­rigen Lösungen, die sicher und zuverlässig nutzbar sind und mit den bei Hansgrohe eingesetzten Technologien keine Umweltbelastung darstellen.

Erreicht wird dies unter anderem durch ein modernes Abluftmanagement. An allen Arbeitspositionen mit Emissionspotenzial wird die Luft direkt über den Medien (Reinigung, Beizen, Abscheidelektrolyte) abgesaugt und einer angepassten Reinigung zugeführt. Mittels Wärmerückgewinnung wird zudem keine Energie als Warmluft ungenutzt abgegeben. Eine ebenfalls bestmögliche Energienutzung wird bei der Trocknung der Teile am Ende des Prozesses erzielt. Die dort installierte Kondensationstrocknung (Harter GmbH) bietet eine garantiert fleckenfreie Trocknung der galvanisch beschichteten Teile und zeichnet sich zudem dadurch aus, dass die Luft zum Trocknen im Kreis geführt wird und die Trocknungstemperatur bei lediglich 40 °C bis 70 °C liegt.

Anlagenschema (oben) und Blick auf die Anlage im Betrieb (Bilder: Hansgrohe SE)

 

Ein weiterer wichtiger Anlagenbereich betrifft das Wasser-/Abwassermanagement. Abwasser fällt in der Regel bei den erforderlichen Spülschritten nach den verschiedenen Arbeitspositionen an. Üblich sind in galvanischen Prozessen zwischen zwei und vier Spülschritte. Dabei fallen unterschiedlich verunreinigte Abwässer an. Diese werden beispielsweise in Behältern mit mehreren Kubikmetern Fassungsvermögen gesammelt und aufgearbeitet. Alternativ bieten einige Prozessarten auch die Möglichkeit, anfallendes Abwasser einer parallel geschalteten Aufarbeitung mit Ionenaustauschern zu unter­ziehen und direkt in den Prozess zurückzugeben. In allen Fällen wird so weit als möglich das verwendete Wasser im Kreislauf genutzt, und so die Abwassermenge niedrig gehalten. Die ausgetragenen Metalle, vor allem Kupfer, Nickel und Chrom werden nach einer standardmäßigen Aufarbeitung zur Wiederverwertung abgegeben.

Die Anlage bei Hansgrohe ist mit allen Verfahren und Technologien ausgestattet, die sowohl eine maximale Effizienz und Zuverlässigkeit des Gesamtprozesses gewährleisten als auch die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter und die Umweltbelastung auf ein absolutes Minimum reduzieren. Optimale Arbeitsbedingungen bieten beispielsweise die ergonomisch gestalteten Arbeitsplätze beim Aufstecken und Abnehmen der Teile, die den Mitarbeitern neben bestmöglicher Beleuchtung ein aufrechtes Stehen erlauben. Die Beschichtungsanlage ist allseitig bestmöglich zugänglich, ebenso alle peripheren Anlagenteile sowie die Anodenkörbe an den Befüllstationen (zur Ergänzung des abgeschiedenen Kupfer- und Nickelmetalls). Der Zugang zur Anlage ist aufgrund des vollautomatischen Betriebs kaum erforderlich. Dies wird unter anderem durch die vollautomatische Zudosierung der verbrauchten Stoffe erreicht. Überwacht werden die Prozesse über umfangreiche Analysen im hauseigenen ­Labor.

Zur Absicherung der gesamten Anlage dient vor allem der moderne Brandschutz über spezielle Rauchmelder sowie die heute standardmäßig vorgesehene Sicherung zur Löschwasserrückhaltung - hier kann ein mehrfaches Volumen der eingesetzten wässrigen Prozesse im Gebäude gehalten und so eine Umweltgefährdung nahezu ausgeschlossen werden. Damit die häufig auftretende starke Wärmeentwicklung an den elektrischen Kontaktstellen (Kathodenkontakte an den Elektrolytpositionen) vermieden wird, sind diese mit einer Temperaturüberwachung ausgestattet. Selbst gegen Erdbeben, die im Rheingraben nicht ungewöhnlich sind, wurden an der Anlage geeignete Sicherungsmaßnahmen angebracht.

Details der neuen Galvanik bei Hansgrohe in Offenburg: Abscheidestation für Kupfer in Betrieb (oben), bestückter Warenträger vor dem Beschichten (Mitte rechts), Ionenaustauscherreihe für die Abwasserbehandlung (unten rechts) und Arbeitsstation für das Befüllen der Anodenkörbe (Bilder: Hansgrohe SE)

 

Mittels vollautomatisch arbeitenden Dosierpumpen werden verbrauchte Chemikalien der Elektrolyte aus dem umfangreichen Chemikalienlager in anlagennähe ergänzt(Bild: Hansgrohe SE)

 

Dekorative Verchromung und REACh

In den letzten Jahren stand vor allem die Technologie der galvanischen Verchromung unter einem erheblichen Druck. Grund ist die Toxizität des für die Verchromung benötigten Chromats (auch als Chromsäure bezeichnete Chrom(VI)verbindung, CrO3). Auch wenn bisher in Deutschland kaum ernsthafte Unfälle oder Langzeitschäden durch Chromat in galvanischen Betrieben nachgewiesen werden konnten, hat die EU-Gesetzgebung mit der Europäischen Chemikalienverordnung REACh entschieden, Chrom(VI)verbindungen langfristig soweit als möglich nicht mehr einzusetzen. Dies betrifft jedoch nicht die Verwendung von metallischem Chrom, das als eines der wichtigsten Gebrauchsmetalle in Form von galvanischen Oberflächen unersetzlich ist.

Durch die EU-Gesetzgebung ist es erforderlich, das bisherige Verfahren unter Verwendung von Chrom(VI) durch alternative Verfahren zu ersetzen. In Betracht kommen Elektrolytsysteme auf Basis einer Chrom(III)verbindung. Allerdings zeigen die daraus hergestellten Schichten in Bezug auf Eigenschaften wie Kratz- und Abriebbeständigkeit, Korrosionsbeständigkeit oder Farbkonstanz, deutliche Nachteile, auch steigen die Herstellkosten. Soweit diese Nachteile gegenüber den EU-Behörden sicher nachgewiesen werden können, erhalten Anwender im Bereich der Galvanotechnik auf Antrag eine zeitlich begrenzte Genehmigung, eine sogenannte Autorisierung, die Verbindung Chrom(VI) auch weiterhin einzusetzen.

Die Hansgrohe Group hat einen ­Einzelantrag gestellt, um die galvanische Verchromung für die von ihr gefertigten Sanitärteile weiterhin mit den bewährten Verfahren auf Basis von Chrom(VI)verbindungen nutzen zu können. Der dafür notwendige, umfang­reiche Antragsprozess setzt sich unter anderem mit alternativen Verfahren, mit Emissionen im Bereich der galvanischen Abscheidung oder mit dem sicheren Beherrschen der Prozess­technik auseinander. Vor kurzem wurde dem Antrag der Hansgrohe Group seitens der EU-Behörden stattgegeben und zwar mit der sehr erfreulichen Autorisierungsdauer von zwölf Jahren (dem derzeit höchstmöglichen Bewilligungszeitraum).

Zu diesem sehr positiven Ergebnis hat sicher beigetragen, dass die Vorbehandlung der Kunststoffe mit Chrom-Schwefelsäure sowie die Verchromung auf genau beschreibbaren Produkten (hier Sanitärteile) erfolgen. Zudem konnte Hansgrohe im Antrag unter anderem nachweisen, dass die Emissionen in der Fertigung deutlich unter den zulässigen Grenzwerten liegen, die Prozesstechnik sicher beherrscht wird und dass keine Gefahr für Arbeitskräfte oder Umwelt vorliegt. Insbesondere konnte belegt werden, dass die derzeitigen Alternativen die notwendige Produktqualität von Hansgrohe nicht erfüllen.

Doch trotz der Produktionssicherheit für die nächsten zwölf Jahre ist die neue Galvanikanlage so konzipiert, dass Verfahrenserweiterungen – soweit sie für Alternativverfahren für Chrom(VI) erforderlich wären – ohne großen Aufwand möglich sind. Die Anlage verfügt über entsprechende Freiflächen und Anbindungsmöglichkeiten für weitere Beschichtungsvarianten, zum Beispiel der Abscheidung von Chrom aus Chrom(III)elek­trolyten.

Standortsicherung im Raum Offenburg

Die Hansgrohe Group mit Sitz in Schiltach, Baden-Württemberg, zählt mit ihren Marken AXOR und hansgrohe in Innovation, Design und Qualität zu den weltweit führenden Unternehmen der Bad- und Küchenbranche. Mit ihren Armaturen, Brausen und Duschsystemen gibt die Hansgrohe Group dem Wasser Form und Funktion und steht für langlebige Qualitätsprodukte. Ihre hohen Qualitätsstandards gewährleistet die Hansgrohe Group durch die Produktion an den fünf eigenen Produktionsstandorten, von denen sich zwei in Deutschland, sowie je einer in Frankreich, in den USA und in China befinden. 2018 erwirtschaftete die Hansgrohe Group einen Umsatz von 1,081 Milliarden Euro. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 4700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon über 60 Prozent in Deutschland.

Mit dem neuen Werksteil Galvanik setzt der Armaturenhersteller seine Strategie zur Herstellung von hochwertigen Produkten mit exzellenter Technologie sowie motivierten, kompetenten und erfahrenen Fachkräften fort. Er bekennt seine regionale Verbundenheit – Produktion zu 80 Prozent in Deutschland, mit Offenburg heute als wichtigstem Standort – und zeigt die Stärke der deutschen Industrie in Bezug auf hohe Innovationskraft. Mit dem Projekt Galvanik sendet das Unternehmen aber auch ein dringend benötigtes Signal an die deutsche und europäische Branche der galvanischen Oberflächentechnik: Galvanotechnische Oberflächen haben ihre Berechtigung und sind nach wie vor eine unersetzliche Schlüsseltechnologie.

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