Messinglegierungen: Typische Korrosionsformen sowie eine Möglichkeit zur Prüfung der Spannungsrisskorrosionsempfindlichkeit

Werkstoffe 07. 02. 2020

Von Dr. Simon Oberhauser, Neustadt/Donau

Messing unterliegt im Gebrauch unter bestimmten Bedingungen einer Korrosion durch Auflösung des Zinkanteils der ­Legierung, der sogenannten Entzinkung. Die Erscheinungsform der Zinkauflösung ist von der Zusammensetzung der ­Legierung abhängig. Eine weitere Schadensform ist Spannungsrisskorrosion, vor allem bei Legierungen mit hohem Zinkgehalt. Mit einer neu entwickelten Methode lässt sich die Anfälligkeit von Messing auf Spannungsrisskorrosion zuverlässig prüfen und damit eine Schädigung im Einsatz eingrenzen.

Im industriellen und im privaten Bereich werden verschiedenste ­Messinglegierungen (Kupfer-Zink-Legierungen) eingesetzt. Der Anwendungsbereich reicht von ­Armaturen über Ventile bis hin zu Anwendungen im ­Automobilbereich. Armaturen werden weitgehend gießtechnisch hergestellt. Messinglegierungen sind auch als Stangenware verfügbar und dienen damit als Vormaterial für spanende Fertigungsprozesse zur Bauteilherstellung. Die Festigkeit von Messingen wird im Wesentlichen durch Kalt­umformung erreicht. Je nach Zinkgehalt der Messing-legierung liegt diese einphasig als reine α -Legierung (bis ca. 38 % Zink) oder auch zweiphasig als α-β-Legierung (~38 %– 46 % Zink) vor (Abb. 1).

Abb. 1: Auszug aus dem Kupfer-Zink-Phasendiagramm nach [1]

 

Unter Korrosionsbedingungen kommt es an Messingwerkstoffen immer wieder zu Korrosionsfällen. Besonders die hoch zinkhaltigen zweiphasigen Legierungen sind dafür anfällig. Bei Schadensuntersuchungen in der Laborpraxis wurden sehr häufig die Entzinkung und die Spannungsrisskorrosion gefunden.

1 Beispiele Entzinkung

Messingfittinge aus CuZn38 (Pb) zeigen nach etwa 13 Jahren Einsatz in warmem, eher weichem Wasser (< 50 °C; ca. 5 °dH–8 °dH, ca. 20 mg/l Chloride) flächige Entzinkung bis zu einer Tiefe von etwa 1,2 mm (Abb. 2). Bei der Entzinkung wird die zinkreichere, elektrochemisch etwas unedlere β-Phase des Gefüges selektiv aufgelöst, was dem Typus der selektiven Korrosion entspricht. Die freiwerdenden Kupferionen werden hier sehr oft wieder metallisch rückzementiert im Gefüge als kupferfarbene Ausfällung gefunden. Der Grund dafür liegt im elektrochemisch sehr edlen Werkstoffcharakter von Kupfer; das Redoxpotential der Ausfällungsreaktion (Kupfer­ionen zu metallischem Kupfer) liegt höher als das Redoxpotential des umliegenden Materials, das bei dieser Reaktion dann entsprechend oxidiert, also korrodiert wird. In den Korrosionsprodukten kann in diesem Fall mittels EDX auch die Anwesenheit von Chloriden nachgewiesen werden.

Abb. 2: Metallographische Schliffbilder einer Legierung CuZn38(Pb) mit flächiger Entzinkung

 

Abb. 3: Metallographische Schliffbilder einer CuZn40Pb2-Legierung mit pfropfenartiger Entzinkung; Makrobild (links) und metallographischer Schliff (rechts)

 

In einem anderen Fall wurde an Messing­armaturen aus CuZn40Pb2, die nach etwa vier Jahren lokale Undichtigkeiten aufwiesen, pfropfenartige Entzinkung gefunden (Abb. 3). Auch hier ist wieder die Rückzementation von metallischem Kupfer im Bereich der ­herausgelösten β-Phase festzustellen. Die Armaturen waren in einem offenen Kühlkreislauf verbaut (T = 25 °C-30 °C; Wasserhärte 7 °dH–13 °dH; Chloride vorhanden).

Ob es zu flächiger oder propfenartiger Entzinkung kommt wird im Allgemeinen durch den Chloridgehalt im Zusammenhang mit der Wasserhärte beziehungsweise der Säurekapazität gesehen. Dabei lässt sich grundsätzlich feststellen, dass niedrige Wasserhärten in Kombination mit hohen Chloridgehalten häufig zu pfropfenartiger Entzinkung an zweiphasigen Messinglegierungen führen.

2 Spannungsrisskorrosion (SPRK)

Sehr häufig wird aber auch bei Messing­legierungen - insbesondere wieder bei hoch zinkhaltigen zweiphasigen Legierungen - in verschiedensten Anwendungen Spannungsrisskorrosion gefunden.

Zum Auftreten von Spannungsrisskorrosion allgemein müssen jedoch drei Bedingungen erfüllt sein:

  • sensibler Werkstoff
  • auslösende Medien
  • Zugspannungen (sowohl äußere Spannungen aber auch innere Spannungen, z. B. aus der Herstellung oder der Montage wie Kaltverfestigung oder Thermospannungen möglich)

Auslösende Medien sind bei Messinglegierungen jedoch sehr unspezifisch. Als spannungsrisskorrosionsauslösend gelten insbesondere Ammoniak und seine Verbindungen (Ammonium, Nitrate), aber auch Carbonate, Phosphate sowie Schwefelverbindungen. Chloride werden in diesem Zusammenhang weniger in Quellen genannt. Makroskopisch sowie mikroskopisch charakteristisch für Spannungsrisskorrosion ist der verformungsarme Bruch, oft ohne nennenswerte Bildung von Korrosionsprodukten.

2.1 Fallbeispiel

Ein Temperaturfühler aus CuZn38As zeigte nach kurzer Betriebszeit in einem Warmwasserkreislauf Undichtigkeit. Bei der durchgeführten metallographischen Schadensanalyse wurden lokal interkristalline Rissverläufe ohne jegliche Anzeichen von Verformung im Bruchbereich gefunden. Im geätzten Zustand wurde an diesem Teil typisches α-Messinggefüge festgestellt, aber keine β-Phasenausscheidungen (Abb. 4). Reste des auslösenden Promotors für Spannungsrisskorrosion konnten allerdings nicht mehr nachgewiesen werden. Die auslösenden Spannungen sind hier in den Kaltverformungen aus der Herstellung des Rohmaterials beziehungsweise Bauteils zu suchen.

     

Abb. 4: Metallographische Schliffbilder einer Legierung CuZn38As mit Ausfall aufgrund von Spannungrisskorrosion, interkristallin verlaufend; ungeätzt metallographischer Schliff (links) und geätzter metallographischer Schliff (rechts)

 

2.2 Versuch zur Erprobung der Spannungsrisskorrosionsanfälligkeit

Um verschiedene Messinglegierungen in ihrem Spannungsrisskorrosionsverhalten miteinander vergleichen zu können, wurde in Anlehnung an DIN EN ISO 7539-7 ein Langsamzugversuch bei einer Dehnrate 10-6 1/s für verschiedene wässrige Korrosionsmedien mit der in Abbildung 5 gezeigten Probenform aufgebaut sowie an ausgewählten Messinglegierungen erprobt. Dabei wurde pro untersuchtem Werkstoff immer das Langsamzugverhalten an Luft mit dem Verhalten unter Beaufschlagung der zu prüfenden Medien verglichen. Als Prüfmedien wurden Ammoniumnitrat (120 g/l, eingestellt auf pH 7,1), Natriumsulfat (250 ppm Sulfat (SO42-), eingestellt auf pH 4) sowie Natriumchlorid (2 % Chlorid (Cl-), eingestellt auf pH 4) ausgewählt. Ein Auszug der untersuchten Werkstoffe sowie Ergebnisse sind in den Abbildungen 6 und 7 dargestellt.

Abb. 5: Probenform für Langsamzugversuch

 

Abb. 6: Ergebnisse der durchgeführten Spannungsrisskorrosionsversuche als Langsamzugdiagramme an CuZn39P3 (CW614N) (links) und an CuZn38As (CW511L) (rechts)

 

Abb. 7: Metallographische Schliffanalysen an zweiphasigem Gefüge CuZn39Pb3 unbelastet (a), einphasigem Gefüge CuZn38As unbelastet (b), exemplarischer Nebenriss mit vorwiegend interkristallinem Verlauf in Ammoniumnitratlösung (NH4NO3) bei CuZn39Pb3 (c), exemplarische Nebenrisse in NH4NO3 mit transkristallinem Verlauf bei CuZn38As (d), exemplarischer Nebenriss mit interkristallinem Verlauf in Natriumsulfatlösung (Na2SO4) bei CuZn39Pb3 (d) sowie exemplarischer Nebenriss in Na2SO4 mit vorwiegend interkristallinem Verlauf bei CuZn38As (f)

 

In den Versuchsergebnissen (Abb. 6) zeigt sich klar, dass die Anfälligkeit für Spannungsrisskorrosion bei Ammoniumnitrat immer am stärksten ausgeprägt ist. Beim leicht angesäuerten Medium mit Sulfaten nimmt die Empfindlichkeit für ­Spannungsrisskorrosion offensichtlich mit sinkendem Zinkgehalt ­beziehungsweise mit dem Übergang von zweiphasigem auf einphasiges Gefüge signi­fikant ab. Beim leicht sauer eingestellten Elektrolyten mit Chloriden ist im Vergleich zum Luftzugversuch keine signifikante spannungsrisskorrosionsfördernde Wirkung in den durchgeführten Versuchen erkennbar.

Die metallographische Schliffanalyse im Ausgangszustand (Abb. 7a, 7b) bestätigt für CuZn39Pb3 (CW614N) zweiphasiges Gefüge, wohingegen bei der Legierung CuZn38As (CW511L) einphasiges Gefüge vorliegt. Je nach Legierung und Medienbelastung ist die Ausprägung der gefundenen Risse trans- oder interkristallin. Bei der zweiphasigen Legierung liegen vorwiegend interkristalline Risse (Abb. 7c, 7e) vor, wohingegen bei CuZn38As (Abb. 7d, 7f) auch transkristalliner Rissverlauf detektiert wurde.

Mit dem Versuchsaufbau steht nun eine gute Möglichkeit zur Verfügung, die Spannungs­risskorrosionsbeständigkeit verschiedener Messinglegierungen auch in Abhängigkeit ­ihrer Härte beziehungsweise Kaltverfestigung in unterschiedlichen wässrigen Medien zu charakterisieren.

Literatur

[1] A.P. Miodownik; in ASM International: Binary Alloy Phase Diagramms second edition plus updates, 1996

Kontakt

InnCoa GmbH, Trepfenau 6, D-93333 Neustadt/Donau; Tel.: +49 9445/2054190; E-Mail: oberhauser@inncoa.de

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